Synchron Stage Vienna – modernste Scoring-Stage Europas
von Marc Bohn,
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Moderne Technik in historischem Studio
Die Synchron Stage Vienna ist ein imposanter Ort, wo modernste Technik in geschichtsträchtigen Mauern arbeitet. Die ehemalige Synchronhalle der Nationalsozialisten wurde nun vom Sample-Library-Hersteller Vienna Symphonic Library übernommen und zur modernsten Scoring-Stage Europas umgebaut. Wir waren zur Eröffnung in Wien!
Die heutige Synchron Stage Vienna wurde ursprünglich von den Nationalsozialisten gebaut und als Synchronhalle genutzt. Den Auftrag dazu gab Propagandaminister Joseph Goebbels höchstpersönlich. Man wollte damals Wien neben München und Berlin als weitere Filmhochburg etablieren. Auf dem Wiener Rosenhügel gab es bereits seit den 20er-Jahren das erste Kunstlichtstudio der Welt, die gleichnamigen Rosenhügel-Filmstudios. Deshalb entschied man sich, dort ein Tonstudio zu errichten, um unter anderem auch Propagandafilme zu vertonen. Die Original-Filmmusikaufnahmen zu Sissi fanden in der damaligen Synchronhalle statt, sind jedoch leider verloren gegangen. Deshalb wurden sie in der neuen Synchron Stage rerecordet.
Zum Größenwahnsinn der Nationalsozialisten passt, dass man direkt daneben einen Flughafen errichten wollte. Aufgrund des zu erwartenden Lärms wurde extra ein System zur perfekten Schalldämmung entwickelt, eine Raum-in-Raum-in-Raum-Konstruktion, mit teilweise bis zu 3 Metern Abstand zwischen den Mauern. Bei der Renovierung wurde daher auch auf eine akustische Entkopplung aller Räume geachtet, damit dieser positive Effekt bestehen bleibt! In der Vienna Synchron Stage steht außerdem die letzte erhaltene Kino-Orgel der Welt. Mit ihr hatten die heutigen Sound-Designer, die damals schlicht „Geräuschemacher“ hießen, die Möglichkeit, u. a. Special Effects wie Pferdehufgeklapper, eine Lokomotive, Wind und Regen zu erzeugen. Sie muss allerdings noch restauriert werden, damit sie wieder spielbar ist.
Man muss natürlich in eine Zeit zurückdenken, in der man Tonspuren noch nicht mischen konnte. Der Film wurde also in der Halle an die Wand projiziert, und die Musiker spielten synchron dazu live die Filmmusik bzw. machten die Geräuschemacher ihre Sounds.
In den letzten Jahren wurde die Synchronhalle als Probebühne für Oper und Theater genutzt. Immer wieder gab es seitens des Eigentümers ORF Bestrebungen, das ganze Areal zu verkaufen, doch der Denkmalschutz der beiden Hallen 1 (Kunstlichtstudio) und 6 (Synchronhalle) machte eine kommerzielle Verwertung problematisch.
Deshalb ließ man bis auf die Synchronhalle und eine weitere Filmhalle alle Gebäude der Studios abreißen. Erstere wurde jetzt von Vienna Symphonic Library gekauft, renoviert und zu einer modernen Scoring-Stage umgebaut! Herbert Tucmandl, Geschäftsführer Vienna Symphonic Library, erzählt: »Ein Hersteller von Sample-Libraries zu sein, gibt einem überhaupt erst die Möglichkeit, so ein 10-Millionen-Projekt durchzuführen. Wir müssen uns nicht auf die ausgebuchte Halle durch Kunden verlassen, sondern wir können die Halle auch für unsere eigenen Produktionen nutzen, eben die Entwicklung von Sample-Libraries!«
Klangliche Historie
Die Synchronhalle stammt aus einer Zeit, in der Spezialisten so viele Erfahrungen mit Materialien und ihrem Einfluss auf die Raumakustik hatten, dass sie sich genau vorstellen konnten, wie ein Raum nach dem Bau klingt. »Das ist leider etwas verloren gegangen. Heute vertraut man oft zu sehr den Rechenmodellen. Dabei handelt es sich hier um ein chaotisches System, was eigentlich gar nicht so gut zu berechnen ist. Alte Konzertsäle, die gut klingen, gibt es heute immer noch. Diejenigen, die schlecht klangen, gibt es schon gar nicht mehr«, sagt Tucmandl. Er ist überzeugt: »Es gibt weltweit nichts Vergleichbares. Auch wenn damals die Technologie eine andere war, hat sich das Aufnehmen von Musikern in einem Saal mit einer ganz bestimmten akustischen Gegebenheit nicht verändert.
