Dressed in black

Kijimi von Black Corporation – Polyfoner Analogsynthesizer im Test

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(Bild: ALEX4 Distribution GmbH)

Der RSF Polykobol II von Ruben und Serge Fernandez gehört zu den seltensten polyfonen Synthesizern. Klanglich hoch gelobt, gilt das Instrument von 1982 als wenig zuverlässig und aufgrund seines Verkaufspreises und des Fehlens von MIDI eher als Misserfolg. Technisch betrachtet handelt es sich im Prinzip um die polyfone, speicherbare Version des monofonen Kobol. Die japanische Black Corporation hat sich nun an eine Neuinterpretation herangewagt – analog, mit moderner Schaltungstechnik bestückt, im Rackformat und mit Mut zur Lücke. Der Kijimi versteht sich jedoch nicht als Nachbau, sondern als Synthesizer, der vom Polykobol inspiriert wurde …

Die Klangerzeugung des Kijimi arbeitet mit analogem Signalpfad und digitalen Modulatoren. Jede der acht Stimmen offeriert zwei Oszillatoren, die auf AS3340-Chips von AS ALFA RPAR basieren – dies sind kompatible Redesigns des Curtis CEM3340, der einst im Prophet-5 Rev. 3, Oberheim OB-Xa, Jupiter-6 und Memorymoog verbaut wurde, während der Polykobol II den Fairchild uA726-Chip nutzte.

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Die Oszillatoren sind über ±2 Oktaven und VCO 2 ergänzend um einen Halbton fein stimmbar und können bei Bedarf einzeln von der Tastatursteuerung entkoppelt werden. Geboten wird eine stufenlose manuelle oder modulationsgesteuerte Überblendung zwischen den sieben bereitgestellten Wellenformen – neben einer Pulsbreitenmodulation finden sich daher auch ungewohnte, aber stets organische Klangvariationen abseits von Sägezahn, Rechteck und Dreieck.

VCO 2 wartet mit freier Pegelsteuerung auf, während VCO 1 nur in drei Stufen schaltbar ist. Hinzu kommt ein pegelbarer Suboszillator, der sich aus der Mischung beider VCOs ableitet und damit auch Intervalle liefert. Ergänzend gibt es eine Hard-Sync-Funktion sowie ein dreistufig schaltbares Weißes Rauschen – hier wie auch für VCO 1 wäre ein Poti die bessere Wahl gewesen. Dafür gibt es regelbare Glide- und Unisono-Funktionen sowie monofone und zwei polyfone Betriebsarten.

Im Filterbereich agiert ein Tiefpass mit 24 dB/Oktave, der Resonanz bis hin zur Selbstoszillation bietet. Zum Einsatz kommt der SSI2144, der sich als moderne Version des SSM2044 versteht, der im Polykobol II, aber auch im PPG Wave 2.3 und Korg Polysix zu finden war; die Neuauflage dieses geradlinigen, gut klingenden Filters findet sich beispielsweise auch im Prophet X von Sequential.

Abschließend gelangt das Signal in einen VCA (ALFA AS3360), der den nicht mehr verfügbaren CEM3360 nachbildet. Mager ist der einzelne unsymmetrische Audioausgang, der parallel einen frontseitigen Kopfhörerverstärker speist. Auf Stereoeffekte muss man folglich verzichten, ebenso wie auf den Dual/Layer-Betrieb des Vorbildes. An weiteren Anschlüssen bietet der Kijimi ein MIDI-Trio, USB sowie einen regelbaren Modulationseingang und eine Expander-Schnittstelle – die beiden Letzteren bislang ohne Funktion.

Der Kijimi bietet eine üppig mit Reglern und Schaltern bestückte Bedienoberfläche.

Modulationen

Der Kijimi (getestet mit Firmware 1.3.5) zeichnet sich durch einen üppigen Modulationsbereich aus. Für die Filterfrequenz und den VCA finden sich ADSR-Hüllkurven, die über ihre volle Länge geloopt und in Abhängigkeit zur Anschlagsdynamik und der eingehenden Tonhöhe gebracht werden können. Die Regelzeiten lassen sich zudem um einen Faktor von bis zu 4 verlängern. Direkte Modulationszuweisungen findet man für die Filterfrequenz und die Resonanz durch die Anschlagsdynamik und den Aftertouch sowie ein Tastatur-Tracking für die Filterfrequenz. Das Modulationsrad ist pro Preset für einen der LFOs programmierbar, ebenso die Pitchbend-Funktion.

