Von einem Newcomer kann bei Heil Sound kaum die Rede sein. Die Firma wurde bereits 1966 von Bob Heil gegründet. Als Live Engineer betreute er etliche Größen wie Greatful Dead, Jeff Beck und The Who, für deren Quadrophenia-Tour er einen Quadrofonie-Mixer baute. Bob Heils bekannteste Entwicklung ist aber die Heil Talk Box, eine Art elektromechanischer Vocoder, bestehend aus einem Treiberlautsprecher in einer Box mit einem Schlauch, der zum Mund geführt wird. Peter Frampton brachte damit seiner Gitarre das Sprechen bzw. das Lallen bei (Show Me the Way), das Gerät wurde aber auch von experimentierfreudigen Keyboardern wie Roger Powell benutzt und erfreute sich bis in die Achtziger großer Beliebtheit. Dann zog sich Bob Heil aus dem Geschäft zurück. Vor einigen Jahren ließ er sich jedoch zu einem Comeback überreden – und zwar von keinem Geringeren als dem Eagles-Gitarristen Joe Walsh, für den Bob Heil ursprünglich die Talk Box entwickelt hatte. Seitdem widmet sich die reanimierte Firma Heil Sound vor allem der Mikrofontechnik. Zum Portfolio gehören zum einen optisch auffällige Mikrofone im Retro-Look, die auf der Bühne Showakzente setzen – zu den Endorsern zählen u. a. ZZ Top. Zum anderen baut Heil Sound aber auch eine „nüchterne” Mikrofonlinie für Broadcast-, Studio- und Liveanwendungen. Aus dieser PR-Series rekrutieren sich die drei Testkandidaten.
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Schaulaufen
Das PR-30 sieht aus wie ein GroßmembranKondensatormikro, doch das Heil-Mikrofon wird nicht etwa von der Seite besprochen, sondern ist, wie sogar auf dem Mikrofon aufgedruckt steht, „end fired”; es wird also frontal in Richtung der Mikrofonachse besprochen. Im Inneren befindet sich eine ungewöhnlich große Tauchspulkapsel mit einem Außendurchmesser von stattlichen 36 mm. Laut Hersteller handelt es sich dabei um die weltweit größte dynamische Kapsel überhaupt, in meiner weitläufigen Sammlung konnte ich indes ein älteres Beyerdynamic M400 finden, dessen Kapsel knapp 40 mm misst. Aber sei’s drum: Die Größe ist nicht entscheidend für guten Sound. Wie die meisten modernen Tauchspulkapseln kommt die Heil-Kapsel ohne Übertrager zur Impedanzanpassung aus; eine Humbucking-Spule sorgt für Brummunterdrückung. Im Innern des Korbs ist die Kapsel von Schaummaterial umgeben, das unerwünschte Popplaute unterbinden soll; ein externer Poppschirm erwies sich dennoch als sinnvoll. Die Kapsel ist auf einem Gummipfosten weich gelagert, um sie von Griffgeräuschen und Trittschall zu entkoppeln.
Das Handheld-Mikrofon PR-35 ist laut Hersteller um die Kapsel des PR-30 aufgebaut. Tatsächlich sieht der verwendete 36-mmSchallwandler bis auf die Farbe völlig identisch aus. Wieder ist die Kapsel elastisch gelagert, was für ein Handmikrofon ja auch besonders wichtig ist, um Griffgeräusche zu unterdrücken. Obwohl das PR-35 knapp 3,5 cm länger ist als der ewige Bühnenklassiker Shure SM58, liegt es durch das Verwenden moderner Materialien etwas leichter in der Hand. Die mattschwarze Metalloberfläche fühlt sich „gummiert” an und ist angenehm rutschfest. Unterhalb des Korbs liegt ein versenkter Dreifachschalter für ein zweistufiges Low-Cut-Filter zur Kompensation des Nahbesprechungseffekts. Das Design des Spitzenmodells PR-40 gleicht dem PR-30, außer dass der Mikrofonkorb noch ein bisschen länger ist und sich nicht konisch verjüngt. Auch das PR-40 wird frontal besprochen. Unterschiede treten beim Öffnen zutage: Das PR-40 besitzt eine etwas kleinere Tauchspulkapsel von knapp 31 mm Außendurchmesser, was in etwa dem gängigen Gardemaß entspricht (die Kapsel eines Shure SM58 misst 30 mm). Auch das PR- 40 arbeitet übertragerlos. Ein Wort noch zum Lieferumfang: PR-30 und PR-40 kommen inklusive einer Gelenkhalterung mit zwei Flügelschrauben, eine zum Arretieren des Mikros, die andere zum Fixieren der Gelenkposition. Dem Handheld PR-35 liegt eine bühnentaugliche Schnellhalterung bei, ebenfalls mit Gelenk-Fixierschraube. Gewindereduzierstücke fehlen leider bei allen drei Mikros. Nur beim PR-35 gehört ein Schaumstoff-Windschutz zum Lieferumfang. Das PR-30 wird in einem einfachen Pappkarton mit Schaumstoffeinsatz geliefert, PR-35 und PR40 kommen inklusive eines Kunstlederetuis im maskulinen 70erJahre-Herrentäschchen-Look.
