Zur Grundausstattung eines jeden (Home-)Studios gehört ein Paar Kleinmembranmikrofone. Neu im Programm des chinesischen Herstellers MicW ist ein preisgünstiges Stereopaar mit Wechselkapseln, das mit gleich drei Richtcharakteristiken ein besonders breites Anwendungs- und Klangspektrum verspricht.
MicW ist erst seit wenigen Jahren auf dem europäischen Markt vertreten, trotzdem handelt es sich nicht um einen Neuling in Sachen Mikrofonbau. Bislang widmete sich die Firma allerdings vorrangig dem Thema Messmikrofone, welche MicW schon seit geraumer Zeit für den asiatischen Markt fertigt. Seit ein paar Jahren vertreibt die Synthax AG eine Auswahl des vielfältigen Sortiments auch im deutschsprachigen Raum. Ein großer Erfolg war der Messmikrofon-Aufsatz i436 fürs iPhone (s. S&R 9.2011) − inzwischen fertigt MicW bereits eine ganze Serie von iPhone-Mikros.
Jetzt in Stereo
Für einen ähnlichen Durchbruch im Bereich der Studiomikros soll nun das E150 sorgen. Es wird sowohl einzeln als auch als Stereoset angeboten und wird mit drei auswechselbaren Kapseln für Niere, Superniere und Kugelcharakteristik geliefert. Als »E151« ist es zudem als Einzelmikro nur mit Nierenkapsel erhältlich. Für diesen Test haben wir das Wechselkapsel-Stereoset geordert. Inklusive der kompakten Spinnenhalterungen passt das ganze Kit in ein handliches Köfferchen; nur eine Stereoschiene fehlt.
Die Mikrofone wirken recht elegant und sind solide verarbeitet. Die Bodys verjüngen sich nach vorn und weiten sich wieder für die Kapselaufnahme; so ergibt sich eine Art Tulpenform. Die Bodys sind anthrazitfarben lackiert, die Kapseln haben ein NickelmattFinish, alles Vollmetall und makellos verarbeitet. Eine Besonderheit ist die Membranabdeckung: Fast könnte man meinen, die Membran läge frei, doch der Eindruck täuscht. Statt eines Gitters kommt eine mikroperforierte Metallfolie mit über 2.000 Löchern zum Einsatz. Laut Hersteller soll diese für einen besonders weichen Klang in den oberen Frequenzen sorgen. Der Außendurchmesser der Kapseln beträgt 19 mm, weshalb MicW sie als Dreiviertelzoll-Kapseln bezeichnet; der aktive Membrandurchmesser liegt indes bei ca. 15 mm, also knapp über einem halben Zoll − ein typisches Maß für Kleinmembran-Studiomikrofone.
MicW ist ein recht experimentierfreudiger Hersteller und baut Kapseln mit ganz unterschiedlichen Membranmaterialien. Welches beim jeweiligen Modell zum Einsatz kommt, verrät seine Bezeichnung: »N« steht für Nickel, »T« für Titan und »E«, wie in vorliegendem Fall, steht für goldbedampfte Mylarfolie − das üblichste Material für Recording-Mikrofone.
Die Kondensatorkapseln sind − wie alle MicW-Kapseln − in Elektret-Technik gebaut, d. h., die Polarisationsspannung wird nicht extern zugeführt, sondern ist als statische Ladung in der Gegenelektrode »eingefroren«. Das hat aber nicht viel zu bedeuten; Elektret-Kapseln können ganz hervorragend klingen, wenn sie entsprechend sorgfältig konstruiert und gefertigt sind, wie u. a. der dänische Nobelhersteller DPA zeigt. Auch Audio-Technica setzt bei seinem jüngsten Edelmikrofon AT- 5040 auf Elektret-Technik (s. S&R 7.2013). Phantomspeisung benötigen die Mikros dennoch für die Impedanzwandlerelektronik.
