Dass ich das neue MotU 828 teste, ist für mich eine kleine Besonderheit. Warum? Nun, ich habe mir vor gut 20 Jahren das originale 828 geleistet – soweit ich mich erinnere das erste Audio-Interface überhaupt, welches sich über das damals verboten schnelle FireWire mit meinem Pismo-Macbook verbinden konnte (bei dem noch der Apfel verkehrt herum auf dem Deckel prangte). Vor allem: Ich habe es noch, insofern wird es natürlich spannend, was sich in einem knappen Vierteljahrhundert Entwicklung getan hat.
Selbstredend ist das hier kein Retro-Gear-Artikel, sondern der Test des 2024 erschienenen MotU 828. Dieses Interface im bewährten 19″/1HE-Format kommt zu einem Preis in die Läden, der im Englischen als »competitive« gut beschrieben ist. Das 828 verbindet sich mit dem Host-Rechner per USB-Buchse – und zwar ausschließlich darüber. Thunderbolt gibt es im 2024er-Modell nicht, auch kein AVB, wie es beispielsweise das 828es beides anbietet. Vor allem erstaunt, dass AVB nicht mehr gepusht wird, ist es doch MotUs Pendant zu Ravenna und dem allgegenwärtigen Dante. USB allerdings verbindet sich per 3.0 oder 2.0, in den Unterlagen wird explizit auch die Möglichkeit genannt, iOS-Devices anzuklemmen.
Ausgangsseitig stehen neben dem XLR-Main-Out per TRS weitere acht Analogausgänge bereit. Analoge Eingänge gibt es ebenfalls zehn Stück, von denen acht auf dem Backpanel liegen und zwei auf der Frontplatte wohnen, dort als Combobuchsen, die auch Mikrofon- und Instrumentensignale gerne entgegennehmen. Die Mic Preamps verfügen über schaltbare Phantomspeisung und ein Pad. Mit kräftigen 74 dB maximalen Gains sollte auch der Betrieb von Sensitivity-mäßig hühnerbrüstigen Mikrofonen wie dem Shure SM7B oder gar dem notorisch schlappen Coles 4038 in ordentlicher Qualität möglich sein. Allerdings fände ich ein Hochpassfilter nicht verkehrt. Superb ist, dass MotU den beiden Mic-Inputs einen symmetrischen Insert-Punkt zur Verfügung stellen. Das ist nicht nur klasse, um einen eventuell vorhandenen Kompressor oder einen EQ vor dem Digitalisieren einzuschleifen, es hilft auch, wenn mal Mangel an latenzlosen Preamps in einem ganz anderen Setup besteht – schließlich verbietet einem niemand den Gebrauch lediglich der Send-Buchsen.
Ich sehe ein: Ab und an reichen auch zehn Ein- und Ausgänge nicht für das, was man vorhat. Wie es sich gehört, stehen Erweiterungsmöglichkeiten zur Verfügung. Insgesamt sind maximal 32 Outputs und 28 Inputs möglich. Die zusätzlichen Digital-Connections liegen in Form von einem koaxialen S/PDIF und je zwei optischen Buchsen vor, die nicht nur auf ADAT gestellt werden können, sondern im S/MUX-Betrieb auch die höheren Samplerates des MotU 828 unterstützen. Wie technisch notwendig und somit immer der Fall, geht das wiederum auf Kosten der Kanalzahl. Auf der Front sind zwei Ausgänge für getrennt adressier- und regelbare Kopfhörerausgänge zu finden. Das Anschlusspaket wird abgerundet durch WordClock-Input und einen Out/Thru zum Synchronisieren der Samplegeschwindigkeit, ein MIDI-Duo (mit Out oder Thru) und eine Footswitch-Buchse, deren Funktion konfiguriert werden kann. Das Netzteil ist trotz des kleinen Gehäuses eingebaut, und wie es sich für ein modernes Gerät gehört, gibt es auf der Frontplatte einen Netzschalter.
Das, wie ich finde, nicht unbedingt designpreisverdächtige MotU-Design der letzten beiden Jahrzehnte gehört also der Vergangenheit an? Dem Erkennungswert ist das wahrscheinlich abträglich, dem Look im Rack tut das aber sehr gut.
Ganz offensichtlich sind den Entwicklern bei MotU die »Needs« heutiger Engineers und Producer bekannt. So sind ein Talkback-Button, Mute und Mono auf der Front zu finden. Außerdem zeigt sich hier die Möglichkeit, Ausgangspaar 3 und 4 mit einem Alternativ-Monitoring zu verbinden und diese zu umzuschalten. Während der TB-Button zwischen Schalt- und Tastfunktion in der Software getoggelt werden kann, ist es leider nicht möglich, ihn auf den Footswitch zu legen. Schade, diese Funktion hätte ich gerne gesehen, vor allem, wenn sich das Interface im Rack in ergonomisch ungünstiger Position befindet. Klar: Der große Drehgeber auf der rechten Seite dient dem Setzen von Ausgangslevels.
