Nach einigen Turbulenzen und einem Besitzerwechsel mit neuer Geschäftsleitung konzentriert man sich beim Berliner Monitorhersteller ADAM Audio jetzt wieder verstärkt auf die Neu- und Weiterentwicklung von Studiomonitoren aller Kategorien. Neu im Portfolio und bei uns unter der Lupe: ADAM Audio S3V
Geleitet wird ADAM Audio heute unter anderem von Chairman David Angress, der mit jahrzehntelanger Erfahrung im professionellen Audiomarkt ein Garant für Stabilität und Ruhe ist. Zu seinem Team gehören zudem Philippe Robineau, eine nicht minder bekannte Persönlichkeit in der Audio-Szene, und Andreas Guhde als Chefentwickler Akustik, der nach einem kurzen Intermezzo wieder zu ADAM Audio zurückgefunden hat und ebenfalls über einen großen Erfahrungsschatz und viel Wissen zum Thema Lautsprecherentwicklung verfügt.
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In den vergangenen Wochen stellte ADAM Audio nun mit einer Roadshow die neue S-Serie vor. Die fünf Monitore der S-Serie wurden in den vergangenen zwei Jahren vollständig neu entwickelt und bilden das Flaggschiff im aktuellen Programm. Neu ist bei der S-Serie in der Tat alles. Andreas Guhde scheute zusammen mit den Herstellern der Chassis keine Mühen und entwickelte die ELE (Extended Linear Excursion) Tieftontreiber ebenso wie den DCH (Dome Cone Hybrid) Mitteltöner, der als Hybrid aus einem Konus- und Kalottenchassis mit einer aus einem Kohlefaser-Verbundwerkstoff laminierten Membran daherkommt, komplett neu.
Auch der aus eigener Fertigung stammende und im Berliner Werk in Handarbeit gefertigte Hochtöner nach dem Prinzip des Air Motion Transformers erfuhr eine Weiterentwicklung und wurde mit einem neu berechneten Waveguide ausgestattet. Das im Gehäuse des Hochtöners integrierte HPS Waveguide (High-Frequency Propagation System) wird dazu aus einem Aluminiumblock gefräst, womit nicht nur eine resonanzarme Schallabstrahlung, sondern auch eine gute Wärmeabfuhr für den Treiber erzielt wird.
Mit der Neuentwicklung entstanden auch neue Gehäuse, die sich durch rundum groß- zügig gerundete Kanten und Ecken sowie strömungsoptimierte Bassreflexports auszeichnen. Die Wandstärken der Gehäuse sind auffällig hoch, was zum einem für die Rundung der Kanten erforderlich ist, aber natürlich auch unerwünschte Resonanzen im Material reduziert. Zusammen mit den kräftigen Magneten von Tief- und Mitteltöner führt das zu einem schon recht beachtlichen Gewicht, das bei der S3V 25 kg beträgt, die man auf den ersten Blick so nicht vermuten würde. Ein Problem entsteht daraus jedoch nicht, weil Studiomonitore in der Regel einmal aufgebaut und positioniert und dann nicht mehr bewegt werden.
Zum Test gestellt wurde aus der S-Serie mit der S3V das mittlere Modell mit vertikaler Anordnung der drei Wege. Alternativ gibt es auch noch die S3H für den quer liegenden Betrieb, die anstatt des einen 9″-Tieftöners mit zwei 7″-Tieftönern bestückt und ansonsten identisch ist. Die S3V ist ein typischer Midfield-Monitor, der optimal frei aufgestellt betrieben wird und sich für Hörabstände von zwei bis vier Metern empfiehlt.
Mit einem Straßenpreis von ca. 4.600,– Euro pro Paar spricht man vor allem die professionellen Anwender an. Weitere wichtige Aspekte für diese Klientel sind der von David Angress im Interview zugesicherte langfristige und schnelle Support sowie eine entsprechend lange Produktlaufzeit. Unabhängig von ADAM Audio würde es auch insgesamt betrachtet der Branche gut stehen, wenn anstatt ständiger schneller Produktwechsel mit fragwürdigen Neuigkeiten und Verbesserungen mehr solide entwickelte Produkte mit langfristiger Perspektive auf den Markt kämen.
