MOTU 1248 AVB – Audio-Interface mit Netzwerkfähigkeiten
von Dr. Andreas Hau,
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Schaut aus wie ein ganz normales Audio-Interface, doch im Innern steckt eine Revolution. Mittels AVB-Technologie lassen sich mehrere Interfaces ohne großen Aufwand vernetzen und per Web-Browser fernsteuern. Ganz „nebenbei“ hat MOTU aber auch „State of the Art“-Audiotechnik eingebaut — und das alles zu einem höchst attraktiven Preis. Das sollten wir uns anschauen!
Selten hat eine Revolution so unspektakulär ausgesehen: Bis auf das große, blau leuchtende Display sieht das 1248-AVB-Interface aus wie all die anderen 19-Zoll-Audio-Interfaces von MOTU: ein stabiles Schalengehäuse aus Leichtmetall, pechschwarz lackiert. Nicht unbedingt schick, aber zweckmäßig. Mehr als zweckmäßig fällt die Ausstattung mit Anschlussmöglichkeiten aus, die das Interface für Studio- und Live-Recording-Anwendungen gleichermaßen interessant machen.
Wie viele andere aktuelle MOTU- Interfaces ist auch das 1248 hybrid ausgelegt und unterstützt neben USB 2.0 auch Thunderbolt − das zugehörige Kabel (ca. 40 Euro) muss separat erworben werden. Network! Die vielleicht wichtigste Anschlussbuchse ist der ominöse Netzwerk Anschluss für AVB bzw. Ethernet. Treiber gibt es bisher ausschließlich für Mac OS X ab 10.8. Hoffen wir mal, dass die Windows-Unterstützung nicht allzu lange auf sich warten lässt, denn − so viel sei bereits gesagt − diese Interfaces und die Möglichkeiten der AVB-Technologie sind hochinteressant.
Messtechnisches Top-Niveau: Im Loop-Test (Ausgang mit Eingang verbunden) erreichen AD+DA-Wandlung in der Summe eine Dynamik von 117,5 dB; die Gesamtverzerrung beträgt nur 0,0002% — der beste Wert, den wir je ermittelten!
Was ist eigentlich AVB?
Das Kürzel steht für „Audio Video Bridging“ und bezeichnet eine Reihe von technischen Standards für synchronisierte und bevorzugte Übertragung von zeitkritischen Audio/Video Daten über Netzwerke, speziell Ethernet. Es handelt sich also keineswegs um ein MOTU-eigenes System, sondern um einen von einem Komitee, der Time Sensitive Networking Task Group (IEEE 802.1), spezifizierten, offenen Standard − mit imposanten Leistungsdaten: Die minimale Latenz beträgt 0,25 ms, die maximale Abtastrate 192 kHz. Damit sollte AVB die Puste so schnell nicht ausgehen.
Wozu das Ganze? Digitale Audioschnittstellen wie S/PDIF oder ADAT gibt es schon lange, aber verkabelt werden sie immer noch wie in der analogen Steinzeit: Eingang auf Ausgang, Ausgang auf Eingang, Punkt zu Punkt. Das ist sehr aufwendig und führt schnell zu einem unüberschaubaren Kabelwust. Außerdem ist es schwierig, etwaige Fehlerquellen aufzuspüren. Solche Punkt-zu-Punkt-Verbindungen sind auch noch in anderer Hinsicht ineffizient: Jede noch so selten benötigte Verbindung erfordert ein Kabel; so kommt es oft vor, dass in jenem riesigen Kabelwust nur wenige Strippen gleichzeitig genutzt werden. Viel effizienter kommunizieren Geräte in Netzwerken: Hier wird eine Verbindung nur dann aufgebaut, wenn tatsächlich Daten übertragen werden; es muss auch nicht jedes Gerät mit jedem anderen direkt verbunden sein, pro Gerät genügt eine einzige Verbindung zum Netzwerk.
Dummerweise ist gewöhnliche Netzwerktechnik wie Ethernet nicht auf zeitsynchrone Echtzeitübertragung ausgelegt, die für Audio/ Video-Anwendungen aber unabdingbar ist. Lösungen für „Audio over Ethernet“ gibt es inzwischen eine ganze Reihe, viele davon sind jedoch entweder an einen bestimmten Hersteller gebunden, teuer oder technisch begrenzt. Die AVB-Technologie ist ein sehr leistungsfähiger, offener Standard, nach welchem Audio/Video-Daten mit einem Zeitstempel versehen und bevorzugt übertragen werden. Ist technisch vermutlich viel komplexer, als es sich anhört, aber uns Anwendern kann das egal sein. Wichtig ist, dass wir mit AVB eine Menge Kabel und somit einen Haufen Stress, Kosten und Ausfallzeiten einsparen können
Hoch interessant ist AVB u. a. für Live-Anwendungen sowie für größere Studio- Setups bzw. Studiokomplexe und Arbeitsgemeinschaften. Denkbar wäre beispielsweise, Outboard-Racks mit einem AVB-Interface auszustatten, um die Geräte als Hardware Plugins in der DAW zu verwenden. Statt mit unzähligen Analog-Verbindungen könnte man nun das gesamte Rack mit einem einzigen (!) Ethernet-Kabel anbinden. Man könnte auch Mikros, Preamps und Instrumente in einem gemeinsamen Aufnahmeraum mit einem AVB-Interface verkabeln und sehr bequem von mehreren Studios aus nutzen. Ähnliche Lösungen findet man bereits heute in großen Studiokomplexen, aber mit den relativ preiswerten AVB-Interfaces von MOTU wäre dieser Komfort nun auch für kleinere Arbeitsgemeinschaften finanzierbar.
