Groove Synthesis 3rd Wave – Wavetable Synthesizer im Test
von Ulf Kaiser,
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(Bild: Fabian Draeger, Archiv)
Bei königsblauen Synthesizern denkt man sehnsüchtig an die Instrumente von PPG. Mit seinem Debüt 3rd Wave greift der kalifornische Hersteller Groove Synthesis das Thema Wavetables auf und verbindet Inspiration mit zahlreichen Ergänzungen.
Mit seinen Instrumenten erlangte Wolfgang Palm zurecht Weltruhm und prägte die Popmusik der Achtziger klanglich mit, von Depeche Mode über Tangerine Dream bis hin zu Frankie Goes to Hollywood. Kaum verwunderlich, dass sich auch Firmengründer Bob Coover für den PPG Wave begeisterte und das Konzept in modernisierter Form aufgreifen wollte.
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Äußerlich huldigt der 3rd Wave den PPG Wave-2-Modellen. Das Aluminiumgehäuse ist robust, bühnentauglich und dank doppelter Pulverlackbeschichtung überaus dekorativ. Die 5-Oktaven-Klaviatur von Fatar (TP/9S) ist leicht gewichtet und bietet Anschlagsdynamik und monofonen Aftertouch. Pitch- und Modulationsrad sind auch an Bord. Hinzu kommen drei rückwärtige Pedalanschlüsse. Eine Geschmacksfrage sind die Drucktaster, die an PPG erinnern, aber mit Innenbeleuchtung und klarem Druckpunkt versehen sind. Vor allem aber glänzt der Synthesizer durch seine reglerbestückte Bedienoberfläche.
Klangerzeugung
Der 3rd Wave bietet 24 Stimmen, die auf vier Parts verteilt werden, jede mit drei digitalen Oszillatoren, die pegelbar in die Filter münden. Zunächst durchläuft das Signal ein digitales Multimode-Filter (12 dB/Okt.) mit Überblendung von Tiefpass über Notch zum Hochpass und schaltbarem Bandpassbetrieb. Es folgt das analoge Tiefpassfilter (24 dB/Okt.) mit regelbarer Sättigung und Resonanz bis zur Selbstoszillation. Es basiert auf einem SSI 2140, dem Redesign des SSM 2040 von Dave Rossum, der einst im Prophet-5 Rev2 zum Einsatz kam. Es unterscheidet sich von allen PPG- und Waldorf-Instrumenten und wurde laut Hersteller aus klanglichen Gründen und seiner hohen Stimmstabilität gewählt.
Nächste Stationen sind der analoge VCA und die doppelte digitale Effektsektion mit Bypass-Tasten, die pro Part bereitsteht. Direkt regelbar sind neben der Mischung und der Algorithmenauswahl zwei Parameter und die Temposynchronisierung. Schließlich gelangen die Signale über einen Part-Mixer mit Panoramasteuerung über vier Stereoausgänge und einen Kopfhörerausgang an die Außenwelt.
Welldorado.
Die Wavetable-Synthese wurde von Wolfgang Palm einst mit dem Ziel ersonnen, die Klangvielfalt eines Synthesizers auf digitaler Ebene zu flexibilisieren. Statt weniger Standardwellenformen bietet ein Wellensatz 64 ein-zyklische Wellen, die über einen Positionszeiger variabel ausgelesen werden. Indem die Kurven sinnvoll angeordnet werden, lassen sich Klangverläufe bereits auf Oszillatorebene realisieren, beispielsweise eine variable Pulsbreite oder ein Filterverlauf. In jedem Fall aber entsteht durch Modulationen eine hohe Lebendigkeit.
Im 3rd Wave kann nun jeder Oszillator einen eigenen Wavetable nutzen. Dabei sind die ersten 34 Wellensätze Abbilder des PPG (mit drei Ergänzungen) in einer Auflösung von 8 Bit. Um den technischen Eigenheiten der PPG-Instrumente nahezukommen, lässt sich die Interpolation zwischen den Wellenformen abschalten und der sogenannte Upper Wavetable zuschalten. Hinzu kommen 48 Custom User Wavetables und weitere 16 leere Wavetables, allesamt mit 96 kHz Auflösung. Alle 64 hoch auflösenden Wavetables lassen sich überschreiben. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn die Programme greifen gegebenenfalls auf diese zu.
