Near- und Mid-Field Monitor mit Beryllium-Tweeter

Der Studiomonitor Focal SM9 im Test

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Innerhalb der Studiomonitor-Baureihe von Focal sind die SM9-Modelle die größten Monitore. Kompaktere Modelle, ebenfalls mit Beryllium Hochtöner, gibt es in der SM6-Serie und mit Aluminium-Magnesium-Hochtöner in der CMS-Serie.

(Bild: Dieter Stork)

Der im französischen Saint-Etienne bei Lyon ansässige Hersteller Focal unter der Leitung des Firmengründers Jaques Mahul hat seinen Schwerpunkt in der Herstellung und Entwicklung hochwertiger Lautsprecherchassis und kompletter Systeme. Die Produktpalette umfasst das komplette Programm von Pro-Audio über Consumer-Produkte bis zum Car-Hi-Fi. In der High-End-HiFi-Szene agiert Focal mit seinen Modellen in der absoluten Spitzenklasse. Die Chassis aus ausschließlich eigener Entwicklung werden hier in akustisch sinnvollen Konzepten und in einer handwerklich anspruchsvollen Ausführung zu edlen Hi-Fi-Lautsprechern in allen Größenklassen kombiniert und das bereits seit nunmehr fast drei Jahrzehnten.

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In dieser Zeit entstanden diverse, heute noch wegweisende Entwicklungen in der Lautsprechertechnik wie die »W«-Cone-Membran, die in einer Sandwich-Bauweise mit je einer oberen und unteren Deckschicht aus Glasfasern (Glas = Verre und daher W = Verre-Verre) eine besonders hohe Steifigkeit bei einer gleichzeitig guten inneren Dämpfung erreicht.

Titan und Aluminium sowie diverse Gewebeformen sind für Hochtöner ein bewährtes Membranmaterial. Meist ist jedoch bei 20 kHz der Punkt erreicht, wo Partialschwingungen oder Materialresonanzen bei diesen Werkstoffen eine Grenze aufzeigen. Setzt man die Dichte und die Steifigkeit verschiedener Materialien ins Verhältnis zueinander, so halten sich bei Titan und Aluminium die Werte ungefähr die Waage. Auf weitaus bessere Verhältnisse trifft man bei Beryllium, das bei gleicher Membranmasse eine siebenfach höhere Steifigkeit gegenüber Titan oder Aluminium bietet. Problematisch ist bei Beryllium jedoch die Verarbeitung. Der Einsatz von Beryllium ist bisher fast ausschließlich auf die Raumfahrt und Militärtechnik beschränkt, sodass man sich bei Focal mit zweijährigen Forschungsarbeiten eigene Fertigungsmethoden für die sichere Herstellung der 25 mm dünnen Membran in Form einer Kalotte schaffen musste. Schon diese beiden Beispiele zeigen recht eindrucksvoll, dass man es bei Focal sehr ernst nimmt, alle Register in Sachen Forschung und Entwicklung zu ziehen. Sowohl W-Cone als auch Beryllium-Hochtöner kommen im hier vorgestellten SM9-Monitor zum Einsatz.

(Bild: Dieter Stork)

Alle aktuellen Monitore von Focal arbeiten rein analog und sind auch ausschließlich mit analogen Eingängen ausgerüstet, was in digitalen Zeiten schon als ungewöhnlich gelten darf. Dabei ist es nicht so, dass man die Technik dazu bei Focal nicht verfügbar hätte. Ganz im Gegenteil sogar werden die Serien SM11 und SM8, die bereits mit digitalem Processing ausgerüstet waren, heute bei Focal nicht mehr hergestellt. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Wer gute bis fast perfekte Treiber hat, kann auch mit rein analoger Signalverarbeitung sehr gute Lautsprecher bauen. Arbeitet der Anwender auch ansonsten noch analog, dann ist der analoge Lautsprecher ohnehin nur konsequent, und ist die Zuspielung digital, dann hat man noch die Wahl des DA-Umsetzers. Unter diesem Aspekt ist ein analoger Lautsprecher, der sich nicht von der ständig im Wandel befindenden Digitaltechnik abhängig macht, durchaus eine nachvollziehbare Entscheidung.

