Schon seit einigen Jahren erfrischt der deutsche Hersteller Gewa den Homepiano-Markt mit Instrumenten aus heimischer Produktion. Mit kleinem, feinem Sortiment wollen es die Vogtländer im Einsteiger- bis Mittelklasse-Segment regelmäßig mit den Produkten der angesagten japanischen Digitalpiano-Produzenten aufnehmen. Auch das neue DP 345 könnte das Zeug dazu haben.
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Während die traditionelle Homepiano-Baureihe bei Gewa auf das Kürzel UP hört, markieren die Instrumente der hauseigenen DP-Serie den noch etwas preiswerteren Einstieg ins Spiel am Digitalpiano. In seiner Preisklasse um 1.400 Euro ist das DP 345 bei 20 Sounds, integriertem Metronom und Recorder sowie zwei eingebauten Lautsprechern ein schnörkelloses Instrument mit Piano-pur-Ansatz. Auf den zweiten Blick ist es dabei aber auch sehr zeitgemäß ausgestattet. Insbesondere bietet es ein Display-basiertes Bedienfeld, wie es sich in dieser Pianoklasse gerade erst allmählich durchzusetzen beginnt.
Für den Aufbau des zerlegt ausgelieferten Pianos sollte man eine Stunde Zeit einplanen. Dass es sich um ein Preiswert-Instrument handelt, bemerkt man zwar am Ständer – etwa durch dessen Fußleisten aus Kunststoff – oder Details wie dem eher schlichten Netzkabel. Außerdem fehlt ein Haken zum Aufhängen des Kopfhörers. Doch, alle Achtung: Die komplette Korpus-Einheit mit Klaviatur und Lautsprechern wirkt sehr solide. Und auch das große Notenpult aus Holz mutet gediegen an. Die als Slider ausgeführte Tastaturabdeckung ist ebenso keinesfalls billig gemacht. Ferner stehen mit mattem Schwarz oder Weiß sowie Rosenholz drei Farbausführungen zur Wahl. Stattliche 41,5 Kilogramm bringt das DP auf die Waage.
Mit Line-Ausgängen im Standard-Klinkenformat ist das DP 345 für die Nutzung an einer externen Soundanlage gewappnet. Ein Stereo-Line-In (Miniklinke) ist für ein MP3-Player-Signal gedacht. Ein separater Sustain-Pedalanschluss, MIDI-In und -Out sowie USB-to-Host für den Rechner komplettieren die rückwärtige Ausstattung. Zwei Kopfhörerbuchsen und USB-to-Device liegen vorne links unter der Tastatur.
Slider auf!
Das DP 345 kommt mit einem Flügelsound, den man von den teureren UP-Geschwistern her kennt. Es handelt sich um ein tolles Multisample eines Steinway-D-274-Konzertflügels. Der besondere Steinway-Sound wurde hier gut eingefangen, und der Klang spielt sich sehr dynamisch und lebendig, inklusive überzeugend simulierter Saiten- und Dämpferresonanzen. Super gelungen ist der Ausklang, der dank langer Samples ohne hörbare Loop-Phase auskommt. Den Steinway gibt es in drei Varianten, die sich in Direktheit und Brillanz unterscheiden. Das sehr mittenbetonte »Grand Piano 4« wiederum dürfte auf einem eigenem Multisample basieren. Ebenfalls zur Piano-Soundbank zählt ein guter Cembaloklang mit Key-off-Sample. Eine hohe Polyfonie von 256 Stimmen rundet das Spielvergnügen ab.
Unter den übrigen 15 Klängen findet man natürlich erst einmal E-Pianos: ein klassisches Fender Rhodes sowie eine Dyno-Rhodes-Variante, außerdem ein ebenso überzeugendes Wurlitzer. Das DX-Piano ist etwas nüchtern geraten, aber eine weitere unverzichtbare, markante Klangfarbe. Vier gute Flächensounds ergänzen natürliche und synthetische Streicher, einen schönen Chor sowie ein Synthpad. Gewa-typisch reagieren sie lediglich mit einer verlängerten Release-Phase auf den Haltepedal-Einsatz.
Die Kirchenorgel und der cleane, jazzige Hammond-B3-Sound sind gelungen, eine weitere E-Orgel hat eine etwas fiese obere Harmonische im Sample und ist mit Vorsicht zu genießen. Den Abschluss bilden eine Nylon-String-Guitar und ein Hohner-D6-Clavinet, beide sehr brauchbar, sowie ein Vibrafon und ein Akkordeon, die man sicher schon mal besser gehört hat. Leider fehlen in der an sich guten Auswahl ein, zwei Bass-Sounds, die man zum Splitten gut gebrauchen könnte.
