Über 40 Jahre Tradition

beyerdynamic M130, M160 & M260 – Bändchenmikrofone im Test

Anzeige

Sound & Recording testet gewöhnlich taufrische Produktneuheiten. Die hier vorgestellten Mikros von beyerdynamic werden schon seit rund 40 Jahren hergestellt – und sind doch so aktuell wie noch nie zuvor!

beyerdynamic1

Anzeige

Bändchenmikrofone haben eine lange Tradition im Hause beyerdynamic. Die ersten Modelle (M30 und M31) entstanden vermutlich in den 50er-, vielleicht sogar schon in den 40er-Jahren. Optisch orientierten sie sich an den damaligen Top-Studiomikros, der 77er-Baureihe von RCA.

Als erstes der zeitgenössischen Beyerdynamic-Bändchen wurde das M130 vorgestellt, und zwar 1962. Ein paar Jahre später – genaue Daten sind auch hier nicht bekannt – folgten beyerdynamic M160 und M260. Das bisher letzte „neue” Bändchenmikrofon, das beyerdynamic entwickelte, war das 1969 vorgestellte Bühnen-Bändchen M500, dessen Produktion leider vor einigen Jahren eingestellt wurde, auch wenn es zwischenzeitlich als limitierte Sonderedition eine „Classic”-Neuauflage gab.

Die aktuelle Riege

Trotz ihrer rund 40-jährigen Tradition werden die Beyerdynamic-Bändchen ganz unspektakulär im Pappkarton geliefert. Außer einem Etui zur Aufbewahrung und einer Mikrofonklemme enthält dieser jeweils auch ein individuell angefertigtes Messprotokoll. Ganz Beyer ist die Verarbeitung eine Augenweide. Die Mikros wirken wie aus dem Ei gepellt; alle Teile sitzen hundertprozentig passgenau, und die Oberflächen sind gleichermaßen schmuck wie widerstandsfähig.

Vielleicht noch auffälliger ist die Größe der Mikros: Sie sind wirklich winzig, deutlich kleiner, als man beim Anblick der Fotos ohne Größenvergleich denken mag. Die Körbe von beyerdynamic M130/160 messen nur 35 mm im Durchmesser. Mikrofonlaien (und Sänger) lieben optisch imposante Mikrofone. Wahre Freunde schwingender Membranen freuen sich dagegen über kleine Mikros, denn da weiß man sofort: Da hat sich einer was dabei gedacht! Generell haben kleine Bauformen den Vorteil, das akustische Feld weniger zu beeinflussen. Ein großes Mikrofon bietet einiges an Fläche für Schallreflexionen und hat obendrein oft mit Gehäuseresonanzen zu kämpfen.

Speziell bei Bändchen spielt die Bauform noch eine weitere Rolle: Je schmaler das Bändchenelement, desto besser die Höhenwiedergabe. Keine Frage, der Look der beyerdynamic Mikros ist ungewöhnlich, denn sie sehen auch noch aus wie Bühnenmikros. Tatsächlich sind sie so robust, dass man sie auch on stage einsetzen kann. beyerdynamic M160 und M260 haben eine Hypernierencharakteristik und sind „end addressed”: Man spricht, singt oder spielt also vorne rein. Das beyerdynamic M130 hat Achtercharakteristik wie ein klassisches Bändchen und wird dementsprechend auch „klassisch” von der Seite besprochen. Der senkrechte Ring, der den Mikrofonkorb in zwei Halbkugeln teilt, macht die seitliche Besprechung optisch kenntlich.

Interna

Anders als sonst habe ich meinem Drang, die Testmikros aufzuschrauben, widerstanden. Bändchenelemente sind generell zerbrechlich, und ihre (De-)Montage ist ein Geduldsspiel. Eine falsche Bewegung oder eine lose Schraube kann ein nur wenige Mikrometer dünnes Aluminiumblättchen leicht zerstören. Zerlegt und erfolgreich wieder zusammengesetzt habe ich allerdings mein eigenes beyerdynamic M500 – der interne Poppschirm hatte sich gelöst und musste wieder angeklebt werden.

Ein M160-System mit den eingesetzten Aluminiumbändchen
Die Mutter aller Bändchen: Frau Zamfir inspiziert das fertige Bändchensystem.

