Grooveboxen sind wieder im Trend, aktuelle Geräte wie die neuen Electribes von Korg oder Novations Circuit sind leistungsfähiger als je zuvor. Aber auch im Vintage-Sektor gibt es interessante Schätze zu heben, wie z. B. Yamahas DX200, die in den letzten Jahren so etwas wie ein Geheimtipp wurde, da sie unter ihrer Haube einen kompletten DX7 verbirgt. Manche Leute bezeichnen die Maschine als den bedienungsfreundlichsten DX7, den es je gab …
Vorgestellt wurde die DX200 im Jahr 2001 zusammen mit ihrer Schwester, der AN200, die ebenfalls zu den begehrten Gebrauchtgeräten gehört. Nachdem Yamaha in den technoverliebten 90er-Jahren einige interessante Grooveboxen wie etwa die RM1x auf den Markt gebracht hatte, sich aber nicht wirklich gegen die Konkurrenz, etwa von Roland, durchsetzen konnte, wollte man mit ungewöhnlichen Konzepten und einem kompakten Äußeren punkten. Der AN200 verpasste man die virtuellanaloge Engine des AN1x, bei der DX200 besann man sich auf den Klassiker DX7, der mittlerweile aus der Mode gekommen war, was weniger an seiner Klangästhetik als vielmehr an seiner Bedienungsunfreundlichkeit und den mangelnden Realtime-Eingriffsmöglichkeiten lag.
Äusseres
Äußerlich gibt sich die DX200 zurückhaltend. Das Plastikgehäuse (das mit der Zeit leider dazu tendiert, seine Farbe zu verlieren) ist kompakt und bietet 17 Drehregler, einen Encoder sowie ein vierstelliges, Grooveboxtypisch spartanisches Display. Das Design wirkt zeitlos geschmackvoll, und die Sektionen, deren Sinn sich allerdings manchmal erst nach dem Handbuchstudium eröffnet, sind klar gegliedert. Auch im Dunkeln lassen sich die Stellung der Potis und der Betriebszustand gut erkennen. 16 hintergrundbeleuchtete, nicht anschlagdynamische und wegen Platzmangel relativ kleine Pads dienen der Lauflichtprogrammierung und können auch als Behelfstastatur eingesetzt werden.
Maschinenraum
Die Yamaha-Ingenieure haben es tatsächlich geschafft, einer kompletten DX7-Engine mit 16-facher Polyfonie in der DX200 ein neues Heim zu geben. Damit ist das 2001 erschienene Gerät die bislang letzte Hardware-Reinkarnation des erfolgreichen FM-Synthesizers. Im Herz der Groovebox pocht eine potente Frequenzmodulations-Synthese mit sechs Operatoren und den Algorithmen des DX7. Die unterschiedlichen Verschaltungen der sich gegenseitig modulierenden Sinus-Oszillatoren, die im Yamaha FM-Speak „Operatoren“ getauft wurden, werden durch 32 Algorithmen abgebildet. Mit der Auswahl eines Algorithmus’ kann man den Basis-Klangcharakter vorgeben. Um die Kreativität des DJ-affinen Groovebox-Nutzers nicht in dem Parametergrab des DX7 bestatten zu müssen, hat man den Zugriff auf einige Kernparameter reduziert.
Neben einer ADSR-Hüllkurve (für Filter und Lautstärke) und Portamento kann man Wellenform und Geschwindigkeit des LFOs bestimmen. In der Filtersektion findet man ein Multimodefilter (Tief-, Band- und Hochpass) mit Reglern für Cutoff, Resonanz und die HüllkurvenWirktiefe. Wirklich tief greifende und oft schön brachiale Klangveränderungen sind die Folge des beherzten Schraubens an drei Reglern (Harmonic, FM-Deph, Decay), die man gerne an jedem FM-Synthesizer hätte: Dadurch bekommt man Echtzeitzugriff auf die Frequenz und die Hüllkurve der Modulatoren, was je nach Algorithmus zu überraschenden Ergebnissen führen kann. Regelbar ist auch ein Rauschgenerator mit fünf verschiedenen Noise-Typen.
Free your EG and your ass will follow
… Der viel zitierte Funkadelic-Song bezieht sich hier auf die Möglichkeit, mit der „Free EG“- Sektion (EG= Envelope Generator) vier Parameter zu automatisieren. Dabei lassen sich zwei alternative Automatisierungs-Szenen erstellen, die man überblenden kann. Durch die pfiffigen Automatisierungs-Features lassen sich mit wenigen Handgriffen äußerst lebendige Modulationen realisieren.
Drums & FX
Die Drumsektion arbeitet mit der PCM-basierten AWM-Synthese von Yamaha. Im Samplevorrat, der sich als gelungener Rundumschlag der 90er-Jahre präsentiert, findet man viel Brauchbares, das man auch heute noch gut einsetzen kann. Eine einfache Effektsektion (Reverb, Delay, Flanger, Phaser, Distortion) ist natürlich ebenfalls an Bord. Viele weitere Parameter der Klangerzeugung und auch der Effekte kann man mit Yamahas Editor-Software (Windows und Mac) modifizieren.
Sequenzer
Der Sequenzer bietet vier Spuren − drei für die Drums und eine für den Synth − und verfügt über eine Swing-Funktion. Eigene Patterns können auf 128 Speicherplätzen abgelegt werden, und bis zu maximal 10 Songs lassen sich verketten. Cool: Ein Pattern lässt sich auf Wunsch auch rückwärts abspielen.
Sound
Der Klang der DX200 ist durch ihre FM-Sektion definiert, die sie von anderen Grooveboxen deutlich unterscheidet. Sie bietet natürlich viel DX7-typisches, aber wer dabei nur an glockige 80s-E-Pianos denkt, ist hier falsch: Mit wenigen Regler-Bewegungen stürzt man einen braven FM-Sound in eine böse Industrial-Schlucht oder verwandelt ihn in einen dystopisches Electro-Monster. Mit den Automatisierungs-Tools lassen sich sekundenschnell äußerst lebendige Klangverläufe programmieren, die mit einer DAW viel aufwendiger und weniger intuitiv umzusetzen wären. Unter den 256 Preset-Patterns findet man gutes Ausgangsmaterial für eigene Kreationen.
Der Filter ist zwar etwas farblos, wird aber oft benötigt, um die Wucht und Aggressivität der Sounds zu bändigen und die Kühle der FM-Synthese etwas zu mildern. Neben der einfachen und nicht gerade edel klingenden, aber funktionellen EffektAbteilung tragen auch die verwendeten Wand – ler dazu bei, den Sound angenehm grungig klingen zu lassen. Für Techno-, Electro-, Grime-, Electronica- und Dubstep-Produzenten kann die DX200 eine echte Geheimwaffe sein. Das Gerät wurde uns freundlicherweise von Roland Barkey zur Verfügung gestellt.
Der FM-Wolf im Groovebox-Pelz wurde anfangs in der Szene nicht wirklich wahrgenommen. Erst im Lauf der Jahre lernte man die vielseitige und klangstarke Maschine zu schätzen. Ihre Features und ihr eigenständiger Sound machen sie auch heute noch zu einem leistungsfähigen Live-Tool und einem inspirierenden Klangerzeuger für das Studio.
Klangbeispiel: