Clavia Nord Stage 4 – Stagepiano der Premiumklasse
von Ulf Kaiser,
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Im Nord Stage vereinigt der Stockholmer Hersteller Clavia unterschiedliche Klangerzeugungen in einem hochwertigen Performance-Instrument. Für die vierte Generation wurden nunmehr Bedienfeld und die Klangerzeugungen überarbeitet. Das Resultat ist beeindruckend und schiebt die Messlatte höher.
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Die feuerrot lackierten Instrumente aus Schweden haben es seit Einführung des Nord Lead 1 (1995) zu weltweiter Präsenz gebracht. Seit den 2000er-Jahren liegt dabei der Fokus vor allem bei Stagepianos und -Keyboards. So war das Nord Stage von 2005 eines der ersten Bühneninstrumente, das typische Keyboard-Sounds und einen Synthesizer zusammenbrachte.
Aufbau
Das Nord Stage 4 (Stand: Version 1.12) kommt in gewohnt dekorativer Optik, ist hochwertig verarbeitet und uneingeschränkt bühnentauglich. Verfügbar sind drei Versionen, die hinsichtlich Bedienoberfläche und Klangerzeugung identisch sind: mit vollständig gewichteter 88- oder 73-Tasten-Klaviatur (19,6 bzw. 16,7 kg) oder in der leichteren Compact-Version (10,4 kg) mit halbgewichteter Waterfall-Klaviatur mit 73 Tasten. Alle Modelle bieten eine Klaviatur mit Dreifach-Sensorik und monofonem Aftertouch. Das Bedienfeld ist in die Bereiche Controller mit Modulationsrad aus Stein und Pitch-Stick aus Holz, Organ, Piano, die zentrale Programmverwaltung, Synth und den Effektbereich unterteilt. Rückseitig finden sich vier Audioeingänge, Kopfhörerausgang, Monitoreingang, MIDI-, USB- und Kaltgeräteanschluss sowie Fußschalter-und fünf Pedaleingänge (Triple, Sustain, Rotor, Organ Swell, Control).
Neuerungen.
Blickfang sind die neuen Pegelregler mit LED-Ketten pro Layer, die für die Sektionen Organ, Piano und Synth bereitstehen. Hinzu kommen neun haptische Zugriegel im Orgelbereich, die ebenfalls durch LED-Ketten unterstützt werden.
Orgel- und Klaviersektion sind wie im Nord Stage 3 duotimbral, während die Synthesizer-Sektion nunmehr drei Parts bietet und inzwischen auf dem Nord Wave 2 fußt. Sie vereint Möglichkeiten der virtuell-analogen und FM-Klangsynthese sowie Sample-Playback.
Eine deutliche Aufwertung hat auch der Effektbereich erfahren, der neben inhaltlichen Neuzugängen nun in sechsfacher Ausführung zur Verfügung steht.
Wie üblich lassen sich die Programme übergeordnet und nahtlos aufrufen, hier aber auch getrennt pro Sektion. So lassen sich im laufenden Betrieb schnell neue Klangkombination schaffen. Vom Vorgänger wurde die Möglichkeit übernommen, pro Programm zwei Klangeinstellungen (Layer) direkt oder Pedal umschalten zu können. Weitere Neuerungen sind erweiterte Pedalfunktionen einschließlich Unterstützung der neuen Modelle Triple Pedal 2 und Sustain Pedal 2 mit kontinuierlichen Sensoren. Ersteres ermöglicht dabei eine variabel konfigurierbare Funktionalität.
Die Sektionen.
Der Piano-Bereich bietet 2 GB Samplespeicher und 120 Stimmen. Der Speicher ist gefüllt mit einer Auswahl von Flügeln und weiteren Tasteninstrumenten, die sich aus den Multisamples der Nord-Piano-Library rekrutieren. Der Speicher lässt wie bisher über den kostenlosen Nord Sound Manager verwalten und bestücken.
Neben der Simulation von Saitenresonanzen und Pedalgeräuschen hat man Zugriff auf drei Dynamikkurven und einen Timbre-Equalizer. Neu ist eine dreifach schaltbare dynamische Kompression der Samples für mehr Durchsetzungsfähigkeit im Bandkontext und ein ebenfalls dreifach schaltbarer Unisono-Modus, mit dem sich durch Stimmverdopplung mit leichten Verstimmungen ein breiteres Klangbild umsetzen lässt.
Die Orgel basiert auf der Nord C2D, bietet eine vollständige Polyfonie und offeriert Simulationen von B3 Tonewheel, B3 Bass, Vox Continental und Farfisa sowie zwei klassische Pfeifenorgeln. Die Zugriegel gestatten in Kombination mit der Percussion-Sektion, einer dedizierten Vibrato/Chous-Sektion und dem Leslie-Bereich eine Klangformung in Echtzeit.