Der bei dieser Gelegenheit erhaschte Blick auf das „nackte” Bändchen war nichts weniger als Ehrfurcht gebietend. Das Aluminiumbändchen war unfassbar genau eingefügt. Der Spalt zwischen Bändchen und Magneten war dünner als ein Blatt Papier! Umso erstaunlicher ist solche Präzision, als dass die Montage von Bändchenelementen in Handarbeit erfolgt. Nur ganz wenige Menschen haben so zitterfreie Hände und eine solche Engelsgeduld, um so kleine und eng tolerierte Bändchenelemente zusammenzusetzen. Bei beyerdynamic gibt es derzeit, wie Produktmanager Klaus Kirchhöfer bestätigte, nur „zweieinhalb KollegInnen, die Bändchen bauen können.” Die allermeisten Beyerdynamic-Bändchen werden von Frau Zamfir zur Welt gebracht – Deutschlands vermutlich ruhigstes Paar Hände. Der Chef der Kondensatorabteilung (!) lernt derzeit eine weitere Bändchen-Kraft an – das Ribbon-Revival hat also zumindest einen Arbeitsplatz auch in Deutschland geschaffen!

beyerdynamic M130

Bändchenelemente haben ja von Natur aus Achtercharakteristik. Insofern ist das beyerdynamic M130  „klassischstes” Ribbon-Mic. Ganz puristisch ist es dennoch nicht, denn es ist mit einem Doppelbändchensystem ausgestattet, das ihm u. a. zu etwas höherer Empfindlichkeit verhilft.

Anders als z. B.bei Oktava (s.S&R 04/06) befinden sich die beiden Aluminiumbändchen bei beyerdynamic nicht neben-, sondern hintereinander, sodass Off-Axis-Verfärbungen minimiert werden. Auch mit einem Doppelsystem ist das beyerdynamic M130 nicht lauter als andere Ribbons, denn aufgrund der winzigen Bauform kommt selbst mit zwei Bändchen nur wenig Membranfläche zusammen. Zusätzliche Effektivität erfährt das System durch einen dicken Weicheisendraht um das gesamte System. Er dient einerseits dazu, das Magnetfeld zu verstärken (mehr Output), andererseits dient er als HF-Reflektor, der die Höhenwiedergabe verbessert.

beyerdynamic M160

Das beyerdynamic M160 ist das vielleicht legendärste Bändchen von beyerdynamic. Mit seiner Hypernierencharakteristik lässt es sich etwas flexibler einsetzen als die üblichen Achterbändchen. Gerade unter nicht optimalen Bedingungen ist es von Vorteil, dass das beyerdynamic M160 weniger Raumschall mit aufnimmt als ein Achtermikro. Da fragt man sich, warum nicht mehr Hersteller Bändchen auch in anderen Richtcharakteristiken als Acht anbieten bzw. anboten. Des Rätsels Lösung ist, dass es sehr schwierig ist, die klanglichen Vorzüge des Bändchens auf andere Richtcharakteristiken zu übertragen.


>>>Beyerdynamic M160 – Das passende Overhead Mikrofon<<<

Weitere Soundbeispiele findest du hier: 

>> Das richtige Studio-Mikrofon an der Trompete – Mehr als 50 Soundbeispiele von über 25 Mikrofonen zum Anhören<<

Sowohl die Linearität in den Mitten als auch die Frequenzunabhängigkeit des Richtverhaltens gehen flöten, sobald man das Bändchenelement rückseitig bedämpft. Beyer gelingt das Kunststück durch ausgetüftelte Schallführungen. Solche akustischen Labyrinthe sind eine beyerdynamische Spezialität und werden u. a. auch beim Tauchspul-Klassiker M88 sowie beim brandneuen Großmembrankondensator MC840 eingesetzt, um die Wiedergabe zu linearisieren.