Der Kijimi bietet zwei LFO-Stränge mit je acht Routing-Tastern. Die LFOs (0,01 bis 100 Hz) sind variabel synchronisierbar und verfügen über eine umfassende Wellenformauswahl. Hinzu kommen ergänzende Attack- und Decay-Regler, die die LFO-Geschwindigkeit oder -Intensität zeitlich verändern können. So lassen sich dynamische Modulationszyklen generieren, etwa in Form von Beschleunigungen oder Fade-ins.

Adressierbar sind jeweils die Tonhöhe und Wellenform pder VCOs, der Sustain-Pegel, Filterfrequenz und -resonanz sowie der VCA. Jede Modulation kann per Taster aktiviert und dabei positiv, negativ oder bipolar agieren. Der zugehörige Regler jedes Stranges legt die Modulationsintensität fest, seit Firmware 1.1 auch pro Modulationsziel. Seit Firmware 1.2 verfügt jede dieser 16 Modulationsverknüpfungen sogar über unabhängige LFOs! Das ist schlicht bemerkenswert, selbst wenn die mögliche Synchronisation zu einer MIDI-Clock entfällt.

Weiter folgt eine Modulationssektion, bei der Hüllkurve 2 auf die Oszillator-Tonhöhen und -Wellenformen wirken kann – regelbar pro Ziel. Hinzu kommt eine FM-Sektion, bei der VCO 2 sowohl VCO 1 als auch das Filter adressieren kann.

Zwei weitere Reihen widmen sich dem variablen, bipolaren Routing der Anschlagsdynamik und der Aftertouch-Funktion auf die LFO-Geschwindigkeiten, die Wellenformauswahl, den Pegel des Suboszillators, Pitchbend und den VCA. Die Auswahl erreicht zwar nicht die Vielfalt einer Modulationsmatrix, ist aber absolut ansprechend sowie schnell und übersichtlich nutzbar. Vermisst habe ich allerdings die Möglichkeit, die LFOs per Aftertouch einblenden zu können. Auf einen internen Sequenzer verzichtet Kijimi übrigens und beschränkt sich auf einen speicherbaren, menügesteuerten Arpeggiator.

Praxis

In der Praxis gibt sich der Kijimi einerseits angenehm geradlinig und verfügt auf seinen 4 HE dank zahlreicher Regler mit eindeutiger Funktionalität über eine gute Haptik. An die Großzügigkeit des Originals, das zudem mit Klaviatur aufwartet, reicht er jedoch nicht heran. Die Verarbeitung ist gut, aber nicht betont edel oder robust. Überhaupt wundert man sich über das leichte Gewicht der Konstruktion. Ein Ausfall an meinem Testgerät ist das externe Netzteil, dessen nicht arretierbarer Stecker immer wieder herausfiel. In dieser Preisklasse hätte ich ein internes Netzteil, wenigstens aber eine sichere Verbindung erwartet.

Echten Spaß hat man an der Bedienoberfläche nur, wenn diese direkt im Zugriff ist. In einem 19″-Rack ist der Synthesizer meines Erachtens eher fehl am Platze. Nicht umsonst werden die Modelle Xerxes und Deckards Dream MKII inzwischen in (rackfähigen) Pultgehäusen ausgeliefert.

Da die meisten Funktionen direkt zugänglich sind, kommt dem Display eine eher untergeordnete Rolle zu – bis auf den aufgewerteten Modulationsbereich. Das wäre verschmerzbar, hätte sich der Hersteller nicht für ein winziges OLED-Display entschieden. Das Ablesen gerät zur Anstrengung, und der Verzicht auf Preset-Namen ist völlig unnötig. Immerhin: Unter dem Namen Babu Frik steht eine kostenlose Editor-Software mit skalierbarer Benutzeroberfläche zur Verfügung, die standalone oder als automatisierbares VST3/AU-Plug-in unter Windows und macOS läuft. Neben der Parameter-Editierung ist dabei eine Preset-Verwaltung an Bord sowie die Möglichkeit, neue Patches per Merge-Funktion oder zufällig zu generieren. Das ist lobenswert, kompensiert aber nicht das Manko des kleinen Displays.

Die Speicherbarkeit mit zehn Bänken à 128 Sounds und MIDI fällt großzügiger als im Polykobol aus. Hinzu kommen die Möglichkeit von Microtunings, die großartigen Zuwächse im Modulationsbereich sowie die Unterstützung von Anschlagsdynamik, polyfonem Aftertouch und sogar MPE für eine stimmbezogene Adressierung der LFO-Geschwindigkeiten, des Filters und des Suboszillators. Kijimi ist damit das klar ausdrucksstärkere Instrument.

