Wenn ein Hersteller von High-End-Equipment ein Audio-Interface für Musiker und kleinere Studios veröffentlicht, so kann man einen hohen Qualitätsstandard erwarten. Angelehnt an die Profi-Audio-Interfaces bietet Antelope Audio viele Funktionen, die in der Preisklasse sonst eher selten zu finden sind. Zudem scheint es, als würde ein Spagat zwischen der professionellen Audioqualität und den Features versucht, die für ein transportables Projektstudio sinnvoll sind.
Antelope Audio wurde lange Zeit mit sündhaft teuren Boutique-Clocks für MasteringStudios und High-End-Musikproduktionen in Verbindung gebracht. Doch 2014 brachte man mit dem Orion 32 einen AD/DA-Wandler mit USB-Audio-Interface und vielseitigen Ein- und Ausgangsoptionen auf den Markt, der für bisherige Antelope-Verhältnisse erschreckend erschwinglich war. Seitdem wurde diese Richtung fortgesetzt und so der Kundenstamm stetig erweitert . Mit dem Zen Tour wagt sich Antelope auf neues Terrain und legt das Augenmerk auf mobile Musiker und Projektstudios.
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Features
Das Audio-Interface ermöglicht die Aufnahme von 24 Kanälen via USB 2.0 oder 32 Kanälen durch die alternative Thunderbolt-Schnittstelle. Aufgezeichnet wird mit maximal 24 Bit und 192 kHz. Ein Highlight stellt die von Antelope entwickelte, akustisch fokussierte Clock mit 64-Bit-Technologie dar, die mittlerweile in der vierten Generation verbaut wird. Hier lag lange Zeit die Kernkompetenz von Antelope, und dieses Know-how ist auch bei der Entwicklung des Zen Tour eingeflossen.
Auf der analogen Ebene finden sich insgesamt acht Eingänge, von denen vier im Hi-Z-Betrieb mit Gitarrensignalen verwendet werden können, während die anderen vier als Mikrofoneingänge ausgelegt sind. Alle acht Eingänge können alternativ als Line-Ins genutzt werden. Die acht analogen Ausgänge sind via D-Sub-25-Stecker in Tascam-Belegung vorhanden. Dazu kommen zwei Reamp-Ausgänge, die unsymmetrische hochohmige Gitarrensignale ausgeben können.
Das Monitoring ist über zwei Ausgangspaare gelöst, die für zwei Abhörsysteme verwendet werden können und das Signal daher nicht gleichzeitig ausgeben. Um die Abhörsektion zu vervollständigen, wurde auch an ein integriertes Talkback gedacht. Zudem sind zwei unabhängige Kopfhörerausgänge vorhanden.
Die digitale Ebene bietet 16-Kanäle ADATI/O sowie einen S/PDIF-Ein- und -Ausgang. Ohne eine aufwendige analoge Verkabelung lässt sich eine Erweiterung der Mikrofoneingänge über ADAT vornehmen. Pro ADAT-Eingang kann ein 8-Kanal-Vorverstärker mit A/D-Wandler über Lichtleiterkabel an das Zen Tour angeschlossen werden. Im Test war es ein Focusrite ISA 828 Mikrofonvorverstärker, der für ein Bandrecording-Setup verwendet wurde.
Die Kontroll-Software namens »Zen Tour Control Panel« bietet neben den globalen Einstellungen und dem Routing einen Mixer zum Erstellen der Kopfhörermixe mit Hall- Effekt sowie eine Reihe von Effekt-Plug-ins und Gitarrenverstärker-Simulationen, die entweder aufgenommen oder lediglich für den Monitorweg aktiviert werden können.
