Die Wiedergeburt einer Legende

Neumann U 47 fet Collectors Edition – Klassisches Großmembran-Kondensatormikrofon im Test

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Vintage- und Retro-Mikrofone, die sich an klassischen Designs der 50er, 60er und 70er orientieren, dominieren das Portfolio kleiner »Boutique«- Manufakturen. Wenn hingegen die Urmutter jener Mikrofonklassiker eines jener Originale wiederauferstehen lässt, darf man ohne Übertreibung von einem historischen Ereignis reden.

Selten musste ich so lange auf ein Testgerät warten wie auf das U 47 fet, denn die erste Charge der Collectors Edition war bei Erscheinen praktisch schon ausverkauft. Behutsam öffne ich den elfenbeinfarbenen Karton, und da liegt es vor mir in seiner gepolsterten Holzschatulle, samt Echtheitszertifikat, signiert vom Neumann-Geschäftsführer Wolfgang Fraissinet: das U 47 fet. Ein Mikrofonklassiker, auferstanden nach fast 30 Jahren.

Son Of U47

Das U 47 fet kann man getrost als einen “late bloomer” bezeichnen. So immens populär wie sein Röhren-Vorgänger, das 1949 erschienene U 47, war der FET-Nachfolger nie. Was nicht zuletzt daran lag, dass zwischen dem Produktionsende des U 47 und dem Erscheinen des U 47 fet gut zehn Jahre vergingen, in denen andere Mikrofone das Zepter übernahmen: 1960 das röhrenbetriebene U 67 und ab 1967 das U 87, Neumanns erstes phantomgespeistes FET-Großmembran-Mikrofon. Eine echte Lücke gab es also nie im Neumann-Lieferprogramm.

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Der amerikanische Vertrieb Gotham Audio in Person von Stephen Temmer war indes der Meinung, dass ein FET-Mikrofon, welches optisch wie akustisch dem röhrenbasierten U 47 nachempfunden wäre, das Zeug zum Verkaufsschlager hätte. Denn gerade in den USA war das längst eingestellte U 47 noch immer extrem populär. Wie Neumann-Ingenieur Martin Schneider in den Archiven recherchierte, regte Temmer bereits 1969 an, einen transistorisierten Nachfolger zu entwickeln, der U 47 fet heißen sollte. Temmer spezifizierte auch gleich die technischen Anforderungen. Wichtig schien ihm vor allem hohe Pegelfestigkeit, da viele Toningenieure inzwischen mit Close-Miking-Techniken arbeiteten, bei denen hohe Signalpegel erreicht wurden. Außerdem sollte die Empfindlichkeit nicht höher sein als die eines dynamischen Mikrofons.

Letztere Forderung muss man im historischen Kontext sehen: Die damaligen amerikanischen Pulte und Vorverstärker waren für ausgangsschwache Bändchen- und Tauchspulmikrofone ausgelegt, d. h., sie boten jede Menge Gain, konnten aber keine hohen Eingangspegel verarbeiten. Mit den aus Europa importierten Kondensatormikrofonen, deren Empfindlichkeit im Schnitt 15 − 20 dB höher lag, kam es daher häufig zu Verzerrungen. Letztlich entschied man sich, eine gesonderte Variante für Nordamerika zu fertigen. Das U 47 fet ip (»i« steht für international, also XLR-Anschluss, »p« für Pad), war mit 4 mV/Pa tatsächlich kaum »lauter« als ein dynamisches Mikro, während die Standardversion mit 8 mV/Pa im Bereich des (alten) U 87 lag.

Hier findet ihr Soundbeispiele vom U47 FET: 

>> Das richtige Studio-Mikrofon am Saxofon – Mehr als 50 Soundbeispiele von über 25 Mikrofonen zum Anhören<<

Für heutige Verhältnisse immer noch wenig: Moderne Großmembranmikros liefern mit 20 und 30 mV/Pa gut 10 dB mehr Pegel. Was die Pegelfestigkeit anging, leisteten die Neumann-Ingenieure ganze Arbeit. Satte 137 dB SPL, mit Vordämpfung sogar 147 dB SPL konnte das U 47 fet verzerrungsfrei verarbeiten − damals ungewöhnlich viel für ein Transistormikrofon. Und das war wichtig als Verkaufsargument, denn frühe FET-Mikros erwiesen sich in der Praxis oft weniger pegelfest als ihre Röhren-Vorgänger. Erreicht wurde dies mittels einer für die damalige Zeit ungewöhnlich komplexen Schaltung. Bis dahin waren FET-Mikrofone ähnlich simpel aufgebaut wie ihre Vorgänger, nur dass anstelle der Röhre nun ein einsamer FET als Impedanzwandler fungierte. Die Schaltung des U 47 fet bestand dagegen aus ganzen sieben Transistoren, die eine Art diskreten Operationsverstärker bildeten. Schaltungstechnisch war das U 47 fet seiner Zeit also weit voraus.