Äusserlichkeiten

Verlassen wir den Bereich der Spekulation und wenden uns dem SM9 zu. Hier hat man es mit einem zwar optisch kompakten, aber dennoch 35 kg schweren 3-Wege-Monitor zu tun, der vom Nearfield bis zum Midfield alles abzudecken vermag.

Kommen jetzt Bedenken auf, einen so großen Lautsprecher in einer kurzen Nearfield-Distanz zu nutzen, sollte man direkt auf eine Spezialität der SM9 eingehen. Die SM9 kann vom 3-Wege- in den 2-Wege-Modus geschaltet werden, wo nur noch der 6,5″-Tiefmittel-Töner und der Hochtöner arbeiten. Die Basswiedergabe wird damit auf das Format eines kleinen Nahfeldmonitors eingeschränkt, wobei nicht nur der Tieftöner und die Passivmembran per Hochpass abgetrennt werden, sondern auch eine andere, zweite Frequenzweiche aktiviert wird. Weiterhin sitzt das 2- Wege-System in einem abgekapselten Bereich des Gehäuses, welcher getrennt ist vom Basstöner, um auch das passive Mitschwingen durch im Gehäuse bewegte Luft im 2-Wege-Modus zu unterbinden.

Wie es die Anleitung schon beschreibt, vereint die SM9 damit zwei Monitore in einem Gehäuse. Die Passivmembran hat direkt mehrere Vorteile. Sie kann über die eigene Masse fast beliebig abgestimmt werden, Gehäuseresonanzen dringen weniger stark nach außen, und Tunnelresonanzen gibt es gar nicht.

Elektronik

Die Elektronik der SM9 ist großzügig ausgestattet mit einer 400-W- und zwei 100-W-Endstufen − alle in klassischer Class-AB Schaltung − und reichlich Filtern. Das wären je ein Low- und High-Shelving-Filter, ein Low-, ein Low-Mid- und ein Mid-EQ sowie ein Hochpassfilter mit Eckfrequenzen 45, 60 und 90 Hz. Alle EQs haben einen Einstellbereich von ±3 dB in 0,5-dB-Schritten. Die zugehörigen Kurven dazu zeigt Abbildung 1.

Die gesamte Elektronik befindet sich zusammen mit einem großzügig dimensionierten Kühlkörper auf der Rückseite der Box. Auffällig ist hier wie auch für das restliche Gehäuse der SM9 im Kontrast zu vielen anderen Monitoren die hochwertige Verarbeitung und das edle Design aller Komponenten.

Messwerte

Abbildung 1 zeigt hier zunächst den Frequenz – gang und alle Filterkurven in ihren Maximal- und Minimaleinstellungen. Als 3-Wege-System liegen die Eckfrequenzen (−6 dB) bei 32 Hz und 31 kHz. Im 2-Wege-Focus-Modus verschiebt sich die untere Eckfrequenz auf 81 Hz. Insgesamt zeigt der Verlauf eine leichte Mittensenke mit einer Welligkeit von 5,2 dB. Etwas auffällig ist hier lediglich der Peak bei 4,75 kHz. Der Beryllium-Hochtöner verrichtet seine Arbeit völlig makellos bis über 30 kHz. Die sonst üblichen scharfen Resonanzen von herkömmlichen Metallkalotten gibt es hier nicht. Zu bemerken wäre noch die bei allen Focal-Lautsprechern übliche inverse Form der Kalotte. Der technische Hintergrund für die Bauform ist die Möglichkeit, die Schwingspule nicht wie sonst am Außenrand, sondern weiter innen an einer günstigeren Position ansetzen zu können.


Aus dem Messlabor unter reflexionsfreien Bedingungen stammen die folgenden Messungen zum Frequenzgang, zum Abstrahl – verhaltenverhalten und zu den Verzerrungswerten. Der Klasse-1-Messraum erlaubt Messentfernungen bis zu 8 m und bietet Freifeldbedingungen ab 100 Hz aufwärts. Alle Messungen erfolgen mit einem B&K 1/4″ 4939-Messmikrophon bei 96 kHz Abtastrate und 24-Bit Auflösung mit dem Monkey-Forest Audio-Messsystem. Messungen unterhalb von 100 Hz erfolgen als kombinierte Nahfeld-Fernfeldmessungen.