Hardware
Der grundsätzliche Eindruck zur Verarbeitung und Haptik des Zen Tour ist sehr gut, was auch durch sein Gewicht von 1,4 Kilogramm unterstrichen wird. Stabilität bringt eben etwas auf die Waage, und vom einfachen Kunststoffgehäuse ist das Zen Tour weit entfernt – es ist nun mal, wie der Name schon sagt, für den mobilen Einsatz »on the road« gedacht. Dies bestätigt auch der Schraubverschluss des Netzteils, der sonst eher bei mobilem Broadcast-Equipment der Oberklasse zum Einsatz kommt. Merkwürdig ist allerdings, dass kein haptischer Power-Schalter vorhanden ist und sich das Audio-Interface beim Einstecken des Netzteils direkt einschaltet. So sollte man erst den Stecker anschrauben und das Netzteil anschließend mit Strom versorgen, um unerwünschte Aussetzer in der Stromzufuhr zu vermeiden.
Bild: Stephan Lembke
Bild: Stephan Lembke
Das gebürstete Aluminium auf der Gerätefront sieht edel aus, die Taster und der große Lautstärkeregler lassen sich einwandfrei bedienen und wirken ebenfalls stabil. Der hochwertige Eindruck wird auch bei der Bedienung via Touchscreen nicht getrübt, da dieser gut ablesbar ist und angemessen auf die Berührungen reagiert. Allerdings hätte das Display etwas größer ausfallen können, doch hier spielt natürlich auch die Gerätegröße eine Rolle.
Software
Die Kontroll-Software ist das digitale Herzstück des Zen Tour. Hier wird alles eingestellt, sei es das Anpassen der globalen Clock-Source, Samplerate oder der Mikrofonvorverstärker und Instrumenteneingänge. Das I/O-Routing erlaubt bequem Verknüpfungen per Drag&Drop und ist sehr flexibel.
Auf der Mixer-Seite lassen sich die beiden Kopfhörerwege beschicken, wodurch die Latenz drastisch reduziert wird, da die Schleife durch die DAW ausbleibt. Neben der Lautstärke und dem Panorama eines Signales ist ein Aux-Send im Mixer vorhanden, der das Signal zum Aura-Verb-Hallgerät schickt, mit dem sich der Kopfhörermix direkt verfeinern lässt.
In der Zen-Tour-Software sind zudem weitere Effekt-Plug-ins vorhanden, die für Monitoring und auch für die Aufnahme genutzt werden können. Durch die »Field-Programmable Gate Array«-Technologie (FPGA) von Antelope wird Hardware-Emulation in Echtzeit ermöglicht, was bei den eingebauten Effekten zu einer sehr geringen Latenz führt.
Die Bedienung der Zen-Tour-KontrollSoftware ist außer mit dem Computer auch mit Android- oder iOS-Geräten möglich, für die es eine entsprechende App gibt. So kann das Audio-Interface bequem mit dem Computer und gleichzeitig auch mit dem Tablet kontrolliert werden, z. B. für die eigene Anpassung des Kopfhörermixes durch den aufnehmenden Musiker.
Und es kommt noch besser!
Die Software der Antelope Hardware-Geräte ist kein einfacher Treiber, der bei jedem Betriebssystem-Upgrade leicht angepasst wird. Es handelt sich vielmehr um ein SoftwarePaket mit klangbearbeitenden Plug-ins, die stetig von Antelope erweitert werden sollen. So kamen auf der diesjährigen NAMM-Show im Sommer zahlreiche Effekte hinzu, die als »Vintage Pack 2.0« integriert wurden. Darunter finden sich Simulationen des FET-Kompressor/Limiter-Klassikers 1176 sowie diversen EQ-Modellen von SSL, Neve, Pultec und vielen anderen Herstellern. Und das Beste ist der Preis für all diese Plug-ins, denn sie sind allesamt gratis.
Praxis
Das Einrichten des Audio-Interfaces gestaltet sich denkbar einfach. Der Treiber für Windows- und Mac-Computer sowie die Software »Zen Tour Launcher« muss von der Antelope-Internetseite heruntergeladen werden, bevor es losgehen kann. Während des Downloads erklärt ein Video die nächsten Schritte der Inbetriebnahme im Detail. Im Test begannen diese mit dem Update der Firmware, was ebenfalls wie von selbst erfolgte. Nach einem Neustart der Hardware war das Audio-Interface dann einsatzbereit. Getestet wurden mit Pro Tools und Cubase, die das Zen Tour beide ohne Probleme erkannten.