Auch das beyerdynamic M160 ist ein Doppelbändchensystem mit ähnlicher Anordnung wie beim beyerdynamic M130. Die beiden Mikros sind bewusst als Paar konzipiert, um in M/S-Stereoanordnung ein besonders ausgeglichenes Klangbild zu liefern. Durch die Verwendung des beyerdynamic M160 als Mittenmikro ergibt sich eine weniger starke Empfänglichkeit für rückwärtigen Schall, als es bei Anordnungen mit zwei Achterbändchen der Fall wäre. Übrigens markieren Farbpunkte am Ring des Mikrofonkorbs die Längsachse des Bändchenelements, die durch die runde Bauform von außen nicht zu erkennen ist. Denn, wie im Mikrofonie-Workshop „Außer Rand und Bändchen” beschrieben (ab S. 128), sollte man das Bändchen stehend ausrichten, um in den Genuss des extrem konsistenten Richtverhaltens in der Horizontalen zu kommen. Die Beyerdynamic-Bändchen sind in Sachen Ausrichtung aber relativ unkritisch; ein so kurzes Bändchen produziert auch in Längsrichtung wenig Off-Axis-Verfärbung.

>> Das richtige Studio-Mikrofon am Saxofon – Mehr als 50 Soundbeispiele von über 25 Mikrofonen zum Anhören<<

beyerdynamic M260

Beim derzeit angebotenen beyerdynamic M260 handelt es sich eigentlich um das Modell M260.80. Der im Laufe der Zeit unter den Tisch gefallene Nummernzusatz bezeichnet eine Variante mit festem 80-Hz-Low-Cut zur Kompensation des Nahbesprechungseffekts. Das M260 fand nämlich häufig Einsatz als Rednermikrofon. Dabei litt die Sprachverständlichkeit unter den etwas übervollen Bässen. Die .80-Variante behob dieses Problem. Der Low-Cut ist übrigens über einen speziellen Ausgangsübertrager bewerkstelligt, lässt sich also nicht ohne Weiteres entfernen.

Ungewöhnlich für ein Bändchen hat das beyerdynamic M260 eine leichte Präsenzanhebung in den oberen Mitten, die es heller und durchsetzungskräftiger klingen lässt als die anderen beiden Modelle. Aufgrund des festen LowCuts ist das beyerdynamicM260 auf nahe Mikrofonierung festgelegt. Es besitzt Hypernierencharakteristik, ist im Gegensatz zum beyerdynamic M13 0 aber mit einem Einfach-Bändchensystem ausgestattet. Dennoch ist es sogar etwas lauter – vermutlich weil das beyerdynamic M260 insgesamt etwas größer dimensioniert ist. Es ist nur wenig kleiner als ein Shure SM58 und prinzipiell tatsächlich robust genug, um als Gesangsmikrofon auf der Bühne oder im Studio eingesetzt zu werden.

Praxis

Bei Mikrofonen, die seit fast 40 Jahren angeboten werden, erübrigt sich die Frage, ob sie denn etwas taugen. Es bleibt aber auszuloten, welche Vorzüge sie besitzen und wie sie sich voneinander unterscheiden. Wie fast alle Bändchen machen die Beyerdynamic-Ribbons eine gute Figur vor dem Gitarrenverstärker. Mikrofone mit verfärbungsfreien Mitten ohne Präsenzanhebung sind hier immer eine gute Wahl, und Bändchen zur Verstärkerabnahme gelten momentan als der letzte Schrei; tatsächlich benutzte aber schon Jimi Hendrix in den 60ern Bändchen vor seinen Marshalls und zwar das beyerdynamic M160! Er soll es übrigens auch für seine Vocals benutzt haben.

Die Beyerdynamic-Bändchen sind also durchaus vielseitig nutzbar. Anders als bei vielen anderen Ribbon-Mics bestechen sie nicht nur durch Verfärbungsfreiheit in den Mitten, sondern auch durch einen ungewöhnlich gute Höhenwiedergabe. Somit gehören sie zu den wenigen Ribbons, die man auch für Akustikgitarre empfehlen kann. Gerade die Kombination aus beyerdynamic M160 und M130 in M/S-Stereoanordnung überzeugt durch einen sehr natürlichen Sound ohne jede Härte. Wobei man aber auch bei den Beyers keinen Kondensator-Strahlemann-Sound erwarten sollte. Sie klingen auf angenehme Weise unspektakulär. beyerdynamic M130 und M160 besitzen die für Bändchen typischen wuchtigen Bässe, mit denen man umzugehen lernen muss.

