Cinematique Instruments Fabrique. Mit Sound-Libraries ist es so eine Sache: Auf der Suche nach dem bestimmten Sound kann man sich schnell in einer wahren Soundflut verlieren, ohne dass man dem gesuchten Klang am Ende nähergekommen ist.
Doch es gibt auch Libraries, die Sounds zu Gehör bringen, deren Existenz man so nicht unbedingt vermutet hätte. Mit Fabrique verspricht die Kölner Klangschmiede Cinematique Instruments individuelle, inspirierende Klänge.
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Die beiden Entwickler von Fabrique, Joachim Dürbeck und René Dohmen, arbeiten schon länger erfolgreich als Filmkomponistenteam. Dabei legen beide nach eigener Aussage Wert darauf, mit ungewöhnlichen Sounds zu arbeiten, die das gewisse Etwas haben. In diesem Fall in Form von Patterns!
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Konzept
Fabrique ist kein Softsynth oder Sample-Player im herkömmlichen Sinn, sondern eher ein Pattern-Player, der die Möglichkeiten von Native Instruments’Kontakt clever nutzt. Grundsätzlich besteht er aus zwei 32-StepSequenzern und einem Sampleplayer, die per Maus oder Note-on-Befehl synchron gestartet und dann bis zum St. Nimmerleinstag geloopt werden können. Garniert wird das Ganze noch mit einigen Effekten, und fertig sind die Soundhäppchen.
Das klingt jetzt noch nicht so besonders, aber diese Kombination, verbunden mit den ungewöhnlichen Klangquellen, die Fabrique nutzt, hat es in sich. Bevor man allerdings dazu kommt, etwas zu hören, muss man sich zwischen drei verschiedenen Kontakt-Instruments entscheiden, die stilistisch unterschiedliche Sounds beherbergen: „Eerie“ mit herrlich schrägen und düsteren Klängen, „Prime“ mit eher filmischem und Pop-Flavour sowie „Urban“, überwiegend für die HipHop- und Dub-Fraktion. Diese Unterteilungen sind aber nur grobe Anhaltspunkte, denn meiner Meinung nach lassen sich die Sounds sehr breitgefächert verwenden, gerade weil sie eben nicht so einfach in eine Schublade gepresst werden können.
En Detail
Die drei Instruments funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip. Nach dem Laden erscheint eine tabellarische Übersicht der Presets, die in weitere Kategorien unterteilt sind, womit ein schnelles Auffinden gewünschter Sounds ermöglicht wird. Per Edit-Button gelangt man nun in den „Maschinenraum“ von Fabrique und somit zum Sample-Player sowie den beiden Stepsequenzern. Hier fallen sofort die Velocity-Werte der 32 Steps ins Auge, und, wie von Kontakt gewohnt, lassen sich diese auch direkt per Maus ändern bzw. frei einzeichnen.
Sequenzer 1 hat zwei Besonderheiten, nämlich einerseits die Tonhöhe der einzelnen Steps zu editieren und andererseits alle Steps automatisch auf eine pentatonische Skala zu korrigieren. Diese beiden Features hätten Sequenzer 2 ebenfalls gut gestanden, um auch dort detailliertere Eingriffe zu ermöglichen. Sehr praktisch ist, dass beide Sequenzer in einen Random-Modus geschaltet werden können, der dann die Velocity-Werte für alle 32 Steps bei jedem Note-on-Befehl oder jedem Durchlauf aufs Neue auswürfelt.
Das Spiel geht so lange, bis der Random-Mode wieder deaktiviert wird. So ist es sehr schnell möglich, entweder veränderte Patterns zu erzeugen und diese dann zu behalten oder bei Random-Dauerbetrieb eine ständige, zufällige Modulation der Velocity zu erreichen. Sehr schön gelöst ist die Auswahl der Soundquellen: Einfach einen Klick auf den entsprechenden Schalter, und es erscheint eine kategorisierte Übersicht der zur Verfügung stehenden Sounds. Diese können dann bei laufendem Pattern-Sequenzer vorgehört und ausgewählt werden − fertig. Somit sind sehr schnell tiefergreifende Änderungen möglich, denn alle im Instrument verfügbaren Soundquellen können mit dem aktuellen Pattern kombiniert werden.
