Das Thema Halbleitermangel wird primär mit der Automobilindustrie in Verbindung gebracht. Es betrifft aber auch die Audiobranche. Ursache ist ausnahmsweise nicht Corona, sondern ein schwerer Brand im Hauptwerk des japanischen AD/DA-Wandler-Spezialisten AKM. Focusrite hat diese Zäsur kreativ genutzt, um die Clarett-Produktlinie zu überarbeiten und mit Wandlerbausteinen eines anderen Herstellers auszustatten – die noch bessere Performance versprechen!
Die Clarett-Serie – bzw. jetzt Clarett+ – ist Focusrites gepflegte Mittelklasse zwischen den preisgünstigen Scarlett-Interfaces und der Red-Serie für die Superprofis. Seit jeher verbinden die Clarett-Interfaces sehr gute technische Daten mit einem günstigen Preis/Leistungs-Verhältnis. Genau, was die meisten von uns suchen!
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Die Ausstattung ist unverändert, und äußerlich hat sich nicht viel getan. Eigentlich nichts. Bis auf die Produktbezeichnung gleicht das Clarett+ 8Pre seinem Vorgänger, dem Clarett 8Pre USB, wie ein Ei dem anderen: 19-Zoll-Gehäuse mit einer Höheneinheit, rot eloxierte Alufront. Der Vor-Vorgänger Clarett 8Pre mit Thunderbolt-Schnittstelle sah auch schon exakt so aus. Engländer hassen ja angeblich Veränderungen, und je älter ich werde, desto britischer fühle ich mich. Insofern ist mir das Clarett+ 8Pre gleich sympathisch, zumal auch die Verarbeitung unverändert sauber und solide wirkt.
Wie der Name bereits andeutet, bietet das 8Pre acht Mic/Line-Eingangskanäle. Die ersten beiden, deren Combobuchsen sich auf der Frontplatte befinden, lassen sich wahlweise auch im Instrument-Modus mit hoher Eingangsimpedanz betreiben. Jeder der acht Inputs hat sein eigenes Gain-Poti auf der Gerätefront. Phantomspeisung lässt sich in zwei Vierergruppen zuschalten. Visuelle Hilfe beim Aussteuern bietet ein Feld mit Pegelanzeigen mit je sechs LEDs für jeden der acht Line-Outs und das Monitor-Ausgangspaar. Letzteres ist für den Anschluss von (aktiven) Studiomonitoren vorgesehen, und praktischerweise ist auch gleich ein Pegelsteller integriert, um deren Lautstärke einzustellen. Abgerundet wird die Ausstattung durch zwei separat regelbare Kopfhörerausgänge.
Blicken wir auf die Rückseite
Hier hat sich gegenüber dem Vorgängermodell null verändert. Rechts sehen wir die sechs übrigen Inputs, wieder als Combobuchsen. Wie ich schon öfter angemerkt habe, sind Combobuchsen auf der Rückseite für die meisten Anwender unpraktisch, denn zum Wechsel zwischen Mikrofon-Modus (XLR)und Line-Modus (Klinke) müsste man umverkabeln, was knifflig ist, wenn das Gerät im Rack eingebaut ist. Andererseits: Für separate XLR- und Klinkeneingänge wäre ein größeres Gehäuse vonnöten, was den Preis in die Höhe treiben würde.
Die Line-Outs, zehn Stück an der Zahl, sind als symmetrische Klinkenbuchsen ausgeführt. Die ersten beiden sind mit »Monitor« beschriftet, denn diese Ausgänge sind, wie angesprochen, frontseitig regelbar und eignen sich daher bestens zum Anschluss der Monitor-Speaker. Digitale Anschlüsse gibt’s auch, nämlich S/PDIF koaxial In/Out sowie optische Ein- und Ausgänge, die sich wahlweise im ADAT- oder S/PDIF-Modus betreiben lassen. Zur Synchronisation mit einer externen Clock gibt es einen WordClock-Eingang. Einen WordClock-Ausgang sucht man – wie bei den Vorgängermodellen – vergebens. Nicht vergessen wurden MIDI-Ein- und -Ausgänge.
