Focal Solo6 aus der ST6-Serie – 2-Wege-Nahfeldmonitor im Test
von Anselm Goertz,
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Mit der ST6-Serie präsentiert der französische Hersteller Focal eine neue Baureihe in der Kategorie Pro Audio und Studiomonitore. Hausintern sind die neuen ST6-Modelle im Ranking weit oben noch vor der SM6-Serie und den preiswerteren Modellen der Serien Shape und Alpha Evo angesiedelt.
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Die Markenzeichen von Focal, die Beryllium-Hochtonkalotten und Konustreiber mit speziellen Sandwich-Membranen, sind natürlich beide auch in der ST6-Serie vertreten, zusammen mit einigen neuen Features, auf die wir hier noch eingehen werden. Die Solo6 ist der kompakteste Monitor in der ST6-Serie, in der es aktuell noch die Twin6 als 2½-Wege-System mit zwei Tieftönern und den Sub12 als Subwoofer gibt. Der Beryllium-Hochtöner mit bekannt guten Eigenschaften und einem Übertragungsbereich, der über 40 kHz hinausgeht, wird in der Solo6 durch ein neuartiges Gitter geschützt, das in seiner Form dem Verlauf der inversen Kalotte folgt und mit sehr feinen Stegen eine große offene Fläche bietet. Ganz ohne Schutz geht es bei einer Beryllium-Kalotte nicht, da das Membranmaterial nicht nur sehr empfindlich, sondern im Falle einer Beschädigung entstehende Splitter auch gesundheitsgefährdend sein können. Neu ist auch eine Art Mini-Waveguide, das den Hochtöner umgibt und neben einer Kontrolle des Abstrahlverhaltens auch zu Vermeidung von Kanteneffekten am Gehäuse beiträgt. Der 6½”-Tieftöner wurde im Vergleich zum Vorgängermodell mit einem stärkeren Antrieb ausgestattet und erlaubt zudem eine um 40 % vergrößerte lineare Auslenkung der Membran. Weitere Detailverbesserungen finden sich in den Gehäusen der ST6-Modelle, die reichhaltig verstrebt und mit großen Wandstärken ausgestattet sind, was sich dann auch direkt im Gewicht bemerkbar macht. Die kompakte Solo6 bringt so schon 13 kg auf die Waage, die man ihr im ersten Moment nicht ansieht.
In puncto Verarbeitung können die komplett in Frankreich gefertigten ST6-Modelle voll überzeugen. Die Gehäuse mit einem großteils mattschwarzen und an den Seitenflächen schön furnierten Gehäuse machen einen edlen Eindruck und sind sowohl äußerlich als auch im Innern exzellent verarbeitet.
Elektronik und Treiber
Die massive Alu-Rückwand beherbergt alle Anschlüsse und Bedienelemente und trägt von der Innenseite die gesamte Elektronik. Über einen Kippschalter kann die Eingangsempfindlichkeit zu –10 dBV oder +4 dBu gewählt werden. Drei Potis (LF- und HF-Shelving sowie LMF-EQ) erlauben die Einstellung des Hochton- und Tieftonpegels über Shelving-Filter mit einem Gain von jeweils ±3 dB und eines 160-Hz-Bell-Filters mit einer Güte von 1, ebenfalls mit ±3 dB Gain. Die zugehörigen Filterkurven finden sich in Abb.1.
Als Leistungsverstärker wird in der Solo6 für den Tieftöner eine Endstufen nach dem als BASH benannten Schaltungskonzept mit 80 W Leistung eingesetzt. Der Hochtöner wird von einer 50-W-Class-AB-Endstufe angetrieben. Hinter dem BASH-Prinzip der Endstufe verbirgt sich eine herkömmliche Class-AB-Endstufe, deren Versorgungsspannung von einer vorgeschalteten Class-D-Endstufe, die hier bei Bedarf als geregeltes Netzteil agiert, zur Verfügung gestellt wird. Die Versorgungsspannung kann daher immer optimal dem gerade bestehenden Bedarf angepasst werden, was in einer niedrigen Verlustleistung resultiert. Das Schaltungskonzept wird auch als Class-G bezeichnet.
