Heavy-Sound, Made in Germany

Universal Audio E646 VS Limited Edition Gitarren-Amp-Plug-in im Test

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Mit Unterstützung der deutschen Softwareschmiede Brainworx bietet Universal Audio Gitarren-Amp-Plug-ins für die UAD-Plattform an. Selbstbewusst versucht man nicht, möglichst viele Verstärker zu simulieren, sondern konzentriert sich auf die möglichst genaue Umsetzung eines Hi-Gain-Topteils aus deutschen Landen.Universal-Audio-E646-VS-Limited-Edition-Gitarren-Amp-Plug-in

Die deutsche Amp-Schmiede Engl hat einen guten Namen, man besetzt ein Klangterritorium, das den Platzhirschen aus dem Angelsächsischen wie Fender, Marshall, Mesa Boogie oder Vox nicht in die Quere kommt und eine eigene Nische besetzt. Besonders beliebt sind die Engl-Aggregate bei Saitenzupfern der etwas härteren Gangart. Die Noted-Users-Liste auf englamps.de gibt einen guten Querschnitt durch die Spielarten der modernen Rockgitarristik.

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Trotz aller prominenten User hatte Engl bis 2011 nur zwei Gitarristen ein Signature-Modell spendiert, nämlich Ritchie Blackmore (Ex-Deep-Purple) und Steve Morse (Deep Purple). Mittlerweile gehört auch der deutsche Hochgeschwindigkeitszupfer Victor Smolski zum erlauchten Kreis. Er bekam ein Modell namens E646-VS-Signature auf den Leib geschneidert, dessen Basis einer der Topseller des Engl-Programms ist. Letztere Variante wurde von Brainworx digital modelliert. Diese Company hat einen guten Namen und eine umfangreiche Plug-in-Sammlung im Katalog, darunter auch bereits eine eigene Amp-Simulation namens »bx_rockrack«. Bereits hier gab es zwei Engl-Amps für die DAW; für Universal Audio hat man nun das Smolski-Top nachgebildet.

UAs Engl-Plug-in möchte genau eine Gitarren-Recording-Umgebung bereitstellen, bestehend aus dem Smolski-Topteil und den Signal-Chains von Dirk Ulrichs Brainworx-Studio, dessen Möglichkeiten per Faltung in 64 Signalwege mit Kombinationen mehrerer Boxen, Mikrofone und Preamps verewigt wurden. Damit distanziert man sich von anderen Programmen wie Guitar Rig oder Amplitube, die wesentlich mehr Amps und Peripherie bereithalten und das Gitarren-Equipment mehrerer Jahrzehnte plus unzählige Effekte anbieten.

Der Amp

Unser Testkandidat ist ein Vierkanaler mit paarweise geteilter Klangregelung und vier individuellen Gain- und Volume-Reglern für die Abstimmung von Lautstärke und Verzerrungsgrad. In der oberen Reihe der Regler justiert man die Kanäle clean und crunch; »crunch« bezeichnet im Gitarristen-Sprech die etwas dezenteren Verzerrungsgrade, wo der Ton angezerrt ist oder bei festem Anschlag gerade beginnt, aufzubrechen und erste Reibungen aufzuweisen. Interessant: Man hat die gemeinsame Klangregelung mit getrennten Höhenreglern für clean und crunch verfeinert. Das macht Sinn, denn was bei einem ganz sauberen Ton obenrum brillant klingelt, kann bei einem schmutzigen Crunch-Sound schon zu viel des Guten sein − und umgekehrt. Prima Kompromiss.

Die beiden heißen Kanäle kommen ebenfalls mit Gain/Volume-Kombinationen, dazu gibt es wieder die typische 3-Band-Klangregelung, diesmal mit der Besonderheit zweier wählbarer Mittenregler. Im Master-Bereich finden sich zwei vorwählbare Gesamtlautstärke-Potis sowie Regler für Presence (übergeordnete Brillanz) und Depth Punch (zur Justage der Wucht im unteren Frequenzbereich). Die – se Regler wirken naturgemäß auf alle Kanäle und dienen der Klangbeeinflussung des gesamten Amps. Schaltbar sind die Kanäle so – wie die Middle-Voiced-Alternative.

Fx-Rack & Toolbar

In der FX-Rack-Ansicht kommen vier wichtige Module zum Vorschein. Das BrainworxNoisegate ist bei Hi-Gain-Gitarren-Sounds wichtig und arbeitet tadellos. Regelbar sind Threshold (Ansprechschwelle) und Range (Grad der Absenkung), für die optische Rückmeldung gibt eine LED. Es folgt die Filtersektion mit je einem durchstimmbaren Low- und Hi-Cut-Filter, die getrennt entweder pre (nur DI-Signal vor dem Amp wird gefiltert) oder post geschaltet werden können (Amp-Signal wird gefiltert).