Praxis
Die E150-Mikros von MicW zeigen ein für Kleinmembranmikros typisches Klangverhalten:
Die Richtcharakteristiken sind recht gleichmäßig ausgebildet; Klangverfärbungen außerhalb der Haupt-Aufnahmeachse fallen gering aus. Die Niere erinnert ein wenig an die 2011- Kapsel von DPA; die Superniere erscheint in den Mitten etwas nasal. Insgesamt wirkt das Klangbild sehr trocken und direkt. Das gilt selbst für die Kugelkapseln, die man aufgrund des fehlenden Nahbesprechungseffekts sehr nah zur Schallquelle positionieren kann.
Damit eignet sich das E150-Set sehr gut für Stereomikrofonierungen und Instrumentalaufnahmen. An der Akustikgitarre überzeugen die Nierenkapseln mit hoher Impulstreue und ausgewogener Darstellung. Die Kugelkapseln gefallen insbesondere an der Nylonsaitengitarre, wo ihre markante Höhenanhebung für luftige Brillanz sorgt: ein »fertiger«, eher pop-orientierter Klang, der sich im Arrangement gut durchsetzt, ohne scharf zu wirken. Primär gedacht sind die Kugeln für Aufnahmen im Diffusfeld (d. h. mit weiten Mikrofonabständen), wo Schallreflexionen aus allen Richtungen auf die Membran treffen. Den Off-Axis-Höhenabfall gleichen Diffusfeld-Kugeln durch eine Höhenanhebung aus. Bei der E150-Kugel fällt diese Höhenanhebung indes etwas stärker aus als nötig, sie ist also z. T. klanggestalterisch.
Mit einem externen Poppschirm oder dem beigelegten Schaumstoff-Windschutz sind prinzipiell auch Gesangsaufnahmen möglich. Aufgrund ihres etwas kernigeren Sounds gefallen mir hier die Supernieren ein wenig besser als die Nieren. Grundsätzlich darf man aber keinen Stimmenschmeichler erwarten − so weit reicht die Magie der mikroperforierten Kapselabdeckung dann doch nicht. Typisch Kleinmembran, bleibt das Klangbild eher nüchtern, und der Sweet-Spot vor dem Mikro ist eng bemessen. Der Sänger sollte sich also nicht allzu viel bewegen, sonst verliert der Vocal an Focus. Gut vorstellen könnte ich mir die E150-Mikros für Unplugged-Sessions mit einem singenden Gitarristen bzw. mehren akustischen Instrumenten. Die drei Richtcharakteristiken bzw. zwei Klangcharakteristiken (ausgewogene Niere/ Superniere vs. höhenbetonte Kugel) bieten in solchen Situationen eine Menge Optionen. Die Kugelkapseln eignen sich auch gut für luftige Background-Chöre.
Das Rauschverhalten der MicW-Mikros ist okay. Der Hersteller spezifiziert das Eigenrauschen mit 17 dB-A, was knapp hinkommen dürfte. Damit kann man gut leben, aber wer sehr leise Instrumente aufnimmt oder weite Mikrofonabstände bevorzugt, sollte vielleicht zu anderen (in der Regel teureren) Mikrofonen greifen − Kleinmembranmikros der Referenzklasse rauschen gut 3 dB weniger. Der Grenzschalldruckpegel der E150-Mikros ist mit ordentlichen 135 dB SPL spezifiziert; mit lauten Quellen sollte es demnach keine Probleme geben.
Fazit
Das E150 Stereoset von MicW bietet auf kleinstem Raum große Vielfalt in Sachen Klanggestaltung. Die Nieren- und Supernierenkapseln zeigen sich präzise, fokussiert und recht ausgewogen; die Kugelkapseln zeichnen ein sehr höhenreiches, dennoch nicht übertrieben scharfes Klangbild. Das Stereo-Matching der Nieren- und Supernierenkapseln könnte etwas besser sein. Hält man sich aber vor Augen, dass das Stereoset nur 130 Euro teurer ist als die Mono-Version, kann man nicht wirklich meckern: Es steckt eine ganze Menge Klang in diesem kleinen Köfferchen!
Hersteller/Vertrieb
MicW/Synthax GmbH
UvP/Straßenpreis
479,— Euro / ca. 419,— Euro
www.synthax.de
+++ breiter Einsatzbereich
+++ drei Richtcharakteristiken
++ umfassende Ausstattung
++ günstiger Preis
– Stereo-Matching nur mäßig