Neben den Filtern für die Ortsanpassung gibt es auch noch ein schaltbares Hochpassfilter 2.Ordnung mit Eckfrequenzen (–6 dB) von 45, 60 oder 90 Hz. Mit einer dazu korrespondierenden Einstellung am Subwoofer können die Solo6 direkt über die Link-Ausgänge des Subwoofers zu diesem parallel betrieben werden. Details zum Sub12 aus der ST6-Serie folgen zu einem späteren Zeitpunkt. Im Anschlussfeld der Solo6 fallen dann noch zwei Klinkenbuchsen, beschriftet mit Focus in und out, ins Auge, deren Funktion sich erst nach einem Blick ins Manual erschließt. An den Klinkenbuchsen kann ein Fußschalter angeschlossen und über den Focus out zu anderen Monitoren oder einem Subwoofer weiter verlinkt werden. Betätigt man diesen Schalter, dann wird der Hochtöner in der Solo6 abgeschaltet und der Tieftöner in einen ungefilterten Fullrange-Modus versetzt. Mit dieser Einstellung entspricht der Frequenzgang der Solo6 dem eines guten Breitbänders, womit sich der Höreindruck eines TV-Gerätes, Autoradios oder Ähnlichem besser nachvollziehen lässt. Die Bezeichnung Focus zielt darauf ab, dass man mit dem mittenbetonten Frequenzgang (ca. 100 Hz bis 10 kHz) besser die wichtigen mittleren Frequenzbereiche beurteilen kann.
Zur Elektronik in der Solo6 wäre noch zu erwähnen, dass man wie auch bei den anderen Modellen der ST6-Serie komplett auf rein analoge Schaltungstechnik setzt. Digitale Signalverarbeitung oder Eingänge für digitale Audiosignale gibt es nicht. Ob das in Zeiten der immer weitergehenden Digitalisierung im Tonstudio richtig ist, ist Ansichtssache. Unbestritten dürfte dagegen sein, dass man auch mit rein analoger Schaltungstechnik gute und sehr gute Monitore bauen kann.
Aus dem Messlabor:
Unter reflexionsfreien Bedingungen stammen die folgenden Messungen zum Frequenzgang, zum Abstrahlverhalten und zu den Verzerrungswerten. Der Klasse-1-Messraum erlaubt eine Messentfernung bis zu 8 m und bietet Freifeldbedingungen ab 100 Hz aufwärts. Alle Messungen mit Ausnahme der Störpegelmessung erfolgen mit einem G.R.A.S. 1/4″ 46BF-Messmikrofon bei 96 kHz Abtastrate und 24 Bit Auflösung mit dem WinMF Audio-Messsystem. Messungen unterhalb von 100 Hz erfolgen als kombinierte Nahfeld-Fernfeldmessungen. Für die Störpegelmessung wird ein G.R.A.S. 1/2″ 40AF-Messmikrofon mit hoher Sensitivity und geringem Eigenrauschen eingesetzt.
01 Frequenzgang auf Achse gemessen in 2 m
Entfernung. Die untere und obere Eckfrequenz
(–6 dB) liegen bei 41 Hz und oberhalb von 40 kHz.
Die Welligkeit fällt mit 5,9 dB vom Maximum zum
Minimum recht groß aus. Im unteren Teil der
Grafik finden sich die Filterkurven für die LFShelving
(gr), LMF-EQ (ma) und HF-Shelving (bl)
Einstellungen jeweils mit ±3 dB.
02 Phasengang der Solo6. Das kleine Bild zeigt
die zugehörigen Sprungantwort.
03 Spektrogramm mit einem resonanzfreien
Ausschwingverhalten.
04 Maximalpegel bezogen auf 1 m Entfernung bei
höchstens 3 % Verzerrungen (rote Kurve) und bei
höchstens 10 % Verzerrung (<300 Hz) (blaue Kurve)
05 Powercompression, gemessen mit einem Multitonsignal
mit EIA-426B Spektrum beginnend bei
einem Mittelungspegel Leq von 93,8 dB. Basierend
auf dieser Referenzmessung wurde der Eingangspegel
in 1-dB-Schritten bis auf +7 dB gesteigert,
wo die Kompression durch den Limiter den 2-dBGrenzwert
(rote Kurve) überschreitet. Die Grafik
aus Abb.06 wurde aus der Messung zur grünen
Kurve abgeleitet.