Mit dem Computer kommuniziert das Clarett+ über einen USB-C Port, der aber »nur« mit USB-2.0-Protokoll betrieben wird – das für die Kanalzahl des 8Pre völlig ausreicht. Clarett-Interfaces mit Thunderbolt-Schnittstelle gibt es aktuell nicht mehr. Das ist ein bisschen schade, weil Thunderbolt systembedingt niedrigere Latenzen erlaubt und es die sehr flotten Treiber nicht nur für Macs, sondern auch für Windows gab. Allerdings gibt es nach wie vor nicht allzu viele PCs mit Thunderbolt-Schnittstelle. Zudem bleibt Thunderbolt eine kostspielige Technologie, was beim höheren Kaufpreis des Interfaces anfängt und sich bei den teuren Kabeln fortsetzt. Es gibt also durchaus Argumente für die gute alte USB-2.0-Schnittstelle: Sie ist und bleibt der kleinste gemeinsame Nenner.
Die Niedriglatenz-Performance ist praxisgerecht. Auf meinem MacBook Pro 17 (late 2016, Intel Core i7 @ 4x 2,7 GHz, 16 GB RAM) läuft das Clarett+ 8Pre schon ab der niedrigsten Puffereinstellung von 32 Samples ohne Aussetzer. Die maximal möglichen 16 DIVA-Voices (s. Kasten »Latenz-Benchmarking«) ließen sich ab dem 64-Samples-Setting spielen. Die Ein- und Ausgangslatenzen werden in Cubase 11 Pro mit 4,76 bzw. 4,56 ms beziffert. Noch deutlich performanter zeigte sich das 8Pre unter Windows 10 64 Bit, allerdings auf einem deutlich CPU-stärkeren Rechner mit Intel Core i9-9900k-Achtkern-Prozessor und 64 GB RAM. Schon in der kleinsten Puffereinstellung mit 16 Samples und aktiviertem Safe Mode (der die Latenz nur wenig erhöht) bestand das Clarett+ 8Pre den DIVA-Test mit allen 16 Voices. Als Ein- und Ausgangslatenzen meldet Cubase jeweils 2,86 ms. Ein wirklich guter Wert für ein Multikanal-USB-Audio-Interface.
Die Installation der Treiber verlief auf beiden Plattformen ohne Zwischenfälle. Die Windows-Treiber vertrugen sich jedoch nicht mit den auf meinem Testrechner vorhandenen MOTU-AVB-Treibern, sodass ich nach dem Focusrite-Test die Systemwiederherstellung bemühen musste. Mit der Registrierung beim Hersteller erhält man ein wirklich umfangreiches Softwarepaket, darunter u. a. Focusrites eigene Red Effects Suite, Softubes Time & Tone Bundle, den Channel Strip bx_console Focusrite SC von Brainworx, ein frei wählbares Instrument aus XLN Addictive Keys sowie die Einsteiger-DAWs Ableton Live Lite und Pro Tools First plus eine Menge Loops und Sounds.