Extrem wichtig für die Klangformung sind die Recording-Chains. Brainworx-Chef Dirk Ulrich hat in seinem Studio mit einigen der großen Rockbands produziert. Und er hat eine Sammlung von ausgesuchtem Equipment. Aus diesen Gerätschaften und seiner Erfahrung sind über 60 fertige Signalketten entstanden, mit verschiedenen Boxen, Mikrofonen, Preamps und EQs. Die klangliche Bandbreite ist beachtlich, geradezu verblüffend. In Kombination der Amp-Einstellungen und der Recording-Chains sind unzählige Sounds möglich.

Damit man bei der Klangabstimmung nicht ewig während des Spielens ausprobieren muss, hat man eine Auto-Funktion spendiert. Synchron zum Songtempo wechselt das Preset alle 1, 2 oder 4 Takte, bis man den idealen Wunsch-Sound gefunden hat. Man ist übrigens nicht an Ulrichs Vorgaben gebunden, eines der Presets deaktiviert jegliche Nachbearbeitung, und man schaltet Plug-ins eigener Wahl für Cabinet, EQ, Kompressor oder Preamp-Modelling hinter den Engl-Amp.

Als kleines Effekt-Häppchen ist ein Lo-Fi-Delay im Angebot, das man sich als besseres Bodenpedal vorstellen kann. Regelbar in Mix, Feedback und Lo-Fi-Faktor lässt es sich zur DAW synchronisieren oder frei in Millisekunden oder per Maus-Tap einstellen.

Abschließend finden wir Einstellmöglichkeiten für den Eingangspegel (gut zum Angleichen leiser Single-Coil- oder lauter Humbucker-Pickups) und die Möglichkeit, (Röhren-)Vor- und Endstufe zu deaktivieren. Letzteres hat beim Gitarren-Recording wenig Bewandtnis, könnte aber nützlich sein z. B. zum Bearbeiten anderer Signale.

Letzter Punkt ist das Power Soak, eine Lautstärkeabsenkung unter Beibehaltung der Klangformung einer heiß angefahrenen Röhrenendstufe.

Die Toolbar am oberen Rand des Plugin-Fensters bringt die Preset-Liste, Buttons für Undo und Redo, vier interne AlternativSettings pro Preset und Copy/Paste für effizienten Workflow. Die Settings A bis D lassen sich in der DAW automatisieren, man kann also viele Songs mit einem Song-Preset mit vier Sounds abdecken und programmiert die Wechsel passend zur Timeline des jeweiligen Songs.

DAW-Praxis

Universal Audio bewirbt das Engl E646-VSPlug-in in Zusammenhang mit dem ApolloInterface. Für die meisten Interessenten dürfte es aber gerade interessant sein, wie sich das Plug-in in eine normale DAW-Umgebung (ohne Apollo) einpasst.

Unser Test-Setup lief mit Cubase 6.5 unter Windows 7 64 Bit; als Audiointerface kam ein etwas betagtes RME Multiface mit neuester Firmware und Treibern zum Einsatz. Der Rechner ist ein Core-i7-Bolide mit mittlerer Rechenleistung (i7 920, 6 GB RAM) und zwei eingebauten UAD2-Karten (Solo und Duo). Dank der bekanntlich sauber programmierten RME-Treiber kann man selbst mit diesem älteren System mit einer Latenz von 32 Samples aufnehmen, also gefühlt quasi in Realtime. Ohne Aussetzer waren drei Instanzen des Plug-ins parallel für drei Gitarrenspuren zu betreiben; stellt man beim Mixdown höhere Latenzen ein, wird die Zahl der Instanzen eher durch die Leistung der verwendeten UAD-Karten begrenzt als durch die CPU-Last.

Das Spielgefühl des Plug-ins in dieser DAW-Einstellung ist absolut direkt und unmittelbar, eine Wirkung der geringen Latenz bei 32 Samples ist nicht spürbar, auch dann nicht, wenn man zwischendurch immer mal wieder zum Vergleich direkt in einen bereitstehenden klassischen Gitarren-Amp spielt. Hat man sich den Aufbau des doch recht komplexen Vierkanal-Amps verinnerlicht, kommt man schnell zu guten Ergebnissen.

Die Auto-Funktion bei der Auswahl der Signal-Chains ist äußerst hilfreich. Auch wenn man sich manchmal wünscht, die Module wie Cabinet, Mikrofon und Preamp selbst direkt einzustellen, kann man doch mit den Vorgaben Ulrichs gut leben. Wieder ist zu betonen: Das Signal-Chain-Modul ist für den Sound mindestens so wichtig wie der Amp selbst.

Auf dem Testsystem kam es bei einigen Impulsumschaltungen zu Störgeräuschen; das war aber nicht zuverlässig reproduzierbar. Auch nach Rücksprache mit Brainworx konnte es in keiner anderen Konstellation nachvollzogen werden, der Grund dürfte also in den virtuellen Tiefen meiner speziellen Hard- und Software-Umgebung liegen.