06 Messung der Gesamtverzerrungen (Harmonische
und Intermodulation) mit einem Multitonsignal
mit EIA-426B Spektrum und 12 dB Crestfaktor
für maximal 2 dB Powercompression oder
maximal –20 dB Verzerrungen. Auf 1 m im Freifeld
bezogen wird dabei ein Pegel von 99,2 dB als Leq
und von 111,2 dB als Lpk erreicht.
07 Horizontales Abstrahlverhalten in der Isobarendarstellung.
Der Pegel ist beim Übergang von
Orange auf Gelb um 6 dB gegenüber der Mittelachse abgefallen. Der mittlere Öffnungswinkel (–6 dB) liegt bei ca. 120°.
08 Vertikales Abstrahlverhalten in der Isobarendarstellung. Der mittlere Öffnungswinkel (–6 dB) liegt bei ca. 120°. Die schmale Einschnürung bei 2 kHz
entsteht durch den Übergang vom Tieftöner zum Hochtöner an dieser Stelle, wo es in der vertikalen Ebene zu winkelabhängen Interferenzen kommt.
09 Spinorama-Grafik der Solo6. Die obere rote Kurve zeigt den schon bekannten Frequenzgang auf Achse, die blaue Kurve den gemittelten Verlauf im
typischen Winkelbereich um die Hörposition, die grüne Kurve den gemittelten Verlauf im Winkelbereich der frühen Reflexionen und die rosa Kurve den
über die gesamte Hüllfläche des Lautsprechers gemittelten Verlauf.
Messwerte
Wie sich die vielen technischen Features der Solo6 in der Praxis auswirken, sollen die nun folgenden Messergebnisse zeigen. Der »on axis« gemessene Frequenzgang aus Abb.01 weist einen über alles gleichmäßigen Verlauf mit einer Welligkeit von 5,9 dB (Maximum zu Minimum) auf. Die untere Eckfrequenz (–6 dB) liegt bei 41 Hz, die obere jenseits der Messgrenze von 40 kHz, wo sich die Qualitäten der Beryllium-Kalotte zeigen, ebenso wie im makellosen Spektrogramm aus Abb.03, das im gesamten Frequenzbereich bis 40 kHz frei von Resonanzen bleibt.
An dieser Stelle drängt sich jedoch ein wenig der Gedanke auf, ob sich bei der Welligkeit des Frequenzgangs mithilfe digitaler Filter nicht noch eine Verbesserung erzielen lassen würde. Auf dem Papier in jedem Fall, so die Antwort, im Höreindruck vermutlich nicht, da spielt eher der insgesamt ausgeglichene Verlauf eine Rolle. Die mit Digitalfiltern hier noch möglichen Korrekturen wären so primär »Laborkosmetik« für das Datenblatt.
Ein ausgeglichener Frequenzgang allein ist jedoch noch kein Garant für ein gutes Gesamtergebnis. Erst in Kombination mit einem kontrolliert gleichmäßigen Abstrahlverhalten wird daraus der gewünschte neutrale Höreindruck am Arbeitsplatz und in dessen Umfeld. Abb.07 und 08 zeigen dazu das Abstrahlverhalten der Solo6 für die horizontale und vertikale Ebene mit einem weitgehend gleichmäßigen Verlauf der Isobarenlinien. Der –6-dB-Abstrahlwinkel beträgt in beiden Ebenen ca. 120°, sodass ein hinreichender Bewegungsspielraum am Hörplatz gegeben ist, wobei der große vertikale Öffnungswinkel nicht immer von Vorteil ist, wenn es darum geht, Reflexionen von der Pult- oder Arbeitsoberfläche zu reduzieren. Zwischen 5 und 10 kHz erkennt man bei den horizontalen Isobaren eine leichte Aufweitung, die sich so auch in der Spinorama-Grafik aus Abb.09 zeigt. Die Kurve der Early Reflections rückt in diesem Frequenzbereich sehr nahe an die »on axis«-Kurve heran. Bevor es mit den Maximalpegelmessungen und Verzerrungswerten weitergeht, bliebe noch der Blick auf den Phasengang aus Abb.2. Dieser zeigt bei der Trennfrequenz die üblichen 360° Drehung für ein X-Over-Filter 4.Ordnung und am unteren Ende 360° durch den als Bassreflexsystem arbeitenden Tieftöner plus weitere 180° durch das 25-Hz-Hochpassfilter 2.Ordnung im Fullrange-Modus. Zwei weitere Messwerte ohne Grafiken betreffen die Paarabweichung, die hier bei geringen 0,6 dB liegt, und den Störpegel von 21,6 dBA in 10 cm Entfernung vom Hochtöner, der ebenfalls sehr gering ist und auch in einer völlig ruhigen Umgebung nicht auffällt.