BESTÜCKUNG UND ELEKTRONIK
Kommen wir zur S3V im Detail, dann haben wir es mit einem voll aktiven 3-Wege-System zu tun. Der S-Art-Hochtöner mit Waveguide wird in der S3V mit einem 4″-.Mittelhochtöner und einem 9″-Tieftöner kombiniert. Die Trennung erfolgt bei 250 Hz und bei 3 kHz, sodass alle Wege in ihrem jeweils optimalen Arbeitsbereich tätig sind. Die interne Elektronik besteht aus zwei Ice-Power Class-D-Endstufen mit 500 W bzw. 300 W maximaler Leistung für den Tief- und Mitteltöner und einer Class-AB-Endstufe aus eigener Entwicklung mit 50 W maximaler Leistung für den Hochtöner. Trotz der heute erreichten hohen Qualität von Class-D-Endstufen setzt man bei ADAM Audio für den sensiblen und hochauflösenden S-Art-Hochtöner weiterhin auf eine klassische-A/B Schaltung, deren Audioqualitäten bei richtiger Konzeptionierung für Class-D-Schaltungen immer noch der Maßstab ist.
Komplett neu für ADAM Audio ist der erstmalige Einsatz eines DSP-Systems für die Signalbearbeitung. Im Detail sind das die X-Over-Filter, die EQs und die Limiter. Für den User ergibt sich daraus jetzt erstmalig auch die Möglichkeit, die Monitore auf die individuelle Situation einzumessen und mithilfe einer Filterbank sowie Delay- und Pegeleinstellungen eigene Setups zu erzeugen. Das Audiosignal kann entweder analog oder digital via AES/EBU-Schnittstelle zugespielt werden.
Das digitale Signal kann dabei über eine Link-Buchse zu einem weiteren Lautsprecher durchgereicht werden. Die Auswahl des linken oder rechten Kanals erfolgt über das DSP-Menü. Mögliche Firmware-Updates für den DSP können via USBInterface eingespielt werden. Die Bedienung des DSP erfolgt simpel mithilfe eines Inkremental – gebers und eines kleinen Displays, wobei sich die Funktionen und das Vorgehen für die Einstellung nicht immer sofort erschließen.
Aus dem Messlabor unter reflexionsfreien Bedingungen stammen die folgenden Messungen zum Frequenzgang, zum Abstrahlverhalten und zu den Verzerrungswerten. Der Klasse-1-Messraum erlaubt Messentfernung bis zu 8 m und bietet Freifeldbedingungen ab 100 Hz aufwärts. Alle Messungen erfolgen mit einem B&K 1/4″-4939-Messmikrofon bei 96 kHz Abtastrate und 24 Bit Auflösung mit dem Monkey-Forest Audio-Messsystem. Messungen unterhalb von 100 Hz erfolgen als kombinierte Nahfeld-Fernfeldmessungen.
Bild: Dieter Stork
MESSWERTE
Nach der Auflistung der vielen Neuigkeiten stellt sich jetzt die drängende Frage, wie sich diese darstellen. Ein erster Blick auf den Frequenzgang aus Abb. 1 ist bereits vielversprechend. Mit Preset Nr. 1 (rot) ist der Verlauf perfekt. Die untere Eckfrequenz von 36 Hz macht einen Subwoofer überflüssig. Am oberen Ende liegt die Eckfrequenz jenseits der 40 kHz. Letzteres ist die große Spezialität des S-ART-Hochtöners, der wie kaum ein anderer auch die Oktave von 20 bis 40 kHz noch perfekt wiedergibt.
Auch wenn dieser Frequenzbereich nicht mehr hörbar ist, gibt es doch zwei relevante Aspekte: Ein Hochtöner, der die 40 kHz noch souverän beherrscht, wird auch im hörbaren Frequenzbereich keine Probleme haben. Mögliche Beeinträchtigungen durch Resonanzen oberhalb von 20 kHz, die sich als Intermodulation auch im Hörbereich bemerkbar machen könnten, gibt es hier nicht. Die Welligkeit im Frequenzgang mit 2,9 dB vom Minimum zum Maximum fällt ebenfalls sehr gut aus.
Die zweite blaue Kurve wurde mit dem Setup »Uniform Natural Response« (UNR) gemessen und weist eine gemäßigte Tiefen- und Höhenbetonung auf. Drei weitere Setup Plätze können mit User-Presets belegt werden. Dafür stehen im DSP-System je ein Low- und High-Shelf-Filter sowie sechs vollparametrische Bell-Filter zur Verfügung.
Ein Blockschaltbild der Filterstruktur zeigt Abb. 9. Mithilfe der Filter lassen sich mögliche Probleme mit Eigenfrequenzen im Raum oder durch eine Aufstellung nahe einer Grenzfläche kompensieren. Der Phasengang aus Abb. 2 deutet auf herkömmliche IIR-Filter 4.Ordnung für die X-OverFunktionen hin. An jedem Übergang gibt es 360° Phasendrehung. Eine Alternative mit phasenlinearen FIR-Filtern wäre an dieser Stelle sicherlich interessant.
