House-Beats vom Berliner Producer und Dj Santé – Praxis
von Matthias Fuchs, Artikel aus dem Archiv
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House erfreut sich in den Clubs rund um die Welt einer nicht enden wollenden Beliebtheit. Aber wie wird aus einem simplen 4/4-Beat mit dicker Kickdrum ein Floorfiller? Der Berliner Produzent und DJ Santé beschreibt den Aufbau und die wichtigste Elemente eines typischen House-Beats.
Grundsätzlich ist ein House-Beat eine äußerst reduzierte Angelegenheit − minimale Mittel für maximale Effizienz. Welche Elemente sind für einen zündenden Track essenziell, was erwartet der DJ, was begeistert das Club-Publikum? Der Berliner Produzent und DJ Philipp Maier aka Santé ist House- und Beat-Programming-Experte. Wir besuchen Santé in den Berliner Riverside-Studios.
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Der Motor
»Ein Club-tauglicher House-Beat muss so reduziert wie möglich klingen«, erklärt Santé. »Er sollte mit wenigen Signalen das Publikum ›abholen‹ und ›auf den Film schicken‹. Deshalb ist eine maximal einfache Grundfigur aus Kick, Snare und Hi-Hat essenziell. Sie treibt und trägt den Track − klangliches Drumherum nimmt man im Club einfach nicht wahr.«
Aus dieser Tatsache ergeben sich bestimmte rhythmische und klangliche Erfordernisse: Der Standard-House-Beat besitzt natürlich die typische, durchgängige Viertelnoten-Kickdrum, dazu eine Snare oder ein Clap auf den Offbeats (die Zählzeiten »2« und »4«) sowie eine ebenfalls durchgängige Achtelnoten-Hi-Hat auf den »und«-Zählzeiten. Dieser »Beat-Motor« sollte gerade und gleichmäßig laufen − Swing bzw. Shuffle ist hier ebenso überflüssig wie Lautstärkeakzente.
Klanglich nimmt das massive Bassfundament der Kick den weitaus breitesten Raum ein. Als Gegengewicht dienen Snare und Hi-Hat. Vor allem die Snare wird gerne weit in den oberen Frequenzbereich geschoben; bauchige Snares eignen sich wenig − viele Produzenten nutzen lieber einen kurzen, prägnanten Clap. Die Hi-Hat ist dagegen gerne »rauschig«-breit mit längerem Decay. Sie lässt sich deshalb gut mit einem Ride-Sample doppeln. Während Kick und Snare/Clap absolut »tight« sitzen, kann man bei der Hi-Hat gerne mit Swing-Settings experimentieren. Hier gilt: Vorgezogene Schläge beschleunigen das gefühlte Tempo, verzögerte Schläge verlangsamen es. »Man kann mit dem Swing spielen«, rät Santé.
Perfekt für die Produktion eines House-Beats eignen sich Pattern-basierte Tools. Während klassische House-Tracks vielfach nur mit Rolands TR-909 und TB-303 entstanden sind, bieten sich heute neben modernen Beat-Boxen natürlich auch entsprechende Software-Tools an. Unseren Demo-Beat hat Santé mit Ableton Live erstellt. Das Tempo liegt bei 123 BPM.
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Das Schlüsselelement
Nachdem der Standard-Basis-Groove steht, benötigt der Track ein Schlüsselelement, welches ihm einen bestimmten Charakter und vor allem Wiedererkennungswert verleiht. Dazu eignet sich hervorragend ein Vocal-Sample, gerne auch eine ganze Gesangsphrase. Fündig wird man leicht in guten Online-Libraries, etwa bei Loop-Masters (www.loopmasters.com) unter »Santé’s Groove-Essentials«.
Kaum weniger essenziell ist die Bassline. Kraftvolle runde Sounds sind hier gefragt. Die Bassline trägt den Groove mit, übernimmt als eines der wenigen tonalen Elemente aber auch Melodiefunktionen. Sie sollte den statischen Charakter des Grundbeats beleben und darf deshalb einen deutlichen Swing-Faktor aufweisen. Auch sie sollte unbedingt sehr minimalistisch aufgebaut sein. Oftmals liefert nur eine einzige Note im Kontext der Bassdrum genau den gewünschten Effekt.
Als Ergänzung zum Bass kann ein weiteres tonales Element ggf. auch eine simple Sequenz den Track beleben. Spätestens an dieser Stelle sollte man sich jedoch fragen, welche Elemente der Track unabdingbar benötigt. Alles, was keine eindeutige Funktion besitzt, sollte der Löschtaste geopfert werden. »Lass deinen Grund-Beat längere Zeit im Loop laufen«, empfiehlt Santé. »Wippt nach einer oder zwei Minuten der Fuß noch bewegungsfreudig im Takt, hast du das Wichtigste richtig gemacht, und du kannst den Beat als weitestgehend vollständig betrachten.«
Zu den beliebtesten »Add-Ons« zählen die allseits bekannten »House-Chords« oder kurze, gesampelte Piano-Figuren. Beide sind zwar sehr typisch, aber auch klischeebehaftet. Santé hat sich deshalb von diesem Beiwerk seit Langem verabschiedet. Angesagter ist ein flächiger Sound mit Signalwirkung, der sich über längere Passagen etwa alle zwei Takte wiederholt und so eine gewisse hypnotische Wirkung entfaltet.
Vom Loop zum Track
Club-Tracks besitzen meist eine Länge von etwa sechs bis sieben Minuten. Ein bestimmter, sehr funktionaler Aufbau erzeugt nicht nur die wichtige Spannungskurve, er erleichtert auch dem DJ das Mixen. Der etwa einminütige Mix-In darf auf Kick und Bass beschränkt bleiben und gegen Ende das Hook-Element, hier das Vokal-Sample, vorstellen. Im zweiminütigen Thema werden sämtliche weiteren Elemente eingeführt und zu einem ersten Höhepunkt geleitet, dem der Break folgt.
Der etwa einminütige Break steigert sich bis zum absoluten Höhepunkt, dem die Wiederholung des Themas folgt. Im Mix-Out wird der Track zunehmend ausgedünnt − er entspricht einer Spiegelung des Mix-Ins.
Ebenso wie bei der Beat-Programmierung gilt im Arrangement das Prinzip des Minimalismus: Änderungen, wie etwa Zugabe und Wegnahme von Elementen sowie das Einstreuen von Zwischenschlägen, sollten regelmäßig und nicht öfter als alle 16 oder 32 Takte passieren.
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Bild: Lennart Brede
Santé
Der Berliner Produzent, DJ und Label-Betreiber Philipp Maier aka Santé gilt als einer der kommenden Stars der House-Szene. Veröffentlichungen auf zahlreichen renommierten Labels, darunter Cocoon, ein Remix für Depeche Mode und seine stetige Präsenz an internationalen Plattentellern sprechen für sich. Mit seinem aktuellen Debütalbum Current zeigt er sich als äußerst fähiger Jongleur von straighten Beats, intensiven Vocals und spannungsgeladenen Atmos.
Klassischer Sound-Lieferant ist hier Rolands TR-909 bzw. deren Samples. Vor allem die holzige Kick wird fast immer mit voluminösen, Sinus-basierten Sounds unterlegt. Santés Lieblings-Tool dafür ist das Plugin Bazzism. Wichtig: im Gegensatz zum Techno vermeidet man zu aggressive oder gar deutlich verzerrte Sounds.