Transkription:

Walter Fischbacher / Elisabeth Lohninger – Take My Picture While I’m Smiling

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Willkommen zurück zu den Transkriptionen von KEYBOARDS, die nun auch Teil von Sound&Recording geworden sind. Auch hier bin ich auf der Suche nach interessanten Songs, die sich gut auf Klavier umsetzen lassen – oder noch besser: die für Solo-Klavier komponiert und arrangiert worden sind.

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Phishbacher alias Walter Fischbacher haben wir schon in KEYBOARDS 04/2018 mit dem Song Dreamcatcher porträtiert. Walter Fischbacher hat in Wien klassisches und Jazz-Klavier studiert und ist 1994 nach New York gezogen, nach wie vor sein Hauptwohnsitz, hier betrieb er bis 2015 sein Aufnahmestudio Lofish. Vor allem sein Trio Phishbacher hat große Anerkennung gefunden – viele weitere Projekte werden auf seiner Homepage www.walterfischbacher.com beschrieben.

Im letzten Jahr hat Walter sein solopianistisches Engagement erweitert und mit Moments eine phänomenale Solo-Klavierscheibe eingespielt. Darauf befinden sich sowohl neue Solo-Klaviersongs als auch frisch arrangierte Jazz-Klassiker wie Take Five oder Like Someone In Love (Jimmy Van Heusen), die von Walter rhythmisch und harmonisch „renoviert“ wurden und absolut hörenswert sind. Auch eigene Band-Klassiker wie Azul oder die Interpretation des George-Harrison-Songs While My Guitar Gently Weeps sind nun auf das Solo-Klavier harmonisch und rhythmisch zugeschnitten.

Die Transkription findest du in der Sound&Recording+Keyboards-Ausgabe 03/2020. Hier versandkostenfrei bestellen oder als PDF kostengünstig herunterladen. 

Einen guten Eindruck von Walters Fähigkeiten erhält man im YouTube-Video „Walter Fischbacher-piano solo live @ Stricker Studios“ – das Live-Konzert wurde im Studio des formidablen Schlagzeugers Ulf Stricker aufgenommen und zeigt eine Auswahl von Walters Solopiano-Arrangements. Hier erlebt man einen spieltechnisch hervorragenden Pianisten, einen präzisen Rhythmiker und trotzdem mitreißend groovenden Musiker, dessen phänomenale linke Hand eine ganze Band zu ersetzen vermag und die so eine pulsierende Grundlage legt, die ich so nur bei sehr wenigen Pianisten gehört habe. Als kleines Notenbeispiel findet sich das LH-Pattern des ersten Songs der CD New Days im rasanten Tempo von 140 BpM – im genannten Video ab 20:05 Min. nachzuvollziehen.

Auf seiner Homepage gibt es weitere Videos mit Songs der CD. Nicht unerwähnt bleiben sollte der Online-Shop, in dem Leadsheets, MP3s, Sibelius- und Cubase Dateien von vielen Songs angeboten werden.

Notenbeispiel: New Days LH Paddern

LH-Pattern des Songs New Days

Zur Transkription

Take My Picture While I’m Smiling ist ein unprätentiöses Lied, kein virtuoser Kracher, der mit komplizierten Akkorden zugepflastert ist. Es ist eine schlichte, bluesige Ballade mit Gospel-Zutaten, die sehr groovy daherkommt. Die Melodie ist eingängig, was auch kein Wunder ist, denn den Song hat Walters Frau geschrieben, die Jazzsängerin Elisabeth Lohninger. Mit ihr ist er u. a. auch im Duo und kleiner Band-Besetzung unterwegs. Im Original ist der Song auf der hörenswerten CD Eleven Promises (2016) mit Streichern und im langsameren Tempo zu erleben.

Der Clou des Klavier-Solo-Arrangements sind die dezenten Funk-Applikationen, die dem Song eine erfrischende Leichtigkeit geben. Und exakt hier liegt auch die Herausforderung für den Spieler: Das Spiel basiert auf der Kunst, sich nicht an den Synkopen zu berauschen und dadurch die Melodie zu zerhacken. Das funkige Wechselspiel der beiden Hände wird organisch in den Gesamtklang integriert, was Erfahrung und Übersicht voraussetzt. Die Breaks und Stopps werden unaufgeregt, dezent und fließend gespielt – alles in angenehmer Klangfülle, die im Kontrast zu den getupften Zwischenakzenten steht. Somit bietet dieser Song eine ausgezeichnete Möglichkeit, musikalische Gestaltung und Rhythmus/Groove zu trainieren.

Die Aufnahmen fanden in Walters Wohnzimmer auf einem selbst gestimmten
Yamaha C7-Flügel statt.

Die Mikrofonierung bestand aus zwei
AKG 414, zwei Neumann KM 184, 4 Kanal Mikro-Vorverstärker Rupert
Neve Portico 5024 und Audio-Interface MOTU 8pre. Die Mikros befanden
sich unter der „Schallschutz-Verpackung“, ihre Positionierungen sind in
der Skizze zu sehen.

Eine Variante des Songs mit Soloparts kann man im oben genannten Video von 27:25 bis 32:10 sehen und vergleichen, wie man den Song durch viele kleine Hooks und Wendungen weiter ausbauen kann. Die Transkription bezieht sich allerdings auf die CD–Version.