Hier hat man während des Baus schon die richtigen Entscheidungen getroffen, damit es eben so klingt, wie es soll! Und dass man neben Regieräumen unter anderem auch Garderoben für die Produzenten und Dirigenten braucht, sind zwar Kleinigkeiten, aber solche, die hier möglich sind, da der Bau schon damals von einem guten Architekten entwickelt worden ist.«
Vienna MIR Synchron Technology
Mit der Vienna MIR Synchron Technology ist es möglich, reale Musiker und virtuelle Instrumente in einem Raum nebeneinander zu platzieren. Die sogenannte Multi Impulse Response (MIR), basiert auf einem Faltungshall und bildet die Akustik des Raumes digital nach. Auch das Abstrahlverhalten und die Positionierung der Instrumente werden berücksichtigt. Mit dieser Raumsimulations-Software können Dirigenten und Komponisten das Klangbild der Aufnahmen in der Synchron Stage Vienna des Orchesters nach Belieben anpassen. Beispiel: Eine Oboe, die in einer Kabine neben dem Kontrollraum aufgenommen wurde, kann akustisch in Echtzeit in Halle A positioniert werden, etwa zwischen den Flöten und den Klarinetten. Darüber hinaus können elektronische Klänge und Synthesizer mit dem Orchester nahtlos mit den Musikern vermischt werden. In einer Pro-Variante kann auch jedes Audiosignal verarbeitet und in Stereo sowie verschiedenen Surround-Formaten auf bis zu 8 Kanälen ausgegeben werden. Vienna MIR Room-Packs liefert zusätzlich 53.000 Impulsantworten weltberühmter Konzertsäle, legendärer Aufnahmestudios und einzigartiger Kirchen.
Historische Halle
Es gibt in der Synchron Stage Vienna mit Control A und B zwei Regien, und mit Stage A und B zwei Aufnahmeräume. Das Prunkstück ist natürlich die Stage A, in der Platz für ein gesamtes Orchester mit bis zu 130 Musikern ist. Für Sound-Engineer Dennis Sands, der seit 1979 an über 240 Film-Scores beteiligt war, unter anderem für Forrest Gump und Cast Away, ist die Stage A einer der bestklingendsten Räume der Welt.
Unter der Synchron Stage gibt es ein klimatisiertes Instrumentenlager, im dem die gleichen Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen wie in der Aufnahmehalle herrschen.
Ein Piano kann beispielsweise schon dort vorbereitet werden, danach mit einem Lastenlift nach oben in die Aufnahmehalle gefahren werden und ist sofort für eine Aufnahme bereit. Die üblichen Nachziehzeiten der Saiten entfallen hier! Die Klimaanlage wurde so konzipiert, dass möglichst wenig Luft-Verwirbelungen in der Halle entstehen. Deshalb wird warme Luft oben und nicht unten reingeblasen, damit sie nicht von unten hochzieht und dadurch den Geräuschpegel anhebt, der laut Martin Tichy, Marketing Manager der Vienna Synchron Stage, unter 20 dB liegt und damit der niedrigste Wert einer Scoring-Stage weltweit ist!