Als Systemvoraussetzungen gibt Antelope einen Mac oder PC mit mindestens 2 GHz Prozessorleistung, 4 GB Arbeitsspeicher und 512 MB Festplattenspeicher an. Unterstützt werden Windows-Betriebssysteme ab Windows 7, beim Mac beginnt es ab OS X 10.9. Zum aktuellen Mac OS Sierra gibt es von Antelope noch kein offizielles Statement, daher wird OS X 10.11 (El Capitan) empfohlen.
Im Test wurde das Zen Tour ausschließlich mit Mac-Computern via USB-Verbindung genutzt, da kein Windows-PC zur Verfügung stand. Bei den Testrechnern handelte es sich um ein 13″ MacBook Pro mit 2,6-GHz-i5- Prozessor und 16 GB RAM unter OS X 10.11.4, und der zweite Computer war ein Mac Pro mit 3,2-GHz-Quad-Core Prozessor und 24 GB RAM, auf dem OS X 10.9.5 läuft.
Wie zu erwarten hat der Zen Tour einen hohen Qualitätsstandard, der ohne Probleme mit festinstallierten Studiosystemen mithalten kann. Die Mikrofonvorverstärker liefern einen klaren Klang, die Instrumenteneingänge weisen genügend Headroom für alle Gitarrenmodelle auf, und eine Veränderung des Eingangssignals ist nicht wahrzunehmen.
Die Arbeit mit der Abhörsektion ließ auch umfangreichere Routings zu, die mit den meisten einfacheren Audio-Interfaces nicht realisierbar sind. Besonders die Möglichkeit, zwei unabhängige und nahezu latenzfreie Kopfhörermixe zu erstellen und diese mit gut klingenden Effekten in der Software aufzuwerten, vermisst man in diesem Produktsegment häufig.
Viel Freude bereitete der Test der Gitarren-Verstärkersimulationen und internen Effekt-Plug-ins. Die Ansprache ist sehr gut, und es lassen sich schnell Effektketten schaffen, die einen »fertigen« Gitarrensound ermöglichen. Die Möglichkeit, die Effekte des Zen Tour direkt in der DAW aufzuzeichnen, entlastete den Computer, da die Session lediglich aus Audiospuren ohne Plug-in-Inserts bestand. Außerdem knüpft dies an die frühere Arbeitsweise an, bei der man den Klang der E-Gitarre nachträglich nicht mehr verändern konnte und sich während der Aufnahmesession für einen Sound entscheiden musste. So kommt man schnell voran und arbeitet auch zielorientierter.
Fazit
Das Zen Tour von Antelope hat in vielen Punkten überzeugen können. Zunächst ist natürlich der Klang zu nennen, der sowohl bei Mikrofonvorverstärkern und Line- bzw. Gitarren-Inputs als auch in puncto Signalwandlung sehr gut abschneidet. Die Einrichtung und Bedienung des Audio-Interfaces ist einfach gehalten und weitgehend selbsterklärend. An umfangreiche Features, die für ein Projektstudio oder eine spontane Aufnahme sinnvoll sind, wurde gedacht. So bietet das Zen Tour neben diversen Eingangsoptionen auch einen vollwertigen Abhör-Controller und eine ausgeklügelte Software mit gut klingenden Verstärkersimulationen und Effekten an, die vom Hersteller kostenlos erweitert werden.
Als Prognose lässt sich sagen, dass das Antelope Zen Tour im Marktsegment der hochwertigen mobilen Aufnahmelösungen ganz oben mitspielen wird und sich aufgrund der guten Verarbeitung und der Vielzahl an Funktionen nicht vor der Konkurrenz zu verstecken braucht. Wir haben es hier mit einem sehr wertigen Audio-Interface zu tun, das bei einigen Features seinesgleichen sucht − eine absolute Empfehlung als Schaltzentrale für Heim- und Projektstudios sowie den Einsatz auf »Tour«. So kann aus der Songwritingauch schnell eine Recording-Session mit ernstzunehmenden Ergebnissen werden.