Ferner hält der 3rd Wave sieben analog-modellierte Standardwellenformen bereit, darunter ein Supersaw und variables Rauschen. Diese Wellenformen sind in der Symmetrie variabel, sodass etwa eine Pulsbreitenmodulation bequem möglich ist. Ergänzend lassen sich die Oszillatoren zum jeweils folgenden Partner hart synchronisieren. Dazu ist eine lineare Frequenzmodulation nach dem gleichen Muster vorgesehen.
Die bereitgestellten Modulatoren sind üppig. Es gibt loopbare DADSR-Hüllkurven für den Filterbereich und die Lautstärke sowie zwei weitere zuweisbare Hüllkurven. Die vier polyfonen LFOs bieten zehn Wellenformen, Temposynchronisierung, Delay-Parameter und einen Reset bei Notenstart. Ergänzend gibt es pro Oszillator eine loopbare 6-Segment-Hüllkurve für das Durchfahren der Wellensätze. Dazu kommt der prominente Wave Surfer – ein Regler, der sämtliche Wavetable-Offsets gleichzeitig beeinflussen kann.
Bestimmte Zuweisungen sind festgelegt, andere zuweisbar. Letzteres funktioniert per Tastenkombination von der Quelle, aber auch unabhängig über eine Modulationsmatrix mit 16 Slots. Diese schöpft aus 27 Modulationsquellen, darunter alle genannten Modulatoren, die Spielhilfen und der Audioeingang. Zu den 119 Modulationszielen gehören alle gängigen Parameter, einschließlich einzelner Phasen der Wavetable-Hüllkurven und die Effekt-Parameter. Die Modulationen selbst werden mit voller Abtastfrequenz umgesetzt, weshalb sogar die Oszillatoren als Modulatoren fungieren können. Hinzu kommen die Spielhilfen und eine volle MIDI-Implementation, die sich auch zur DAW-Automation eignet.
Praxis.
Dank 77 Reglern, 39 Tasten und einem großen Graphik-Display mit vier kontextsensitiven Encodern und Tasten ist die Bedienung übersichtlich und intuitiv (Firmware 1.4). Der 3rd Wave entpuppt sich als Synthesizer im besten Sinne – klanglich vielseitig und umfassend in Echtzeit formbar. In 500 Programmen, die alle Parts verwalten, kann man sich auf die Reise begeben, Klänge schnell anpassen oder neugestalten. Für Struktur sorgen zusätzlich zehn Favoritenlisten.
Mit dem Sounddesign kann man direkt loslegen. Die Erkundungsphase für die üppige Funktionalität nimmt man gern in Kauf, da sie die spielerischen Klangfindung nicht behindert. Im Vergleich zu einem PPG Wave scheint mir die Hürde zu den Tiefen der Programmierung deutlich niedriger. So lassen sich Modulationsverknüpfungen sowohl am Display setzen als auch über Tastenkombinationen.
Die Part-Verwaltung ist geradlinig. Sie lassen sich ein- und ausschalten, zur Editierung auswählen und bei Bedarf kopieren. Parts können dabei auf Tastaturbereiche verteilt, aber auch überlagert und über eigene MIDI-Kanäle gespielt werden. Schließlich möchte ich noch den praktischen Schalter für die schnelle Oktavumschaltung erwähnen.
Eigene Wavetables.
Ganz ohne Software-Editor gibt es die Möglichkeit, eigene Wavetables im Gerät zu erstellen oder zu importieren. Audiodateien und fertige Wavetables lassen sich über USB in einen Ordner ziehen, wenn der 3rd Wave mit dem Rechner verbunden ist. Die Dateien müssen mono und in 96 kHz vorliegen, idealerweise mit einer Tonhöhe von
93,75 Hz (entsprechend 1.024 Samples). Die Funktion Make Waves macht es dem Anwender einfach: Über das Display lassen sich Start- und Endpunkte einer bis zu 20 Sekunden langen Datei oder Aufnahme anpassen. Das Erstellen der 64 Wellenformen erfolgt sodann voll automatisch in Abhängigkeit von einer Sensitivity-Einstellung!