Der Mikrofonpark besteht aus 300 Mikrofonen und hält von AEA bis Violet alles bereit, was man für Orchester-Recordings benötigt. Im Keller gibt es auch noch Hallräume, die in der neuen Synchron Stage allerdings nicht genutzt werden.
In einem Nebengebäude befinden sich Besprechungsräume und Editing-Suites, wo VSL-Mitarbeiter an den hauseigenen Sample-Libraries arbeiten. Ist die Halle mal nicht von einem Kunden belegt und steht leer, kann sie ganz eigennützig für Aufnahmen der eigenen Libraries verwendet werden. Es wurden bereits über 280 Percussion-Instrumente gekauft, die jetzt der Reihe nach gesampelt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die VSL-Engineers direkt vor Ort sind und während großer Sessions als Stage-Hands zur Verfügung stehen. »Für unsere Mitarbeiter ist das neben dem Editieren von Samples natürlich eine willkommene Abwechslung«, gesteht Tucmandl.
Die Kommandozentrale
Die Control A der Synchron Stage Vienna liefert auf insgesamt 150 m2 Technik vom feinsten. Hier tritt man sich bei großen Produktionen auf jeden Fall nicht auf den Füßen herum, und es ist Platz für mindestens 20 Personen. Nebenbei hat man auch einen Blick von oben in die große Stage A und Einblick in das dortige Geschehen.
Das Pult: ein SSL Duality mit insgesamt 96 Kanälen! Daneben stehen Preamps von BAE und Neve bereit. Aufgenommen wird auf zwei Pro Tools HDX-3-Rigs, die redundant arbeiten. Insgesamt laufen drei Pro-Tools-Systeme in der Synchron Stage, die alle an der gleichen Clock hängen. Damit ist es möglich, dass in einer Regie noch aufgenommen wird, während in der Editing-Suite bereits gemischt wird. Das geht natürlich nur, weil alle Files zentral auf einem Server gespeichert werden und alle Räume über DANTE miteinander vernetzt sind.
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Es gibt sogar ein hauseigenes „Bars & Beats“-System, das ein VSL-Entwickler programmiert hat und das auf allen Monitoren in der Regie und den LED-Screens in den Aufnahmeräumen läuft. Damit wissen alle Musiker, Produzenten und Engineers, wo in der Partitur sie gerade sind.
Control A und B sind jeweils mit einem Surround-System ausgestattet, in Regie A ist sogar Auro 3D integriert. Dazu wurden dort im unteren Ring fünf, in der Mitte zwei und im oberen Ring nochmal vier Neumann-Monitore installiert. Die Synchron Stage ist damit komplett auf Dolby Atmos und Auro 3D vorbereitet.
Die Akustik von Control A und B sowie Stage B wurde von WSDG, Walter Storyk Design Group, geplant und umgesetzt. »Wenn man sich unten in der Aufnahmehalle während einer Session aufhält und danach in die Regie kommt, klingt es einfach genau gleich. Das ist der absolute Wahnsinn. Es klingt einfach überall gut«, so Dennis Sands.
Vernetzt!
Control A und Control B sowie Stage A und Stage B sind analog sowie über ein DANTE-Netzwerk digital vernetzt! Auch die Iso-Booths und diversen Studios sind an den DANTE-Ring angeschlossen. Es können also entweder alle Räume parallel für eine Session oder gleichzeitig für komplett unterschiedliche Produktionen genutzt werden. Dazu wurden insgesamt 35 Kilometer LAN-Kabel verlegt! In jedem Raum, der über einen Ethernet-Anschluss verfügt, kann auf den DANTE-Ring zugegriffen und beispielsweise ein Live-Mix erstellt werden. In Control A und Stage A kann dadurch ein Orchester aufgenommen werden, während in Control und Stage B eine Pop-Produktion stattfindet.
