(Bild: Dieter Stork)
Ob Frau Angelico oder MicroGranny: Im Pandämonium der Standuino/Bastl-Gründer tummeln sich eine Menge merkwürdige Charaktere, die bei Musikern plötzliche Kreativitätsschübe verursachen können. Vieles bei der tschechischen Hardwareschmiede Bastl Instruments ist noch von einem rebellischen Punk-DIY-Geist durchdrungen.
2011 organisierten die beiden technisch interessierten Kunststudenten Václav Peloušek und Ondrej Merta einen Synthesizer-Workshop in der tschechischen Stadt Brünn. Der Titel des Workshops war »Standuino«, denn es ging um Geräte, die auf dem Mini-Computer Arduino (s. u.) basierten. Einige Zeit später beschlossen die beiden, selber Klangerzeuger zu bauen und gründeten eine Firma gleichen Namens. Standuino-Instrumente wie der kleine Frau-AngelicoSynth wurden schnell Kult. Aus Standuino ging dann das unkonventionelle Kreativteam Bastl Instruments hervor (im Tschechischen bedeutet das umgangssprachliche Wort »Bastl« selber bauen). In der Eurorack-Szene machte Bastl in den letzten Jahren u. a. durch pfiffige Eurorack-Module mit kultigen Holzfronten Furore.
Arduino
Arduino ist eine kostengünstige Open-Source-Mini-Hardware-Plattform, die die Basis für zahllose Nerd-, Kunst- und Hobby-Projekte (und auch viele Bastl-Geräte) bildet und sich gerne hacken lässt. Gestartet wurde das Arduino-Projekt 2005 von zwei Italienern (Massimo Banzi und David Cuartielles), die sich regelmäßig in der Arduino-Bar in Ivrea trafen. Sie veröffentlichten die Pläne für ihre erste ArduinoSerie als Open-Source-Lizenz, und mittlerweile gibt es zahllose Arduino-Varianten.
Die Arduino-Hardware besteht im Wesentlichen aus einem Micro-Controller und analogen und digitalen Einund Ausgängen; programmiert wird der Micro-Controller mit einer Programmiersprache, die C bzw. C++ ähnelt, aber stark vereinfacht wurde; hilfreich sind auch die zahllosen Bibliotheken, die im Netz verfügbar sind. Mittlerweise kann man Arduino-Boards sogar direkt aus dem Browser ohne Entwicklungsumgebung programmieren. Mit einem Arduino lassen sich vor allem Steuerungsaufgaben (etwa im Modellbau, bei kinetischen Objekten, Wettermessung oder eben auch Klangerzeugern) übernehmen.
Fra Angelico und Gattin
Zu den ersten Standuino-Instrumenten gehört der digitale Mini-Synthesizer Fra Angelico (11 x 7 x 4 cm). Fra Angelico war ein Maler der italienischen Frührenaissance; auf der Platine und der Rückseite des Arduino-basierten Minisynths findet man Bilder des genialen Künstlers. Das eigenwillig designte Gerät ist ein 8-Bit-PWM-Synth, der auch über MIDI gespielt werden kann. Die Basis der Klangerzeugung bildet eine simple Pulsweiten-Modulation; es gibt keinen Digital-Analog-Converter, am Ausgang liegt das digitale Signal an. Fra Angelico generiert böse, digitale Glitch-Sounds, ist aber auch in der Lage, druckvolle Bässe zu erzeugen; er war für ca. 50 Euro als Bausatz verfügbar und wurde auch als Fertiggerät angeboten.
Noch interessanter ist Frau Angelico, ein ziemlich kranker Arduino-Drumcomputer von Standuino; die verballhornende Namensgebung ist bezeichnend. Beide Geräte gibt es nur noch auf dem Gebrauchtmarkt.
Glitch-Drummer mit Aua-Faktor
Freunde von Chiptune- und Noise-Sounds finden in Frau Angelico eine gute Partnerin. Das Standuino-Gerät kam 2012 heraus, arbeitet mit einer sechsfach polyfonen, samplebasierten Klangerzeugung (8 Bit), die entweder vom internen Step-Sequenzer oder per MIDI-getriggert wird. Wie beim Fra Angelico lassen sich vier Sounds (weitere vier mit dem Shift-Taster) direkt antriggern. Am Gerät kann man in Realtime mehrere Kernparameter verändern (Volume, Sample, Pitchdown, Bitcrusher), was bei laufendem Sequenzer zu wüsten, aber groovigen Lärmorgien führen kann. Sechs Patterns lassen sich abspeichern, das Tempo kann auch mit einer Tap-Funktion eingestellt werden. Im Sequenzer-Mode kann man auch einen Randomizer zum Erstellen von Zufalls-Patterns aktivieren; außerdem ist es möglich, überraschende Variationen zu kreieren, indem man mit der Shift-Funktion an beliebige Zählzeiten innerhalb des Pattern springt. Auch das Muten einzelner Instrumenten-Spuren ist möglich.
Microgranny 2
MicroGranny ist ein kompakter Lo-Fi-Granular-Sampler und gehört seit Jahren zu den Highlights des Bastl-Parks. Die erste Version des Gerätes kam anfangs übrigens auch unter der Standuino-Flagge heraus. MicroGranny spielt monofone Samples (22.050 Hz, 8 oder 16 Bit) von der SD-Karte ab und kann mithilfe des Miniklinken-Eingangs oder des integrierten Mikrofons auch selbst samplen. Die Sounds lassen sich granular durch den Wolf drehen, wobei man auf mehrere Realtime-Parameter (Sample-Start, -End, Sample Rate, Bitcrusher sowie Attack und Release der Lautstärkehüllkurve) zugreifen kann. Über MIDI sind die Parameter auch extern steuerbar, und die Samples lassen sich transponiert spielen.
Das Gerät, das mittlerweile in der Version 2 angeboten wird, hat wirklich Charme und ist für Freunde unkonventioneller Sounds ein Ideen-Kraftwerk mit hohem Suchtfaktor. Dass die Sounds nur eine Abtastfrequenz von 22.050 Hz besitzen, erweist sich in der Praxis manchmal als Vorteil, wiel sie sich leichter in klangliche Kontexte integrieren lassen und weniger spitz klingen.
Die wohl kleinste Modularsyth-Praline der Welt: Kastle
Ungewöhnlich (und für experimentell orientierte Musiker empfehlenswert) ist auch der superkompakte, digitale Mini-Modular-Synth von Bastl (7 x 5,7 x 3 cm): Kastle ist ein 80 Euro teures Open-Source-Projekt, das auf zwei Attiny-85- Chips basiert, die mit Arduino programmiert werden können. Eine DIY-Version ist auch verfügbar. Das letzte Version (1.5) bietet u. a. folgende Features:
drei Synthese-Betriebsarten (Oszillator-Ausgang 1): Phase Modulation, Noise-Mode und Track & Hold Modulation, Noise-Mode,
drei weitere Synthese-Betriebsarten (Oszillator-Aus – gang 2): Phase Distortion, Formant Synthese und Tonal Noise-Mode,
zwei Sound-Engines lassen sich parallel betreiben, von Rob Hordijk inspirierter Stepped-Pattern-Generator, zusätzlich zum Batteriebetrieb kann das Gerät über USB mit Strom versorgt werden.