Messwerte und Klang
Wie wirken sich die neuen Wandlerbausteine aus? Im Vorgängermodell Clarett 8Pre USB verwendete Focusrite bereits hochwertige Chips von AKM, nämlich AK5388 AD- und AK4413 DA-Wandlerbausteine mit einer im Loop-Verfahren gemessenen Gesamtdynamik (DA+AD-Wandlung) von immerhin 116,5 dB und nicht ganz so beeindruckenden Verzerrungswerten von 0,008 % THD. Für das Clarett+ 8Pre verspricht der Hersteller deutlich bessere Daten, u. a. aufgrund der neuen Wandlerchips. Focusrite greift nun auf Bausteine von Cirrus Logic zurück. Die AD-Wandlung übernehmen CS5381 Chips, für die DA-Wandlung sind Bausteine vom Typ CS43198 zuständig. Beides teure Typen aus dem oberen Regal. Im Loop-Test erreichte das Clarett+ 8Pre eine beeindruckende Gesamtdynamik von 122,6 dB. Die Gesamtverzerrungen wurden auf 0,0031 % gesenkt. Das ist sehr viel besser als zuvor, aber für heutige Verhältnisse immer noch etwas unter den Möglichkeiten der verwendeten Wandlerchips. Deutlich bessere Werte ließen sich erzielen, wenn statt über die Line-Inputs über die Mikrofoneingänge gemessen wurde; nun sanken die Gesamtverzerrungen auf 0,00039 %. Bei der Analogschaltung der Line-Inputs scheint es also noch Verbesserungspotenzial zu geben. Ob man das hört, ist eine ganz andere Frage, denn der Unterschied liegt primär in den ersten beiden Klirrkomponenten K2 und K3, die subjektiv eher wohlklingend wahrgenommen werden. Klirrartefakte höherer Ordnung liegen im unhörbaren Bereich.
Die Frequenzgänge sehen aus wie mit dem Lineal gezogen; anders als bei vielen Konkurrenzprodukten gibt es keinerlei Welligkeit nahe der Grenzfrequenz, und auch bei höheren Abtastraten zeigt sich über den gesamten Übertragungsbereich keinerlei Pegelabfall.
In der üblichen Abtastfrequenz von 44,1 kHz agiert das Clarett+ 8Pre sehr linear; es
gibt keinerlei Welligkeit nahe der Grenzfrequenz.
Auch bei 96 kHz bleibt das Clarett+ 8Pre bis zur Grenzfrequenz völlig linear.
Über die Line-Inputs gemessen betragen die Gesamtverzerrungen 0,0031 %.
Misst man über die Mikrofoneingänge sinken die Gesamtverzerrungen auf 0,00039 %.
Die Wandler kommen ohne Noise Shaping aus.
Aktiviert man die AIR-Funktion, ändert sich nicht nur der Frequenzgang; auch die
Verzerrungen steigen leicht an.
Praxis
Auch die integrierten Mikrofonvorverstärker sind sehr hochwertig. Focusrite greift hier auf Preamp-Bausteine vom auf Audioschaltungen spezialisierten US-Hersteller THAT zurück, die sehr klangneutral agieren und ein sehr niedriges Eingangsrauschen von –129 dB-A ermöglichen. Somit lassen sich auch Bändchen und andere pegelschwache dynamische Mikros rauscharm betreiben. Die Phantomspeisung für Kondensatormikrofone arbeitet spezifikationskonform (47,9 Volt, max. 13,9 mA); dass sie sich nicht einzeln pro Kanal, sondern nur in zwei Viererbänken zuschalten lässt, ist kein großes Problem. Eventuell angeschlossene dynamische Mikrofone werden von der Phantomspeisung nicht beeinträchtigt. Lediglich bei Bändchen – für die das eigentlich auch gilt – sollte man die Phantomspeisung besser deaktiviert lassen, denn die Toleranz für Verkabelungsfehler ist aufgrund der Fragilität des dünnen Alubändchens äußerst gering.
Wie gehabt, gibt es eine AIR-Funktion, die nur über die Focusrite Control Software aktiviert werden kann. Sie soll den Klang der einst von Rupert Neve designten Focusrite ISA-Preamps emulieren; tatsächlich ist die AIR-Funktion eine Art Tilt-Filter, das die Klangbalance sanft zugunsten der oberen Frequenzen kippt. Gleichzeitig steigen die harmonischen Verzerrungen etwas an, was für etwas analoge Färbung sorgt. Die Assoziation mit den ISA-Preamps ist also eher ein Marketing-Stunt. Nichtsdestotrotz ist der AIR-Modus wohlklingend und nützlich. Er eignet sich besonders für Aufnahmen von Stimmen und Instrumenten, die von zusätzlichem Höhenglanz profitieren. Man sollte aber der Versuchung widerstehen, sie ständig angeschaltet zu lassen, denn wenn alle Signale versuchen sich in den Vordergrund zu drängen, wird am Ende kein runder Mix mit Tiefenstaffelung herauskommen.