Effekte
Weitere Eingriffe in den Sound sind mit den Effekten möglich. Diese sind einerseits in den einzelnen Sequenzern und im Sample-Player und andererseits als Master-Effekte vorhanden. Bei Ersteren können alle Steps gleichzeitig in der Gesamttonhöhe bzw. -länge verändert werden (beim Sample-Player nur die Tonhöhe) oder auch Hall-, Delay- und Filtereinstellungen erfolgen. Die Möglichkeiten sind hier zwar rudimentär, aber effektiv. Sounds lassen sich deutlich verbiegen, ohne dass man sich in Editierexzessen verliert. Die Einstellungen der Master-Sektion gelten für alle drei Klangerzeuger gleichzeitig. Hier stehen verschiedene, leider nicht editierbare Kontakt-Effekte und Hallräume zur Auswahl sowie einige sinnvolle Settings für die Patternsequenzer.
Die Editiermöglichkeiten von Fabrique sind schnell zugänglich und auf das Nötigste begrenzt. Dadurch entfällt zwar oft der Zugriff auf Detail-Parameter, aber man behält immer den Überblick, was schnelle Ergebnisse ermöglicht.
Praxis und Sound
Fabrique verhält sich nicht wie ein normales Soundmodul. Sounds lassen sich der Software nur mit einer auf der Klaviatur frei definierbaren Taste oder mit dem Play-Button auf der Kontakt-Oberfläche entlocken. Anfangs fiel es mir schwer, mich an dieses Konzept zu gewöhnen, aber nach kurzer Zeit liebt man die Vorgehensweise. Einmal die PlayTaste aktiviert, lassen sich so bei laufendem Pattern-Sequenzer sehr schnell Presets durchklicken und -hören sowie Änderungen im Edit-Mode vornehmen. Dadurch, dass Fabrique mit sehr wenigen Ebenen auskommt, sind alle wichtigen Einstellungen immer nur wenige Klicks entfernt, und dank der ständig im Loop laufenden Patterns sind alle Änderungen sofort zu hören.
Dementsprechend kommt man sehr schnell zu Ergebnissen, auch bei kompletter Neuprogrammierung der Sounds − allerdings muss man sich dann beim Erstellen eigener Melodien zwangsläufig mit der Frickelei der Stepsequenzer-Programmierung auseinandersetzen. Modulations- und Pitchwheel sind standardmäßig leider nicht belegt, und auch insgesamt hätten Fabrique mehr Echtzeit-Modulationsmöglichkeiten gut getan. Teilweise wirken einige Loops nach mehreren Durchläufen statisch, und man wünscht sich, diese einfach und gezielt variieren zu können. Leider gibt es auf der Oberfläche und im Edit-Bereich aber nur sehr wenige Parameter, an denen man ansetzen könnte.
Da Fabrique aber in den seltensten Fällen komplette Produktionen stemmen wird, sondern eher Farben und Stimmungen liefern soll, relativiert sich dieser Kritikpunkt. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn, wie bei TV- oder radiotauglichen Produktionen, Wert auf Monokompatibilität gelegt werden muss: Einige Sounds sind hier sehr deutlich im Minusbereich, und man muss mit Phasenauslöschungen rechnen, wenn das Signal mono geschaltet wird. Die insgesamt 83 Soundquellen der Stepsequenzer und 50 Audioloops des Sampleplayers bieten ein großes Spektrum und klingen größtenteils sehr organisch und hand – gemacht.
Da bei den meisten Presets drei Soundquellen parallel abgespielt werden, liefert Fabrique nicht einfach nur einen herkömmlichen Synth-Sound, sondern je nach Kategorie perkussive Loops über atmosphärische Flächen bis hin zu kurzen, mehrtaktigen Ausschnitten aus einem minimal arrangierten Track. Die Soundästhetik ist dabei ebenfalls größtenteils minimal, eher im Underground verortet und eignet sich damit hervorragend z. B. für moderne, reduzierte Songs/Tracks oder für Filmmusik, die einen moderneren, cooleren Charakter bekommen soll − aber ohne das mainstreamige Bombast-Soundgewitter.
Fazit
Auch wenn der Herstellername es anders vermuten lässt, ist diese Library definitiv nicht ausschließlich für Filmmusik gemacht. Im Gegenteil: Cinematique Instruments ist es mit Fabrique gelungen, ein eigenständiges, genreübergreifendes Instrument zu veröffentlichen, das interessante und inspirierende, minimale Patterns liefert, die sich überall da zu Hause fühlen, wo fernab der ausgetretenen Pfade nach produktionstauglichen Sounds gesucht wird. Dabei ist Fabrique aber kein Synthesewunder und will es auch gar nicht sein, sondern umgarnt einen eher mit gut ausgesuchten, charakterstarken Häppchen aus einer kleinen, feinen Pattern-Soundwelt, die eine enorme Anziehungskraft entwickeln kann. Wer solche Kleinode sucht, um seinen Produktionen das gewisse Etwas mit einem gewissen Understatement zu verleihen, ist hier genau richtig.