Diese moderne Schaltung kombinierte man ganz “old school” mit einem massiven Ausgangsübertrager, der ähnliche Abmessungen hatte wie der seines Röhren-Urahns und entsprechend hohe Übersteuerungsreserven bot. Trotz respektabler Verkaufszahlen blieb dem U 47 fet letztlich der ganz große Erfolg verwehrt. Als es im März 1972 auf den Markt kam, war das U 87 bereits ein fest etablierter Studiostandard und bot bei fast identischem Preis drei Richtcharakteristiken statt nur einer. Zudem ließ sich das U 47 fet im Gegensatz zum (alten) U 87 nicht mit Batteriespeisung betreiben − ein möglicherweise entscheidender Faktor, denn Phantomspeisung war Anfang der 70er längst noch nicht so verbreitet wie heute.

Blättert man durch Audiomagazine jener Zeit, stellt man zudem fest, dass das U 47 fet weit weniger beworben wurde als andere Neumann-Mikrofone, selbst vom US-Vertrieb Gotham Audio, der es ja selbst initiiert hatte. Ende 1986 wurde die Produktion eingestellt; die letzten Exemplare wurden 1989 an RIAS Berlin ausgeliefert.

Spätzünder 

Manchmal werden Talente erst spät entdeckt. Zum gesuchten Studioklassiker wird das U 47 fet eigentlich erst nach dem Produktionsende. Dabei erstaunt die bunt gemischte Schar seiner Anwender von Kate Bush bis Metallica ebenso wie die breite Palette an Instrumenten, für die dieses Mikro von erfahrenen Toningenieuren “entdeckt” wird, von Akustikgitarre über Kontrabass und Blechbläser bis hin zur Bassdrum und wattstarken Marshall-Stacks. Auch für Sprecherstimmen wurde und wird es gerne verwendet. Schwer nachzuvollziehen, wie solch universelle Talente so lange verborgen bleiben konnten.

Bis heute soll es Leute geben, die das U 47 fet für ein sehr teures Bassdrum-Mikrofon halten. Zwar stimmt es, dass das U 47 fet vor der Kick einen ausgezeichneten Job macht, weil es als eines der ganz wenigen Großmembranmikrofone seiner Generation den dort herrschenden Schalldruck verzerrungsfrei verarbeitet. Doch es alleine darauf zu reduzieren, grenzt an Ignoranz.

Eigenständiger Klassiker: Vom röhrenbetriebenen Vorgänger sind nur die Kapsel und der Mikrofonkorb übernommen; Formgebung und Elektronik wurden dagegen stark modernisiert.

Zu den wenigen, die die Talente des U 47 fet bereits früh erkannten, gehört kein Geringerer als Bruce Swedien, der u. a. mit Michael Jackson und Quincy Jones legendäre Alben schuf. Wie der bekennende Mikrofonliebhaber in seinem Buch Make Mine Music schreibt, gehört das U 47 fet zu seinen absoluten Lieblingen. So ist es u. a. seine erste Wahl für Akustikgitarren, die er meist mit seinen beiden U 47 fet in XY-Konfiguration mikrofoniert. Außerdem nutzt er seine “U 47 fet”-Mikros gerne für Percussion, Bläser, speziell Posaune und Flöte, sowie für Sänger mit “guter, aber etwas dünner Stimme.”

In letztere Kategorie würde man wohl auch Gary Barlow von Take That einordnen, der in den letzten Jahren tatsächlich häufig mit einem U 47 fet zu sehen war. Wie ich im Rahmen meiner Recherchen erfuhr, handelt es sich dabei keineswegs um ein Exemplar aus den 70ern oder 80ern, sondern um eine Einzelanfertigung von Neumann, die sich Barlow vor einigen Jahren ein erkleckliches Sümmchen kosten ließ. Mit seiner hohen Pegelfestigkeit ist das U 47 fet aber auch die erste Wahl für so manchen Rock-Shouter und Metal-Screamer. So bestand James Hetfield für die Gesangsaufnahmen zu Metallicas legendärem Black Album explizit auf ein U 47 fet, da die Röhrenversion bei ihm immer schlapp mache.

Reissue 

Was unterscheidet nun die Collectors Edition vom bis 1986 produzierten U 47 fet? Um es kurz zu machen: nichts! Der Aufbau, auch im Innern, folgt exakt den originalen Produktionsunterlagen des Neumann-Archivs. Der vordere Teil der Schaltung ist sogar frei verdrahtet, wie bei den Exemplaren der ersten Produktionsjahre.

