Neben den klassischen Mixing-Tools wie Reverb, Delay oder Dynamics gehören Effekte mit dem gewissen Wow-Faktor in die Werkzeugkiste für Songwriting und Musikproduktion. Wer die üblichen Audio-Schredder inzwischen ein wenig fad findet, sollte sich unbedingt mal den neuen Effektbaukasten von Native Instruments ins VST-Rack schrauben. Denn hier bekommt man in einem einzigen Effekt-Tool viele inspirierende Presets und kreative Möglichkeiten zugleich.
Bei dem unübersichtlichen Angebot an abgefahrensten VST-Plugins ist es heutzutage schwierig, Effekte herauszubringen, die einen spontan umhauen. Und sollte sich tatsächlich der gewisse Wow-Effekt einstellen, dann ist man zugleich skeptisch, ob das Plugin auch andere Sachen drauf hat oder sich nur für diesen einen Zaubertrick eignet.
Klassische Delay- und Modulations-Effekte kann Molekular natürlich auch, darüber hinaus aber vieles, vieles mehr, wobei zum Teil sehr ungewöhnliche Effekte dabei sind, die fließende Texturen, Repeater, Ringmodulator- oder Kammfilter-ähnliche Frequenzspielerein clever kombinieren und lustige Melodien aus Drumloops zaubern, während darüber ein Reverb Raumgrößen morpht.
Beim ersten Durchhören der Presets stoße ich schnell auf überraschende Effekte, und während ich in den verrücktesten Sounds abgetaucht bin und schon an den Effekten schraube, ist längst vergessen, dass im Hintergrund eigentlich ein simpler 808-Beat klopft, den ich zum Antesten halt mal gestartet hatte − höchst erstaunlich. Ich frage mich …
Was ist Molekular?
Der Name ist bereits Programm, wobei der Begriff »modulares Effektsystem« sicher zutrifft, aber nur einen Teilaspekt beschreibt: Molekular besteht aus vier Effekt-Sektionen, in welche unterschiedliche Effekte geladen werden können. Molekular aber wird das Ganze dadurch, dass die Effekte vielschichtig modulierbar sind, durch flexibles Signal-Routing ihre Verbindungen ändern können, während die Morphing-Sektion eine kontinuierliche Verformung der gesamten Effekt-Molekülkette erlaubt.
Tatsächlich begeistert beim ersten Durchhören der Effekte immer wieder die Art und Weise, wie die Effekte Beat-synchron ihre Wirkung ändern und auf bestimmte Aspekte eines Sounds angewendet werden − im Timing gezielt eingesetzte Effekte nur auf bestimmte Beats, subtile 16tel-Modulationen bis zu wirklich bösem Geschredder. Dabei wirkt das Ganze bei der Anzahl von nur vier Effektsektionen gar nicht mal kompliziert. Bei genauer Betrachtung des Systems kommt man jedoch schnell zu der Erkenntnis, dass die Presets nicht nur mit viel Geschmack, sondern eben auch verflixt clever programmiert sind − Kompliment!
Molekular lässt sich in jede DAW integrieren, jedoch nicht direkt als Plugin, sondern mithilfe von Native Instruments Modular-System Reaktor 5 oder dem kostenlosen Reaktor Player 5. Wer bereits mit Instrumenten wie Prism, Spark oder Effekt-Ensembles wie The Finger gearbeitet hat, weiß, wie das Ganze funktioniert. Um Molekular beispielsweise in StudioOne anzuwerfen, droppe ich Reaktor FX (bzw. Reaktor Player) aus meiner VST-Effekt-Liste auf eine Audiospur, um dann in Reaktor bzw. im Player das Molekular-Ensemble ins Hauptfenster zu ziehen.
Wer mit NI Maschine 2 arbeitet, wird sich freuen, dass Molekular sich hier direkt integriert. Die Anwendung und Anwahl von Effekt-Presets ist über den Tag-basierten Browser optimal.
Vier DSPs, Modulationen, Morpher. Molekular kommt mit wenigen Elementen aus. Dank der klaren Struktur bleibt selbst bei den komplexesten Effekten die Bedienung übersichtlich.
Die Elemente
Jede der vier Effektsektionen − hier DSP 1 bis 4 genannt − besitzt eine eigene Auswahl an Effekten. Man kommt dabei auf eine Gesamtauswahl von rund 30 »Prozessoren«. Zusätzlich stehen in jedem DSP die fünf Basis-Effekte Dual-Delay, Filter, Level, Metaverb und Equalizer zur Verfügung.
Das Geheimnis der komplexen Effekte Molekulars ist die Modulationssektion mit jeweils vier LFOs, Stepsequenzern, Envelope-Generatoren mit ebenfalls Stepsequenzern und Logic-Modulen. Envelope-Follower gibt’s selbstverständlich auch.
Darüber hinaus lassen sich dramatische Klangänderungen mithilfe der Morphing-Sektion erzielen − ganz einfach, indem man in die Vektorgrafik in der Mitte klickt oder die vier Macro-Controller nutzt. In der Summe der einzelnen Elemente ist das alles nicht sehr kompliziert und erfreulich überschaubar, aber es ist unglaublich, was sich damit alles anstellen lässt.