Die dreifache Synthesizer-Sektion wartet schließlich mit 46 Stimmen, eigenem Graphik-Display und Arpeggiator mit Pattern- und Gate-Modi pro Layer auf. Auf Basis des Nord Wave 2 werden virtuell-analoge Klängeund FM, aber auch samplebasierte Sounds geboten. Für Letztere wurde der Speicher auf 1 GB verdoppelt. Er ist üppig gefüllt und lässt sich aus der Nord Sample Library 4.0 nach Bedarf bestücken. Ab Werk findet man eine breite, kategorisierte Klangauswahl.
In seiner Rolle als Synthesizer liefert der jeweilige Oszillator Standard-Wellenformen sowie Supersaw, Rauschen, FM, Sync und digitale Wellenformen. Für Klangfülle sorgt ein Unisono-Modus, der die Polyfonie nicht beeinflusst. Alle Layer lassen sich einzeln über ein Multimodefilter mit Resonanz und schaltbarer Übersteuerung sowie einen abschließender VCA, beide mit eigenen Hüllkurven, weiter formen und über einen LFO mit fünf Wellenformen modulieren.
Im Piano- und Synth-Bereich greift jeder Layer auf eigene sechsstufige Effektketten zurück, die Modulationsklänge in doppelter Ausführung bieten und von Chorus, Flanger, Phaser über Auto-Pan bis zur Ringmodulation und pumpenden Sidechain-Effekt reichen. Hinzu kommen Sektionen für Delays, Nachhall, eine Verstärkersimulation, EQ/Filter sowie ein Kompressor – allesamt gleichzeitig nutzbar und editierbar. Die Orgel-Layer teilen sich ergänzend eine weitere identische Effektsektion, die zusätzlich um Rotary- und Chorus/Vibrato-Bereiche ergänzt werden.
Praxis.
Die straffe Klaviatur des 73er-Testgeräts ermöglicht ein gefühlvolles und schnelles Spiel, der dritte Sensor dazu Wiederholungen, ohne die Taste in die Ursprungsposition zurückfallen zu lassen.
Wer die Vorgänger kennt, kommt zügig zum Ziel, eine Phase der Einarbeitung lohnt sich dennoch. Generell bietet sich dem Musiker eine kompetent konzipierte, leistungsstarke Bedienoberfläche, die jedoch aufgrund der erhöhten Funktionalität mit Layern und multiplen Effekten vielschichtiger als bei älteren Modellen oder Mitbewerbern ausfällt, denn der Nord Stage 4 hat in etlichen Bereichen zugelegt.
Die Sektionen lassen sich über globale Schalter schnell ein – und ausschalten und einzeln transponieren. Innerhalb der Bereiche wählt man per Knopfdruck zwischen den Layern, kann diese gleichzeitig nutzen und spielerisch ins gewünschte Mischungsverhältnis bringen. Der Effektbereich kann dieser Auswahl automatisch folgen, wodurch er gefühlt zum aktiven Teil des Layers wird.
Live sind Splits oft unentbehrlich. So lässt sich die Klaviatur in bis zu vier Zonen unterteilen und jeder Synth-Layer bei Bedarf umwidmen, um externe Instrumente zu adressieren.
Auch die bekannte Morph-Funktion der Nord-Keyboards fehlt nicht. Sie erlaubt es, multiple ausgewählte Parameter in unterschiedlichen Intensitäten per Modulationsrad, Aftertouch oder Expression-Pedal überzublenden – großartig und in der Praxis völlig geradlinig umsetzbar.
Ich selbst stelle fest, dass ich mit dem Nord Stage 4 einen anderen Zugang zum Instrument als mit einem klassischen Synthesizer oder einer Workstation habe. Man hat gewissermaßen mehrere Klangerzeuger gleichzeitig unter den Fingern, die man schnell kombinieren und intuitiv editieren kann. Ich empfinde das als außerordentlich musikalisch. Schnell und insbesondere live wird klar, dass Klänge oft mit wenigen essenziellen Parametern oder Effekten wirksam verändert werden können. Sicher wird man dabei keine völlig neuen Klangwelten aufstoßen, was zumeist auch nicht nötig ist. Das gilt natürlich auch für die Synthesizer-Layer, obwohl diese diverse zusätzliche Parameter zur Verfügung stellen. Mit wenigen Reglern kommt man durch das Zusammenspiel von Display, kontextsensitiven Encodern und wenigen kompakten Sektionen wie LFO, Oszillator, Filter und Amp schnell ans Ziel. Die volle Tiefe eines Spezialisten sollte man allerdings nicht erwarten.