Mit 16 leeren Slots ist die Kapazität für eigene Wavetables allerdings leider begrenzt. Anders als ein PPG mit Waveterm kann der 3rd Wave übrigens keine klassischen Samples abspielen, dafür aber Serum-Wavetables importieren.
Sequenzer und Arpeggiator.
Eine wunderbare Ergänzung ist der mehrspurige Pattern-Sequenzer. Geradlinig lassen sich 24 Patterns mit bis zu 32 Takten mitsamt Reglerbewegungen aufnehmen und bei Bedarf zu einem Song verbinden. Die Aufnahme erfolgt in Echtzeit im Loop mit Overdub-Funktion und variabler Wiedergabe-Quantisierung mit Swing-Option. Zusätzlich steht pro Part ein Arpeggiator bereit. Beide Spielhilfen übertragen MIDI-Daten an externe Instrumente.
Klang.
Mit dem 3rd Wave bewegt man sich fließend in einem Spektrum zwischen Vintage-Wavetable-Ästhetik, moderneren Hybrid- und subtraktiven Klängen. Das macht diesen Synthesizer zu einem Chamäleon. PPG-Klänge lassen sich durch die 8-Bit-Wellensätze und eine Berücksichtigung der damaligen Besonderheiten nachempfinden, bis hin zum Aliasing und Imaging, abschaltbarer Interpolation, kleinen Tonhöhenfehlern, Kennlinien der Hüllkurven und einer Drift bestimmter Parameter. Das Schönste dabei: Diese Funktionen sind einzeln schaltbar, was Klänge nach Bedarf modernisiert oder zurück in der Zeit schickt.
Die Stärken der Wavetable-Synthese liegen einerseits in ihrem digitalen Charakter, der oft drahtig, schlank und vom Obertonspektrum anders als ein analoger Synthesizer daherkommt – eine prägnante Note, die sich auch von FM und Sampling unterscheidet. Daneben sind die spezifischen Klangbewegungen beim Wavetable-Scanning eine Spezialität, die für charakteristische Sounds sorgt. Entsprechende Klänge schüttelt der 3rd Wave aus dem Ärmel, ist aber gleichzeitig weit mehr als ein Instrument, das wie ein PPG klingen möchte.
Durch den Einsatz sauberer Wavetables, ihrer Verfügbarkeit in jedem Oszillator, Sync, FM und die üppigen Modulationen erschließen sich neue Klangbereiche. Und dazu überzeugt der 3rd Wave auch durch erstklassige subtraktive Klänge. Den Grundcharakter würde ich als weich, schlank und nicht vordergründig bezeichnen. Es gibt aber durchaus Szenarien, in denen es harsch und böse klingt.
Zu den klaren Stärken des 3rd Wave gehören komplexe Soundscapes, ob als Flächen oder atmosphärische Klanggebilde. Aber auch polyfone Sounds, Sequenzen, Lo-Fi und Bässe sind haufenweise zu finden – mal digital, mal analog, mal in einer Mischung. Gut gefielen mir auch die fetten Stabs und Hooks, die sich dank einer konfigurierbaren Unisono-Funktion mitsamt Akkordspeicher umsetzen lassen.
Die Paradedisziplin sind Klänge, bei denen Wavetables und Modulationen eigenständige komplexe Klangverläufe hervorbringen, die sich über längere Zeiträume entwickeln, aber auch jederzeit in Echtzeit im Zugriff stehen. Hinzu kommt das mögliche Layering durch die hohe Polyfonie und Multitimbralität, mit denen man die Komplexität weiter steigern kann. Überlagert man etwa zwei Parts, hat man bei zwölfstimmiger Polyfonie Zugriff auf sechs Oszillatoren und Wavetables sowie vier Effekte.
Das SSI-Filter ergänzt einen analogen Farbton. Es klingt musikalisch und zeigt sich durch die mögliche eingangsseitige Übersteuerung, die zusätzliche variable Sättigung sowie schaltbare Pegel-/Basskompensation für die Resonanz herrlich vielseitig. Ihm zur Seite steht das digitale Filter mit eher zurückhaltendem Charakter und recht unauffälliger Resonanz – eine sinnvolle Alternative, wenngleich ich mir künftig auch alternative prägnantere Varianten wünschen würde. Beide Filter lassen sich sinnvoll kombinieren.
