Zoom H6 Handy Recorder Mobiles Aufnahmegerät mit sechs Kanälen im Test
von Dr. Andreas Hau, Artikel aus dem Archiv
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Seit er auf der Musikmesse vorgestellt wurde, wartet die Fachwelt gespannt auf Zooms neusten Mobilrekorder H6. Auswechselbare Mikrofone, sechs Kanäle, ein Farbdisplay und sogar richtige Regler — der nächste Paukenschlag des Marktführers? Wir haben eins der ersten Geräte aus der Serienproduktion getestet.
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Für die Hosentasche ist das Gerät zu groß. Der Zoom H6 präsentiert sich als eine Art Modularsystem mit Aufsteckmikrofonen und wird in einem Plastikköfferchen geliefert. Bereits der nackte Rekorder misst 153 x 78 x 48 mm und bringt 280 g auf die Waage. Dazu kommen die je knapp 60 mm langen mitgelieferten Aufsätze für XY- und MS-Stereoaufnahmen, die frontseitig über einen zehnpoligen Steckverbinder angedockt werden; für wackelfreien Halt sorgt eine robuste Schnellverriegelung. Am Gerät selbst sind Combibuchsen in die Gehäuseflanken eingelassen; der XLR-Teil kann für externe Kondensatormikrofone Phantomspeisung bereitstellen.
Die Gain-Reglung der einzelnen Kanäle erfolgt nicht wie so oft über Tipptasten, sondern ganz old-school über richtige Potis. Und zwar für jeden Kanal einzeln − was allerdings einen präzisen Stereoabgleich erschwert. Auch die Mikrofonaufsätze verfügen über eigene Gain-Potis, hier allerdings für beide Kanäle gemeinsam. Für die vier in die Zentraleinheit integrierten Eingänge lässt sich außerdem eine Vordämpfung (−20 dB) aktivieren, die gleichzeitig als eine Art Mic/Line-Umschaltung fungiert. Schön: Mit Pad können die Inputs bis +22 dBu verarbeiten − das entspricht in etwa dem maximalen Ausgangspegel eines Profi-Mischpults.
Sämtliche für die Aufnahmepraxis relevanten Funktionen sind direkt zugänglich, wobei der Record-Schalter von einem schützenden Rand umgeben ist, um nicht versehentlich betätigt zu werden. Dazu kommt ein Satz von sechs Tastern, die die entsprechenden Spuren in Aufnahmebereitschaft versetzen − die ersten beiden Spuren übrigens nur gemeinsam als Stereopaar, die übrigen vier auch einzeln.
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Das untere Drittel der Gehäuseoberseite nimmt ein grafikfähiges Farbdisplay ein. Die Aufteilung mit dem Display unten ist etwas ungewöhnlich, macht aber Sinn, denn üblicherweise wird man den H6 in einer liegenden Position betreiben, etwa neben dem Mischpult, auf einer Videokamera oder wie im Bild gezeigt auf einem Stativ. Und dann befindet sich das angewinkelte Display in optimalem Blickwinkel.
Als Aufnahmemedium dienen SD bzw. SDHC- oder die neuen hochkapazitiven SDXC-Karten bis 128 GB. Da ja sechs Spuren gleichzeitig aufgenommen werden (bzw. sogar acht − dazu später mehr) in maximal 24 Bit/96 kHz, muss die Speicherkarte einiger-maßen flotte Schreib-/Leseraten erreichen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, zu Medien mit hoher Kapazität zu greifen, denn das Datenaufkommen ist ja deutlich größer als bei einem üblichen Stereo-Fieldrecorder. Beigelegt ist indes nur eine SD-Karte mit 2 GB Speicherplatz. Praktisch: Das Display zeigt unten rechts an, wie viel Aufnahmezeit beim gewählten Aufnahmeformat noch verbleibt.
Anders als übliche Mobilrekorder verfügt der Zoom H6 nicht nur über einen Kopfhörerausgang, der zur Not auch als Line-Out herhalten muss, sondern vorne, unterhalb des Displays, auch über einen »richtigen« Line-Ausgang. Dieser ist allerdings wie der Kopfhörerausgang als Stereo-Miniklinke ausgeführt, d. h. unsymmetrisch. Direkt daneben liegt ein Remote-Anschluss − eine entsprechende Fernbedienung liegt aber nicht bei, sondern wird demnächst innerhalb eines Zubehörpacks (APH-6, ca. 40 Euro) angeboten, in dem außerdem noch ein Fellwindschutz und ein Netzteil enthalten sind.
Wandler und Preamps
Wie bei Zoom üblich, lässt sich der H6 auch als Audiointerface nutzen. Am Mac sind alle sechs Eingangskanäle und der Stereoausgang ohne Treiberinstallation sofort nutzbar. Für Windows Vista, 7 und 8 bietet Zoom dedizierte ASIO-Treiber an, und zwar für 32- und 64-Bit-Systeme. Die Niedriglatenz-Performance unter Mac OS X ist durchaus praxistauglich; der Windows-Treiber dagegen ist recht lahm; seine Ausgangslatenz liegt im günstigsten Fall bei 14 ms. Darüber hinaus lässt sich der H6 sogar am iPad betreiben (was ich leider nicht ausprobieren konnte), allerdings nur im Stereomodus mit zwei Ein und Ausgängen und beschränkt auf 16 Bit bei 44,1/48 kHz. Aber immerhin!
Die internen Wandler sind gar nicht mal schlecht (siehe Kasten ›Messwerte‹). Limitierender Faktor ist hier lediglich der Wiedergabewandler. Mit einem Dynamikumfang von 102 dB und einem Klirrfaktor von 0,003% erreicht der AD-Wandler Werte, die noch vor fünf Jahren typisch für ein Mittelklasse-Audiointerface gewesen wären. Freunde hochauf lösender Audioformate wird erfreuen, dass der AD-Wandler des Zoom H6 bei seiner maximalen Abtastrate von 96 kHz bis 40 kHz praktisch schnurgerade bleibt. Respekt!
Den Unterschied zu ausgewachsener Studiohardware merkt man am ehesten an den Mikrofonvorverstärkern. Das Eingangsrauschen ist mit −120 dBu spezifiziert. Hört sich imposant an, ist aber um ca. 8 dB schlechter als bei einem guten Studio- Preamp − der in den meisten Fällen freilich schon teurer ist als der komplette Zoom H6. Auffällig ist das höhere Rauschen nur in Verbindung mit dynamischen Mikrofonen, denn bei Kondensatormikros dominiert aufgrund des höheren Ausgangspegels das Mikrofon-Eigenrauschen die Gesamtbilanz. Soll heißen: Wer mit Bändchenmikros arbeitet oder audiophile Meisterwerke schaffen möchte, sollte einen externen Preamp bemühen. Für einfache Aufgaben bzw. nicht ganz so leise Quellen reichen die internen Mikrofonvorverstärker aus.
Die Mikrofone
Mitgeliefert werden ein XY- und ein MS-Mikrofonaufsatz. Angekündigt, aber zum Testzeitpunkt noch nicht lieferbar, sind ein Richtrohr-Mikrofonaufsatz sowie ein Modul mit weiteren zwei Mic/Line-Eingängen als XLR/Klinke-Kombibuchse. Im Gegensatz zu den ins Gerät integrierten Mikrofoneingängen liefert das Input-Modul aber keine Phantomspeisung.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
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Die Mikrofone in der Praxis
Die Klangqualität beider Mikrofonaufsätze ist sehr gut – wie unsere Messungen belegen, ist das Frequenzverhalten sehr ausgewogen. Die Plots der Kapseln des XY-Moduls sind nahezu deckungsgleich und zeigen nur geringe Off-Axis-Verfärbungen. Das Resultat ist ein stabiles Stereobild mit präziser Ortung. Die für den Klangcharakter entscheidenden Mitten werden weitgehend linear abgebildet, während in den oberen Frequenzen eine leichte Präsenzanhebung um 5 kHz und eine geschmackvolle Höhenanhebung bei 12 kHz für zusätzliche Brillanz sorgen. In den Bässen flacht die Wiedergabe unterhalb 100 Hz allmählich ab. Teure Studiomikros agieren in den tiefen Frequenzen etwas druckvoller, aber für einen Mobilrekorder ist der schlanke Bass normal und für die meisten Anwendungen auch sinnvoll, da in unbehandelten Räumen die tiefen Frequenzen aufgrund von Resonanzen überbetont werden.