Auch die Producer’s-, Composer’s sowie die Editor’s-Lounge, separate Räume in die sich Produzenten und Songwriter zurückziehen können, um an ihren Stücken zu arbeiten, sind an das Netzwerk integriert. »Es gab so viele Räume, die alle vernetzt werden mussten. Durch die Möglichkeiten, die wir mit unseren SSL-Pulten in Kombination mit DANTE haben, bot sich somit für uns eine äußerst flexible Lösung«, erklärt Martin Tichy.
Zurückziehen und kreativ sein
Hinter der Control A befinden sich eine große Producer’s-Lounge, die als Rückzugsraum für das Produzenten-Team gedacht ist und mit einem Abhörplatz und einem kleinem Balkon zum »Zigarrerauchen« ausgestattet ist! Daneben liegen die Editor’s-Lounge, die über einen Abhörplatz und eine kleine Konsole verfügt, und die Composer’s-Lounge, wo der Produzent am Klavier seine Scores umschreiben kann. Gleichzeitig kann das Arrangement direkt bearbeitet und neu geschrieben werden. Man könnte hier auch schon editieren, mischen und die gesamte Session für den finalen Mix vorbereiten, während in der Regie A noch aufgenommen wird. Dadurch entwickeln sich ganz neue Workflows für das Produzenten-Team.
Die Composer’s-Lounge lässt sich zusätzlich als separate Iso-Booth nutzen und ist mit der Control A vernetzt. Dort kann während Orchester-Aufnahmen beispielsweise ein Gitarrist platziert werden, der später separat zum Mix dazukommen soll. In der Composer’s-Lounge steht auch ein restaurierter Blüthner-Flügel aus dem Jahre 1894. »Es war uns wichtig, dass wir hier einen Platz schaffen, an dem man möglichst uneingeschränkt arbeiten und kreativ sein kann«, so Tucmandl. Hier kann also nicht nur am Rechner, sondern auch auf klassische Art und Weise komponiert werden. Es steht alles bereit, was das Musikerherz braucht und noch mehr!
Amtliche Credits bereits vor der Eröffnung
Als wir im Juni dort waren, war der Juli schon restlos ausgebucht, und für August waren schon größere Projekte bestätigt. Vor der Eröffnung wurden bereits die Streicher des Soundtracks zur Verfilmung von Inferno, der von Hans Zimmer produziert wurde, eingespielt. Auch der Score der Netflix-Serie »The Crown«, die bisher teuerste Netflix-Produktion, wurde hier aufgenommen. Damit ist die Synchron Stage Vienna bereits jetzt eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Abbey Road Studios in London.
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
Bild: Synchron Stage Vienna, Markus Thiel
»Wenn man in Europa Filmmusik produzieren möchte«, sagt Tucmandl, »hat man eben die Wahl: Entweder man gibt viel Geld für hohe Qualität aus und geht nach London, oder man hat eben nicht das dicke Budget und geht in den Osten. Dazwischen gibt es eben nichts. Wir können hier in Wien die gleiche Qualität bieten, wie sie in London möglich ist, preislich liegen wir aber darunter, da die Lebenshaltungskosten in Wien deutlich niedriger sind als in London. Mit den Preisen im Osten können und wollen wir nicht mithalten. Wir wollen hier eine Zielgruppe erreichen, die Großes produzieren will und denen London aber doch eine Spur zu teuer ist. Momentan ist London auch überbucht, und man bekommt nur sehr schwer einen Aufnahmetermin. Das hilft uns natürlich auch!«
Zusammen mit Conrad Pope, Orchestrator des Jurassic-Park-Soundtracks, wurden ein paar seiner Scores in einer kleineren Besetzung für Vergleichstest neu aufgenommen. Er bestätigt, dass der Raum genauso breit und voll klingt wie der Raum der Original-Aufnahme!
Die Ansprüche von VSL sind also groß, und man möchte sich auch mit den ganz Großen vergleichen. Deshalb wurde auch an einem Linienflug zwischen Los Angeles und Wien gearbeitet, um die Hollywood-Größen auf direktem Weg nach Österreich zu bringen. Die Maschine soll am 17. April das erste Mal abheben!