Manchmal braucht es Jahre, bis aus einer Idee in einem Londoner Pub ein ausgereiftes Produkt wird – vor allem, wenn Corona dabei stört. Bei Ólafur Arnalds Cells von Spitfire Audio hat sich das Warten aber gelohnt: Die neue Sample-Library vereint einmal mehr die charakteristische Klangästhetik des dreifach GRAMMY-nominierten isländischen Komponisten Ólafur Arnalds mit der bewährten Technologie von Spitfire Audio.
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Grundsätzliches
Wie mittlerweile beinahe bei allen neuen Veröffentlichung setzt der Hersteller auch hier auf das bekannte, aber nicht von allen Nutzer gleichermaßen geliebte, eigene Plug-in. Wer bereits damit gearbeitet hat, wird sich hier schnell zurechtfinden. Im Standard-Mode für die gesampelten Streicher-Performances und einige spezielle Synth-Cells sind hier alle wichtigen Regler für Dynamik, Expression, Variation und Scale, sowie die Artikulationen großzügig angeordnet. Außerdem hat man Zugriff auf den Mixer für die bis zu 10 Signale und die eingebauten Klangeinstellung wie ADSR und Reverb. Die verfügbaren Optionen ändern sich je nach ausgewähltem Patch.
Neben der Standardansicht gibt es noch den Synth-Mode, der die bekannte eDNA Engine beherbergt und aus den Samples der bearbeiteten Streicher und der analogen Vintage-Synths ganz neue Kreationen entstehen lässt.
Scale Mode als Herzstück
Das Besondere an Cells ist neben dem tollen Klang der eigentlichen Streicheraufnahmen der “Scale Mode”, den Spitfire Audio erstmals in der Library “Fractured Strings” eingeführt und hier nochmal weiterentwickelt hat. Grundlage für alle getriggerten Mini-Performances ist die optional vorausgewählte Tonart. Spielt man eine Note, erklingt nicht einfach das nur entsprechende Sample. Vielmehr analysiert die Engine die Tonalität des Spiels und fügt automatisch harmonisch passende Intervalle hinzu.
Scale Mode im Detail
Der Scale Mode von Cells arbeitet in zwei unterschiedlichen Modi: Der neue “Played Mode” erkennt dabei die gespielte Tonart in Echtzeit und passt die verfügbaren Intervall-Optionen entsprechend an. Diese pseudo-zufälligen Ergänzungen bleiben dabei immer im Rahmen der erkannten Tonart. Die dadurch entstehenden Klänge bleiben laut Spitfire immer reproduzierbar.
Im “Played Mode” kann eingestellt werden, wie viele der zuletzt gespielten Noten für die Analyse berücksichtigt werden sollen und wie lange diese im Speicher bleiben. Ein einstellbarer Schwellenwert bestimmt, ab wie vielen Noten die Tonart-Erkennung aktiv wird.
Im “Set Mode” hingegen kann die „Tonlichkeit“ manuell über eine 12-Ton-Tastatur in der GUI festgelegt werden. Hier stehen auch viele verschiedene Skalen wie Dur, Moll, diverse Kirchentonarten und speziellere Varianten als Voreinstellung zur Verfügung. Mit der “Out of Scale”-Option können auch Noten außerhalb der definierten Tonart gespielt werden, wobei bei den hinzugefügten Intervallen die Tonart gewahrt bleibt.
Streicher- und Synthesizer-Samples
Die Aufnahmen der Streicher entstanden in Island im HOF Studio in Akureyri mit isländischen Musiker*innen. Mit 115 Artikulationen, bis zu 10 Signalwegen (darunter auch fertige Mixe und „Signature-Signale“ mit Effekten aus Arnalds’ Studio) und über 200 Presets bietet die Library eine schöne klangliche Bandbreite, die in sich konsistent bleibt. Das Spektrum reicht von intimen Streicherensembles bis hin zu atmosphärischen Texturen.
eDNA-Engine
Ergänzend zu den Streichern wurden analoge Synthesizer aus Arnalds Studio eingebunden, die sich in der bekannten eDNA-Engine und den dort eingebauten Möglichkeiten steuern und mit diversen Effektketten bearbeiten lassen.