Nach dem kurzen Standard-Intro beginnt das auftaktige Thema, der letzte Melodieton klingt weiter, und die rechte Hand nutzt die Gunst der Stunde, um gemeinsam mit der linken Hand ein funkiges Comping-Pattern unter dem ausklingenden Melodieton zu spielen. Wichtig ist, dass sich die Akkorde lautstärkenmäßig der Melodie unterordnen und dass das Fortepedal mit „Fußspitzengefühl“ gespielt wird als Kompromiss zwischen balladesker Klangbreite und rhythmischer Transparenz.

Apropos funky: Der geschmeidige Groove gelingt mithilfe von gefühlten und subtil angedeuteten Ghostnotes. Die miniaturisierten Noten weisen auf die sehr leise zu spielenden Zwischenschläge hin. In der linken Hand ist der punktierte Achtel-Rhythmus als Pulsgeber herauszuarbeiten.

Vielen Dank an Walter Fischbacher für die freundliche Unterstützung und für die Infos.


Interview mit Walter Fischbacher

Wo ist der Weltbürger Fischbacher zu Hause? New York, Nordrhein Westfalen, Österreich? Wo ist der musikalische lokale Schwerpunkt?

Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich mein musikalisches Tätigkeitsfeld mehr auf Europa verschoben. Ich bin zum Großteil mit verschiedenen New Yorker Sängern auf Tournee, sowohl als Pianist wie auch als Organisator und Road Manager. Die Konzerte finden sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in Osteuropa statt. Durch Axel Fischbacher (Gitarrist), meinen Bruder in Spirit, mit dem ich in vielen Belangen zusammenarbeite, haben sich viele Jobs in NRW ergeben. Deshalb auch die Entscheidung, hier eine Homebase zu errichten, ein Basislager für meine Europatourneen, die jetzt wohl ein Jahr Zwangspause machen werden.

Ich kenne kaum jemanden, der nicht Top-Name-Recognition hat, wie z. B. Herbie Hancock, Snarky Puppy etc., und der in den USA erfolgreich, also kostendeckend, eine Tournee zusammenstellen kann. Daher ist auch mein Hauptarbeitsplatz in Europa. Die wenigen Gigs in New York sind natürlich cool, weil der Pool an sensationellen Mitmusikern riesig ist und immer eine musikalische Herausforderung mit sich bringt – aber leben kann davon niemand.

Natürlich gibt es Musiker in New York, die mit Musik über die Runden kommen. Das Musikbusiness ist breit gefächert, da geht es von Hochzeiten und Barmitzvas, Ballet begleiten bis zu Werbejingles einspielen/programmieren. Meine Idee von einer Musikerkarriere war aber immer schon nur die Musik zu spielen, die mir wirklich Spaß macht, und wenn es geht, auch davon zu leben. Ein lebenslanger Prozess … Da in Europa die Fixkosten generell geringer sind als in NYC, ist das hier leichter zu bewerkstelligen.

Wie trainierst du die linke Hand zu dieser virtuosen Unabhängigkeit? Hast du da Tipps?

Diese Linke-Hand-Ostinatos sind an Chopin angelehnt. Vorerst sollten diese Figuren natürlich technisch gut gemeistert sein. Solange da noch irgendwas unrund oder verspannt ist, wird es auch mit der Unabhängigkeit schwierig.

  1. In nur einer Tonart: linke Hand laufen lassen, mit der rechten einfache rhythmische Muster spielen,
  2. Patterns und Skalen in der rechten Hand spielen,
  3. die linke Hand durch die Tonarten des Songs spielen,
  4. Beide Hände in den Tonarten des Songs üben.

Im YouTube-Video des Ulf Stricker Studio-Konzertes weichst du bei Take My Picture When I’m Smiling häufig von der CD-Version 2019 ab – sind das spontane Entscheidungen, oder ist das vorher durchgeplant?

Da musste ich jetzt selbst nachgucken. (lacht) Die Idee auf der CD war, das Stück kurz zu halten: einmal das Thema durch und fertig. Da auf der CD auf anderen Stücken viele freie Improvisationsteile sind, die sehr weit heraus schwimmen, wollte ich das mit einem einfachen, positiv klingenden Lied kontrastieren. Bei einem Live-Konzert kommt es immer auf die Stimmung im Raum an: Wie fühlt sich das Publikum, wie fühle ich mich, hab ich noch viele Noten auf Vorrat, oder halte ich lieber kurz? Das kann bei jedem Konzert und in jeder Stelle der Set-List anders sein. Festgeschrieben ist nur das (ursprüngliche) Lead-Sheet mit Melodie und Akkorden.

Welche neuen Pläne gibt es, welche weiteren Herausforderungen siehst du für dich?

Der langfristige Plan ist mein Klavierspiel zu verbessern. (lacht) Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter. In Zeiten von Corona läuft das momentan eigentlich gar nicht so schlecht, da die meisten sonstigen Aktivitäten nicht stattfinden und ich vergleichsweise viel Zeit zum Üben habe. Ich hatte eigentlich einen dichten Tourplan im Kalender, mit ca. 200 Konzerten bis Ende 2021, mit acht verschiedenen Sängern und Instrumentalisten aus New York. Man wird sehen, was davon überbleibt, schwer zu sagen zu diesem Zeitpunkt. Momentan arbeite ich an Elisabeth Lohningers nächster CD-Produktion, die für Herbst als Tournee geplant war.

Die Transkription findest du in der Sound&Recording+Keyboards-Ausgabe 03/2020. Hier versandkostenfrei bestellen oder als PDF kostengünstig herunterladen. 

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