Neues Bedienkonzept
Tolles Feature in dieser Klasse ist das kleine OLED-Display des DP 345, dessen Auflösung gut genug ist, um auch Schrift in drei Zeilen noch gut lesbar darzustellen. Die flachen, beleuchteten Soft Touch Buttons darunter könnten auf den ersten Blick fast als Tippfelder durchgehen, sind aber physikalische Bedienelemente. Mit den oberen Cursor-Buttons schaltet man durch Soundbänke und Klänge bzw. durch Menüseiten und Parameterwerte. Unter dem Volume-Regler in der Mitte gibt es noch vier Menü-Buttons, die neben dem Bereich »Voice« zur Klanganwahl die Menüs für das Metronom, den Song-Player sowie den Recorder abdecken.
Die Bedienung am Piano direkt ist sehr einfach gehalten. Man wählt einen der Sounds an, stellt das Metronom ein und hat ein paar Aufnahme- und Abspielfunktionen an der Hand – das ist es auch schon. Alle weiteren Funktionen hat der Hersteller auf seine kostenfrei verfügbare »Gewa Piano Remote App« für Android und iOS ausgelagert. Dazu zählen dann neben der Auswahl eines speziellen Effekts auch das Splitting und Layering.
App
Der Zugriff auf das Piano via App funktioniert schon, sobald man ein Smartphone oder Tablet via Bluetooth mit dem DP 345 koppelt. Einem Sound kann man einen bestimmten der sechs Typen des Reverbs spendieren oder einen von fünf Modulationseffekten zuweisen. Grundsätzlich sind dies fertige Effekt-Presets. Globale Einstellungen wie die Anwahl einer von fünf Dynamikkurven für den Tastenanschlag, Tuning und Transponierung sowie sechs Tuning-Skalen, aber auch MIDI-Spezifisches erledigt der Spieler ebenfalls über die App. Was fehlt, ist eine Brillanzregelung oder ein Equalizer für das interne Wiedergabesystem des Pianos. Darauf hätte ich auch gerne den Zugriff direkt am Instrument.
Toll dagegen, dass in der App der »Virtuelle Pianotechniker « an Bord ist. Für die Steinway-Sounds lassen sich darüber Saiten- und Pedalresonanzen in 20 Intensitätsstufen regeln, man kann die virtuelle Mechanik in Sachen Hammerköpfen (»mellow« bis »boost«) und Fußpedalen (Halbpedalerkennung und Una-Corda-Level) anpassen. Spezialität ist die Kalibrierung jeder einzelnen Taste der Klaviatur, um die Reaktion des Flügelsounds präziser an die eigene Spielweise anzupassen.
Außerdem freue ich mich über die Möglichkeiten für Splits und Layer. Zwei oder auch drei Klänge lassen sich dabei über die Tastatur verteilen, wobei man gleichzeitig splitten und layern darf. Das Ergebnis ist in Form einer »Combination« in der App speicherbar, wobei sich beliebig viele Combinations erstellen lassen.
Um auch eine Split-Layer-Combination ohne Mobilgerät am DP 345 aufrufen zu können, gibt es die sechs »Favorites« – frei belegbare und mit eigenem Namen versehbare Soundspeicher, die in einer eigenen Soundbank des Pianos zu finden sind. Dazu wird die Favorites-Bank zuvor in der App mit Klängen bestückt und das Ergebnis dann automatisch mit dem internen Klangspeicher des Pianos synchronisiert. In einem Favorite-Speicher kann darüber hinaus aber auch ein Einzelklang, etwa ein E-Piano mit bestimmten Reverb- und Modulationseffekt, gespeichert werden. Leider lassen sich die Parameter des »Pianotechnikers« nicht im Rahmen eines Favorite-Sounds sichern. Lediglich ein Metronom-Tempo kann noch zusammen mit dem Klang und den Effekttypen, die dann für Layer 1 gelten, abgespeichert werden.
In der Gewa Piano Remote App
lassen sich beliebig viele Combinations
aus bis zu drei Sounds
erstellen, die dann in Echtzeit am
Piano verwendet werden können.
