Mikrofonvorverstärker: Millennia Media HV-3R im Test
von Stephan Lembke,
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Aus der Edelschmiede von Millennia stammen in erster Linie Mikrofonvorverstärker, die aufgrund der hochwertigen Signalverarbeitung den Mikrofonklang nahezu unverfälscht übertragen. Aus diesem Grund finden sich die Preamps in den Racks der Rundfunkanstalten, vieler Konzerthäuser und Scoring-Stages. Auch wenn der Anschaffungspreis nicht für jeden Musiker oder für jedes Tonstudio infrage kommt, so soll in diesem Artikel genauer betrachtet werden, was den HV-3R aus der Reihe der Millennia-Preamps hervorstechen lässt.
Bei Mikrofonvorverstärkern hat man wirklich die sprichwörtliche Qual der Wahl. Das Angebot ist extrem umfangreich, und in der Welt der Röhren, Transistoren und Transformatoren ist für jede Klangästhetik etwas dabei. Wenn man allerdings nach einer ganzen Batterie von hochwertigen Vorverstärkern als Front-End für die DAW sucht, wird die Luft doch recht dünn. Gerade bei 8-Kanälen in einem 19″-Gehäuse ist das Angebot sehr überschaubar. Dort ist jedoch der High-End-Hersteller Millennia Media seit einigen Jahren mit seinen Modellen HV-3D und dem hier getesteten HV-3R vertreten.
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Der HV-3 Preamp stellt dabei die Basis der 19″-Vorverstärker von Millennia dar, die meist individuell erweitert und angepasst werden können. Seit mehr als 25 Jahren gilt genau dieses Preamp-Design als Referenz für unverfälschten Klang bei höchster Signalqualität, was Millennia zu über 30 Auszeichnungen der Recording-Industrie verholfen hat. Das ist ein Grund für uns, das Flaggschiff einmal genauer anzusehen.
Features
Ein Blick auf die Features zeigt, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Mikrofonvorverstärker handelt. Jeder der acht Kanäle verfügt über Phantomspeisung, ein Pad mit 14 dB Absenkung, Phasenumkehr und Mute und weist über 69 dB Verstärkung auf. Eine Verlinkung von beliebig vielen Kanälen ist möglich, dabei bleiben eingestellte Gain-Offsets bestehen.
Die technischen Daten verraten, dass es sich um ein Gerät der Oberklasse handelt. Die transformerlose Schaltung bietet eingangsseitig 23 dB Headroom und nimmt es damit mit jedem Mikrofon auf, sei dessen Output auch noch so hoch. Der Ausgang wird durch eine Transistorstufe verstärkt und bietet 32 dB Headroom, weshalb genügend Pegel vorhanden ist, um extrem lange Kabelwege (≤ 300 m) ohne Klangverlust zu überbrücken. Der Frequenzgang ist äußerst linear und verarbeitet Signale bis 300 kHz, was für die Nutzung entsprechender Hochfrequenzmikrofone interessant ist. Die auftretenden Verzerrungen belaufen sich auf ein Minimum, und die Kanäle weisen untereinander eine maximale Abweichung in der Verstärkung von 0,08 dB auf. Soweit ist der HV-3R technisch identisch mit seinen Geschwistern der HV-3D Serie.
Der Clou des HV-3R liegt in der Fernbedienbarkeit der Preamps über LAN-Netzwerk oder die MIDI-Schnittstelle. Durch die digitale Kontrolle lassen sich bis zu 99 Geräte verkoppeln und somit bis zu 792 (!) Vorverstärker mit der Fernbedienung steuern. Das geht entweder über die AE-logic-Software, die jedoch nur auf Windows-Rechnern läuft, oder per Plug&Play-Preamp-Fernbedienung in Pro Tools. Eine direkte Steuerung über MIDI-Befehle ist zwar ebenfalls möglich, jedoch recht umständlich.
Außerdem sind einige Optionen vorhanden, mit denen der HV-3R auf bestimmte Einsatzgebiete abgestimmt werden kann. Eine Erweiterung der Verstärkung auf +8 bis +80 dB ist ohne Aufpreis erhältlich. Kostenpflichtig ist dagegen die 130-Volt-Hochvolt-Speisung für DPA- und Brüel & Kjaer-Mikrofone oder die DC-Coupled-Input-Option für die Abstimmung der Preamps auf passive Bändchenmikrofone. Ausgangsseitig können optional zwei weitere analoge Outputs hinzugefügt werden. So wird jedes Preamp-Signal direkt gesplittet und steht neben der Aufnahme auch für die PA-Anlage und das Monitor-Mischpult bei einem Konzert zur Verfügung. Des Weiteren gibt es eine AES/EBU-Digitaloption, die über Word-Clock als Master oder Slave eingebunden werden kann. Die achtkanalige Wandlerkarte AD-R96 ist für rund 2.000,− Euro zu haben und bindet den Mikrofonvorverstärker ganz simpel über AES/EBU ein. Allerdings werden Samplerates bis lediglich 96 kHz unterstützt, was nicht mehr ganz zeitgemäß ist.
