Apogee Clearmountains Domain – Effekt-Plug-in im Test
von Axel Latta,
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Bob Clearmountain ist eine der Branchen-Legenden, bei der sich Chris Lorde-Alge, Dave Pensado und andere Top-Mixer die Tricks abgeschaut haben. Zu den Credits des inzwischen 67-jährigen Toningenieurs gehören David Bowie, Rolling Stones, Bryan Adams, INXS und unzählige weitere Pop- und Rock-Giganten.
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Zusammen mit Apogee, eine Hardwareschmiede aus Santa Monica, hat Clearmountain ein Plug-in entwickelt, das einen Teil seines Workflows in die DAW überträgt: »Clearmountains Domain«. Apogee ist in erster Linie für hochwertige Studio-Interfaces und Wandler, etwa Duet oder Symphony I/O, bekannt. Allerdings hat der Hersteller inzwischen auch einige digitale Brot-und-Butter-Prozessoren sowie manche Vintage-Emulationen im Repertoire.
Für den Betrieb von Clearmountains Domain ist ein iLok-Account notwendig. Falls kein USB-Dongle vorhanden ist, kann man die Lizenz problemlos in die Cloud verschieben und an jedem Rechner arbeiten, sofern eine Internet-Verbindung steht.
Das Plug-in ist in allen gängigen Schnittstellen als Download verfügbar: AAX Native, AU, VST/VST3 und wird ab Windows 10 sowie auf dem Mac ab OS X 10.12.6 unterstützt. Eine Bedienungsanleitung gibt es lediglich als PDF in englischer Sprache.
Die grafische Oberfläche macht einen sehr aufgeräumten und übersichtlichen Eindruck. Die Fenstergröße lässt sich zudem frei skalieren. Beim ersten Öffnen erscheint ein sehr großzügig dimensioniertes Goniometer, hier als »Visualizer« bezeichnet. Links davon ist ein langer Schieberegler zum Regeln des Eingangspegels inklusive eines Stereo-Bargraphen vorhanden. Dieser befindet sich in identischer Form auf der rechten Seite, der diesmal mit dem Namen »FX Blend« das Mischungsverhältnis zwischen trockenem Originalsignal und Effektsignal einstellt.
Am linken Rand ist der Signalfluss von Clearmountains Setup dargestellt. Per Klick auf eines der Sektionen erscheint das entsprechende Modul im Hauptfenster. So hat man insgesamt auf vier Module, zusätzlich als Tabs organisiert, schnellen Zugriff: Input, Delay, Pitch/Reverb und Mixer.
Die GUI teilt sich in vier Tabs auf und lässt sich frei skalieren. Im
Modul »Input« findet man De-Esser und Filter.
Das »Delay« ist großzügig parametrisiert. Besonders interessant ist
die Funktion »Pitch Pre Spin«, welche den Pitch Shifter in die Feedback-
Schleife des Delays verschiebt.
Im Modul »Input« ist einerseits der bereits erwähnte Lautstärkenregler gespiegelt vorhanden, und hier lassen sich ein De-Esser und ein simpler EQ hinzuschalten. Beide Prozessoren sind in zweifacher Ausführung integriert – auf eine Link-Funktion wurde vermutlich mit Absicht verzichtet, denn die hier handelt es sich um zwei parallele Wege, wie man dem Signalfluss-Diagramm entnehmen kann – einer für den Reverb, der andere für das Delay.
Die beiden De-Esser verfügen über eine variable Grenzfrequenz zwischen 800 Hz und 8 kHz und können diesen Anteil des Spektrums um bis zu 20 dB absenken. Die Equalizer besitzen ein vollparametrisches Mittenband, ausgelegt als Glockenfilter. Die Hochpassfilter arbeitet mit einer fixen Flankensteilheit von 18 dB/Oktave, die Tiefpassfilter hingegen mit 12 dB/Oktave – beide mit variabler Grenzfrequenz.
Im nächsten Tab ist das Modul »Delay« zu finden: ein klassisches Stereo-Delay mit allen gängigen Parametern. Die Rückwurfzeiten lassen sich entweder zum Host-Tempo synchronisieren oder per Tap-Funktion bzw. direkter Werteingabe direkt definieren. Lediglich bei der Nomenklatur gibt es ein paar Feinheiten. So wird beispielsweise der Parameter »Feedback« als »Spin« bezeichnet.
Die Funktion »Link Offset« im Delay ist extrem nützlich. Stehen beide Delay-Werte (L&R) auf den gleichen Werten, etwa 1/4, würde der Effekt eines zugeführten Monosignals dementsprechend aus der Phantommitte erklingen. Fügt man nun einen Versatz bei einer der beiden Seiten hinzu, etwa 15 Millisekunden, wird dieser Wert von der Zeitvorgabe auf der rechten Seite subtrahiert. Durch diesen Laufzeitunterschied entsteht im Handumdrehen ein Stereo-Effekt. Zu guter Letzt ist auch in diesem Modul eine EQ/Filter-Sektion vorhanden, die der im Input-Modul entspricht.