Seine Klangaufgabe
… erfüllt der Nord Stage 4 mustergültig – nicht umsonst sind Nord Stage-Keyboards auf unzähligen Bühnen zuhause. Mit 512 Programmen, 64 Speicherplätzen (im Synth-Bereich sogar mehr) pro Layer, acht Live-Programmen und Layer-Szenen ist er umfassend für den jeweiligen Einsatzbereich vorzubereiten.
Die Standardklänge sind vielfach bewährt und decken ein großes Klangspektrum in musikalischer Form ab – angefangen von Pianos und E-Pianos über die Orgelsektion bis hin den drei Synthesizer-Parts.
Der Orgel-Bereich liefert eine breite, umfassend formbare Auswahl an Standards, die ein dediziertes Instrument in aller Regel klanglich obsolet macht. Herrlich!
Die Piano-Sektion wiederum bietet ausdrucksstark spielbare Sounds, die dank der erweiterten Funktionalität noch schneller an den Kontext anpassbar sind. Verglichen mit spezialisierten Software-Sample-Playern ist die Sampling-Tiefe geringer. Dennoch sind die Klänge so abgestimmt, dass sie auf der Bühne funktionieren. Die Auswahl reicht von Flügeln und Klavieren über E-Pianos, Clavinets, FM-Pianos bis hin zum Vibrafon.
Passend dazu findet man im Sample-Bereich der Synth-Sektion Imitationen von Naturinstrumenten wie Streichern und Blechbläsern, einzeln und im Ensemble, Bässe, Gitarren, Holzbläser, Flöten, Akkordeons, Orchester-Ensembles, Orgeln und glockige Instrumente. Besonders gefallen mir die Chöre, die Mellotron-Klänge und die Streicher-Ensembles von elektronischen und realen Instrumenten. Die Klänge sind überwiegend gut, die Auswahl eher praxisorientiert als uferlos. Der letzte Realismus fehlt auch hier im Vergleich zu Spezialisten. Dazu wird auf erweiterte Artikulationen zugunsten unmittelbarer Spielbarkeit verzichtet. Ich selbst sehe die Sample-Sektion als wunderbare Ergänzung zur Ergänzung der Pianos, etwa in Form von Flächen oder als realistische Komponente bei Synthesizer-Klängen.
Letztere schließlich gibt es in vielfältigen Variationen: jede Menge virtuell analoge aber auch FM- und geräuschhafte Klänge. Der Fokus liegt auf Flächen und Leads, die um weitere Klänge ergänzt werden. Über die Layer gelangt man schnell zu komplexeren Klängen, kann aber weiterhin jeden Klang schnell in seinen wichtigsten Parameter anpassen – vom Resonanzfilter bis zum Zeitverlauf der Hüllkurven. Dieser geradlinige Zugriff ermöglicht es, stets den Überblick zu behalten. Man sollte aber auch einräumen, dass man den Nord Stage 4 nicht mit einem dedizierten Synthesizer vergleichen sollte, der in der Regel umfassendere Zugriffsmöglichkeiten bietet.
Konkurrenz.
Der Nord Stage 4 nimmt am Markt eine klare Spitzenposition ein. Das Bedienkonzept der Serie hat Maßstäbe gesetzt, ist vielen Anwendern vertraut und in der neuesten Ausführung mit drei Sektionen und sieben Layern der Konkurrenz einen großen Schritt voraus. Am ehesten könnte man die preiswerteren Yamaha-Modelle YC-88/YC-73 als Mitbewerber sehen. Sie sind qualitativ und bezüglich der Klaviatur auf Augenhöhe. Auch klanglich überzeugen hier Piano- und Orgel-Sektionen, allerdings erarbeitet sich der Nord Stage 4 durch die höhere Anzahl gleichzeitig verfügbarer Klänge, die aufwendige Effektsektion, den möglichen Austausch der Klänge über die hauseigene Library und die dreifache Synthesizer-Sektion handfeste Vorteile. Das Konzept der gleichzeitig nutzbaren Klangerzeugungen mit individuellen Bedienfeldern grenzt den Nord Stage 4 auch von typischen Workstations ab.
Fazit.
Ganz sicher ist der Nord Stage 4 in seiner Funktion als Bühnen-Keyboard der Traum unzähliger Live-Musiker und stellt die musikalische Messlatte unter den Stage-Keyboards dar. Gegenüber dem Vorgänger liefert es praxisorientierte und klangliche Verbesserungen auf mehreren Ebenen. Die Funktionalität ist hoch, aber über die vorbildliche Bedienoberfläche weiterhin leicht zugänglich. Entsprechend gelingt die Untermauerung des Führungsanspruchs in diesem Marktsegment. Allerdings spielt ein Nord Stage 4 eben auch in einer eigenen Preisklasse.
Hersteller/Vertrieb: Clavia Nord / Sound Service, Berlin