Klaviatur und Wiedergabe
Zum Einsatz kommt an diesem Instrument die von Fatar gebaute »Concert Pianist Graded Hammer«-Tastatur. Sie liefert ein rundes Spielgefühl und zählt eher zu den mittelschwer gewichteten Digitalpiano-Manualen. Die meisten Spieler dürften schnell warm mit ihr werden, die Repetition ist gut und man spürt deutlich die Hammerbewegungen. Die Decklagen der Tasten sind leicht mattiert und dadurch griffiger. Die Tasten im Bass und Diskant sind etwas unterschiedlich schwer gewichtet, um dem akustischen Vorbild näher zu kommen. Insgesamt kann man sich auf dieser Tastatur dynamisch gut ausdrücken.
Das Wiedergabesystem basiert auf einer 2×20-Watt leistenden Verstärkereinheit und zwei Lautsprechern, die nach unten und nach vorne abstrahlen. Letzteres wird durch Gehäuseöffnungen zum Spieler hin erreicht, die hinter einer stoffbezogenen Blende über dem Tastatur-Slider versteckt sind. Der Sound ist angemessen kraftvoll und auch bei voller Power fast rauschfrei. Der Grundsound ist recht durchsichtig, aber bleibt trotz der vorderen Speaker-Öffnungen etwas bedeckt und bassbetont. Hier würde sich mit einer Klangregelung sicher noch etwas herausholen lassen. Sehr gut: Um das DP 345 wiederum an eine externe Anlage anzuschließen, gibt es Stereo-Line-Ausgänge im Standardklinkenformat. Über Kopfhörer gespielt, tönt der Flügel des DP 345 denn auch genauso erstklassig wie an den teureren Gewa-UP-Modellen.
Aufnehmen und Abspielen
Das DP 345 bietet einen Zweispur-MIDI-Recorder, der sich auch bereits direkt über das Bedienfeld des Pianos fast genauso nutzen lässt wie von der App aus. Gleiches gilt für die Metronom-Funktionen.
Wählt der Spieler aus, dass die Aufnahme auf einem USB-Stick erfolgen soll, wird automatisch im WAV-Format aufgezeichnet, während der interne Songspeicher mit Platz für vier Songs dem MIDI-Format vorbehalten bleibt. Abspielen via USB wiederum lassen sich beide Formate.
Während die Bluetooth-MIDI-Verbindung des Pianos übrigens ständig aktiv ist, muss der Spieler die Bluetooth-Audio-Verbindung zunächst aktivieren. Danach können dann ebenso Audio-Songs vom Mobilgerät über die Piano-Lautsprecher wiedergegeben werden. Gleiches funktioniert zudem noch analog über den Stereo-Eingang auf der Pianorückseite. Von der App aus lassen sich ferner zehn MIDI-Klavierstücke abspielen und dabei die Stimmen von rechter und linker Hand trennen, um dann die jeweils andere dazu einzustudieren. Die derzeit überschaubare Auswahl will Gewa fortlaufend erweitern.
Zudem soll die Remote-App, deren Screens bislang für die Nutzung auf dem Smartphone zugeschnitten sind, in einer eigenen Tablet-Version erscheinen. Dass ihr Funktionsumfang noch erweitert wird, ist ebenfalls alles andere als unwahrscheinlich.
Fazit
Das Gewa DP 345 ist ein solide konstruiertes Homepiano der unteren Mittelklasse mit einem der besten Flügelsounds in seinem Segment sowie einer sehr guten Tastatur. Gegenüber der Konkurrenz aus Japan, zu der in dieser Klasse etwa das Yamaha Arius YDP-165 oder das Kawai CN 29, aber auch einzelne Modelle aus Casios Privia- und Celviano-Reihen zählen, kann sich das Gewa gut behaupten und sticht mit manchem Ausstattungs-Feature hervor. Insgesamt 20 Sounds, eine komfortable Display-basierte Bedienung sowie die App-Anbindung bilden ein rundes Paket, technisch auf der Höhe der Zeit. Herausragend sind die Split-Layer-Möglichkeiten und die Favorite-Speicher für eigene Kombiklänge. Während die Möglichkeiten der Aufnahme und Wiedergabe von Audiosongs ebenfalls zu den Features zählen, die in dieser Pianoklasse noch nicht selbstverständlich sind, sollte Gewa bei den MIDI-Übungssongs noch nachliefern und hat diese Absicht ja auch bereits angekündigt. Ebenso sollte man dem DP 345 – via OS-Update oder als Funktion in der App – eine Klang- beziehungsweise Brillanzregelung spendieren. Das ist laut Hersteller technisch möglich und wird vermutlich hinter den Kulissen schon in Angriff genommen.