Das Herzstück der Front des MotU 828 bildet das Display. Wo das ganz alte 828 mit ein paar dürftigen LEDs optisches Feedback gibt und mein ebenfalls in die Jahre gekommenes 896mk3 mit ein paar monochromen Minecraft-Blöcken zumindest etwas Text zurückmeldet, ist das Display des neuen 828 ein wahrer Augenschmeichler: 190 ´ 480 Pixel werden angezeigt, mit einer Helligkeit und Schärfe, dass es mir fast schon in den Augen zwackt. Es lebe der Fortschritt! Navigiert wird mit einem kleinen Drehgeber rechts davon, die Taster »Back« und »Select« werden dafür benötigt. Eine Push-Funktion gibt es nicht, wie ich sie von meinem Merging HAPI und auch dem 896mk3 gewohnt bin, aber das ist schlichtweg Gewöhnungssache. Und: Bei meinem 896mk3 ist einer dieser Push-Buttons nach langen Jahren der Nutzung kaputtgegangen.
Für die Wandlungen werden Sabre-Chips des in San Jose sitzenden Unternehmens ESS bemüht. Im 828 beträgt die maximale Samplingrate 192 kHz, die Auflösung, wenig verwundernd, 24 Bit. Viele Sabre-Chips erlauben zwar PCM-Raten bis 768 kHz, allerdings spielen derartige Geschwindigkeiten auch im Profibereich kaum eine Rolle, wenn wir mal ehrlich sind.
Vielleicht an dieser Stelle sei zu nennen, dass die Materialwahl und die Verarbeitungsqualität einen guten Eindruck machen. Die Druckpunkte der Taster sind klar und deutlich, der Drehwiderstand und die Griffigkeit der weiteren Bedienelemente nach meinem Dafürhalten absolut ideal. Während mein altes 828 und das 896mk3 noch aus US-amerikanischer Herstellung sind, ist das neue 828 in China gebaut worden.
… bin ich zunächst kurz gestrauchelt. Zwar ist das auch auf meine eigene Bräsigkeit zurückzuführen, aber als ich davon einem ebenfalls mit dem 828 beschäftigten Kollegen berichtet habe, hat dieser die exakt gleichen Punkte genannt. Nichts Wildes: Auf dem Mac (MBP 2022, Big Sur) wurde beim Aktivieren der MOTU Gen 5 Systems Extension lediglich ein Error angezeigt, anstatt mir mitzuteilen, dass meine Security-Settings eine Aktivierung verhindern. Und bis mir aufgegangen ist, dass man die Control-Software nicht unter »M« wie »MotU« suchen muss, weil sie schlicht CueMix 5 heißt, hat es auch ein Weilchen gedauert. Aber das ist eher eine lustige Anekdote denn handfeste Kritik.
Bild: Nick Mavridis
Einfache, stimmige Fernsteuerung per CueMix 5
Bild: Nick Mavridis
Clocking, Loopback und weitere Settings
Bild: Nick Mavridis
Monitoring und Trimming
Bild: Nick Mavridis
Der Mixer ist einfach zu verstehen.
Bild: Nick Mavridis
Man kann zwar viel einstellen, eine Wohltat ist das Reverb leider nicht.
Umso schöner ist die eigentliche Bedienung sowohl der Software als auch des 828 selbst. Ob mit Mauszeiger am Screen oder mit den Fingern durch das Hardware-Menü, ich fliege durch alle Settings, finde alles sofort. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ausgänge verwalten und trimmen (gerade für unterschiedliche Monitoring-Szenarien), Echtzeitmonitoring für die Musiker, Clocking, Setzen von Loopback, Talkback-Destinations: All das ist logisch, nachvollziehbar und geht leicht von der Hand.
Unter uns Gebetsschwestern: Das Reverb ist wirklich möhrig. Es klingt blechern, löchrig und ist als Wohlfühlhall beim Tracking eher nervig. Wenn ich dem Sänger Reverb auf die Ohren gebe, dann soll der auch angenehm sein. Ich bin sicherlich nicht alleine mit der Vorgehensweise, dann doch lieber ein natives Plug-in zu verwenden und dieses separat zu füttern. Durch die dann unvermeidliche Latenz hätte man dann direkt auch schon das Pre-Delay, haha! Speaking of which: Ich konnte die Latenzen bei Single Samplerates auf bis zu 4 ms herunterbekommen, auch wirklich umfangreiche Projekte liefen bei etwas über 10 ms hervorragend.
… habe ich noch nicht angesprochen, und ich muss sagen, dass MotU hier absolut glänzt, und zwar in vielerlei Hinsicht. Zum Vergleich standen mir einfache Kleininterfaces zur Verfügung, etwa Focusrite Saffire der letzten beiden Generationen, Focusrite Scarlett der letzten, IK Multimedia iRig Pro Duo, das High-End System Merging Technologies HAPI, die beiden MotUs 896mk3 und ein originales 828. Die qualitative Einordnung ist einfach: Die Focusrites und das IK konnten qualitativ deutlich nicht mithalten, das HAPI spielt unverkennbar in einer Liga darüber. Das 896mk3 ist klar schwächer in vielerlei Hinsicht als das neue 828, und beim Vergleich mit dem Original 828 musste ich mir den Bauch halten vor Lachen, so bröselig und lasch sind sowohl die DA- als auch die AD-Wandlung. Von den Preamps des Methusalem-828 ganz zu schweigen.
