Die Berliner melden sich zurück! Ableton Live erfährt das erste »Minor«-Update seit letztem Jahr. Wie wir sehen werden, ist aber mehr geboten als erwartet.
Anzeige
Während unseres Tests befand sich die Version 10.1 noch in der öffentlichen Beta-Phase. Allerdings zeigte sich Live sehr stabil und performant. Schnell wurde klar, dass man in diesem Update primär auf diverse User-Wünsche eingegangen ist.
GUI
Die Entwickler haben sich einige Gedanken gemacht, wie man noch schneller in Projekten navigieren kann. Zum einen lässt sich das Fenster »Arrangement-Overview« nun deutlich größer skalieren, und hier sind auch zwei neue Schaltflächen namens »H« und »W« zu finden, welche die Zoom-Einstellung in Höhe und Breite so anpassen, dass alle Spuren und deren Inhalt Platz im Arrangement-Fenster finden. Diese Kürzel werden auch als Shortcuts auf der Tastatur widergespiegelt. Zum anderen kann man mit der Taste [Z] eine Selektion auf den gesamten Arrangement-Bereich vergrößern. Hübsch wäre es gewesen, wenn eine erneute Betätigung dieser Taste wieder auf den vorigen Zoom-Faktor zurückspringen würde.
Am Trackpad war das vertikale und horizontale Navigieren schon länger mit zwei Fingern möglich. Mit dem Update ist nun auch das Zoomen per »Pinch«-Geste möglich − so wie man es aus zahlreichen Applikationen bereits kennt.
Automation
Die verbesserte Navigation wirkt sich natürlich auch positiv auf die Arbeit mit Automationskurven aus, ist hier doch häufig eine exakte optische Kontrolle notwendig. Ziemlich praktisch erweisen sich somit die zehn vorgefertigten Kurvenformen, die nach einem Rechtsklick auf eine Automation im Kontextmenü unter »Insert Shape« bereitstehen. Die ausgewählte Form wird im Handumdrehen auf den aktuell selektierten Bereich übertragen. Somit sind Pan-Effekte oder Filter-Sweeps sehr schnell umzusetzen.
Ein selektierter Automationsbereich wird jetzt von acht Knotenpunkten umgeben. Mithilfe dieser »Handles« kann man die Kurve in jeder erdenklichen Art dehnen, kippen, skalieren. Nimmt man noch die [Strg]-Taste hinzu, ist sogar ein Invertieren bzw. Spiegeln möglich. Wunderbar!
Doch hier ist noch nicht Schluss. Führt man einen Rechtsklick auf einem Knotenpunkt aus und wählt dann den Befehl »Edit Value«, kann der Wert direkt und exakt numerisch eintippen. Besonders bei Lautstärken ist dies sehr hilfreich. Per MIDI-Controller aufgenommene Automationskurven können schnell eine riesige Anzahl von Knotenpunkten mit sich bringen. Bis vor Kurzem ließ sich dieser Überfluss nur durch einen relativ komplizierten Eintrag in der Datei »options.txt« reduzieren. Nun geht das Ausdünnen auch ohne Umweg, denn im Kontextmenü ist der Befehl »Simplify Envelope« hinzugekommen. Ableton Live entfernt sodann alle unnötigen Knotenpunkte, ohne den grundlegenden Charakter der Kurve zu ändern.
Unter dem Strich verbessert das Update das Einzeichnen bzw. Editieren von Kurven. Ein Trim-Modus, der es ermöglicht, eine bestehende Lautstärkenautomation relativ per Fader bzw. Controller zu justieren, existiert allerdings noch nicht.
Effekte
Wer nach dem altbewährten Simple Delay oder Ping Pong Delay sucht, wird feststellen, dass diese beiden Devices aus dem Browser verschwunden sind. Stattdessen hat Ableton alle Features in einem »Delay« zusammengefasst und ganz einfach einen dedizierten Button für die Funktion »Ping Pong« hinzugefügt. Auch die drei Modi Repitch, Fade und Jump, welche bisher nur nach einem Rechtsklick auf den Device-Header ersichtlich waren, sind nun direkt und ohne Umweg auf der Nutzeroberfläche zur Hand. Vielleicht wäre es etwas höflicher gewesen, wenn Ableton alte Versionen mit dem »Upgrade«-Button, bekannt etwa aus dem Utility oder Compressor, versehen hätte, anstatt kompromisslos den Rotstift zu zücken.