Pitch und Reverb befinden sich im dritten Tab.
Der Mixer ermöglicht weitere Feinabstimmungen.
Im nächsten Tab »Pitch / Reverb« ist eingangsseitig ein Pitch Shifter im Stereoformat vorhanden. Durch die beiden Schieberegler kann man einen Tonhöhenversatz von bis zu ±50 cents festlegen. Neben diesem fixen Wert lassen sich auch zufallsgenerierte Tonhöhenschwankungen von bis zu ±10 cents generieren. Zusätzlich kann man das Signal um bis ±12 Halbtöne verschieben.
Die rechte Seite beherbergt den Reverb-Pfad. Clearmountain lies hier drei verschiedene Impulsantworten einpflegen: »Apogee Studios«, eine Ambience aus den hauseigenen Räumen des Herstellers, »Mix This! Chamber«, ein heller Hall aus der Echokammer des Star-Mixers, und der dritte Reverb bietet sechs weitere Impulsantworten zur Auswahl: Concrete Stairwell, Marble Bathroom MixThis! Shower, zwei Roscoe Chambers und eine Gated Plate. Jeder Reverb verfügt über Parameter wie Direct Send Level, Pre Delay oder Delay/Pitch Send Level.
Das letzte Tab repräsentiert einen internen Mixer, in dem die Signalanteile Delay, Pitched Delay sowie die drei Faltungshallräume anliegen. Hier kann man die Verhältnisse per Fader und Panoramaregler feinjustieren.
Praxis
Im Betrieb stellt sich zuallererst die Frage, wie man Clearmountains Domain in der DAW einsetzen will. Kommt das Plug-in auf einem Aux-Return als Send-Effekt zum Einsatz, sollte der Regler »FX Blend« auf 100 Prozent stehen. Fügt man das Plug-in hingegen als Insert-Effekt direkt auf einer Spur oder einer Subgruppe ein, muss nachgeregelt werden. Häufig genügen hier schon 20–30 % des Effektanteils. Leider bleibt das Mix-Verhältnis beim Durchschalten der Presets nicht stehen, sondern springt jedes Mal wieder auf den im zuvor abgespeicherten Wert zurück, werkseitig also 100 Prozent. Für die Insert-Variante wäre eine Verriegelung dieses Parameters hilfreich.
Wer Clearmountains Domain als reine Preset-Schleuder einsetzen will, muss sich mit 21 Presets begnügen. Mal sehen, ob Apogee hier nochmal nachliefert. Die Presets sind aussagekräftig benannt und verweisen dezent auf die erfolgreichsten Produktionen, die Bob Clearmountain unter den Fingern hatte: »Born in the USA Snare«, »Let’s Dance Horns« oder »Start Me Up KR Guitar«, um nur ein paar zu nennen. Die Qualität der Presets steht außer Frage, mögen in manch aktuellen Produktionen aber etwas zu sehr nach »80er-Jahre« klingen. Das Kürzen der Delays und ein reduziertes Mix-Verhältnis kann aber schnell Abhilfe schaffen.
Übrigens: Der Signalfluss ist, bis auf den variablen Abgriffpunkt »Pitch Pre Spin« im Delay, stets fix. Es ist also nicht möglich, beispielsweise den De-Esser hinter den Reverb zu packen. Das ist jedoch keineswegs schlimm. Der De-Esser vor dem Delay und Reverb macht durchaus Sinn. Dadurch lassen sich Sibilanten oder harsche Signalanteile deutlich stärker als nur auf dem Direktsignal absenken.
Besonders gut wissen die Impulsantworten der Hallräume zu gefallen. Trotz der geringeren Auswahl decken diese einen Großteil der Anwendungsszenarien ab – und das mit viel Stil und Charakter.
Ein großer Vorteil, alles in einem Plug-in zu vereinen, ist, dass jeder der drei Reverbs nicht nur direkt, sondern zusätzlich über die Delay/Pitch-Sektion beschickt werden kann. Dieses Setup verleiht den Effekten eine sehr interessante, realistischere Dimension und erfordert sonst relativ viel Aufwand in der DAW. Auch die anfangs etwas spärlich wirkende EQ-Sektion genügt allemal für das Ausdünnen oder Betonen bestimmter Frequenzbereiche.
Im Mixer wäre es sicherlich praktisch gewesen, hätte man noch Bargraphen für jeden Kanal integriert, um eine bessere Übersicht zu haben, was da an Effekten durch die Gegend fliegt. Immerhin sind hier Muteund Solo-Buttons für jeden Kanal eingebaut, sodass man die einzelnen Zutaten gezielt abschmecken kann.