Das MS-Mikro zeichnet ein ganz ähnliches Klangbild, naturgemäß aber mit präziserer Erfassung der Stereomitte. Ein wichtiger Unterschied zeigt sich im Grenzschalldruckpegel. Das XY-Modul ist mit 136 dB SPL deutlich pegelfester als das MS-Modul mit nur 120 dB SPL. Für laute Quellen wie Drums sollte man daher lieber das XY-Mikro aufsetzen.
Im direkten Vergleich mit dem Zoom H2n, der ja ebenfalls über XY- und MS- Stereoanordnungen verfügt, schien mir der Klangunterschied bei Verwendung der MS-Mikros minimal; ich vermute, dass die gleichen Elektret-Kondensatorkapseln zum Einsatz kommen. Etwas besser ist jedoch das Transientenverhalten des Zoom H6, was mit der höheren Betriebsspannung zusammenhängen mag. Der Zoom H6 verwendet vier AA-Batterien à 1,5 Volt, der H2n nur zwei.
Deutlich größer ist der Unterschied bei Verwendung der XY-Mikros. Hier wirkt der H6 hörbar spritziger, transparenter, dynamischer, während der H2n in den unteren Mitten etwas mulmt. Auffällig ist das beispielsweise, wenn man an der Akustikgitarre etwas härter in die Saiten haut. Die XY-Mikros des H6 agieren zudem etwas rauschärmer als die des H2n. Unterm Strich ist der H6 schon recht nah an »ausgewachsener« Studioqualität.
Im Außeneinsatz zeichnet der H6 ein plastisches Stereobild mit präziser Ortung. Vorbeifahrende Autos und auf den Bäumenzwitschernde Vögel lassen sich punktgenau lokaliseren. Die Windempfindlichkeit der mitgelieferten Mikros ist moderat. Bis zu einer leichten Brise genügt der beigelegte Schaumstoff-Windschutz, der primär für den XY-Aufsatz zugeschnitten ist, aber auch auf dem MS-Kopf Halt findet.
Extras
Natürlich bietet der Zoom H6 alles, was man von Mobilrekordern inzwischen gewohnt ist. Man spürt aber, dass die Entwickler sich bemüht haben, ein seriöses Gerät ohne unnötigen Schnickschnack zu schaffen, das primär Profis und Semiprofis ansprechen soll.
Für alle Eingänge getrennt aktivierbar sind ein variabler Low-Cut sowie ein Kompressor/Limiter mit verschiedenen Programmen. Eins der kaufentscheidenden Extras sind die XLR-Eingänge mit individuell zuschaltbarer Phantomspeisung. Letztere kann mit 12, 24 und 48 Volt betrieben werden. Sinnvoll ist m. E. nur die 48V-Einstellung. Phantomspeisungsvarianten mit niedrigerer Spannung existieren noch auf dem Papier, sind in der freien Wildbahn aber weitgehend ausgestorben. Zudem liefern die 12- und 24- Volt-Einstellungen zwar die korrekten Spannungen, nicht aber die vorgesehene Stromleistung. Die P48-Einstellung arbeitet hingegen spezifikationskonform − was für ein mobiles Gerät mit Batteriespeisung keine leichte Übung ist! Die Spannung liegt mit 47 Volt locker im Toleranzbereich von ±4 Volt, und der Maximalstrom beträgt satte 14 mA. Trotzdem sollte man vielleicht nicht unbedingt die stromhungrigsten Mikros verwenden, denn wenn gleich vier Mikros über 5 mA ziehen, sind die Batterien schnell leer.
Stichwort Batterielaufzeit: Laut Hersteller kommt der Zoom H6 auf eine maximale Aufnahmezeit von 21 Stunden (Stereo, 44,1 kHz, 16 Bit) bzw. 9 Stunden und 45 Minuten bei vierkanaliger Aufzeichnung im Format 96 kHz / 24 Bit. Von Phantomspeisung ist da allerdings keine Rede. Für den Praxistest habe ich einen Satz Sanyo High Capacity Eneloop-Batterien (2.400 mAh) eingelegt und an zwei Eingängen ein Paar phantomgespeiste Kleinmembranmikros mit üblichem Stromhunger (je ca. 3 mA) betrieben. In diesem Szenario gelang mir eine sechskanalige Aufzeichnung(44,1 kHz / 16 Bit) von siebeneinhalb Stunden. Das sollte selbst für längere Konzertaufzeichnungen genügen!
