Alle Fliegen mit einer Klappe

DPA 4055 – Bassdrum-Mikrofon im Test

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(Bild: Nick Mavridis)

Zu den Recording-Missverständnissen, die sich besonders hartnäckig halten, zählt die Annahme, dass ein Kondensatormikrofon nicht in die Bassdrum gehört. Es stimmt sicher, dass im Vergleich die meisten Tauchspulenmikrofone höheren Schalldruck ohne einen enormen Zuwachs an Verzerrungen übertragen können und auch konstruktiv meist robuster sind. Aber wenn ein Mikrofon mit Kondensatorkapsel für den Einsatz mit hohen Pegeln explizit optimiert wurde, dann gibt es bestimmt kein Problem – dafür aber Vorteile! DPA, der dänische Hersteller hochwertiger Mikrofone, hat mit dem DPA 4055 nun gezeigt, dass beim Mikrofonieren mit den klassischen dynamischen Bassdrum-Mikros unnötigerweise Klangbestandteile verloren gehen, die im Mix sehr hilfreich sein können.

DPA ist bekannt geworden durch seine Kleinmembran-Kondensatormikrofone. Die Kapseln stammten zu Beginn der Firmengeschichte nicht nur aus der Manufaktur des Messgeräteherstellers Brüel&Kjær, sondern trugen auch deren Label. Zunächst stellte man ausschließlich ungerichtete Druckempfänger her, es folgten richtende Mikrofone, die seltenen Druckempfänger-Großmembraner sowie schließlich Klein- und Kleinstmikrofone, die heute in vielen Fernsehsendungen dieser Welt zu sehen sind bzw. aufgrund ihrer geringen Größe oft dann doch nicht zu sehen sind. Status heute: DPA ist ein exquisiter Mikrofonhersteller mit höchstem Ansehen.

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Betrachten wir nun also das erste Bassdrum-Mikrofon namens DPA 4055. Die Form ist ulkig. Zunächst einmal wäre da der typische Kleinmembranschaft. Wie bei einem Stäbchen besitzt dieser einen Durchmesser, der so gerade eben das Verbauen einer männlichen XLR-Buchse erlaubt. Damit passen auch die praktischen DPA-Mikrofonhalter, die DPA schon seit Anbeginn des Universums nutzt. Das Mikrofon wird dort eingeschoben und mit einem Ring fixiert. Zum Korb hin vergrößert sich der Durchmesser des Mikrofons enorm – auf wuchtige 57 Millimeter. Die Besonderheit ist, dass das Mikrofon nicht rotationssymmetrisch ist. In der Seitenansicht erkennt man je nach Winkel, dass der schmale Fortsatz konzentrisch zum Korb ist, also nicht genau mittig. Und da hatte bestimmt niemand beim Erstellen der technischen Zeichnungen ein hartes Wochenende hinter sich. Das 4055 ist bewusst so gestaltet worden, um die Ausrichtung zu vereinfachen. Tatsächlich gelingt es mir auf diese Art einfacher, mit einem Ausleger im Inneren der großen Trommel herumzunesteln. Ein wenig erinnert das an das bequeme Handling eines Fahrrads mit großem Nachlauf.

Der große Korb aus Metalldraht kann abgeschraubt werden. (Bild: Nick Mavridis)

Eine Lage Metalldraht bildet den Korb, direkt darunter befindet sich ein Schaumstoff-Formteil. Schraubt man den Korb ab, wird der Blick frei auf eine mit festem Elastomer schwingungsgedämpfte Kleinmembrankapsel in einem separaten Gehäuse, das einem DPA 4011 sehr ähnlich ist. Auf der Kopfseite trägt es das Grid-Muster, welches DPA und auch Brüel&Kjær schon lange verwenden. Abschrauben (und somit gegen eine andere tauschen) lässt sich die Kapselkonstruktion nicht.

