Die USB-Interfaces von Focusrite haben sich in den letzten Jahren zu einer Erfolgsstory entwickelt. Besonders das »Scarlett 2i2« gehört inzwischen wohl zu den meistverkauften Interfaces. Mit Vocaster richtet sich der Hersteller nun jedoch an Podcaster, Streamer und DIY-Hörbuch-Produzenten – ein interessanter Markt.
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Andere Hersteller haben sich in diesem Segment schon breit gemacht. So stellte RØDE seinen RØDE-Caster Pro, Behringer den Flow 8 oder Zoom den PodTrak vor – jeder mit einem leicht anderen Konzept. Wir werden sehen, wie Focusrite an die Sache herangeht.
Hardware. Vocaster One wiegt nur knapp 350 Gramm und ist mit seinen Maßen von etwa 50 × 195 × 113 Millimetern (H × B × T) sehr kompakt. Zwar besteht das Gehäuse vollends aus Kunststoff, macht aber dennoch einen stabilen und gut verarbeiteten Eindruck. Die Rückseite beherbergt einen USB-C-Port, über welchen sowohl die Verbindung zum Computer als auch die Stromversorgung erfolgt. Ein USB-Kabel von Typ-A zu Typ-C gehört im Übrigen zum Lieferumfang. Alternativ ließe sich das Gerät auch Standalone über ein herkömmliches USB-Netzteil bzw. eine Powerbank betreiben.
Eine nicht-verriegelbare XLR-Buchse von Neutrik dient zum Anschluss eines Mikrofons. Der Schalter daneben kann die Buchse mit 48 Volt Phantomspeisung versorgen. Da sich das Interface, wie erwähnt, nicht an Musiker richtet, ist es verständlich, dass der Hersteller auf Line- oder Instrumenten-Eingänge verzichtet. Wer ein zweites Mikrofon für einen Studiogast in das Setup mit einbinden möchte, sollte sich den Vocaster Two ansehen.
Ein großer Unterschied zu herkömmlichen Audio-Interfaces ist die eingebaute TRRS-Buchse. Diese ermöglicht es, mit dem passenden Kabel, Audiosignale zwischen Vocaster und einem Mobiltelefon hin- und herzuschicken, also ein Telefonat oder einen Video-Chat live in einen Stream zu integrieren. Überraschend ist auch eine Mini-TRS-Buchse für den Anschluss einer Videokamera, die das aufgedruckte Symbol darüber zeigt. Im Grunde handelt es sich um einen simplen Analogausgang – so lässt sich alternativ auch ein anderes Audio-Aufnahmegerät anschließen. Des Weiteren sind noch zwei symmetrische Klinkenbuchsen für die Einbindung von Monitor-Lautsprechern zu finden. Die Vorderseite ist ebenfalls mit einer Klinkenbuchse ausgestattet – für den Anschluss eines Stereo-Kopfhörers.
Die Oberfläche ist sehr übersichtlich mit nur zwei Drehreglern gestaltet. Der linke Regler ist als Endlos-Encoder ausgelegt und kümmert sich um die Vorverstärkung des Mikrofoneingangs, welcher zusätzlich durch einen mehrfarbigen LED-Kranz visualisiert wird. Der rechte Regler hingegen dient zum Einstellen der Lautstärke der Monitor-Lautsprecher bzw. des Kopfhörers.
Am unteren Rand sind noch drei Buttons eingelassen, Auto-Gain, Enhance und Mic Mute, auf die wir später noch genauer eingehen. Alle Bedienelemente bringen nicht nur dank der Gummierung eine angenehme Haptik mit sich.
Software und Treiber
Vor dem ersten Einsatz sollte man sich die kostenlose Software »Vocaster Hub« von der Website des Herstellers herunterladen. Auf dem PC wird diese ab Windows 10 und auf dem Mac ab OS 10.14 unterstützt. Grob gesagt, handelt es sich beim Hub um eine schlichte Gesamtübersicht des Systems, die einen Teil der Bedienelemente spiegelt und bidirektional mit der Hardware kommuniziert. Außerdem wird hier ein virtuelles Mischpult dargestellt. Die Kanäle »Host« (Mikrofon), »Aux« (Mini-Klinkeneingang) sowie »Loopback 1« und »Loopback 2« lassen sich hier in der Lautstärke regeln und bei Bedarf einzeln Stummschalten. Die beiden Loopback-Kanäle können Signale vom Rechner entgegennehmen, z. B. über einen Internet-Browser, Medienplayer wie Spotify oder eine Videokonferenzanwendung.