Gewöhnlich ist anders
Das zeigt sich bereits bei ganz gewöhnlichen Delay und Echos, die Molekular auch kann, aber es eröffnet völlig neue Möglichkeiten, die man in konventionellen Effekten nicht findet. Die Delays in DSP 2 entpuppen sich dann auch schnell als Ansammlung aufregender Granular-Effekte, die sich mit wenigen Reglern einfach handhaben lassen. Über wildes Audio-Schreddern geht das weit hinaus, denn die Parameter sind sehr gut gewählt, sodass man schnell auch sehr präzise Effekt-Settings findet.
Grundsätzlich aber ist keiner der Effekte in Molekular gewöhnlich. So geht die Auswahl von DSP 3 grob gesagt in Richtung Modulation: Wir finden z. B. Chorus und Flanger, aber auch Frequency und Pitch Shifter. Mein Favorit: Dark Forces! Es handelt sich dabei um modulierte Delay-Lines, die sich über programmiere Patterns ansteuern lassen. Das Ergebnis sind dann z. B. stark modulierende, sehr dubbige Echos, die Chorusund Pitch-Shifter- sowie ganz famose ADT-Effekte produzieren.
Die Spezialität von DSP 1 sind Spektral-Effekte, die dem Eingangssignal tonale Aspekte aufprägen oder hinzufügen, die im originalen Signal so nicht vorhanden sind. Dazu bedient sich Molekular verschiedener Techniken, wie etwa schwingende Bandpass- oder Kamm-Filter, aber auch Filter- (Vokoder) oder Oszillatorbänken (Plagiarism). Drumloops bekommen hier harmonischen Content verpasst, der sich wunderschön mit den Stepsequenzern steuern lässt. Grandios!
Das Thema von DSP 4 sind Lo-Fi-Effekte, mit denen sich Bit-Crusher sowie Distortion, Wave-Shaping-Sounds und monstermäßige Kompressor-Effekte erzielen lassen.
Workflow. Das Arbeiten mit Molekular gestaltet sich sehr übersichtlich. Auch das Erstellen eigener Effekt-Patches ist nicht schwierig und macht vor allem riesigen Spaß. Hier ein kurzes Beispiel, wie man einen Drumloop mit einer roboterhaften Synth-Melodie erweitert. Das Beispiel kannst du dir auch als Audio-Clip anhören.
Nichts ist statisch
Allein mit den DSPs und deren Routings lassen sich die unterschiedlichsten Sounds machen, aber erst mithilfe der Modulationen zeigt sich das Potenzial unseres neuen Effektbaukastens − zum einen, weil sich so Effekte animieren lassen (z. B. Modulation Delays), und zum anderen, weil sich die Effekte punktgenau auf einen bestimmten Klangaspekt oder Timing-Event anwenden lassen: ein Filter-Sweep nur für die Snare auf »3« und »4«, während nur die Kick durch völlig überdimensionierte Kompression zur verzerrten Pauke wird − kein Problem.
Die Modulationen lassen sich mit Klick auf »Assign« auf fast alles routen, das Freude bereitet, sogar innerhalb der Modulationssektion ist das möglich, so etwa die Modulation der LFO-Rate durch einen anderen LFO. Und mit der Logic-Sektion lassen sich sogar zwei Modulationen mischen. Man kann das bis zum Modulations-Overkill treiben, um z. B. mit den Spekral-Effekten in DSP 1 in weiten Zyklen laufende Soundscapes zu erzeugen.
Die meisten der Effektbausteine schreien förmlich nach der Steuerung durch Sequenzer und LFO − ein Segen, dass genug davon zur Verfügung stehen, um seine Tracks trickreich zu gestalten.
Fazit
Molekular ist ein unerschöpflicher Baukasten für immer wieder überraschende Sounds und dabei weit mehr als Effekthascherei. Bereits die zahlreichen Presets zeigen, auf welch trickreiche Weise sich die Effekte geschmackvoll und vor allem musikalisch einsetzen lassen. Man bekommt hier eine sehr breite Auswahl an zeitgemäßen Effekten für die moderne Musikproduktion, sodass man sich viele spezielle Plugins für Repeater-, Shredder-, Modulation- und Granular-Effekte sparen kann. Bemerkenswert sind die vielseitigen Modulationsmöglichkeiten, die nicht nur Beat-Programmer lieben dürften.
Effekte mit stark überlagernden Modulationen können bisweilen arg komplex und chaotisch werden, aber dank der übersichtlichen Struktur der vier DSPs und der optisch gut dargestellten Modulationszuweisungen hat man die Situation meistens schnell im Griff.
Wer Effekte mit individuellem Touch haben möchte und sich gerne auch mal von ungewöhnlichen Sounds inspirieren lässt, ist bei Molekular genau an der richtigen Adresse. Wirklich gut gelungen ist auch die Integration in Maschine 2.
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vielfältige und zeitgemäße
Effekte
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Integration bei NI Maschine 2
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Modulationsmöglichkeiten
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komplex, aber einfach zu
bedienen
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inspirierende Presets
Molekular Hersteller/Vertrieb Native Instruments UvP 149,— Euro
www.native-instruments.com