Eingenetzt
In einem kleineren Setup wird das MOTU 1248 ähnlich eingebunden wie ein normales Audio-Interface: Treiber aufspielen, anstöpseln per USB oder Thunderbolt, fertig. Nur wo ist das Mixer-Panel? Aha, da ist dieses winzige Icon in der Menüzeile, das zur „MOTU AVB Discovery App“ gehört. Klickt man darauf, öffnet sich jedoch keine Mixer-Software, sondern der Web-Browser. Die AVB-Interfaces verhalten sich nämlich wie eine Art Web-Server; sie haben sogar eine eigene IP-Adresse. Über die Webseite, die sich im Browser öffnet, lassen sich sämtliche Einstellungen tätigen: Device-Settings, Routing, Mixer und Aux-Mixer. Das Ganze ist sehr komplex und leistungsfähig − definitiv aber nichts für Weicheier.
Die Routing-Matrix wirkt auf den ersten Blick durchaus übersichtlich; der Aufbau des Monitoring-Systems ist jedoch hoch komplex. So sind die In- und Outputs nicht bestimmten DAW-Send- und -Return-Kanälen zugeordnet, auch wenn es zunächst so aussieht. Stattdessen gibt es je maximal 128 „From Computer“- und „To Computer“-DAW-Kanäle, die mit den gewünschten Hardware-Ein- und -Ausgängen verknüpft werden müssen. So viele hat das MOTU 1248 natürlich gar nicht, aber per AVB-Netzwerk lassen sich ja weitere Interfaces einbinden, die alle über ein und dasselbe Web-Interface verwaltet werden.
Das Monitoring läuft über einen Software-Mixer mit maximal 24 Eingangskanälen, die mit den gewünschten Quellen verknüpft werden müssen. Besagter Software-Mixer verfügt pro Kanal über eine Eingangssektion mit Hochpass, Gate, vollparametrischem Vierband-EQ und Kompressor. Damit sich die Kanalbearbeitungen bei Bedarf mit aufzeichnen lassen, verfügt jeder der Mixer-Kanäle über einen PostFX-Direktausgang (was die Routing-Matrix weiter anwachsen lässt). Außerdem lassen sich Gruppenkanäle über Sends beschicken, um mehrere Monitoring-Mixes gleichzeitig an – zulegen. Abgerundet wird der Mixer durch einen einfachen DSP-basierten Hall.
AVB kommt ins Spiel, wenn das System erweitert wird. Ein weiteres Audio-Interface aus MOTUs AVB-Flotte lässt sich ganz einfach über ein handelsübliches CAT-5e-EthernetKabel anstöpseln. Noch größere Setups erfordern den MOTU AVB Switch (UvP 325,− Euro), einen AVB-tauglichen Netzwerk Router mit fünf AVB-Anschlüssen und einem zusätzlichen Ethernet-Port.
An den AVB Switch können bis zu vier weitere AVB-Audio Interfaces angeschlossen werden. Bei Bedarf − etwa in Arbeitsgemeinschaften − können zusätzliche Host-Rechner per Thunderbolt oder USB an die Interfaces angeschlossen werden, die am AVB-Switch hängen.
Für noch komplexere Setups mit mehr als fünf Audio- Interfaces können bis zu sieben AVB Switches hintereinander geschaltet werden. Die Kabel dürfen bis zu 100 Meter lang sein. Grundsätzlich kann auch AVB-Hardware anderer Hersteller zum Einsatz kommen, allerdings kann sich dadurch die Systemlatenz erhöhen. Die Standard-AVB-Netzwerklatenz beträgt 2 ms; für die eigenen Produkte verspricht MOTU eine AVB-Netzwerk-Latenz von nur 0,6 ms (!), selbst bei Verwendung mehrerer Switches.
Verblüffend viel Konnektivität vereint das MOTU 1248 auf nur einer Höheneinheit. Hier bleiben kaum Wünsche offen. Nur für MIDI-Anschlüsse war leider kein Platz mehr.
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