Die vier Kanäle werden dann auf dem Stereo-Bus namens »Show Mix« zusammengefasst. Diesen Mix übergibt man dann entweder der Recording-Software, um nachträglich zu editieren, oder im Live-Szenario der jeweiligen Streaming-Software, beispielsweise OBS.
Standardmäßig arbeitet das System mit einer Abtastrate von 48 kHz und Wortbreite von 24 Bit. Das ist gerade für Anwendungen mit Bildbezug schon in Ordnung, dennoch wäre eine optionale Reduktion auf 41,1 kHz wünschenswert gewesen.
Im Betrieb
Neben der manuellen Regelung des Mikrofonpegels via Encoder lässt sich die Funktion »Auto Gain« nutzen. Nach einmaligem Drücken des Buttons beginnt ein Countdown von 10 Sekunden, der in Vocaster Hub durch einen Fortschrittsbalken visualisiert wird. Während man eine Sprechprobe abgibt, passt msich die Vorverstärkung, die über einen Regelbereich von 70 dB verfügt, automatisch an. Dabei achtet der Prozessor auch auf ausreichend Headroom. Praktisch!
Es empfiehlt sich, danach auf jeden Fall die Funktion Enhance zu aktivieren. Focusrite hat einen guten Job gemacht, um mit nur einem Handgriff das Eingangssignal zu optimieren. So werden zeitgleich ein Hochpassfilter sowie ein Kompressor hinzu geschaltet. Außerdem findet eine Klangbearbeitung statt, deren Charakter im Hub frei über vier Presets wählbar ist: Clean, Warm, Bright und Radio. Das Ergebnis hängt natürlich stark vom verwendeten Mikrofon als auch von der eigenen Stimme und dem allgemeinen Einsatzgebiet ab. Der Button mit dem »Zauberstab« ist also für den Einsteiger eine große Hilfe.
Während andere Audio-Interfaces häufig eine separate Sektion dem Thema »Direct Monitoring« widmen, erledigt Vocaster dies von schon von Haus aus. Automatisch landen alle im Sendeton enthaltenen Signale auf dem Kopfhörer – und dies ohne wahrnehmbare Verzögerung. Top! Zudem ist der Kopfhörerverstärker ziemlich performant und kann selbst Hörer mit einer Impedanz von 250 Ω noch mit ausreichendem Pegel versorgen – bei ausgeglichenem Klangbild.
Leider gibt es keine Möglichkeit, die Lautstärke von Kopfhörer und Lautsprecher getrennt mit dem Drehregler zu steuern – dies hätte man beispielsweise mit einer Push-Funktion am Regler lösen können. Immerhin kann man die Lautsprecher über den Hub stummschalten. Das ist auch sinnvoll, um Rückkopplungen während dem Betrieb zu vermeiden.
Apropos »Stummschaltung«: Während der Show ist der Button mit dem durchgestrichenen Mikrofon-Symbol, in der Welt der Sport-Kommentatoren manchmal auch »Cough-Button« genannt, sehr sinnvoll. Der LED-Kranz signalisiert den stummen Status durch eine rote Farbe. So bekommt der Zuhörer ein Räuspern, einen Schluck Wasser oder eine kurze Absprache mit anderen Studiogästen nicht mit.
Die Besonderheit am rückseitig angebrachten Telefonanschluss ist, dass Vocaster diesen automatisch mit einem sogenannten »n-1 Mix« bzw. »Mix-Minus« beschickt. Das heißt, der Gesprächspartner am anderen Ende der Strippe erhält alle im Stream enthaltenen Signale außer seiner eigenen Stimme. So wird sichergestellt, dass keine Verzögerungen oder Echos auftreten.
Geht das alles nicht auch mit einem klassischen 2×2-Interface, etwa dem um knapp 60 Euro günstigeren Focusrite Scarlett 2i2? Nun, zum großen Teil ja, aber … Mal abgesehen davon, dass die integrierte Enhance-Funktion und der temporäre Mute-Button gänzlich fehlen, muss man hinsichtlich der tontechnischen Einbindung von Mobilgeräten ein für Einsteiger ziemlich komplexes Routing vornehmen.Auch Loopback und Direct Monitoring sind wohl nicht so nutzerfreundlich umzusetzen.
Fazit
Focusrite hat mit Vocaster One ein übersichtliches und einfach zu bedienendes Werkzeug für Content Creator vorgestellt. Zielgruppengerecht ist das Feature-Set absichtlich unkompliziert gehalten, sodass auch technisch weniger versierte Nutzer schnell loslegen können. Die gute Verarbeitung und kompakten Maße ermöglichen zudem einen mobilen Einsatz. Das gut durchdachte Konzept spiegelt sich allerdings auch im Preis wider.