Der erreichbare Maximalpegel eines Monitors wird primär durch die Treiber und die zur Verfügung stehende Endstufenleistung bestimmt. Für die Treiber erfolgt die natürliche Limitierung zum einen durch die maximale Auslenkung der Membran, was vor allem für Tieftöner zutrifft, und durch die thermische Belastbarkeit der Schwingspulen, wo der Hochtöner deutlich kritischer ist als der Tieftöner. Die Sinusburst-Messung (Abb.04) der Solo6 liefert Werte zwischen 103 dB bei tiefen Frequenzen, ansteigend auf 110 dB im Arbeitsbereich des Hochtöners. Schwachstellen gibt es bei dieser Messung nicht. Die Kurven verlaufen sehr gleichmäßig ohne lokale Einbrüche. Das 10 %-Limit für Frequenzen unter 300 Hz wird hier kaum erreicht, da vorher der Limiter eingreift. Etwas mehr Details liefern die Multitonmessungen aus Abb.05 und Abb.06. Die Kriterien für den Maximalpegel bei dieser Messung sind maximal –20 dB Gesamtverzerrungen (THD+IMD) und nicht mehr als 2 dB Kompression in mehreren benachbarten Frequenzbändern im Vergleich zu einer Messung im linearen Kleinsignalbereich. Die Kurven in Abb.05 zeigen, dass die Begrenzung primär durch den Limiter für den Tieftonweg erfolgt. Aus der Messung zur grünen Kurve wurde Abb.06 abgeleitet. Der Verzerrungsanteil liegt hier zwar mit –26 dB noch deutlich unter dem –20-dBGrenzwert, der Limiter lässt jedoch keine weitere Pegelerhöhung zu, wie sich an der im Frequenzbereich des Tieftöners parallel um 1 dB nach unten verschobenen roten Kurve in Abb.05 gut erkennen lässt. Bei der Multitonmessung erreicht die Solo6 einen Mittelungspegel Leq von 99,2 dB und einen Spitzenpegel von Lpk 111,2 dB. Alle Pegelwerte beziehen sich auf 1 m Entfernung im Freifeld und Vollraum.
Die Ergebnisse des Hörtests lassen sich kurzfassen. Die Solo6 lieferte im Stereo-Set einen in jeglicher Hinsicht exzellenten Eindruck ab. Die Tieftonwiedergabe konnte trotz des kompakten Formates des Monitors vollkommen überzeugen. Die Mitten und Höhen boten ebenso wie die räumliche Abbildung eine nur selten zu erfahrende Präzision. Die manchmal zu hörende Aussage, dass bei einer zu neutralen und exakten Wiedergabe das Hörvergnügen abhandenkommt, kann die Solo6 leicht widerlegen und sogar ins Gegenteil umkehren.
Fazit:
Mit der Solo6 aus der neuen ST6-Serie bringt Focal einen weiteren Monitor auf den Markt, mit dessen Anschaffung man nichts falsch machen kann. Kompakte Abmessungen, beste Verarbeitung, edle Treiber und gute Messergebnisse lassen ebenso wie der Höreindruck keine Wünsche offen. Mit einem Paarpreis von 3.300 Euro als UvP ist die Focal Solo6 zwar kein Schnäppchen, aber auch nicht unerreichbar, zudem man sich einer guten Investition sicher sein kann.
Hersteller/Vertrieb: Focal / Sound Service Berlin
UvP/Straßenpreis pro Paar: 3.330,– Euro / ca. 2.650,– Euro