Die Effekte schließlich kennt man in ähnlicher Form von Sequential. Hier stehen Delays und Reverbs, Modulationseffekte, aber auch Distortion, Leslie und Ringmodulation bereit, die zwar keine Studiospezialisten ersetzen, aber bestens mit der Klangerzeugung verschmelzen.
Markteinordnung.
Synthese, Namens- und Farbgebung rücken den 3rd Wave in die Nähe der PPG-Klassiker, aber darf man eine 1:1-Kopie des Sounds erwarten? Aufgrund der Filter, weiterer Bauteile und den per Software berechneten Modulatoren ist das kaum realistisch. Schon die PPG-Gerätegenerationen von 1980–1987 klingen unterschiedlich und setzen unterschiedliche Filter ein (Wave 2: CEM-3320, Wave 2.2/2.3 SSM-2044). In einem Hörvergleich mit drei PPG-Modellen wiesen Wave 2.2/2.3 die größte Nähe auf, wenn man die entsprechenden Parameter im 3rd Wave berücksichtigt. Dabei kann es nahezu identisch klingen, aber eben nicht allen Fällen. Somit gilt: Wer uneingeschränkten Authentizität fordert, sollte zum Hamburger Original greifen.
Glücklicherweise versteht Groove Synthesis den 3rd Wave als eigenständiges Instrument, das einen modernen Blickwinkel auf das Synthesekonzept wirft. Das kann ich bestätigen, denn die Neuerungen, drei Oszillatoren mit individuellen erweiterten Wavetables, doppelte Filter, extensive Modulationen, die potente Effektsektion sowie eine 24fache Polyfonie mit Layer-Funktionen, sind allesamt lohnend.
Der wohl nächste echte Konkurrent ist der Desktop-Synthesizer Waldorf M. Auch er fokussiert auf die Wavetable-Synthese, ist mit bis zu 16 Stimmen erhältlich und bietet ein analoges Filter (SSI 2144), das dem PPG Wave 2.3 sogar nähersteht. Ein weiterer Kandidat ist der Waldorf Quantum MK2, der bezüglich der Klangsynthese breiter aufgestellt ist, aber auch umfassende Wavetable-Synthese und sogar doppelte Analogfilter offeriert. Die Unterschiede liegen wie auch bei den älteren Waldorf-Modellen Microwave und Wave mit analogen Filtern (CEM3389 oder CEM3387) vor allem im Klang. Und das ist gut so!
Fazit.
Wer einen hybriden Wavetable-Synthesizer sucht, sollte den 3rd Wave auf der Agenda haben. Das üppig ausgestattete, hochwertig verarbeitete und dekorative Instrument geht nicht als ultimative Neuauflage eines PPG Wave an den Start, sondern setzt dessen Inspiration als Startpunkt für eigene Wege. Durch etliche Erweiterungen ergeben sich umfassende Möglichkeiten der Klanggestaltung, die das Spektrum erheblich aufwerten, jedoch das ursprüngliche Konzept nie umkrempeln. Die resultierenden hervorragenden Klänge sind dank der üppigen Bedienoberfläche bestens beherrschbar. Somit sollte man diesen neuen Synthesizer-Traum zuvorderst als eigenständiges Instrument betrachten, darf es aber gleichzeitig zur wohl besten Alternative zu einem raren und deutlich kostspieligeren PPG küren. Mit einem Straßenpreis von etwa 4.995 Dollar (netto) ist der 3rd Wave sicher kein Schnäppchen, aber auf Augenhöhe mit der aktuellen Topliga der Synthesizer – bei souveräner 24facher Polyphonie.
Unsere Meinung:
+++ vielseitiger edler Klang
+++ drei Oszillatoren pro Stimme und analoges Filter
++ umfassende Modulationen
+ 24 Stimmen, vierfach multitimbral
– wenige Speicherplätze für eigene Wavetables