Die beiden unabhängigen Klangbänke A und B lassen sich über einen Crossfader mischen und bieten jeweils eigene Effekte. Zur Verfügung stehen formantbasierte Filter (Shape/Form), charaktervolle Resonanzfilter (Phonic/Sonant) sowie Peak- und Notch-Filter für präzise Klangformung.
Die Modulationssektion umfasst LFOs für Lautstärke, Tonhöhe und Filter sowie eine ADSR-Hüllkurve. Besonders interessant ist der Oszillator-Mixer, der rhythmische Überblendungen zwischen den Klangbänken ermöglicht.
In der Master-Sektion finden sich neben einem 3-Band-EQ auch einen Grain-Effekt für granulare Texturen sowie eine Tape-Saturation für analoge Wärme. Mehrere AUX-Wege erlauben das Routing zu verschiedenen Delays, Reverbs und Modulationseffekten.
Der integrierte Gate-Sequencer ermöglicht es, die beiden Klangbänke rhythmisch zu steuern. Die Gating-Muster lassen sich in ihrer Länge, Geschwindigkeit und Übergangscharakteristik anpassen.
Die Ólafur Arnalds-Reihe bei Spitfire Audio
Cells reiht sich in eine Serie erfolgreicher Kollaborationen ein, die laut Spitfire Audio auch gut mit der neuen Library harmonieren sollen:
Ólafur Arnalds Evolutions (2016): sich entwickelnde Streicher-Texturen mit Arnalds’ charakteristisch zurückgenommenem Ansatz. Die Library besticht durch ihre subtilen Klangveränderungen und eignet sich besonders für minimalistische Arrangements.
Ólafur Arnalds Chamber Evolutions (2017): Intime Kammermusik-Aufnahmen mit subtilen Klangentwicklungen, aufgenommen in der AIR Lyndhurst Hall.
Ólafur Arnalds Composer Toolkit (2016): Sammlung intimerer Klänge inkl. einem speziell präparierten Felt Piano und Vintage-Synthesizern. Die Integration von Arnalds’ eigenem Instrumentarium ermöglicht seinen charakteristischen Crossover-Sound zwischen Klassik und Elektronik, ähnlich wie bei Cells.
Stratus (2020): Auf Arnalds’ Piano-Konzept basierendes virtuelles Instrument mit zwei selbstspielenden Flügeln. Die Library reproduziert Arnalds’ einzigartiges Live-Setup mit robotergesteuerten Pianos und komplexen Delay-Algorithmen.
Das Kleingedruckte
Die knapp 30 GB große Library läuft als eigenes VST2/3-, AU- und AAX-Plugin unter MacOS 11-14 (inkl. Apple Silicon) sowie Windows 10/11.
Bis zum 3. Dezember 2024 ist Cells zum Einführungspreis von 199 Euro erhältlich, danach kostet das Instrument 249 Euro. Besitzer*innen anderer Arnalds-Libraries profitieren von 25% Crossgrade-Rabatt während der Einführungsphase. Vielleicht lassen sich damit beim aktuellen Black Friday Sale gute Kombinationen finden.
Fazit
Ólafur Arnalds Cells eignet sich besonders für atmosphärische Film- und TV-Musik sowie emotionale elektronische Produktionen. Die Kombination aus organischen Streichern und elektronischen Klängen, gepaart mit dem inspirierenden Scale Mode, macht sie zu einem tollen Werkzeug, um in Ólafur Arnalds Klangwelt einzutauchen. Die geplant-aleatorischen Intervalle, die passend zur Tonart eingewoben werden, klingen wirklich schön und können den kreativen Prozess in neue Richtungen inspirieren, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu drängen.