Im eigentlichen Kapselgehäuse arbeitet eine 17 Millimeter durchmessende Elektret-Kondensatorkapsel. Noch so ein Mythos: Weil es vor vielen Jahren Mikrofone mit Elektretkapsel gab, die nicht ganz so gute technische Werte sowie Alterungsprobleme aufwiesen, haftet der Technik etwas Negatives an. Auf die unbewegliche Gegenelektrode aufgebrachtes Elektret, das die zum Betrieb notwendige Kapselvorspannung generiert, wird heute auch bei den teuersten DPA-Mikrofonen verwendet. Probleme? Keine.

Auch wenn der Begriff »Druckempfänger« für ein Bassdrum-Mikrofon vielleicht besonders vorteilhaft klingen würde, ist die Kapsel im 4055 kein solcher. Statt einer Druckempfänger-Kugel kommt die verbreitete Nierenlösung zum Einsatz. Die Wahl dieser Konstruktion ist sehr sinnvoll. Nicht, dass es hier in erster Linie um die Richtwirkung ginge: Die Nierencharakteristik liefert eine moderate Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt. Und »mehr Bass« ist für ein Bassdrum-Mikrofon nicht die schlechteste Nachricht. Es ist ja schließlich kein Höhen-Drum-Mikrofon.

Ist der Korb abgeschraubt, ist gut zu erkennen, dass das DPA 4055 nicht achsensymmetrisch ist. (Bild: Nick Mavridis)

Abseits aller Kalauerei

Die Wiedergabe höherer Frequenzen spielt bei der Aufnahme der Bassdrum ebenfalls eine große Rolle. Zunächst wäre da der Attack-Sound, also der Anschlag des Beaters auf das Fell. Bedenkt man, wie viel Forschung Schlagzeuger häufig in das Zusammenspiel von richtigem Beater-Kopf-Material, Felltyp und eventuell Aufklebepad investieren, ist es nur sinnvoll, wenn ein Mikrofon auch diesen Bereich ordentlich und naturgetreu aufzunehmen vermag. Auch das vielleicht leichte Flattern des Resonanzfells sowie der »Holz«-Anteil im Klang des Instruments wollen hochwertig aufgenommen werden. Ein numerischer Frequenzbereich von 40 Hz bis 18 kHz (Toleranzbereich sogar 4 statt wie sonst oft 6 dB) ist aber vor allem ein gutes Zeichen für die Möglichkeit des DPAs, auch schnelle Anstiege darzustellen. Und eine gute, natürliche Transientenwiedergabe ist nicht nur bei klickenden »Geigerzähler«-Bassdrums à la Anthrax wichtig, sondern hilft auch, den Charakter des Anschlagsgeräuschs sauber und detailliert einzufangen. Insgesamt besitzt das DPA 4055 einen Boost bei ungefähr 10 kHz. Die bei Bassdrum-Mikrofonen sonst so häufige Rücknahme des Pegels im hohen dreistelligen Hertzbereich ist nicht zu erkennen.

Es wird wohl kein Erstaunen verursachen, dass das DPA 4055 mit 27 dB(A) nicht zu den rauschärmsten Kleinmembranern zählt und seine Empfindlichkeit mit 2 mV/Pa kaum höher als die eines Shure SM58 ist. Dafür jedoch ist der maximale Schalldruckpegel im Datenblatt mit 156 dB SPL vermerkt. Zwar nicht für 0,5 % THD+N, sondern für 1 % Verzerrungsprodukte samt Rauschen, aber für den RMS-Wert. 1 % Peak liegt bei 159 dB SPL, 10 % THD+N bei Peak-Messung sogar bei 164 dB SPL. Zur Einordnung: Auch wenn die tiefen Trommeln im Nahbereich sehr laut und gehörschädigend sein können: Das reicht dicke aus! Übrigens ist das 4055 nicht das einzige für hohen Pegel optimierte Mikrofon der Dänen. Das 4091 »Lo Sens« ist ein Stäbchen mit Miniaturkapsel, erreicht aber bei weitem nicht die Werte des 4055.