Auch bei der Wahl der Komponenten wurden keine Kompromisse gemacht, sondern genau die in den Originalunterlagen spezifizierten Transistoren besorgt, die z. T. heute nur noch in Restbeständen verfügbar sind. Die passiven Komponenten stammen zwar aus aktueller Produktion, aber auch hier wurden keine “artfremden” Substitutionen vorgenommen d. h., optisch kann ein Fachmann erkennen, dass das Mikrofon nicht 1975 gebaut wurde, aber wo früher ein Styroflex-, Tantal- oder Polyester-Kondensator verwendet wurde, sitzt heute die gleiche Type an gleicher Stelle.

Auch äußerlich wurden keinerlei Veränderungen vorgenommen. Die Collectors Edition sieht aus wie ein perfekt erhaltenes U 47 fet der 1970er. Verschiedentlich liest man, das U 47 fet besitze das gleiche Gehäuse wie sein Röhren-Vorgänger. Das ist nicht richtig. Von Beginn an erhielt das U 47 fet ein eigenes Design mit gekürztem Gehäuserohr, einseitigem Haltebügel inklusive Kabelklemme und einer seitlich versetzten Ausgangsbuchse.

Vom Vorgänger übernommen wurde lediglich der Mikrofonkorb − allerdings ohne Pattern-Wahlschalter − um die akustischen Eigenschaften des Vorgängers nachzubilden. Genau wie beim röhrenbetriebenen U 47, ist die Kapsel recht hoch im Korb montiert, sodass der obere Ring des Korbs einen Teil der Membran verdeckt. Das hat natürlich akustische Auswirkungen und gehört mit zu den Faktoren, die den Klang dieser Mikrofone ausmachen.

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Kurios: Anzeigen zur Markteinführung des U 47 fet zeigen eine Version mit frontseitigen Schaltern und umschaltbarem Pattern, die nie in Serie gebaut wurde. Später wurde das U 47 fet selbst von Gotham Audio nur noch wenig beworben.

Wie aber sieht es mit der für den Klang entscheidendsten Komponente aus, der Kapsel? Im Datenblatt der Collectors Edition ist die Richtcharakteristik des U 47 fet als Niere spezifiziert, während in alten Prospekten “Superniere” zu lesen ist. Das röhrenbetriebene U47 arbeitete dagegen mit Nierencharakteristik (plus der selten genutzten Umschaltmöglichkeit auf Kugel). Nichtsdestotrotz sitzt in der aktuellen Collectors Edition die gleiche legendäre K47-Kapsel wie im U 47 fet der 70er/80er und in den röhrenbetriebenen U 47 der späten 50er. Das natürliche Richtverhalten der K47-Kapsel ist nämlich zwischen Niere und Superniere angesiedelt, d. h., ob Niere oder Superniere im Prospekt steht, ist reine Interpretationssache. Diese Kapsel musste Neumann für die Collectors Edition übrigens nicht neu auflegen; sie wird bis heute in hervorragender Qualität hergestellt und kommt auch in aktuellen Mikrofonen wie dem M 147 und M 149 zum Einsatz.

Nicht von Gestern

Auch wenn diese detailgetreue Neuauflage “Collectors Edition” heißt, für Sammlervitrinen ist das gute Stück eigentlich zu schade. Selbst wenn man nur ganz nüchtern die technischen Daten betrachtet, gehört das vor über 40 Jahren entwickelte U 47 fet keineswegs zum alten Eisen. Zwar liegt das Eigenrauschen mit 18 dB-A etwas über dem heutiger Designs, zumindest unser Testexemplar erreicht jedoch etwas bessere Werte von ca. 15 dB-A, was für alle üblichen Anwendungen völlig ausreicht.

Einen höheren Grenzschalldruckpegel als 137 dB SPL bzw. 147 dB mit Vordämpfung erreichen auch heute nur die wenigsten Großmembranmikrofone. Somit kommt das U 47 fet auf eine Gesamtdynamik von 119 dB − so viel wie ein topaktueller 24- Bit-Wandler der Oberklasse. Was uns aber mehr interessiert, ist das Klangverhalten. Und natürlich die unvermeidliche Frage: Wie nah ist es am Klang seines legendären röhrenbetriebenen Vorgängers?

Direkt vergleichen konnte ich mit meinem sehr gut erhaltenen U 47 “Shortbody” also der späteren Variante mit der gleichen K47- Kapsel wie im U 47 fet (die in frühen U 47 verwendete M7-Kapsel klingt etwas präsenter, aber weder besser noch schlechter). Identisch klingen die beiden Mikrofone nicht. Die unterschiedlichen Elektroniken machen durchaus einen gewissen Unterschied aus, aber vielleicht geringer, als mancher sich vorstellen mag.

