Streicherphrasen-Library für Kontakt

Native Instruments Emotive Strings

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Wer jetzt allerdings befürchtet, es könnte sich hierbei um eine schnulzige Library handeln, die sich dem Vertonen des filmischen Herzschmerzes oder der schönsten Filmküsse widmet, den kann ich − Gott sei’s gedankt − beruhigen. Denn die Emotive Strings widmen sich eher jenen Emotionen, die in die Richtung große Gefühle für ebenso großes, episches Kino gehen und z. B. epochalen, mystischen, heroischen oder schlicht schönen Umständen geschuldet sind.

Realisiert wurde das Ganze in gleicher Manier wie bei den Action Strings, nur dass diesmal, passend zum Genre, schwerpunktmäßig Legato-Phrasen zum Einsatz kamen. Wer sich noch einmal tiefergehend mit dem beiden Libraries zugrunde liegenden Konzept befassen möchte, dem sei die Lektüre des Action-Strings-Testberichts in SOUND & RECORDING 04.2013 ans Herz gelegt.

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Emotive Strings

Phrase Modes

Wie bereits von den Action Strings bekannt, wohnt auch den Emotive Strings eine gewisse Dekadenz inne, die es erlaubt, mit wenig musikalischer Vorbildung und wenigstens einem gesunden Finger ansehnliche musikalische Ergebnisse zu erzeugen. Insgesamt macht das eine Menge Spaß, und man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wie effektiv und überzeugend die Emotive Strings mit wenig Aufwand eine Produktion versüßen können. Dies ist natürlich den hervorragenden, thematisch aufeinander abgestimmten und stets zum Hosttempo synchronen Phrasen geschuldet, die sich dieses Mal stärker in ihrer Funktionalität unterscheiden. Denn die sogenannten “Phrase Modes” sind jetzt noch ausgefuchster als bisher von den Action Strings bekannt.

So gibt es neben der auch bei den Action Strings vorhandenen Möglichkeit, Dur- oder Mollvarianten bei Melodic-Phrasen einfach mit derselben Taste per unterschiedlicher Velocity zu wählen, nun auch das äußerst praktische »Auto Divisi«-Feature, welches bei zweistimmiger Spielweise von Single-Pitch-Phrasen die gespielten Instrumente pro Stimme automatisch halbiert, damit die Anzahl der Streicher im Ensemble konstant bleibt. Aber vor allem die »Emotives« verdienen eine besondere Erklärung. Phrasen dieser Kategorie sind nämlich äußert flexibel. Hierfür sind dann aber mindestens vier gesunde Finger vonnöten, und zwar folgende: drei an der linken Hand und einer rechts. So lässt sich nämlich auf der linken Seite der Klaviatur die gewünschte Dur- oder Moll-Tonart mittels eines Dreiklangs vorgeben, und mit der rechten Hand werden dann alle vorhandenen Phrasen direkt mit den korrekten Tönen der vorgegebenen Tonart abgefeuert. Dabei bleiben diejenigen Tasten, die außerhalb der leitereigenen Töne liegen, wie z. B. ein F in G-Dur oder alle schwarzen Tasten in C-Dur, schlicht und ergreifend stumm, sodass ausschließlich passende Phrasen zur aktuell mit der linken Hand gewählten Tonart zur Auswahl stehen.

Behind The Scenes – Emotive Stings

>> Den ausführlichen Bericht über die Entstehung von Emotive Strings findet ihr in der Sound&Recording-Ausgabe 09/15 <<

Je nach Velocity kann man zusätzlich sogar bestimmen, ob die Phrase aufsteigend oder absteigend gespielt werden soll. Letzteres wäre übrigens ein tolles Feature für alle anderen Phrasen bzw. zumindest die Arpeggien gewesen. Insgesamt funktioniert das Arbeiten mit den »Emotives« sehr gut und ist extrem effektiv. So konnte ich durch die Kombination nur weniger Emotive-Phrasen und durch das Editieren der verschiedenen Parameter im Handumdrehen lange, abwechslungsreiche und komplexe Läufe erzeugen, die sich sehr gut an mein musikalisches Material anpassen ließen und auf Anhieb überzeugten. Sehr schön! Einzig eine etwas größere Auswahl an Motiven hätte ich mir speziell für diese sehr flexible Kategorie gewünscht.

Ähnlich funktionieren die Arpeggio Phrasen, für die einfach nur der entsprechende Dreiklang mit der rechten Hand gespielt werden muss. Der Clou ist, dass je nach gespielter Umkehrung des Akkords auch die Arpeggien in entsprechender Umkehrung erklingen. Durch das Aneinanderreihen verschiedener Umkehrungen konnte ich damit Arpeggien in hohen Tempi und quer über den zur Verfügung stehenden Tonraum − was selbst geübte Geiger gerne zum Schwitzen bringt − lässig und mit einer imaginären dritten Hand in der Hosentasche realisieren.

