Eastwest Hollywood Fantasy Orchestra – Orchester-Library im Test
von Frank Schreiber,
Anzeige
Wenn es bei der Musikproduktion für Film oder Games darum geht, die musikalische Soundästhetik für ein bestimmtes Genre zu setzen, ist Detailarbeit in der Vorbereitung gefragt. So muss die Auswahl der verschiedenen Instrumente nicht nur inhaltlich passen, sondern später auch als homogenes Klangbild überzeugen können. Diese beiden Sorgen möchte Eastwest mit ihrem »Hollywood Fantasy Orchestra« für das Fantasy-Genre mit breiter, glühender Klinge gleichzeitig erschlagen und schnürt somit ein passendes Paket aus Orchester-, Weltmusikinstrumenten und Vocals sowie dem Orchestrator, einem ausgefuchsten Pattern-Player, der sich aus all diesen Sounds bedient.
Anzeige
Neben den üblichen Verdächtigen des Orchesters finden wir beim Hollywood Fantasy Orchestra also jede Menge ausgefallene und stilbildende Instrumente, die den besonderen Sound dieser Library definieren. Zusammen mit den zahlreichen Vocal-Samples aus Chor- und Solo-Stimmen, erhält man so eine breite Auswahl, um sich stilsicher im Fantasy-Genre zu bewegen. Die Library ist deshalb auch nicht unbedingt ein Leichtgewicht und belegt satte 138 GB auf der Festplatte.
Alles bleibt anders.
An der Struktur der Library lässt sich leicht erkennen, dass das Konzept des Orchesters die Basis bildet. Hier offenbart sich nämlich die Trilogie aus Strings, Brass und Winds, neben Percussions und Voices. Taucht man dann aber tiefer in die Sektionen ab, lassen die enthaltenen Instrumente erahnen, dass die eigentlich darin vermuteten, typischen Orchesterinstrumente eines klassischen Sinfonieorchesters nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sie wurden oftmals durch ähnliche Instrumente ersetzt, die zwar deren Aufgabe übernehmen können, dafür aber einen anderen Sound mitbringen.
So wurden bei den Strings zusätzlich zum Streichorchester verschiedene Saiteninstrumente als 3er-Ensembles aufgenommen, wie z. B. Lauten, Hardanger Fiddles, Viola de Gambas und Dulcimer. Außerdem gibt es noch zwei Drehleiern – und alles natürlich in verschiedenen Artikulationen. Die klassische Streichersektion des Orchesters liegt hier nur in zwei Gruppen getrennt vor und damit zu je zwei gleichzeitig gesampelten Gruppen und oktaviert: 8 Violinen mit 6 Violen, bzw. 6 Celli mit 4 Kontrabässen.
Beim Holz ergibt sich ein völlig ungewohntes Bild aus Renaissanceflöten, hohen und tiefen Irischen Flöten, Dudelsäcken und Okarinas. Dagegen nehmen sich die Alphörner, Wagnertuben und das Low-Brass Ensemble aus der Brass-Section fast schon konventionell aus.
Abgerundet wird das Ganze durch eine ansehnliche Sammlung meist ethnischer Percussions und schließlich den Vocal Samples. Letztere sind nochmals aufgeteilt in Chor- und Solostimmen, wobei die Solostimmen auch noch verschiedene elbische (!) Worte feilbieten, deren einzelne Silben mit dem Modulationsrad angesteuert werden können. Dadurch können die einzelnen Silben eines mehrsilbigen Worts in verschiedenen Tonhöhen gesungen werden. Sehr schön!
Orchestrator.
Wenn es darum ginge eine vollständige Library abzuliefern, wäre das Soll jetzt erfüllt. Allerdings ist beim Hollywood Fantasy Orchestra hier noch lange nicht Schluss, denn mit dem Orchestrator wird nochmal eine Schippe draufgelegt. Das wird vor allem diejenigen freuen, die unter hohem Zeitdruck komponieren müssen oder sich einfach inspirieren lassen wollen. Der Orchestrator ist ein integrierter Pattern-Sequenzer, der neben normalen, unrhythmisierten Multis auch Ostinati oder komplett orchestrierte, rhythmische und melodische Phrasen erklingen lässt. Hierfür gibt es etliche Presets nebst deren Variationen, um im Handumdrehen ein mehrtaktiges Motiv abzufeuern, das gerne auch mal aus 16 verschiedenen Instrumenten besteht, um die Hütte abzubrennen, den Drachen zu töten, die Burg einzunehmen – ihr wisst schon …
Erfreulicherweise ist das alles auch noch recht flexibel angelegt, und die Sequenzen lassen sich nach Herzenslust editieren, die Instrumente austauschen und, wenn man möchte, auch das zuletzt Gespielte per Drag&Drop in den Host ziehen. Wem das alles von irgendwoher bekannt vorkommt, der dürfte wahrscheinlich schon mit Libraries von Sonuscore in Berührung gekommen sein, die den Orchestrator diesmal bei Eastwest zu verantworten haben.
