Morpheus ist in der der griechischen Mythologie ein Gott der Träume. Er kann sich verwandeln und in unterschiedlicher Gestalt auftreten. Das hat er mit dem E-mu Morpheus gemeinsam, einem innovativer Synthesizer, der ein wahres Filtermonster ist und 197 verschiedene, zum Teil ultra-exotische Filter-Charakteristika erzeugen kann.
Als der E-mu Morpheus 1993 herauskam, war er ein Wolf im Rompler-Pelz; der Expander im 1-HE-Rack wirkte auf den ersten Blick unauffällig und so sexy wie ein Faxgerät. Dass unter der Haube Unerhörtes geboten wurde, ahnten nur einige Nerds. Der Morpheus war mit seinem innovativen Z-Plane-Filter allerdings kein großer Erfolg für E-mu, was neben seinem hohen Preis von 3.120,– Mark auch daran lag, dass immer mehr Musiker in den technoverliebten 90er-Jahren am liebsten an Analogsynths schrauben wollten.
User
Trotzdem ließen sich einige neugierige Musiker wie etwa der Jodeci- und Ginuwine- Produzent Devante Swing auf den exotischen E-mu-Synth ein; so ist z. B. der Talkbox-artige Rülps-Bass auf dem Hit Pony von Ginuwine (1996, Timbaland war ebenfalls involviert) mit dem Morpheus erzeugt worden. Zum Morpheus-User-Kreis gehören außerdem Acts wie My Life With The Thrill Kill Cult (Hit & Run Holiday, A Crime for All Seasons), Orbital, Hardfloor, LTJ Bukem and Fluke.
Äusserlichkeiten
Der Morpheus präsentiert sich als nüchterner Rack-Beamter auf einer Höheneinheit: Ein spartanisches, zweizeiliges Display, ein Datenrad, ein Card-Slot, zwei Cursor- und sechs Funktionstasten müssen reichen. Da bekommen leidgeprüfte Soundtüftler schon beim bloßen Anblick der Gerätefront Schmerzen in den Händen und sehnen eine Editor-Software herbei. Den allerersten Morpheus-Editor mit dem passenden Namen „Zeus“ schrieb übrigens KEYBOARDS-Autor Joker Nies (siehe Interview rechts) zusammen mit Petra Wolf.
Klangerzeugung
Die 32-stimmige Klangerzeugung ist 16-fach multitimbral und basiert auf einem 8 MB großen ROM mit 242 16-Bit-Samples (16 Bit/39 kHz), darunter auch Multisamples von Naturinstrumenten. Der 8 MB große Wellenformvorrat ist dem Proteus und dem Vintage Keys entnommen und bietet eine relativ große Bandbreite mit vielen Synthesizer-Grundwellenformen.
Ein Morpheus-Sound beruht auf zwei unterschiedlichen Samples mit jeweils eigenem Parameterset. Bemerkenswert sind die beiden ungewöhnlichen Hüllkurvengeneratoren: Sie bestehen aus acht Segmenten, die mit Level und Time-Parametern bestückt sind. Mittels des Conditional Jump, der z. B. durch einen LFO oder Note On-Befehl ausgelöst wird, kann man frei zu einem bestimmten Abschnitt der Hüllkurve springen und ziemlich kranke Klangverläufe realisieren.
Z-Plane Filter
Das Feature, das den Morpheus aus der Rompler-Schar seiner Zeit heraus – ragen lässt, ist das digitale, »Z-Plane« genannte 14-Pol-Filter. Es basiert auf einem Lowpass-Filter und sechs Equalizer-Bändern, deren Gain, Filterfrequenz und Filterbandbreite einzeln eingestellt werden können. Durch die Kombination dieser Komponenten wurde eine große Bandbreite unterschiedlicher Filtercharakteristika geschaffen.
Morphen im Würfel-Raum
Das Z-Plane-Filter bietet neben den zwei üblichen Filterdimensionen Frequenz und Amplitudenachse noch eine dritte, quasi räumliche Dimension, denn es kann stufenlos von einem zum anderen Filtertyp morphen.
Bei den Z-Plane-Filtermodellen sind bis zu acht unterschiedliche Filtercharakteristika in einem dreidimensionalen Raum in den Ecken eines Würfels angeordnet. Man kann mittels diverser Controller-Befehle wie Velocity, Modulation, Pitch etc. zwischen den Filtertypen des Würfels dynamisch interpolieren; das kann besonders bei Formantfiltern effektvoll sein, wenn man etwa von einem A zu einem O morpht. Neben würfelförmigen (8-Frame) gibt es auch einfachere 4-Frame- oder 2-Frame-ZPlane-Filtertypen.
Eigene Z-Plane-Filtermodelle lassen sich allerdings nicht erstellen, da man der Ansicht war, es würde den User in der Regel überfordern, musikalisch sinnvolle Modelle zu erstellen. Im Rückblick war dies eine etwas zwiespältige und viel kritisierte Entscheidung, ein frei konfigurierbares Z-Plane-Filter wäre sicher noch besser gewesen. Trotzdem sind aber die 197 Filter-Modes, die im Morpheus zur Verfügung stehen, schon eine Menge Holz und eröffnen dem User sehr viele Möglichkeiten. Bei den Filtermodellen findet man ein breites Angebot, das von Naturinstrumenten über klassische Synthesizer-Filter bis zu kranken und extremen Effektfiltern reicht. Das Z-Plane-Filter wurde auch anderen E-mu-Modellen wie etwa dem Ultra Proteus spendiert.
