Gleich vorneweg: Bis vor wenigen Monaten habe ich noch nie etwas von „Trackern“ gehört. Dann stellte der Hersteller Polyend eine neue ungewöhnliche Hardware vor und ich begann, mich einzulesen. Herausgekommen ist ein „Ausprobiert“ der wohl bekanntesten Tracker-Software: Renoise. Darin möchte ich meine ersten Schritte mit der Software beschreiben. Ich wage also hiermit das Experiment, mich auf absolut ungewohntes Terrain zu begeben.
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Das Konzept eines Trackers ist mir schon einmal über den Weg gelaufen. Allerdings in einem ganz anderen Kontext: Der Komposition von 8-Bit-Soundtracks für Videospiele. Meine Vorstellung: aufgrund von technischer Limitierung der Pionier-Hardware war es notwenig, sich auf einfachste Möglichkeiten der Soundkomposition zu beschränken. Also: Nur wenige Sounds, die gleichzeitig erklingen und recht wenig Dynamik innerhalb der Melodien. Heraus kommt dann das Gedudel von Super-Mario oder Tetris.
So ganz falsch war und ist diese Vorstellung vielleicht noch immer nicht. Aber ganz von vorn!
Was ist ein Tracker?
Ich fasse meine Erkenntnisse einmal in Stichpunkten zusammen:
– Eine DAW mit einem Fokus auf Samples und einzelnen Sound-Events
– Ein von oben nach unten laufender, klassischer Step-Sequenzer
– Eine Möglichkeit, Musik und deren Ablauf zu „programmieren“
– Im Vordergrund stehen Parameter und deren genaue Editierung (überwiegend über Kurzbefehle der Tastatur)
Noch einmal ganz anders: So wie ich die Welt der Tracker über Renoise kennengelernt habe, geht es um die genaue Platzierung einzelner Soundereignisse in einem Step-Sequenzer-Loop.
Klingt etwas technisch? Kann es auch sein. Aber das im besten Sinne: Denn wo man bei herkömmlichen DAWs den Fokus auf das Ergebnis legt, sorgt ein Tracker eher dafür, sich schon zuvor oder spätestens beim Einspielen/Einprogrammieren von Melodien Gedanken zu machen.
Ein Beispiel
In Renoise liegt auf jeder Spur ein Sound. Dieser lässt sich pitchen und individuell mit Effekten modifizieren. Das geschieht über das genaue Festlegen von Parametern. So liegt anschließend auf jeder vierten Zählzeit eine Snare. Abwechseln möglichst trocken und einmal mit mächtig Reverb und Delay. Für jeden Step lassen sich zusätzlich Automationen festlegen.
Über diese Spur programmiere ich einen Bass-Lauf, der sich periodisch wiederholt. Den Bass kann ich sehr wohl als Instrument in der Software editieren. Ich könne aber auch einzelne Samples verwenden und verschiedenste Effektparameter zum Beispiel nur auf einzelne Tonhöhen anwenden. So bekommt immer das E einen Filter und das A wird durch einen EQ stark verfremdet.
Klingt kompliziert?
Eigentlich nicht. Was der Absatz oben erklären wollte: Man hat quasi chirurgisches Besteck vor sich liegen, mit dem jedes Klangereignis individuell bearbeitet werden kann. Auf der einen Seite gibt das Individualität und organische Möglichkeiten, an die Hand. Auf der anderen Seite kostet es eine Menge Energie, das Ergebnis „menschlich“ klingen zu lassen. Klar: Je genauer man in die Welt der Soundprogrammierung einsteigen kann, desto mehr Perfektion schleicht sich gegebenenfalls ein. Und die wirkt einer gewissen Dynamik (je nach Genre) entgegen.
Zwar gibt es einige Parallelen zu Ableton, an den entscheidenden Stellen scheiden sich aber die Geister: Ableton legt den Fokus auf Musik im Live-Umfeld, dynamisiert und bügelt (gerade wenn man das möchte!) weniger glatt.
Zurück zu Renoise
Renoise legt einem zu Beginn zwar Stützräder an und kommt mit Tutorials und verschiedenen Erklärungen daher. Aber ich möchte euch keine Illusionen machen: Ein Tracker erfordert eine Menge Einarbeitungszeit. Tastatur-Kurzbefehle wollen gelernt und einzelne Optionen erkundet werden. Aber auch das wird einem einfach gemacht: viele Funktionen liegen direkt auf der schick gestalteten Oberfläche der Tracker-Software.
Die Mitgelieferten Sounds und Instrumente bieten alles, um Renoise auszuprobieren und gehen an einigen Stellen auch darüber hinaus. Aber Renoise lebt davon, dass ihr selbst kreativ werden. Nicht alles läuft dabei nur über die DAW: Wer in’s sounddesigntechnische Detail gehen möchte, wird einen Sampler benötigen. Mit Redux kommt eine Software aus gleichem Hause. Ab Werk gibt es die Möglichkeit in Renoise, eure Kreationen wiederum in Samples umzuwandeln und damit Resampling umzusetzen.
An Bord ist ebenfalls eine Möglichkeit, Plugins in Sample-Instrumente umzuwandeln. Fortgeschrittene Userinnen und User programmieren sich mit Hilfe von Lua eigene Erweiterungen oder greifen auf den Fundus der aktiven Community zurück. Renoise steht damit grundsätzlich offen, was mit Blick auf das Umfeld der Software logisch ist.
Abschließende Gedanken
Mit Renoise bin ich in die riesige Welt des Trackings eingestiegen. Keine Frage: es liegt noch ein langer und weiter Weg vor mir, bevor ich behaupten möchte, dass ich die Software wirklich verstanden habe. So kann dieses “Ausprobiert” nur ein kleines Streiflicht sein.
Stellenweise fühle ich mich sehr an Ableton erinnert, bevor Renoise aber in eine Ecke abbiegt, die eher in Richtung Programmieren und schriftlichem Komponieren auf Notenpapier geht. Spannend! Denn durch die vollkommen andere Herangehensweise entstehen Klänge, auf die ich mit anderen Möglichkeiten nicht gekommen wäre.
Gleichzeitig merkt man, wie viel unter der Haube schlummert… wenn man sich denn an’s Entdecken macht. Und dieses Entdecken klappt eben nicht per Fingerschnipp, sondern erfordert Einarbeitung. Ein guter Einstieg ist dabei die Renoise-Website sowie die Hilfe-/Tutorial-Sektion der Software selbst. Die findet man übrigens auch ganz ohne Tastaturbefehl