Als Besonderheit gibt es die Möglichkeit, ein Backup-File aufzunehmen. Dabei wird mit der Stereoaufnahme zusätzlich eine um 12 dB leisere Version aufgezeichnet, für den Fall, dass es in der Vollpegel-Aufnahme zu Übersteuerungen kommt. Eine clevere Idee, die Zoom vom Konkurrenten Tascam geklaut hat, nichtsdestotrotz aber prächtig funktioniert und dem Anwender ein beruhigendes Sicherheitsnetz bietet, gerade bei spontanen Aufnahmen, wenn keine Zeit zum präzisen Einpegeln bleibt.
Auch sonst wirkt der Zoom H6 sehr durchdacht. Wie üblich, lassen sich die Aufnahmen in Ordnern organisieren. Dazu kommt eine weitere Ordner-Ebene für jedes Aufnahmeprojekt, das ja nicht nur eine einzige Datei, sondern eine ganze Reihe von Files umfassen kann. So bietet der H6 auch die Möglichkeit, Overdubs einzuspielen. Dabei werden keine Files überschrieben, sondern es wird für jede weitere Spur ein eigenes File angelegt; maximal 99 Takes sind möglich. Die Spuren sind übrigens fest ihren jeweiligen Eingängen zugeordnet; die beigelegten Mikrofonmodule lassen sich also nur für die LR-Spur nutzen, nicht für Overdubs auf den übrigen Spuren. Das gelingt nur durch Anschluss eines externen Mikros bzw. einer Line-Quelle an den entsprechenden Eingang.
An solchen Details, aber auch der Abwesenheit von Instrumenteneingängen und Effekten wie Hall und Chorus merkt man, dass der H6 sich eher an den Recording-Enthusiasten richtet als an Songwriter. Letztere sind mit dem H4n besser bedient, der neben Effekten auch Verstärkersimulationen und einen Rhythmusknecht bietet. Der H6 bietet sich weniger für Kreativarbeit als für Live-Mitschnitte an, wo man beispielsweise den Recorder vorm Mischpult aufbaut (mit guter Sicht aufs Display) und gleichzeitig eine Saal-Aufnahme mit den eingebauten Mikros, einen Pult-Mitschnitt und weiter entfernt aufgebaute Publikumsmikros aufzeichnen kann. Über den integrierten Mixer könnte man schon im Band-Bus eine Vorabversion erstellen; einfache Editing-Tools sind bereits on board. Wer das lieber auf dem Laptop tun möchte, kann dazu Cubase 6 LE verwenden, das sich im Lieferumfang befindet.
Die Messwerte…
…bestätigen die hohe Klangqualität sowohl der mitgelieferten Mikrofonaufsätze als auch der internen Wandlerelektronik.
Bild: Dr. Andreas Hau
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Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
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Fazit
Mit seinen auswechselbaren Mikrofonen, sechs Kanälen und XLR-Eingängen inklusive Phantomspeisung ist der Zoom H6 klanglich vielseitiger und hochwertiger als gängige Pocket-Recorder − allerdings auch voluminöser und auffälliger. Spontane Atmo-Aufnahmen sind daher weniger sein Metier, er empfiehlt sich eher für Live-Mitschnitte, Reportagen und Filmaufnahmen, denn hier kann er seine komplexen Möglichkeiten voll ausspielen. Daneben macht er sich auch prima als mobiles Audiointerface. Gemessen an seinem Funktionsumfang ist der H6 leicht zu bedienen, dank seines übersichtlichen Farbdisplays. Zum Straßenpreis von 400 Euro hat der Zoom H6 somit eine Menge zu bieten, nicht nur für Bands und Musiker, sondern auch für kleinere Radio/TV-Sender oder Low-Budget-Filmprojekte − spätestens wenn Zoom die angekündigten Zusatzmodule, allen voran das Richtrohrmikrofon, auf den Markt bringt.
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