Die vielen Filter eigenen sich sehr gut, um eine feine Ortsanpassung vornehmen zu können. Eine messtechnische Unterstützung sollte man dabei jedoch haben, da es wohl nur den wenigsten gelingen dürfte, die Filterung nach Gehör sicher abzustimmen. Der Phasengang aus Abbildung 2 lässt keine Auffälligkeiten erkennen. Es gibt zweimal 360° Phasendrehung durch die Weiche und weitere 360° am unteren Ende des Frequenzbandes. Im Spektrogramm (Abb. 4) fallen zwei schmale Resonanzen bei 430 Hz und 1,35 kHz auf, die ihre Ursache in möglichen Gehäuseresonanzen des Tiefmitteltöners haben könnten. Schaut man sich die horizontalen Isobaren an, dann könnte man auf den ersten Blick meinen, ein großes Hornsystem vor sich zu haben. Schon ab ca. 500 Hz aufwärts verlaufen die Isobaren nahezu parallel bei einem sehr schön breiten Öffnungswinkel von ca. 140°. Erst ab 10 kHz aufwärts setzt dann unvermeidlich eine zunehmende Bündelung ein.

Erstaunlich ist hier vor allem der Übergang vom Mitteltieftöner auf den Hochtöner, wo es keinerlei Sprungsstelle gibt. Der Hersteller informiert, dass dies allein an dem negativen Dome und der sehr geringen invertierten Wölbung der Membran liegt sowie den Materialeigenschaften von Beryllium. Da die Membran fast flach ist, benötigt man keine anschließende Bündelung per Waveguide.

Für den Anwender bedeutet das eine große Bewegungsfreiheit am Pult, ohne dass sich die Wiedergabe zu sehr ändert, was natürlich ein großer Pluspunkt ist. In der Vertikalen gibt es dafür unvermeidlich ab 1 kHz aufwärts einen 1−2 Oktaven breiten Bereich, der sich einschnürt und erst bei 4 kHz wieder auf 140° kommt. Die Problematik gibt es beim Übergang vom Tief- zum Tiefmitteltöner fast nicht, da hier die Wellenlänge in Relation zum Abstand der Quellen zueinander so groß ist, dass es kaum zu Auslöschungen kommt. Die Maximalpegelmessung zeigt bei höchstens 3 % Verzerrungen Werte um 106 dB. Gleiches gilt für den Bassbereich von 50 bis 100 Hz bei einem 10 %-Limit. Oberhalb von 3 kHz ist zu erkennen, wie dort ein RMS-Limiter die Dauerleistung zum Schutz des Hochtöners begrenzt.

(Bild: Dieter Stork)

Eine weitere neue Messung in Abbildung 7 befasst sich mit Intermodulationsverzerrungen. Hier wird der Lautsprecher mit einem Multisinussignal angesteuert, das die spektrale Verteilung eines mittleren Musiksignals nach EIA-426B und einen Crestfaktor von 12 dB aufzuweisen hat und somit einem realen Betrieb schon sehr nahe kommt. Bei Vollaussteuerung erreicht die SM9 damit einen mittleren Pegel von 105 dB und einen Peak-Wert von 117 dB. Die Intermodulationsverzerrungen belaufen sich dabei auf einen Wert von −26 dB, entsprechend 5 %. Da diese Art der Messung in unseren Tests gerade neu eingeführt wird, liegen noch keine direkten Vergleichswerte vor.

Hörtest

Die Hörprobe fand unter den bekannten Bedingungen statt und wurde nach den bereits sehr guten Messwerten für die SM9 der krönende Abschluss des Tests. Im Hörraum auf ca. 3 m Distanz aufgebaut lieferten die SM9 ein exzellentes Ergebnis ab, das in jeglicher Hinsicht seinesgleichen sucht. »Klanglich herausragend, tonal perfekt und völlig neutral« könnte die Beschreibung lauten und das völlig unabhängig vom abgehörten Material. Die Wiedergabe war dabei auch noch sehr schön dynamisch und ansprechend.