Messungen
Alle drei Probanden wurden mit einer (englischen) Kurzbeschreibung geliefert, die auch die wichtigsten technischen Daten enthält, Frequenzgangdarstellungen aber vermissen lässt. Die wären im konkreten Fall allerdings auch nur bedingt aussagekräftig. Üblicherweise werden Mikrofone mit einem Abstand von 1 Meter im reflexionsarmen Raum gemessen. Bei SOUND & RECORDING messen wir bei nur 33 cm Abstand in einem mäßig gedämmten Raum, was weniger glatte Kurven ergibt, aber der gängigen Aufnahmepraxis näher kommt als der übliche „akademische” Ansatz. Dynamische Modelle wie die Heil-Mikros sind für sehr kurze Besprechungsabstände von wenigen Zentimetern ausgelegt. Für Messungen sind so kurze Distanzen aber aus technischen Gründen nicht praktikabel. Beim Betrachten der Messschriebe sollten Sie also bedenken, dass in der Praxis durch den Nahbesprechungseffekt eine kräftige Anhebung der unteren Frequenzen hinzukommt. Dennoch geben die Diagramme in einigen Punkten aufschlussreiche Informationen her. So zeigt sich deutlich, dass die Kapseln von PR-30 und PR-35 zwar verwandt sein mö- gen, aber offenbar nicht identisch sind. Die Abweichungen sind zu ausgeprägt, als dass sie alleine dem unterschiedlichen Gehäuse geschuldet sein könnten. Weiterhin fiel auf, dass der zweistufige Low-Cut des PR-35 in der Mittelstellung des Schalters überhaupt keine Wirkung zeigt. Die Kurve blieb deckungsgleich zur Flat-Einstellung. Erst in der zweiten Low-Cut-Stufe werden die Frequenzen unterhalb 300 Hz moderat abgesenkt; gleichzeitig sinkt aber auch der Ausgangspegel des PR-35 insgesamt um etwa 5 dB – diese Low-Cut-Schaltung sollte der Hersteller überarbeiten. Die Messungen zeigten aber auch, dass man den Klang eines Mikrofons nur sehr unzureichend anhand des Frequenzgangs beurteilen kann. Schaut man die Diagramme für PR-30 und PR-40 an, stellt man fest, dass sie über weite Strecken einen sehr ähnlichen Verlauf nehmen. Die beiden Mikros klingen aber deutlich unterschiedlich. Spitzen wir also die Ohren und gehen zur praktischen Anwendung über.
Praxis
Was schon beim ersten Test positiv auffällt, ist, dass die Heil-Mikrofone einen ordentlichen Ausgangspegel haben. Die Empfindlichkeit von PR-30 und PR-35 liegt laut Datenblatt bei –52,9 dB, was 2,26 mV/Pa entspricht; das PR-40 bringt es mit seiner etwas kleineren Kapsel auf immerhin –53,9 dB (2,0 mV/Pa). Das klingt gar nicht mal so imposant, es sind aber für dynamische Mikros sehr gute Werte. Nicht vergessen darf man, dass der übliche Mikrofonabstand für Gesang oder Sprache viel geringer ausfällt als bei einem Studio-Kondensatormikro. Insofern liefern die Heil-Mikros in der Praxis fast so viel Pegel wie übliche Kondensatormikros. Heil erreicht diesen heißen Ausgangspegel einerseits durch die Verwendung von Neodym-Magneten, andererseits durch die Wahl einer leicht erhöhten Ausgangsimpedanz von 600 Ohm statt der üblichen 200 Ohm. Mehr Draht auf der Spule bringt mehr Pegel. Nachteilig wäre die 600-Ohm-Impedanz nur bei sehr langen Kabeln, wie man sie aber in kleineren Studios kaum findet. Aufgrund ihres recht hohen Ausgangspegels lassen sich die Heil-Mikros auch mit einfachen Mikrofonvorverstärkern verwenden, ohne dass stö- rendes Rauschen auftritt. Kommen wir aber zum Wichtigsten, dem Klang. Das PR-30 hat einen offenen Charakter, ohne jene Nasalität, die man oft mit dynamischen Wandlern assoziiert.