Interessanter als gedacht gibt sich der neue Channel EQ. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen simplen 3-Band-Equalizer, allerdings mit ein paar cleveren Bedienungshilfen. Zwar gibt es hier automatische Analyse des Frequenzspektrums, etwa im Stil von Neutron, aber das muss auch nicht sein. Das Mitten-Band bietet einen Regelbereich von ±12 dB. Lediglich die Center-Frequenz lässt sich oberhalb des Drehreglers noch justieren. Die Bänder »Low« und »High« fungieren in erster Linie als Shelving-Filter mit einem Regelbereich von ±15 dB. Hebt man die Bässe an, liegt die Grenzfrequenz bei etwa 100 Hz, beim Absenken jedoch etwas höher. Zudem kann man noch ein Hochpassfilter hinzuschalten, welches fix bei 80 Hz liegt.
Ziemlich praktisch ist insbesondere das obere Band. Während sich bei einem Boost alles wie erwartet verhält, wird dieser Shelving-Filter bei der Absenkung nach und nach durch einen Tiefpassfilter unterstützt. Das eignet sich super, um beispielsweise Nebengeräusche von speziellen E-Bässen zu zähmen oder aggressive Percussions besser in den Mix einzubetten.
Kommen wir nun zum Thema »Track Freezing«. Hier werden, wie bekannt, alle Effekte in eine Audiodatei eingerechnet, was wiederum CPU-Last einspart. Im Gegensatz zu manch anderen DAWs erlaubt Live weiterhin das Schneiden und Verschieben von eingefrorenem Material und sammelt diesbezüglich Punkte. Leider war es bisher nicht möglich, Spuren einzufrieren, welche Devices mit Sidechain-Schaltung beinhalteten, also etwa ein Compressor oder Gate. Mit dem neuen Update gehört dieses Problem der Vergangenheit an. Allerdings wird das eingefrorene Audiomaterial nicht neu berechnet, falls sich das Steuersignal ändert.
Spricht man von Einfrieren und Effekten, ist die »Export«-Funktion nicht weit. In diesem Dialogfenster ist eine neue Schaltfläche namens »Include return and master effects« hinzugekommen. Ist diese aktiviert, rendert Live alle Einzelspuren und Gruppen mitsamt den dazugehörigen Send-Einstellungen und Effektgeräten auf dem Stereo-Bus in je eine eigene Datei. Die Effekt-Returns selbst sind dann sinnvollerweise nicht mehr als separate Datei dabei. Dieser Prozess dauert natürlich deutlich länger, aber immerhin ist kein mühsames manuelles Solo-Schalten nach jedem Durchlauf mehr nötig. Zeit für eine Kaffeepause!
Ab 10.1 unterstützt Live nun endlich auch die VST3- Schnittstelle. Das von Steinberg entwickelte Plug-in-Format gibt es schon länger auf dem Markt, und es bringt einige Vorteile mit sich. Derartige Plug-ins berechnen nur dann Audiodaten, sofern auch wirklich ein Signal anliegt. Somit wirkt sich dies sehr positiv auf die CPU-Last aus. Zudem bietet die Schnittstelle besseres Sidechain-Routing, Sample- akkurate Automation und viele weitere Aspekte.
Klangerzeuger
Das jüngste Instrument namens »Wavetable« hat ebenfalls ein paar Neuerungen erfahren. Nun ist es möglich, eigene Wavetables zu importieren, sprich beide Oszillatoren mit neuem Klangmaterial füttern. Aus dem Browser oder Arrangement kann man ganz einfach per Drag&Drop Audiodateien auf dem Instrument ablegen. Bei eigenen Wavetables ist zudem der Modus »Raw« verfügbar. Dieser unterteilt das Material in eine Sammlung von Audioschnipseln mit einer Länge von je 1.024 Samples. Dieser Modus wirkt sich außerdem auf Phase, Normalisierung und Fades der importierten Wavetables aus.
Fazit
Für ein kostenloses »Punkt-Eins«-Update hat Ableton ein ziemlich umfangreiches Feature-Set nachgereicht. Insbesondere die die Arbeit mit Automationen wurde stark verbessert. Das überarbeitete Track Freezing sowie die neuen Export-Funktionen beschleunigen ebenfalls den Workflow. Andere DAWs haben hinsichtlich Comping, Tonhöhenkorrektur und Audio-Editing im Allgemeinen natürlich immer noch die Nase vorne, da Ableton Live aber in erster Linie immer noch ein Performance- und Produktionstool ist, das erstklassig in Echtzeit arbeitet, wäre es keineswegs fair, diese fehlenden Punkte negativ zu bewerten.
+++
verbesserter Workflow
+++
Einzelspurexport inklusive Return- und Master-Effekte
+++
VST3-Unterstützung
++
Überarbeitung einiger Effekte
++
Import von Wavetables
Hersteller: Ableton
Downloadpreis: kostenlos für Live-10-User