Praxis
Das Testgerät des HV-3R kam in den letzten Monaten bei diversen Sessions zum Einsatz. Der erste Einsatz war die Brass-Lauschangriff-Session, bei der Klangbeispiele mit 28 Mikrofonen an Trompete, Saxofon und Posaune aufgenommen wurden. Die Fernbedienung des Vorverstärkers erfolgte direkt durch die Pro-Tools-Software. Hierdurch war es überhaupt möglich, dass der Preamp mit den Musikern im Aufnahmeraum stand und dennoch ein einziger Engineer diese Aufnahme mit ständig ändernden Pegeln und erneuten Soundchecks durchführen konnte.
Aufgrund der räumlichen Entfernung musste das Einpegeln der Signale mit Blick zum DAW-Channel vorgenommen werden. Allerdings wird dies wegen der kleinen Pegelanzeigen im Display des HV-3R auch oft der übliche Workflow sein. Durch die sehr leisen Relais war das Umschalten von Mute, Phase, Pad und Phantomspeisung kaum im Aufnahmeraum zu hören. Die Gain-Regelung kommt ohne Relais aus, was ein Verändern des Pegels auch noch während der Aufnahme zuließ. Während der Session konnten Signale insgesamt sehr schnell gepegelt und angepasst werden, die Skalierung in 1-dB-Schritten war dabei für eine genaue Pegelkontrolle sehr komfortabel.
Die zweite größere Aufnahmesession mit dem HV-3R war eine Percussion-Session, bei der Pauken, große Trommeln und diverse Handpercussion-Instrumente aufgezeichnet wurden. Die Hauptmikrofonierung bestand aus einem Decca-Tree und einer großen AB-Anordnung, zusätzlich waren einige Stütz- und Raummikrofone aufgebaut. Obwohl die Fernbedienung aktiviert war, lief der HV-3R im manuellen Local-Mode, da das Preamp-Rack direkt neben dem Abhörplatz stand. Je nach Instrument mussten alle Mikrofon-Vorverstärker im Pegel nachgeregelt werden, wobei der HV-3R einen entscheidenden Vorteil aufwies: Durch die Link-Funktion konnten alle Kanäle gleichzeitig gepegelt werden, ohne das Verhältnis der Mikrofonpegel untereinander zu verändern.
Da sich die Session über mehrere Tage erstreckte, konnte das erstellte Setup zudem einfach gespeichert werden. Allerdings gestaltet sich die Benennung recht umständlich, wie es bei einem 2-Zeilen-Display gewöhnlich der Fall ist. Das Aufrufen abgespeicherter Settings funktionierte einwandfrei, und die Vorverstärker waren direkt einsatzbereit.
Die Qualität des optionalen AD-Wandlers, der im Testgerät vorhanden war, ist großartig, und es gibt absolut nichts am Klang oder am Clocking auszusetzen. Die maximale Abtastrate von 96 kHz scheint bei manchen Anwendungen (gerade im High-End-Markt) etwas veraltet. Sicherlich wäre hier auch eine DSD-Wandler-Option für einen Teil der Zielgruppe interessant. Falls öfter mit verschiedenen Samplerates oder Sync-Quellen gearbeitet wird, zeigt sich eine weitere Schwierigkeit der AD-R96 Karte. Die Einstellungen des Wandlers sind nämlich durch Jumper auf der Karte selbst vorzunehmen, ein schneller Wechsel ist somit ausgeschlossen.
Zum Klang kann man nicht sehr viele Worte finden, doch »detailliert, klar und hochwertig« trifft es gut. Gerade für akustische Instrumente, die nicht sehr umfangreich nachbearbeitet und verfremdet werden sollen, eignet sich ein HV-3 aus dem Hause Millennia daher sehr gut. Nicht ohne Grund wird dieser Preamp von vielen Tonmeistern bei Orchesteraufnahmen eingesetzt.
Fazit
Der Millennia HV-3R ist ein Volltreffer, wenn eine klare und extrem hochwertige Signalkette gewünscht ist. Nicht ohne Grund ist der HV-3R der Preamp unserer Wahl, wenn es um Mikrofonvergleiche an verschiedenen Instrumenten geht.
Sollte das Fernbedien-Feature für die geplante Anwendung nicht so relevant erscheinen, kann auch getrost auf die HV-3C oder HV-3D Serie von Millennia zurückgegriffen werden, da diese dem hier getesteten Modell klanglich in nichts nachstehen. Interessant sind möglicherweise auch die neuen portablen Mikrofonvorverstärker HV-32P und HV-35P (auch für das 500er-Format erhältlich), falls lediglich ein oder zwei Vorverstärker benötigt werden. Von uns erhalten die Millennia Vorverstärker eine wärmste Empfehlung, sofern das Budget die Anschaffung zulässt.