Der frische Sound erinnert ein wenig an Gesangsmikros von Beyerdynamic. Ganz eigen ist dagegen das Richtverhalten. Formal handelt es sich um eine Nierencharakteristik, doch wirkt der Aufnahmebereich sehr fokussiert und die Reichweite gezielt begrenzt. Das PR-30 hört praktisch nur, was sich unmittelbar vor seiner Membran abspielt; Umgebungsgeräusche nimmt es kaum wahr. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigt das PR- 35, wobei das Klangbild hier aber nochmals deutlich präsenter ausfällt und mit manchen Stimmen etwas scharf wirken könnte. Obwohl ich normalerweise kein Freund von Schaumstoffmützchen bin, hat mir das PR- 35 mit dem beiliegenden Windschutz sogar besser gefallen als ohne. Der Klang wird etwas verrundet und in den Mitten gefestigt. Das PR-40 klingt dem PR-30 längst nicht so ähnlich wie die gemessenen Frequenzgänge nahelegen. Sein Grundsound ist zwar vergleichbar brillant, doch gesellt sich eine markante Färbung in den Mitten hinzu, die Erinnerungen an den Sennheiser-Klassiker MD 421 wachruft. Dabei reicht das PR-40 in den Bässen etwas tiefer und wirkt in den oberen Regionen einen Hauch präsenter. In kürzester Zeit konnte sich das Heil PR-40 einen Ruf als Geheimwaffe bei der Gitarrenund Bassverstärkerabnahme erarbeiten. Tatsächlich ist es bereits in NI Guitar Rig 4 Pro in einigen virtuellen Mikrofonierungen des neuen Control-Room-Moduls als „DYN40” gemodelt worden. Das (echte) Heil PR-40 verleiht Gitarren und Bässen eine kernige, leicht „brettige” Note, mit einem ordentlichen Schuss Präsenz, einem trockenen, nie mulmigen Bass und viel Fleisch in den Mitten. Auch für Stimmen eignet sich das PR-40 gut, wobei es für meinen Geschmack eher nach Sprechermikrofon klingt; für Sänger oder Rapper gefiel mir persönlich das etwas offener klingenden PR-30 besser. Insgesamt sind aber PR-30 und PR-40 recht universell einsetzbar, nicht zuletzt auch für Percussion und Schlagzeug. Das PR-40 wird vom Hersteller auch für Bassdrum empfohlen, was ich mangels Gelegenheit leider nicht ausprobieren konnte; die nötigen Qualitäten besitzt es aber ohne Frage.
Fazit
Dynamische Mikrofone sind alles andere als out. Ihre charakterstarken Klangfarben bereichern die Palette um durchsetzungskräftige Mittenschattierungen. Anders als viele ältere Tauchspulmikros bringen die Modelle von Heil auch frische Höhen und knackige Bässe mit. Das PR-30 erwies sich im Test als ein ausgezeichnetes Mikrofon für Rap, das einen „fertigen” Sound abliefert, der sich ohne EQ-Einsatz sofort im Mix durchsetzt. Das PR-40 überzeugt vor allem als Universalist in der Instrumentenmikrofonierung; von EGitarre über E-Bass, Percussion und Drums ist das Mikrofon überall zu Hause. Das PR- 35 fällt als Handheld-Mikro etwas aus dem Rahmen. Sein Sound ist sehr frisch, allerdings für präsente Stimmen vielleicht schon ein wenig scharf. Was alle drei Heil-Mikros auszeichnet, ist ihre gezielte „Kurzsichtigkeit”: Diese Mikros sind für sehr nahe Mikrofonierung ausgelegt und machen einen prima Job als Problem – löser bei schlechter Raumakustik oder unvermeidbarem Störschall wie etwa Verkehrslärm. Die beiden Studiomodelle PR-30 und PR-40 eignen sich daher sehr gut als Sprechermikro in kleinen Radiostationen oder als Gesangsmikrofon im Projektstudio. Gegen – über dem direkten Konkurrenten Shure SM7B (s. S&R 8.2009) punkten sie mit einem deutlich höheren Ausgangspegel; das Shure kontert mit schaltbaren Bass- und Präsenzfiltern. Schön, wenn man als Anwender so viel Auswahl hat. ¬