Anders als heute war in den 50ern und 60ern niemand an Röhren-Artefakten interessiert; Hauptabnehmer war ja der Rundfunk. Entsprechend sauber klingen gut erhaltene Röhrenmikrofone aus jener Zeit. Hier geht es also nicht um “dirty” vs. “clean”. Am auffälligsten sind die Unterschiede zwischen dem röhrenbetriebenen U 47 und dem transistorisierten U 47 fet in den Bässen und Tiefmitten. Das alte U 47 klingt in den unteren Frequenzen etwas runder und fülliger − was sich in unseren Messungen auch objektiv nachweisen lässt. In den Höhen wirkt das röhrenbetriebene U 47 nicht unbedingt weicher, aber etwas “silbriger”. Insgesamt ist das Grundtimbre jedoch sehr ähnlich. Auch das U 47 fet klingt äußerst stimmig, ausgewogen und natürlich.

Zwar zeichnet es ein etwas nüchterneres Klangbild als sein röhrenbetriebener Vorfahre, verglichen mit modernen Großmembranmikros wie dem Neumann TLM 103 wirkt es jedoch deutlich weicher. Gerade auch in den problematischen S-Lauten klingt das U 47 fet bemerkenswert natürlich und neigt weniger zum Zischeln als viele moderne Mikros. Insofern nimmt es eine sehr interessante Zwischenposition ein: ehrlich, aber nicht schonungslos. Oder wie mein Kumpel sagte: “Das klingt genau, wie ich mich selber höre!” Ich finde, das ist eines der schönsten Komplimente für ein Großmembranmikro. Ist es nicht genau das, was wir in der Popmusik anstreben? Nicht uns selbst den Spiegel vorhalten, wie wir für andere klingen, sondern anderen vermitteln, wie wir uns selber (subjektiv) wahrnehmen.

Neben der menschlichen Stimme vermag das U 47 fet auch eine Vielzahl an Instrumenten in hoher Qualität abzubilden, Percussion, E-Gitarre u.v.m. Trotz der Beschränkung auf nur eine Richtcharakteristik fand ich kaum eine Aufgabe, die das U 47 fet nicht mit Bravour meisterte. Eine interessante Erfahrung machte ich an der Akustikgitarre, wo ich wieder das U 47 fet neben seinem röhrenbetriebenen Vorgänger aufstellte. Beim ersten Test war ich verblüfft, dass das Signal des U 47 fet mir deutlich verfärbter erschien als das des alten U 47. Wie konnte das sein? Nun, aus Platzgründen hatte ich das U 47 hängend aufgebaut, während das U 47 fet aufrecht stand. Sobald ich das U 47 fet umdrehte, klang es ähnlich voll und klar wie der Röhrenklassiker. Mit seiner etwas strafferen Basswiedergabe scheint es im Mix-Kontext sogar im Vorteil. Tja, dieser Bruce Swedien weiß schon, was er tut.

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U 47 fet: Hersteller/Vertrieb Georg Neumann GmbH; UvP/Straßenpreis 3.875,— Euro / ca. 3.790,— Euro

Fazit

“Collectors Edition” klingt nach viel Geld für ein Museumsstück. Mit einem Ladenpreis von knapp 3.800 Euro ist das U 47 fet tatsächlich nicht ganz billig − allerdings musste man zuletzt für ein gebrauchtes Exemplar in ungewissem Zustand ähnlich viel auf den Tisch blättern. Dann doch lieber ein neues!

In Sachen Detailtreue und Verarbeitungsqualität ist die Collectors Edition über jeden Zweifel erhaben: Dies ist kein Nachbau, sondern eine Reinkarnation des Originals. Vor allem aber ist das U 47 fet ein richtig gut klingendes Mikrofon mit verblüffend hohem Gebrauchswert. Man muss kein Nostalgiker sein, um sich in seinen ausgewogenen, klaren Klang zu verlieben. Es mag nicht ganz so schmeichlerisch klingen wie sein berühmter Röhren-Namensvetter, und vielleicht wurde es deshalb so lange unterschätzt. Wer sich jedoch auf das U 47 fet einlässt, ihm seine Eigenständigkeit zugesteht, der findet allmählich heraus, was dieses Mikrofon wirklich auszeichnet, nämlich die Abwesenheit von negativen Charakterzügen. Es wirkt nie harsch, es zerrt nicht, es zickt nicht, trägt nie zu dick auf. Dass das U 47 fet heute begehrter ist denn je, hat einen einfachen Grund: Es ist das Gegenteil einer Diva. Es macht das Leben leichter!


Pro und Contra

+++
detailgetreue Neuauflage
+++
hohe Verarbeitungsqualität
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ausgewogener, klarer Klang
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technisch überraschend aktuell
++
vielseitig einsetzbar

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