Sounds

Die mitgelieferten Presets sind von Understatement geprägt. Es gibt einige Standard-Einstellungen in drei Versionen, jeweils für Strat, Tele und Paula (das sind die wohl am häufigsten gespielten E-Gitarren-Typen). Interessanter beim ersten Kennenlernen ist es, die vier Kanäle ausgehend von der Mittelstellung der Klangregler in ihren Verzerrungsgraden und Frequenzbildern zu erforschen. Da merkt man nämlich, dass der E646 VS nicht nur ein Heavy-Amp ist. Die feinen Nuancen in den beiden Kanälen »clean« und »crunch« sind durchaus edel und nicht nur aggressiv.

Hier lassen sich auch schöngeistige und klare Pop-Sounds einstellen, ebenso Classic-Rock-Töne, mit denen selbst Riffs im Stil von Knittergesicht Keith Richards eine gute Figur machen.

Wichtig für Gitarristen: Der Klang und die feinen Details des angeschlossenen Instrumentes werden in den ersten beiden Kanälen gut umgesetzt; hier ist der digitale Engl-Amp kein Gleichmacher, der sich wie ein Preset-Filter auf den Sound der edlen Axt legt und alles gleich klingen lässt. Auch die Qualität der ersten Anzerre ist klasse, man kann den Breakup des Tons gut mit dem Anschlag kontrollieren. Dieses Spielgefühl authentisch nachzubilden gilt nach wie vor als die Königsklasse und ist für digitale Amps eine gewaltige Hürde.

Kanal 2 − der Crunch-Kollege − reicht Gain-mäßig bereits in kernige Gefilde, mit denen sich Rock-Klassiker der 70er- und 80er-Jahre intonieren lassen.

Richtig böse wird es ab Kanal 3. Hier feuert man das amtliche Heavy-Brett ab oder zupft singende Lead-Lines. Dieser Kanal erweist sich als offensiver, er stellt den Anschlag deutlich in den Vordergrund und betont die Artikulation.

Kanal 4 kommt ein Quantum weicher. Allerdings kann man mit dem erweiterten Mittenregler auch ganz andere Verhältnisse herstellen. Einigen wir uns darauf, dass hier zwei verschieden gefärbte Brett- und LeadSounds möglich sind, beide mit satten Obertönen und aggressiver, aber immer noch runder Verzerrung, auf Wunsch bis in aberwitzige Gefilde.Universal-Audio-E646-VS-Limited-Edition-Gitarren-Amp-Plug-in-2

Fazit

Universal Audios Engl E646 Victor Smolski Limited Edition ist nicht jedermanns Gitarren-Amp-Plug in. Es ist kompromisslos auf ein genau abgegrenztes Recording-Szenario zugeschnitten, mit einem einzelnen Amp, der für seine hochgezüchteten Hi-Gain-Sounds bekannt ist, flankiert von einer Auswahl von Signal-Chains, die den Geschmack von Brainworx-Mastermind Dirk Ulrich repräsentieren. Man möchte es gar nicht allen recht machen und breitbandig jeglichen Sound zwischen Fender clean und Rectifier heavy abdecken.

Wie man weiß, sind Gitarristen sehr sensible Wesen, neigen zu Befindlichkeiten und können höchst individuelle Geschmäcker besitzen. Daher sollte man das Plug-in unbedingt selbst ausprobieren, denn für den musikalisch sinnvollen Einsatz kommt es dem Saitenzupfer bekanntlich stark auf das Spielgefühl an. Für mich war das bei diesem Plug-in sehr gut. Ich konnte bei angenehm direkter Umsetzung der gitarristischen Aktion meine Klangvorstellung auf hohem Niveau verwirklichen.

Das Re-Ampen bestehender trockener Spuren dürfte noch einmal einfacher sein. Hier kann der Producer den UAD-Engl-Amp als gitarristische Heavy-Klangfarbe und Ergänzung der bestehenden Palette einsetzen.

Wer es etwas klassischer mag, mit stärkerem Fokus auf Crunch- und Mid-Gain-LeadSounds sollte sich den UA Engl E765 Retro Tube Amp anschauen, der bei ansonsten gleicher Software-Umgebung einen etwas gemäßigter agierenden Zweikanal-Verstärker anbietet.

Hersteller/Vertrieb

Universal Audio

UvP

149,— Euro

www.uaudio.com

+++ amtliche Heavy-Sounds und gute Dynamikumsetzung

++ Flexibilität durch ImpulsModeling von komplexen Signalketten

++ authentisches Spielgefühl

++ intuitives Arbeiten ohne Anleitung möglich

– Boxen und Mikrofone nicht separat zu wählen

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