Fazit
Mit Clearmountains personalisierten Effektketten kommt man schnell zu imposanten Ergebnissen, wenn es um Echos und Hallräume geht. Klar, wirkliche Innovationen sucht man hier vergeblich, denn funktional haben die einzelnen Module nicht mehr zu bieten als diverse Plug-ins von etwa Soundtoys, Waves, Slate Digital oder UAD, die man selbst in der DAW als Plug-in-Ketten speichern kann. Insofern stellt sich auch die Frage, ob der Preis von über 300 Euro gerechtfertigt ist. Es sind allerdings die vielen kleinen Tricks wie »Link Offset«, »Spin Compensation«, die das Leben im Studio erleichtern. Die clevere interne Verzahnung der Effektsektionen erlaubt es, ohne weiteren Aufwand nicht nur das Direktsignal, sondern auch die Delays durch Hall und/oder PitchShifter schicken. Hinsichtlich des guten Konzepts wären weitaus mehr Presets wünschenswert.
“…ein sehr großzügig dimensioniertes Goniometer, hier als »Visualizer« bezeichnet.”
Goniometer : “Winkelmesser, Instrument zum Messen von ebenen Winkeln. Das einfachste Goniometer ist das Anlegegoniometer, auch Hand- oder Kontaktgoniometer….”
Grübel,grübel, WAS will mir/uns Herr Latta mit diesem Begriff an Info übermitteln? Ich bin vielleicht im Englischen nicht ganz gut, aber unter »Visualizer« verstehe ich eine Funktion, die mir etwas sichtbar macht. Darin kann ich jedoch nichts, das mit Winkelmessen zu tun hätte, entdecken. Bisher ist mir nicht bekannt, dass ich beim Musikmischen Winkel auf der Ebene messen müsste. Selbst beim Mikroaufstellen mache ich das nach Bauchgefühl und Erfahrung.
Vielleicht bin ich auch nur zu “alt” für… 🙂
O.T. Fällt nur mir auf, dass in letzter Zeit das Newsletter zu 80% aus Werbung besteht und kaum noch was nützlich informatives enthält?
Schade, dass S&R nur in gedruckter Version abonniert werden kann. Ich bin an eine digitale Version interessiert.
der Begriff „Goniometer“ ist ebenso im Bereich Tontechnik zu finden.
Alternativ spricht man auch von „Korrelationsgradmesser“ oder „Stereosichtgerät“ – Apogee nennt es im Plug-In nun mal „Visualizer“.
Mit einem derartigen Messgerät wird u.a. die Stereobasisbreite oder die Phasenlage von Audio-Signalen dargestellt. So kommt auch der (Phasen)winkel mit ins Spiel.
“…ein sehr großzügig dimensioniertes Goniometer, hier als »Visualizer« bezeichnet.”
Goniometer : “Winkelmesser, Instrument zum Messen von ebenen Winkeln. Das einfachste Goniometer ist das Anlegegoniometer, auch Hand- oder Kontaktgoniometer….”
Grübel,grübel, WAS will mir/uns Herr Latta mit diesem Begriff an Info übermitteln? Ich bin vielleicht im Englischen nicht ganz gut, aber unter »Visualizer« verstehe ich eine Funktion, die mir etwas sichtbar macht. Darin kann ich jedoch nichts, das mit Winkelmessen zu tun hätte, entdecken. Bisher ist mir nicht bekannt, dass ich beim Musikmischen Winkel auf der Ebene messen müsste. Selbst beim Mikroaufstellen mache ich das nach Bauchgefühl und Erfahrung.
Vielleicht bin ich auch nur zu “alt” für… 🙂
O.T. Fällt nur mir auf, dass in letzter Zeit das Newsletter zu 80% aus Werbung besteht und kaum noch was nützlich informatives enthält?
Schade, dass S&R nur in gedruckter Version abonniert werden kann. Ich bin an eine digitale Version interessiert.
Hallo Robert,
die Antwort unseres Autoren findest du untendrunter …
Deine Kritik bezüglich des Newsletters nehmen wir uns zu Herzen. 🙂
Und Sound&Recording kannst du auch digital, genauer gesagt als PDF, lesen – damit sparst du sogar etwas Geld. Schau mal hier: https://www.soundandrecording.de/shop/sound-recording-02-2020/
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Lieben Gruß aus der Redaktion
Hallo Robert,
der Begriff „Goniometer“ ist ebenso im Bereich Tontechnik zu finden.
Alternativ spricht man auch von „Korrelationsgradmesser“ oder „Stereosichtgerät“ – Apogee nennt es im Plug-In nun mal „Visualizer“.
Mit einem derartigen Messgerät wird u.a. die Stereobasisbreite oder die Phasenlage von Audio-Signalen dargestellt. So kommt auch der (Phasen)winkel mit ins Spiel.
Nachzulesen beispielsweise hier:
http://www.sengpielaudio.com/SichtbarmachungDerStereorichtung.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Korrelationsgradmesser
Viele Grüße,
Axel