Behind The Scenes – Emotive Stings

Praxis und Sound

Kommen die Emotive Strings zum ersten Mal in einer eher stressigen Produktion zum Einsatz, so wie es mir unglücklicherweise vergönnt war, fällt direkt auf, dass die Library ein echter Timesaver sein kann. Denn einerseits sind sehr viele Theme-Presets vorhanden, andererseits sind diese vielfältig einsetzbar, und so fanden sich unter all den Phrasen immer wieder sehr schnell mehrere Kandidaten, die sich wunderbar einbinden ließen. Dabei gelingt es, trotz aller Phrasendrescherei, die eigene musikalische Vorstellung weiter zu verfolgen, ohne dass auf einmal die Emotive Strings übernehmen und man das Gefühl hat, nicht mehr seine eigene Musik zu hören. Das liegt daran, dass die meisten Phrasen der Emotive Strings eher im Hintergrund zu sehen sind, nicht mit Anspruch auf Melodieführung, sondern eher auf motivische Begleitung. Dadurch unterstützen sie das musikalische Thema und lassen eine sehr schöne, oftmals perlende Bewegung in den Streichern entstehen.

Auch das Wechseln zwischen einzelnen Phrasen mittels Keyswitch gelingt sehr überzeugend, obwohl hier manchmal Klangunterschiede zu hören sind, die aber − ebenso wie teilweise mitgesampelte Nebengeräusche − im Kontext des gesamten Arrangements meist nicht mehr auffallen und eher der Lebendigkeit zuträglich sind. Schade ist allerdings, dass es, im Gegensatz zu den Actions Strings, nicht mehr bei allen, sondern lediglich nur noch bei Single-Pitch-Phrasen möglich ist, diese an jeder beliebigen Stelle von anderen Phrasen derart fortführen zu lassen, dass die Zählzeit erhalten bleibt. Will sagen: Beim Wechsel zwischen Phrasen starten die meisten Phrasen wieder von vorne.

Das ist sehr schade, war aber bei den Emotive String diesmal technisch schlicht nicht realisierbar, weil es innerhalb der legato gespielten Phrasen unmöglich war, sauber aus der einen Phrase aus- und bei einer anderen wieder einzusteigen. Wie bereits bei den Action Strings hätte ich mir während des Arbeitens mit den Emotive Strings auch diesmal öfters einen nach oben erweiterten Tonumfang gewünscht. Nur allzu oft hatte ich das Bedürfnis, Motive in höheren Lagen fortzuführen, aber leider ist bei den High-Ensembles meist nach zweieinhalb Oktaven Schluss.

Die Library klingt durchweg »filmisch« und hat diesen schönen Schmelz, den man von Streichern dieser Art erwartet. Die Phrasen sind dabei absolut überzeugend und lebendig, was nicht weiter verwundert, denn mit jeder Phrase haben wir es hier mit Aufnahmen des Streichapparats vom »Budapest Scoring Symphony Orchestra« zu tun. Insgesamt ist die Auswahl der Motive sehr gelungen und trifft voll die eingangs beschriebene Ästhetik. Vor allem die Legato-Linien sind hier sehr aussagekräftig eingespielt. Darüber hinaus sind viele Phrasen durch ihre simplen Figuren auch hervorragend für Minimal-Music geeignet − allerdings könnte es speziell bei dieser Musikrichtung zu dem Luxus-Problem kommen, dass der Sound etwas zu fett ist …

Behind The Scenes – Emotive Stings

Fazit

Nach den Action Strings ist es Native Instruments mit den Emotive Strings wieder einmal gelungen, eine sehr spezielle Nische mit äußerst überzeugenden Phrasen zu beglücken. Und das zu einem attraktiven Preis/Leistungsverhältnis. Die Motive sind insgesamt geschmackvoll ausgewählt und überzeugen meist durch eine gewisse Universalität, glücklicherweise mit eher geringem Wiedererkennungseffekt − dem durch das geschickte Anpassen und Kombinieren der Phrasen weiter entgegengewirkt werden kann. Natürlich ersetzen die Emotive Strings keine Streicher-Library, und das sollen sie auch nicht. Aber allen, die Musik im Film- und Games-Bereich komponieren, seien die Emotive Strings als Werkzeug und Inspirationsquelle empfohlen, da sie auch in einem zeitkritischen Umfeld flexibel und einfach einsetzbar sind, aussagekräftige und stilsichere Motive beinhalten und durchweg sehr gut und authentisch klingen. Darüber hinaus ist der Einsatz auch durchaus jenseits der Filmmusik vorstellbar, wie z. B. bei Minimal Music oder Pop im weitesten Sinne. Alles in allem eine gelungene Vorstellung; wir freuen uns auf potenzielle Sequels. Etwa: Tension Strings? Romantic Strings? Melancholic Strings?

Klangbeispiel:

Den kompletten Artikel findet ihr außerdem in der Sound&Recording Ausgabe 0708/2015, die ihr hier versandkostenfrei bestellen könnt

 

 

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