Erfreulich stellt sich auch das Ergebnis der Maximalpegelmessung dar. Knappe 110 dB erreicht die S3V in der Messung mit Sinusbursts fast durchgängig bei nur maximal 3 % Verzerrungen. Lediglich zwischen 100 und 200 Hz bricht die Kurve um einige dB ein. Echte Schwachstellen gibt es keine. Mit einem Multitonsignal gemessen erreicht eine S3V unter Freifeldbedingungen im Vollraum bezogen auf 1 m Entfernung einen Mittlungspegel von 103 dBA und einen Spitzenpegel von 118 dB. Der Verzerrungsanteil beträgt dabei 7 %. Die sonst übliche Messgrenze von 10 % wurde nicht erreicht, weil die internen Limiter vorher einsetzten.
Für das Abstrahlverhalten zeigen die Isobaren aus Abb. 5 und 6 einen gleichmäßigen und mit 120° breiten horizontalen Verlauf. Oberhalb von 10 kHz kommt es bedingt durch die Größe des Hochtöners dann zu einer leichten Einschnürung. Vertikal ist die Einschnürung bei 3 kHz durch den Übergang und die Anordnung der Wege zueinander nicht zu vermeiden. Insgesamt strahlt der Hochtöner hier gewollt etwas enger. Mittel- und Tieftöner verhalten sich vergleichbar zur horizontalen Ebene. Zwei weitere Messwerte sollten noch erwähnt werden. Der Störpegel lag mit 22 dBA in 10 cm Entfernung vom Hochtöner sehr niedrig, und die Paarabweichung konnte mit nur 0,7 dB ebenfalls überzeugen.
HÖRTEST
Für den Hörtest wurden die S3V in einer Midfield Anordnung freistehend mit ca. 3 m Distanz zum Hörplatz aufgebaut. Eine gemittelte Messung mit 30 Positionen pro Box im direkten Umfeld des Hörplatzes zeigt Abb. 8 ebenso wie den daraus abgeleiteten EQ und das Resultat mit EQ. Zum direkten Vergleich oder auch als Referenz wurde noch ein weiteres etabliertes Paar aktiver 3-Wege-Monitore herangezogen. Das Ergebnis konnte sich im Sinne der S3V sehen bzw. hören lassen. Die S3V bestach durch ihren umfassenden Frequenzgang mit tiefen Bässen sowie sehr schönen und feinen Höhen. Die räumliche Abbildung ebenso wie eine natürliche Stimmwiedergabe gelang perfekt. Auffällig war, wie klar und durchsichtig die S3V auch komplexes und hoch komprimiertes Material wiederzugeben in der Lage war. Im direkten Vergleich zum Referenzmonitor spielte die S3V mindesten auf Augenhöhe mit punktuellen Vorzügen.
FAZIT
ADAM Audio aus Berlin meldet sich nach etwas unruhigen Zeiten mit der neuen S-Serie als Topmodelle der Produktpalette zurück. Ohne Frage, der Auftritt ist gelungen. Mit dem zum Test gestellten mittleren Modell S3V mit komplett neu entwickelten Chassis inklusive Waveguides und neuer Elektronik zeigt die Entwicklungsabteilung, wo es in Zukunft langgeht. Im Labor liefert die S3V durchgängig sehr gute Ergebnisse, die sich dann auch im Höreindruck bestätigen. Kurz zusammengefasst liefert die S3V einen perfekten Frequenzgang bis zur Messgrenze bei 40 kHz, einen hohen Schalldruck von bis zu 118 dB Peak, und das alles bei geringen Verzerrungen. Gehäuse und Verarbeitung machen einen soliden Eindruck, und der integrierte DSP bietet dem User erstmals bei ADAM jetzt auch die Möglichkeit, eigene Filtereinstellungen und Setups zu erstellen.
Frequenzbereich: 36 Hz — 40 kHz (−6 dB)
Welligkeit: 2,9 dB (100 Hz — 10 kHz)
hor. Öffnungswinkel: 123 Grad (−6 dB Iso 1 kHz — 10 kHz)
hor. STABW (Standardabweichung): 15 Grad (−6 dB Iso 1 kHz — 10 kHz)
ver. Öffnungswinkel: 94 Grad (−6 dB Iso 1 kHz — 10 kHz)
ver. STABW: 41 Grad (−6 dB Iso 1 kHz — 10 kHz)
max. Nutzlautstärke: 108 dB (3% THD 100 Hz — 10 kHz)
Basstauglichkeit: 108 dB (10% THD 50 — 100 Hz)
Maximalpegel in 1 m (Freifeld) mit EIA-426B-Signal bei Vollaussteuerung: 103 dBA Leq und 118 dB Peak
Paarabweichungen: 0,7 dB (Maxwert 100 Hz — 10 kHz)
Störpegel (A-bew.): 22 dBA (10 cm)
Maße/Gewicht: 293 x 536 x 380 mm (BxHxT) / 25 kg