Sound
Der Morpheus hat einen angenehm lebendigen Sound, der tendenziell eher weich und spacig als brachial und böse ist. Seine Stärken spielt der Synth bei modulierten, flächenartigen Sounds aus, er kann aber auch überzeugende Bässe generieren. Dank des Z-Plane-Filters, das aber eher subtil agiert und meist nicht spektakulär ins Klanggeschehen eingreift, und der leistungsfähigen Hüllkurvenabteilung ist er auch eine gute Quelle für experimentelle Sounds mit ungewöhnlichen Klangverläufen. Interessant ist auch die Möglichkeit, Wellenformsätze, ähnlich wie etwa bei der Korg Wavestation oder dem PPG Wave, sequenziell zu durchfahren. Bei hoher Stimmenauslastung kann es allerdings mitunter zu Timing-Problemen kommen.
Davis Rossum
Der mythologische Morpheus ist der Sohn des Hypnos, dem Gott des Schlafes … der Vater des Morpheus-Synths aber ist der sehr ausgeschlafene David Rossum, ein echter Technikpionier. Er gründete in den 70er- Jahren E-MU-Systems, baute anfangs analoge Modular-Synthesizer und wurde später vor allem mit dem Emulator-Sampler und dem bis heute bei HipHop-Produzenten geliebten Sample-Drumcomputer SP-12 zum Innovations-Guru.
Z-Plane fürs Eurorack
Limitiert ist man beim Morpheus vor allem durch den doch ziemlich begrenzten Wellenformvorrat. Daher ist es für alle Fans des Synths eine gute Nachricht, dass David Rossum das Z-Plane-Filter mit seiner Firma Rossum Electro-Music neu als Eurorack-Modul herausgebracht hat. Das ca. 525,− Euro teure Modul ist sogar noch leistungsfähiger als das im Morpheus verbaute Filter und bietet 289 (!) unterschiedliche Filtermodelle an, die allerdings auch hier nicht selbst erstellt werden können. Das Modul ist mit einem grafikfähigen OLED-Display ausgestattet, das die Arbeit am Modul zum Vergnügen macht. An Bord ist außerdem ein synchronisierbarer Sequenzer, mit dem man dynamisch durch die Filter-Konfigurationen steppen kann.
Der E-MU Morpheus wurde uns freundlicherweise von Joker Nies (www.klangbureau.de) zur Verfügung gestellt, das Morpheus Filter-Modul vom Music Store in Köln (www.musicstore.de).
Keyboards- und Sound&Recording-Autor und Circuit-Bending-Artist Joker Nies (www.klangbureau.de) programmierte in den 90er-Jahren zusammen mit Petra Wolf den ersten Editor für den E-mu Morpheus. Wir haben ihm einige Fragen gestellt.
Joker, was hat dich am Morpheus fasziniert, als er herauskam?
Ich war damals schon vom ersten Testbericht und der Feature-Liste begeistert und hab mir den Morpheus direkt gekauft, als er 1994 auf den Markt kam. Ein 14-Pol-Filter mit frei definierbarer Topologie in 197 Varianten war eine Sensation. Neben dem achtstufigen Verlaufsgenerator mit 63 Verlaufsformen und verschiedenen Sprungbedingungen gab es die Möglichkeit, vier MIDI-Controller diversen Parametern zuzuweisen, zu jenen Zeiten noch ein seltenes Feature.
Wie kamt ihr dazu, einen Editor für den Morpheus zu entwickeln?
Wir beamen kurz zurück ins Jahr 1994. Damals, im dunklen Zeitalter der 1-HE-Racksynths, gab es zumeist nur eine Handvoll Taster, ein zweizeiliges Display und einen Drehgeber, um der Parameterflut Herr zu werden. Im Falle des E-mu-Morpheus waren das tatsächlich an die 1.000 Parameter! Das führte mich bald an den Rand einer Sehnenscheidenentzündung durch übermäßigen Drehgeber-Einsatz und zu der Erkenntnis, dass es dringend nötig war, einen Editor zu entwickeln, um bequemer an die außergewöhnlichen Klangverläufe zu kommen, die den Morpheus so besonders machen. Zum Glück ist meine Frau, Petra Wolf, eine kreative Programmiererin, und so entwickelten wir zusammen den ZEUS Editor/Bankloader für Atari. Später folgte dann ein Emagic Sounddiver Modul, das heute sicher noch bei verschiedenen E-mu-Fans im Einsatz ist.
Wie beurteilst du das Z-Plane-Filter für das Eurorack?
Das ist natürlich eine fantastische Sache! Endlich kann mein Wunsch in Erfüllung gehen, meine eigenen Klänge durch diese nach wie vor sensationellen Filter zu schicken. Das war schließlich damals das einzige Manko des Morpheus: Man konnte keine eigenen Sounds bearbeiten und war auf das interne Sample-ROM angewiesen. Mit dem Eurorack-Modul hat man nun alle Freiheiten, was die Wahl der Modulations- und Klangquellen angeht. Fehlt nur noch der E-mu-Multistage-Funktionsgenerator, den es ja nun ebenfalls im Eurorack-Format gibt (Rossum Control Forge).