Vollen Parameterzugriff und eine Patch-Verwaltung für Windows und masOS bietet der kostenlose Editor Babu Frik.

Sound

Für einen Klangvergleich stand mir ein Polykobol leider nicht zur Verfügung. Man darf aber davon ausgehen, dass der Kijimi sich aufgrund veränderter Bauteile erkennbar von seinem Vorbild unterscheidet, so wie es auch bei Deckards Dream und Xerxes der Fall ist. Ich bewerte das Testgerät folglich als eigenständigen Synthesizer.

Meinen Geschmack treffen die Presets dabei nur selten. Der Grundklang ist weder strahlend noch explizit knackig, sondern eher voluminös druckvoll. Der Bassbereich gerät für meine Begriffe etwas zu wuchtig mit einer Tendenz zum Aufschwingen, was sich aufgrund der reinen Tiefpassfilterung nicht immer zähmen lässt. Folglich gefallen mir die Mittellagen entsprechender Sounds oft besser.

Es ist nötig und sinnvoll, in die Klangerzeugung einzutauchen. Dann finden sich im Kijimi fette Bässe, zahlreiche Effektklänge und vielfältige Flächen in überzeugender Qualität. Perkussive und straffe Sequenzen, etwa in Kombination mit dem Arpeggiator, sind durchaus möglich und im Unisono-Modus herrlich druckvoll, dennoch würde ich diesen Bereich nicht als Stärke des Instruments bezeichnen; gleiches gilt für aggressive Klangfarben. Das Filter klingt gut und satt mit gut eingebetteter Resonanz, die bei höheren Werten die Basswucht etwas ausdünnt.

Ähnlich wie beim Moog One habe ich hier den Eindruck, mir gute Klänge erarbeiten zu müssen. Im Unterschied zu einem Jupiter-8 oder Prophet-5 belohnt der Kijimi nicht unmittelbar mit grandiosen Klängen, sondern erfordert eine genauere Abstimmung der Parameter.

Für mich liegt die Stärke dieses Synthesizers in seinen umfassenden Modulationen. Durch 16 LFOs lassen sich komplexe Animationen generieren, die um die loopbaren Hüllkurven noch ergänzt werden – ein breites Feld für Klangforscher auf der Suche nach flächigen Klängen und Soundscapes, aber auch Effektsounds. Die Möglichkeiten sind auf Dauer ergiebig und zudem herrlich expressiv spielbar. Bei Flächen erreicht man über Verstimmungen und Pulsbreitenmodulationen eine schöne Dichte und Lebendigkeit, an Breite fehlt es dem Kijimi aber aufgrund der fehlenden Layer und möglicher Stereo-Routings. Entsprechend profitiert der Synthesizer durchaus von hochwertiger Peripherie.

Weder Stereobetrieb noch multiple Parts: Der Kijimi begnügt sich mit einem Mono-Audioausgang.

Fazit

Mit dem Kijimi verfolgt Black Corporation ein interessantes Synthesizerkonzept, das durch ein rares Kultgerät inspiriert wurde. Das Testgerät greift wesentliche Aspekte des Polykobol II auf und bringt die Schaltung zu guten Teilen in ein kompaktes Format mit aktuellen Erweiterungen wie MIDI, MPE sowie, dank regelmäßiger Firmware-Updates, deutlich erweiterten Modulationskapazitäten. Die Bedienoberfläche ist großzügig, verliert aber aufgrund des 19″-Formats an Durchschlagskraft, wobei das winzige Display sogar als Ärgernis zu bezeichnen ist. Das Fehlen von Stacks und Splits sowie jeglicher Stereofunktionen sind – gemessen an der Preisklasse von über 4.000 Euro – weitere Minuspunkte. Als Boutique-Gerät fällt der Kijimi erwartungsgemäß kostspieliger als die in größeren Stückzahlen von Sequential und Novation angebotenen Instrumente aus und weist zudem einen eigenständigen Klang auf. Gleichwohl, der Preis erscheint mir etwas zu selbstbewusst.


Hersteller/Vertrieb: Black Corporation / Alex4 Distribution GmbH
Preis: 4.200,– Euro
Internet: black-corporation.com / www.alex4.de

Unsere Meinung:

++ 16 LFOs und zwei loopbare Hüllkurven
++ großzügige Bedienoberfläche
++ polyfoner Aftertouch, MPE
–– viel zu kleines Display
– externes Netzteil mit wackeliger Verbindung

 

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