Die Focusrite-Control-Software hat einen etwas eigenartigen 2D-Look, ist aber leicht verständlich und bietet Optionen für alle Anwendungsszenarien. Ausgänge können wahlweise den Treiberkanälen 1:1 zugeordnet oder für Kopfhörer-Mixes aus DAW- und Input-Signalen genutzt werden. Übrigens teilen sich die Kopfhörerausgänge ihre Wandlerkanäle mit den Line Outs 7+8 bzw. 9+10; sie können also nicht separat zugewiesen werden. Sehr gut gefallen hat mir der sehr direkte Monitoring-Sound im Kopfhörer, d. h., die inhärenten Wandler-Latenzen sind sehr gering. Das ist insbesondere für Sänger wichtig, damit die eigene Stimme im Kopfhörer natürlich klingt und nicht von Kammfiltereffekten verfremdet wird. Auf integrierte Effekte wie EQ oder einen »Wohlfühl-Hall« muss man jedoch verzichten. Insgesamt stellt die Focusrite-Control-Software einen sehr guten Kompromiss dar zwischen Flexibilität und simpler Handhabung – Kompliment!
Fazit
Das Focusrite Clarett+ 8Pre ist ein grundsolides, sehr gut verarbeitetes Audio-Interface mit flotten Treibern und einer sehr guten Audio-Performance. Letztere wurde gegenüber dem Vorgängermodell weiter verbessert. Die neuen Wandlerchips können voll überzeugen. Ansonsten hat sich wenig verändert. Warum auch? Schon die Vorgängermodelle Clarett 8Pre bzw. Clarett 8Pre USB waren sehr empfehlenswerte Audio-Interfaces ohne nennenswerte Schwächen. Wäre nicht die AKM-Wandlerfabrik abgebrannt, hätte Focusrite diese Interfaces noch eine ganze Weile unverändert im Lieferprogramm belassen können. Es spricht aber für den Hersteller, dass er, zum Re-Design gezwungen, nicht stillschweigend die nicht mehr lieferbaren Bausteine gegen gleichwertige (oder gar schlechtere!) getauscht hat, wie es manch anderer Hersteller tun würde, sondern die Chip-Krise als Chance nutzt, das Produkt weiter zu verbessern. Die Clarett-, pardon: Clarett+-Serie ist und bleibt ein Benchmark der oberen Mittelklasse: Wer ein (vergleichsweise) günstiges Audio-Interface sucht, mit dem man wirklich professionell arbeiten kann, ist hier bestens aufgehoben!
Hersteller werben gerne mit ultrakurzen Latenzen. Als Anwender möchte man aber nicht nur Audiofiles abspielen, sondern mit DAW-Software arbeiten und Plug-ins einsetzen, die eine gewisse CPU-Last bedingen. Entscheidend ist daher, ab welcher Latenzeinstellung man sorglos mischen und musizieren kann.
Eine praxisgerechte CPU-Last reproduzierbar erzeugen lässt sich fein dosierbar mit dem leistungshungrigen Edel-Softsynth DIVA von U-He. Um gleiche Testbedingungen zu garantieren, verwende ich stets dasselbe Preset »BS Beauty Pad« im besonders CPU-hungrigen »Divine«-Modus. Für jede Latenzeinstellung teste ich nun, wie viele der maximal 16 Voices ohne Audioaussetzer wiedergegeben werden können. Als Testplattform dient die jeweils neuste Cubase-Version, in diesem Fall Cubase Pro 11.