Alles in allem ist der Orchestrator eine echte Bereicherung, um auf die Schnelle absolut vorzeigbare Ergebnisse zu produzieren.
Praxis & Sound.
Wer öfter mit Orchester-Libraries arbeitet, wird sich hier sehr schnell zurechtfinden. Die Library ist selbsterklärend strukturiert, und wer noch Infos zu den exotischeren Instrumenten braucht, findet diese direkt im oberen Bereich des OPUS-Players, nachdem ein Instrument angewählt wurde.
Nach dem Laden finden sich im Play-Tab die wichtigsten Einstellungen, um das Instrument an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. Sehr schön ist auch die Möglichkeit pro geladenem Sound aus drei verschiedenen Mood-Presets zu wählen, welche Parameter wie Hall, Dynamik und Mikrofonierung einbeziehen, um entweder eine leisere oder lautere Ästhetik zu unterstützen. Allerdings können die Presets beim Umschalten je nach Sound laute Störgeräusche produzieren, was teilweise sehr nervig ist.
Bei all den komfortablen Konfigurationsmöglichkeiten der MIDI-Controller habe ich lediglich die Möglichkeit vermisst, manche davon global im Player zu ändern. Die Dynamik z. B. ist nämlich standardmäßig auf CC 11 (Expression) voreingestellt, und das Modulationsrad liefert Vibrato. Wer das für sein Setup ändern möchte, muss das bei jedem geladenen Sound neu konfigurieren. Es wäre schön gewesen, hier solche Änderungen global im Player einstellen zu können.
Die Mikrofonposition und die Position im Orchester kann für jedes geladene Instrument immer grafisch nachvollzogen werden. Zusätzlich wird je nach Wahl des Mood-Buttons das Instrument entsprechend eingefärbt: Soft = blau, Classic = gold, Epic = rot.
Soft
Classic
Epic
Das sind aber alles Kleinigkeiten, im Gegensatz zum Sound – der ist nämlich alles andere als klein. Um genau zu sein, er klingt nicht nur groß, sondern auch großartig. Die Instrumente sind meist detailreich gesampelt, klingen edel und sind ausdrucksstark spielbar. Die als Trio oder Duo gesampelten Instrumente zeichnen sich durch einem vollen Grundsound aus, der trotzdem transparent bleibt. Diese Sounds können bei entsprechender Spielweise sogar oftmals den Eindruck eines Soloinstruments vermitteln. Best of both sozusagen. Die Streicher wiederum haben durch die Oktavierung trotz der recht kleinen Besetzung einen vollen und eigenständigen Sound, der sehr direkt und ansprechend klingt und förmlich dazu auffordert, Melodien zu spielen. Dynamische Artikulationen habe ich hier allerdings manchmal vermisst. Auch wären echte Sordino-Streicher ein Mehrwert gewesen, im Gegensatz zur vorliegenden Emulation.
Meiner Meinung nach ertrinkt die Library hier und da ein wenig im Hall, was dem angepeilten Genre aber auch meist gut zu Gesicht bzw. Gehör steht. Wer es etwas kleiner haben möchte, dem steht es natürlich frei, die Parameter direkt und schnell in der Oberfläche anzupassen.
Fazit.
Das Hollywood Fantasy Orchestra macht seinem Namen alle Ehre: Es klingt nach großem Kino und kann Fabelwesen, vergangene Zeiten oder ganze Königreiche vor dem inneren Auge entstehen lassen. Das alles mit einem sinfonischen Grundsound, allerdings gespickt mit typischen Instrumenten, die bereits in filmischen Fantasy-Epen oder Games für dieses Genre etabliert wurden. Der mächtige Pattern-Sequenzer ist dabei der Zaubertrank, der es ermöglicht, der Zeit ein Schnippchen zu schlagen und rhythmische oder melodische Figuren zu erstellen, die eine gute Basis für die weitere Produktion darstellen können. Die Auswahl der unterschiedlichen Instrumente ist sehr gut getroffen und passt nicht nur stilistisch, sondern auch von der Klangästhetik wunderbar zusammen und sorgt für einen edlen Gesamtsound. Für alle, bei denen es also gerne groß, fantastisch und mystisch werden darf, ist diese Library absolut empfehlenswert.
+++ Konzept & Instrumentenauswahl
+++ Sound
++ Orchestrator
– Störgeräusche beim Umschalten der Mood-Presets
– wenige Artikulationen bei den Streichern | Con sordino nur emuliert