Der Sound des "Perfect Run"

Die Keyboards und Synthesizer von Stevie Wonder

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Stevie Wonder keyboard ARP2600
Stevie Wonder mit ARP2600

Der Sänger, Komponist und Multiinstrumentalist Stevie Wonder hat mit seinen fünf legendären Alben die Genres Soul, R&B und Funk nachhaltig verändert: Music of My Mind (1972), Talking Book (1972), Innervisions (1973), Fulfillingness’ First Finale (1974) und Songs in the Key of Life (1976) waren echte Gamechanger.

Ungewohnte musikalische Ansätze, wie z.B. die Verwendung der Ganztonleiter, sozialkritische Texte und nicht zuletzt neue Sounds durch die Verwendung von Synthesizern und Effekten waren die Grundlagen für den “Perfect Run”, wie diese Periode inzwischen genannt wird, die Stevie Wonder 12 Grammys (von insgesamt 25 während seines Lebens) und acht Top 10-Singles einbrachte.

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Die Keyboards und Synthesizer von Stevie Wonder

Stevie Wonder hatte seit 1962 jährlich (außer 1965) ein bis zwei Alben für das legendäre Label Motown aufgenommen. Allerdings stammte die Musik von Motowns etablierten Songschreibern, Textern und Produzenten. Der als Wunderkind vermarktete “Little Stevie Wonder” war nur Sänger und Musiker, hatte aber selbst so gut wie keinen Einfluss. Erst als die Erfolge immer größer wurden, gestand man ihm gewisse Freiheiten und späte auch eine für damalige Verhältnisse hohe Gewinnbeteiligung zu. Doch er hatte andere Musik im Kopf.

Mit dem Album “Music of my Mind” begann seine Neuerfindung. Er hatte “Zero Time” von der “Tonto’s Expanding Head Band” entdeckt. T.O.N.T.O. war ein von Malcolm Cecil und Robert Margouleff entwickeltes Modularsystem auf Basis eines Moog IIIc, das um viele Komponenten erweitert wurde, darunter Oberheim SEM, ARP-Sequenzer und -Module und sogar Spezialanfertigungen von Serge Tcherepnin.

Wonder war von den Sounds fasziniert und nahm Kontakt Cecil und Margouleff auf. Es kam zu einer mehrtägigen Aufnahmesession im berühmten “Electric Lady Studios“, bei denen zahlreiche Songs bzw. entsprechende Grundgerüste entstanden, darunter auch der Mega-Hit “Superstition”, der dann auf dem Album “Talking Book” erschien. Die einzelnen Aufnahmen wurden erst vervollständigt, wenn es konkret an die Arbeit zu einem Album ging. Zum Teil geschah das in den bis heute bestehenden “Record Plant Studios” in Los Angeles.

Tonto wurde für spezielle Leadsounds und markante Bässe eingesetzt, aber die Sounds waren nie Selbstzweck, sondern wurden in die Musik eingebettet. Stevie Wonder hatte schließlich stets Top-Studiomusiker an der Hand, die hiermit nicht ersetzt werden sollten. Vielmehr ging es um eine Erweiterung der Klangpalette.

Die Zusammenarbeit mit Cecil und Margouleff war nicht einfach, hatte aber immer wieder kreative Ausbrüche und die beiden fungierten auch als Produzenten bei vier Alben. Trotzdem kam es zum Bruch und sie waren bei “Songs in the Key of Life” nicht mehr mit dabei.

Malcolm Cecil Robert Margouleff Tonto
Malcolm Cecil und Robert Margouleff mit Tonto

Der Song “Superstition” steht jedoch weniger für Tonto, sondern in erster Linie als für das Hohner D6 Clavinet das Stevie Wonder als Erster so prominient einsetzte und damit als ultimatives Funk-Instrument etablierte. Btw: die Single “Superstition” erschien sogar in einer Quadrophonic-Version. Möglicherweise kam Stevie Wonder auf dieses Instrument, weil er (als eines der wenigen Instrumente) keine Gitarre spielt, er aber damit ähnliche Licks erzeugen konnte. Später verband er das Clavinet mit dem Musitronics Mu-Tron III Envelope-Filter für einen Wah-Wah-ähnlichen Sound.

Inspiriert durch Billy Preston entdeckte Wonder das Fender Rhodes für sich. Es wurde von ihm einerseits als Hauptinstrument für die harmonische Struktur eingesetzt, wie zum Beispiel in “You are the Sunshine of my Life” und “Living for the City”. Andererseits spielte er es auch wie einen Bass (plus Akkorde) beim Song “I wish”.

Bei “I wish” kam außerdem ein ARP 2600 zum Einsatz, ebenfalls auf eher unüblich Weise. Der Synthesizer wurde mit einem Picking-Sound auf drei Spuren aufgenommen, womit sich Variationen zwischen den drei Stimmen besser als mit einem polyphonen Synthesizer spielen ließen. Bei einem Re-Recording-Video war der ARP 2600 leider defekt, so dass ein Kurzweil K2000 als Ersatz herhalten musste.

“Songs in the Key of Life” war das letzte Album der Reihe. Es erschien nach einem Jahr ohne Release, war dafür aber ein Doppelalbum, an dem rund 140 Musiker mitgewirkt hatten. Da nach dem Bruch mit Cecil und Margouleff Tonto nicht mehr zur Verfügung stand, sah sich Wonder nach einem neuen Instrument um und fand es im Yamaha GX1, einer Kombination aus Orgel und polyphonem Synthesizer. Hiermit wurden unter anderem die Streicher für “Pastime Paradise” eingespielt.

stevie wonder yamaha gx1

Stevie Wonder war stets am Puls der Zeit und an den neusten Technologien interessiert, die er in seine Musik integrierte. Bezeichnend dafür ist seine Zusammenarbeit mit Ray Kurzweil, die schließlich zur Entwicklung des legendären ROM-basierten Keyboards K250 führte. Aber auch andere Hersteller, wie Akai oder Oberheim, waren an seinen Ideen und Meinungen interessiert.

Die von Stevie Wonder genutzten Instrumente gelten heute als Klassiker, nicht zuletzt weil er, und in der Folge weitere Musiker, den Genres Soul und Funk damit eine neue Richtung gab. Heute stehen diese einstigen State-of-the-Art Synthesizer und Keyboards jedermann als Plug-ins zur Verfügung, so dass man einige Sounds des “Perfect Run” durchaus nachbauen kann. Doch zuvor sollte man sich die fünf Alben genau anhören und verstehen, wie Stevie Wonder die Instrumente im Kontext seiner Musik eingesetzt hat. Denn darin liegt die wahre Magie.

oberheim 4-voice
Prototyp des Oberheim 4-Voice, der für Stevie Wonder mit Braille-Ediketten versehen wurde (Wikipedia)

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