Mit entscheidend dafür dürften auch die kräftigen Endstufe sein, die mit ihrer hohen Peak-Reserve das Signal nicht komprimieren. Viele einfache Monitore müssen hier mit kleinen integrierten Endstufen auskommen, die zwar hinreichend Dauerleistung liefern können, aber dann nur unwesentlich mehr an Peak-Reserven zu bieten haben. Nimmt man z. B. für den Hochtöner eine thermische Dauerbelastbarkeit von 10 W an, dann wird für ein Signal mit 12 dB Crestfaktor zur unkomprimierten Übertragung bereits eine Peak-Leistung von 80 W benötigt.

Gemittelte Frequenzgangmessung über je 30 Position für den linken und rechten Lautsprecher um den Hörplatz (blau). Unterhalb von 150 Hz sind die Raummoden gut zu erkennen. Aus den Messungen wurde ein EQ (grün) zur Raumkorrektur abgeleitet. Oben die gemittelte Kurve mit EQ (rot)

Zurück zum Höreindruck wäre noch die schon fast betörende räumliche Abbildung zu nennen, mit der die SM9 eine große Bühne vor dem Zuhörer aufspannen. Eigenschaften dieser Art sind natürlich immer nur schwer zu beschreiben und von Missverständnissen geprägt. Der auffälligste Unterschied zu vielen anderen Testkandidaten liegt aber wohl darin, dass die SM9 sowohl in der Dynamik als auch in der Abbildung näher am Original zu sein scheinen.

Im täglichen Messbetrieb fallen die Hörtests meist kurz aus, da die Zeit knapp bemessen und das Interesse am Testobjekt eher von professioneller Distanz geprägt ist. Mit der SM9 wurde die Hörsession jedoch mehr und mehr ausgedehnt, weil der Monitor schlichtweg beeindruckende Eigenschaften hatte und begeistern konnte.

(Bild: Dieter Stork)

Fazit

Die SM9 von Focal ist auf den ersten Blick ein kompakter 3-Wege-Monitor, der bei näherem Hinschauen vieles mehr zu bieten hat als erwartet. Edelste Treiber arbeiten hier mit kräftigen Endstufen und feinster Analogtechnik zusammen. Die internen Filter sind bestens abgestimmt, und die Ortsanpassung ist flexibel ausgelegt. Das alles resultiert in sehr guten Messwerten über alle Disziplinen und steigert sich noch im Höreindruck, der echte Maßstäbe zu setzen vermag.

Verarbeitung und Wertigkeit sind wie immer bei Focal von höchster Güte und lassen zusammen mit den anderen Qualitäten des Monitors den stolzen Preis relativ betrachtet günstig erscheinen.


++ Messwerte

+++ Klangqualität

++ Einsatzmöglichkeiten

+++ Verarbeitung und Wertigkeit

++ Preis/Leistungs-Verhältnis

 

Profil Focal SM9

Frequenzbereich: 32 Hz − 31 kHz (−6 dB)

Welligkeit: 5,2 dB (100 Hz − 10 kHz)

hor. Öffnungswinkel: 140 Grad (−6 dB Iso 1 kHz − 10 kHz)

hor. STABW (Standardabweichung): 12 Grad (−6 dB Iso 1 kHz − 10 kHz)

ver. Öffnungswinkel: 100 Grad (−6 dB Iso 1 kHz − 10 kHz)

ver. STABW: 35 Grad (−6 dB Iso 1 kHz − 10 kHz)

max. Nutzlautstärke: 106 dB (3% THD 100 Hz − 10 kHz)

Basstauglichkeit: 106,5 dB (10% THD 50 − 100 Hz)

Paarabweichungen: 0,85 dB (Maxwert 100 Hz − 10 kHz)

Störpegel (A-bew.): 23,0 dBA (Abstand 10 cm)

Abmessungen: 490 x 320 x 390 mm (B x H x T)

Gewicht: 35 kg

Hersteller/Vertrieb: Focal-JMlab / Sound Service GmbH

UvP/Straßenpreis: pro Paar 6.542,− Euro / ca. 5.500,− Euro

www.focalprofessional.com

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