Das DPA 4055 wird in Dänemark hergestellt. Dort gibt man jedem Exemplar in einer Pappschachtel noch eine kleine, leicht gefütterte Reißverschlusstasche sowie eine sicherere, starre Box mit Formausschnitt, die bewährte Halterung und ein Reduziergewinde mit auf den Weg.

Es zeigt sich, dass das DPA 4055 eine der besten Lösungen ist, wenn man nur ein Mikrofon für die Kick nutzen möchte oder kann. (Bild: Nick Mavridis)

Praxis

Wer DPA-Mikrofone kennt – oder überhaupt hochwertige Technik aus Dänemark –, der muss wohl nicht darüber aufgeklärt werden, dass die Materialwahl und Verarbeitung des 4055 das ist, was die Briten so gerne »immaculate« nennen. Die Kurzform des Klanges ist schnell beschrieben, nämlich als »verneigenswert gut«. Es lohnt aber, sich wieder aufzurichten und etwas genauer zu erkunden, was dieses Mikrofon so hervorragend macht. Beginnend im untersten Teil des Spektrums.

Natürlich überträgt es sehr tiefe Frequenzen, aber seien wir ehrlich: Das ist noch keine Kunst. Vielmehr ist es die Knackigkeit im Bass, die unter den Tauchspulenmikrofonen in der »dicken Trumm« nach meiner Erfahrung mit am besten von beyerdynamic M88 und Electro-Voice RE-20 erreicht wird. Wichtig sind solche Eigenschaften bei sehr schnellen Schlagfolgen, also auch kurzen, mit der Fußspitze gespielten Vorschlägen. Um das Signal nicht schlammig wirken zu lassen, hilft dem Mikrofon auch, dass es zum Infraschallbereich hin schon etwas dämpft. Auch wenn man glaubt, Bass könne nie tief genug sein, tut den meisten Bassdrums eine Pegelrücknahme unter 30, 40 Hz sehr gut und entfernt keine notwendigen Klangbestandteile. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass die Trittschalldämpfung eine hervorragende Wirkung zeigt. Stellt man allerdings ein Mikrofonstativ mit »Körperkontakt « an die Bassdrum und streckt somit seinem Physiklehrer nachträglich die Zunge heraus, ist auch DPA machtlos.

Ein Mikro statt mehrere: Das DPA 4055 liefert ein so komplettes Signal, dass man kaum ein zweites Mikrofon vermisst. (Bild: Nick Mavridis)

Dass kein Mitten-Swoop stattfindet wie bei einigen speziell der Aufnahme der tiefen Trommel zugedachten Mikrofonen, ist für ambitionierte Engineers eine gute Aussage. Wer ein DPA in die Bassdrum steckt, der besitzt auch die Bereitschaft zur Akkuratesse und die notwendigen Geräte, um genau passend zu formen.

Ein Gedicht ist das 4055 vor allem im Attack-Bereich. Hier begeistern eine enorme Detailtreue und eine Geschwindigkeit, die man von Mikrofonen aus dem Inneren der Kick üblicherweise nicht mitgeteilt bekommt. Das Signal ist »alert« und präzise – und bleibt es auch, selbst an Mikrofonpositionen mit hohem Bassanteil und starkem Nahbesprechungseffekt. Dass eine Snare und besonders eine Hi-Hat enorme Signalanstiege besitzen, ist bekannt. Nicht nur bei Verwendung von Plastik-Beater-Köpfen darf man aber staunen, wie hochdynamisch eine Bassdrum sein kann. Die hohe, ungebremste Dynamik kann man tatsächlich sehen:

In der DAW sticht bei gleicher wahrgenommener Lautstärke die Schwingungsform deutlich weiter nach oben und unten heraus als bei den klassischen Bassdrum-Mikrofonen.
Selbstverständlich ist man auf einen Preamp angewiesen, der derart steile Flanken zumindest unfallfrei hochverstärkt. Und man wird in einigen Mischungen diese hohe Dynamik auch eingrenzen wollen. DPA scheint sich auf die Fahnen geschrieben zu haben, dem User ein möglichst hohes Spektrum an herausragend gutem Ausgangsmaterial zur Verfügung stellen zu wollen, das dieser dann guten Gewissens nach Belieben formen kann. Das ist absolut gelungen.