Weite Mikrofonabstände sind gefragt und/oder ein Preamp mit variablem Low-Cut. Stichwort Preamp: Auch Beyer kann keine Wunder wirken, beyerdynamic M130, M160 und M260 sind wie fast alle Bändchenmikros Output-schwach. Am wenigsten fällt das auf beim M260, denn es verlangt nach naher Besprechung. Hier benötigt es lediglich ein paar dB mehr Gain als ein SM58. Anders sieht es aus bei beyerdynamic M130 und M160, die man in den meisten Fällen mit etwas weiteren Mikrofonabständen einsetzen wird. Das schwächere akustische Signal macht gerade bei leisen Instrumenten bisweilen Verstärkungen von über 60 dB notwendig. Wie bei fast allen Bändchen lässt sich erst mit einem muskulösen, möglichst rauscharmen Preamp das volle Potenzial von beyerdynamic M130 und M160 nutzen. Andererseits: So einfach wie heute hatte es der Bändchen-Enthusiast noch nie. Zu analogen Zeiten lauerte bei jeder Bearbeitungsstufe zusätzliches Rauschen und Höhenverlust. In einer heutigen digitalen Recordingumgebung ist man dagegen so sorgenfrei, dass man bisweilen um den leichten Rauschteppich des Preamps fast froh ist, verleiht er doch dem Sound ein wenig analoges Flair.

Fazit

Die Bändchen von beyerdynamic sind hervorragend konstruierte Mikrofone. Dass sie seit fast 40 Jahren fast unverändert gebaut werden, hat einen einfachen Grund: Es gibt kaum etwas, das man an ihnen verbessern könnte. Für die meisten Anwender dürfte das beyerdynamic M160 aufgrund seiner Hypernierencharakteristik am interessantesten sein. Nicht weniger State-of-the-Art ist das beyerdynamic M130, dessen Handling-Eigenschaften sich an den klassischen amerikanischen Bändchen orientieren, die es aber in Sachen Höhenwiedergabe z. T. überflügelt.

Das beyerdynamic M260 ist etwas weniger vielseitig, da es aufgrund des zwangskompensierten Nahbesprechungseffekts auf kurze Mikrofonabstände festgelegt ist. Mit seinem vorequalisierten Klang und etwas höherem Output empfiehlt es sich nicht zuletzt für Bändcheneinsteiger, zumal sein Erwerb kein großes Loch ins Budget reißt. Als Vokalmikro kann es, insbesondere in Sachen Handling-Eigen schaften, allerdings nicht ganz mit dem leider aus dem Sortiment gestrichenen M500 mithalten. Bleibt ein Blick in die Preisliste. Und da reibt man sich verdutzt die Augen: Trotz des aufwendigen Designs, höchster Fertigungsqualität und verdientem Klassikerstatus kosten alle drei Beyerdynamic-Bändchen zusammen in etwa so viel wie ein Royer R121, das unter den aktuell hergestellten Marken-Bändchen ja noch zu den günstigeren zählt. Preiswert ist da eigentlich noch untertrieben. Wenn ich mir dennoch etwas wünschen dürfte, dann eine Neuauflage des guten alten M500. Oder vielleicht inspiriert der gegenwärtige Bändchen-Boom die Verantwortlichen sogar zu einem ganz neu entwickelten Beyerdynamic-Bändchen für das 21. Jahrhundert?

Konzept:
legendäre Bändchenmikrofone
Hersteller / Vertrieb: beyerdynamic GmbH
Internet: www.beyerdynamic.de
Übertragungsbereich (alle): 40–18.000 Hz
Empfindlichkeit: M130, M160: 1.0 mV/Pa, M260: 1,2 mV/Pa
Nennimpedanz (alle): 200 Ohm
Unverbindliche Preisempfehlungen:
beyerdynamic M130: € 529,–
beyerdynamic M160: € 489,–
beyerdynamic M260: € 289,–


Pro & Contra

+ ausgezeichnete Klangeigenschaften
+ durchdachtes Design
+ sehr gute Verarbeitung
+ Klassikerstatus
+ günstiger Preis
– geringer Output (Bändchen-typisch)


Text: Andreas Hau, Fotos: Dieter Stork, beyerdynamic

Kommentar zu diesem Artikel

Pingbacks

  1. Beyerdynamic MC 840 › SOUND & RECORDING

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.