Das ist nun alles etwas pauschal, deswegen im Einzelnen: Die Digital-Analog-Umsetzung ist ein wesentlicher Punkt eines Interfaces, schließlich läuft die auditive Beurteilung dessen, was man aufnimmt, im Rechner generiert, editiert und mischt, immer über diesen Weg. Die generelle Ausrichtung ist äußerst neutral, das Interface spielt aber nicht kristallin, kantig oder bissig. Gleichsam ist die Detaildarstellung enorm und erreicht fast die Werte des (deutlich teureren) Merging. Die virtuelle Bühne ist bei Merging sowohl etwas tiefer als auch schärfer und bei allen anderen Vergleichsgeräten schlechter. Die generelle Qualität erstreckt sich nicht nur auf die Hauptausgänge 1 und 2, sondern auch auf alle anderen Outputs und sogar die Kopfhörerverstärker. Ein externer Headphone-Amp SPL HPm brachte rein qualitativ (und natürlich ausstattungsseitig) erwartungsgemäß eine Verbesserung vor allem der Dynamik. Mein Focal Celestee (35 Ohm) spielte am MotU dennoch agil und vor allem laut genug, während der höherohmige Beyerdynamic DT-150 (200 Ohm) etwas mehr Leistung hätte vertragen können – nicht nur für den letztlichen Pegel, sondern eben auch für die Feindynamik.
Eingangsseitig kann die Klangqualität des 828 ebenfalls Eindruck schinden. Dass ein vergleichsweise preiswertes Interface Line-Signale derart detailliert, dynamisch und verfärbungsarm von der analogen in die digitale Domäne umsetzt, ist schon sensationell. Wer bislang geglaubt hat, dass heutzutage sowieso alle Wandler hochwertig und irgendwie gleich sind, der darf gerne ein 828 mit einem der genannten preiswerteren Interfaces vergleichen. Der Moog Sub 37 beispielsweise schwamm im Bassbereich über das 828 gewandelt deutlich weniger als mit den anderen, bei mehrfachen DA/AD-Loops von Songs und Einzelspuren überlebten Feinheiten in den Höhen im Material deutlich länger über das 828 als mit den einfacheren oder älteren Systemen.
… sind die beiden Preamps. Da wäre zunächst ganz schnöde das ordentliche Gain. Man kann selbst mit passiven Ribbons meist noch deutlich unter maximaler Verstärkung bleiben. Coles 4038 mit ihren kümmerlichen 0,56 mV/Pa ohne potenten externen Preamp an ein einfaches Audio-Interface anzuschließen, habe ich bislang gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Und tatsächlich perfomt die absolute Diva unter den Ribbon Mics am MotU sogar besser als am Merging (dessen Amps nur 40 dB analoges Gain liefern, der Rest wird digital aufgeholt). Natürlich: Externe, hochwertige Solid-State-Preamps wie ein True Systems P-Solo Ribbon, ein CVPA CVP-500, die Konsolen-Pres des Harrison 950m oder das Board im Spectra 1964 V610 bieten noch eine Schippe mehr bei Auflösung und Feindynamik. Allerdings haben die Preamps des MotU in genau diesen Belangen gegenüber allen Audio-Interfaces im Vergleich die Nase vorn. Chapeau!
Wenn die Qualität schon so hoch ist, entsteht schnell eine Wunschliste, die zum Beispiel neben Filtern auch eine Impedanzumschaltung als Eintrag hat. Ach ja: Natürlich dürften es gerne mehr Preamps sein, aber es ist zu hoffen, dass das 828 Geschwister mit anderen Zahlenkürzeln und mehr Preamps bekommen wird.
Die qualitative Lücke von 828 zum Merging Technologies HAPI wurde im Test ein Stück kleiner, wenn man das Clocking der 828-Wandler einem externen Spezialgerät überlässt. Zugegeben, die Kombination des verwendeten Mutec REF10 Nano über einen Mutec MC3+USB kostet zusammen das Zweieinhalbfache des 828, zeigt aber, wo dieses Gerät noch Potenzial besitzt.
Ich kann es eigentlich ganz schnell zusammenfassen: MotU ist mit dem neuen 828 ein hervorragendes Interface gelungen. Es ist ein sinnvoll ausgestattetes, erweiterbares USB-3-Interface ohne Firlefanz, aber mit sinnvollen Detaillösungen wie einem symmetrischen Insert-Punkt und stimmigen Monitoring-Lösungen. Ganz wichtig: Das 828 klingt wirklich außerordentlich gut. Noch wichtiger: Der Preis ist herausragend günstig und wird die Konkurrenz ganz schön ins Schwitzen bringen.