In und vor verschiedenen Bassdrums unterschiedlicher Dimensionen, Fellbestückung, Stimmung und Dämpfung habe ich die gleichen Erfahrungen gemacht. Die »zwei Komponenten einer Bassdrum«, die gerne mit unterschiedlichen Mikrofonen an unterschiedlichen Positionen aufgenommen werden, sind Attack und Bass. Ich konnte die beiden wichtigsten Bestandteile jedoch immer problemlos mit dem DPA einfangen und durch Positionierung schon so gut balancieren, wie es für einen späteren Mix notwendig erschien. Ein zweites Mikrofon, selbst außen am Resonanzfell, habe ich im Grunde nicht vermisst. Die Ausrichtung der Hauptachse auf den Kessel, Schlagfellrand oder sogar bei Nähe zum Schlagfell rückwärts auf das Resonanzfell sollten kein Tabu sein! Besonders unter Verwendung der Polaritätsinvertierung am Preamp lassen sich somit viele Ressourcen einsparen (Mikrofone, Stative, Kapbel, Preamps, EQs, Inputs, Nerven).

Wer jetzt das Rechnen beginnt, sollte vielleicht noch folgenden bislang nicht angesprochenen Aspekt bedenken: Das Mikrofon ist beileibe nicht auf die Abnahme der tiefen Trommel beschränkt. Ich habe im Test hervorragende Ergebnisse an anderen pegelstarken Schallquellen erzielen können. Naheliegend sind andere Schlaginstrumente, von Floor-Tom über Snare bis hin zu Cajon

und dem, wovon es nie genug gibt: Cowbell. Superb ist das 4055 auch am Bassamp, vor allem dann, wenn dieser auch schnelle, detaillierte Signal wiedergibt. Aufgrund der guten Figur, die das 4055 an einem nicht höhengedämpften, über eine agile 4×10er gespielten geslappten Bass, aber natürlich auch Gitarren-Amps jeglicher Art im Nahbereich macht, hätte das DPA-Marketing das 4055 auch »Amplifier Microphone« nennen können. Ebenfalls ganz vorzüglich gelingt das Festhalten von Blechbläsern im Nahbereich: Eine Trompete mit einer Dynamik vom geräuschhaften, fragilen Ton bei gestopftem Becher bis hin zum schmetternden Fortissimo überträgt das dänische Mikrofon mit einer Gelassenheit, die fast schon provokant ist.

(Bild: Nick Mavridis)

Fazit

Das DPA 4055 räumt mit Mythen auf, z. B. damit, dass ein Bassdrum-Mikrofon dynamisch zu sein hat. Mit dem DPA 4055 kauft man ein enorm pegelfestes Mikrofon, das zwar keinen »Instant-Sound« für die Bassdrum liefert, dafür aber einfach ein Signal mit ungeheurer Farbtiefe und Detail, das man im Mix in weit mehr Richtungen bewegen kann, als es mit anderen mir bekannten Bassdrum-Mikros der Fall ist. Ich behaupte auch reinen Gewissens, dass der Einsatz des DPA in vielen Fällen die Nutzung eines zweiten Mikrofons unnötig machen kann.

Natürlich, der Preis ist kein Pappenstiel. Jedoch kauft man mit dem 4055 ein in Dänemark in höchster Qualitätsstufe hergestelltes Mikrofon mit sicher hoher Lebensleistung, hohem Werterhalt und erstaunlicher Flexibilität. Denn nur weil da »Kick Drum« auf der Verpackung steht, verbietet sich ja nicht die Nutzung an anderen Schallquellen.

Hersteller: DPA

UvP/Straßenpreis: 664,– Euro / ca. 629,– Euro

Internet: www.dpamicrophones.com

Unsere Meinung:
+++ äußerst detailliert, dynamisch hervorragend
+++ extrem pegelfest
++ für unterschiedliche Schallquellen geeignet
++ Preis/Leistungs-Verhältnis

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