Wenn man Elektronik-Produzenten nach dem besten Drumsynth fragt, lautet die Antwort meist: »Pearl Syncussion.« Die japanische Firma hat sich in diesem Segment einen sehr guten Namen gemacht, und die Geräte sind immer noch heiß begehrt.
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Die 1946 in Japan gegründete Firma Pearl, die in Taiwan die weltweit größte Schlagzeugfabrik besaß, begann Ende der 70er-Jahre auch mit der Herstellung von elektronischen Drumkits, um den damals angesagten Geräten von Simmons, die auf etlichen damaligen Produktionen zu hören waren, Paroli bieten zu können. Später gab es sogar eine Zeitlang Gitarren und Synthesizer, wie z. B. den obskuren Polysensor aus dem Hause Pearl; mangels Erfolges wurden diese Produktionszweige aber bald wieder eingestellt.
Syncussion-Kult
Gegen Ende der 70er wurde es für viele Drummer zunehmend ein Muss, sich mit synthetischen Klangerzeugern auszustatten. Der Erfolg der Simmons Drums zwang auch andere Firmen, neue Wege zu gehen. So brachte Pearl das Syncussion Electric Drum System SY-1 im Jahr 1979 für 1.200 Mark auf den Markt. Mit seinem eigenständigen und guten Klang war es für viele Musiker eine echte Alternative zu den verbreiteten Simmons-Modulen. Sowohl Fusion-Drummer wie Alphonse Mouzon als auch ganz anderen Lagern zugehörige Bands wie UB-40 oder Die Krupps setzten den SY-1 ein. In den 90ern erlebte das Gerät wie viele andere analoge Instrumente der 70er- und 80er-Jahre eine kleine Renaissance und wurde auf diversen Aufnahmen als Geheimwaffe eingesetzt. Zu hören ist es z. B. auf Platten von 808 State, OMD, Skinny Puppy, Bolz Bolz, Luke Vibert, Le Car, Adult (Ersatz Audio) und Oliver Lieb. Anfang der Nuller-Jahre wurde das Syncussion Drumbrain immer begehrter und genießt seit Jahren Kultstatus bei Elektronik-Produzenten.
Piuuuu…
Der Syncussion-Drumbrain besteht aus zwei identisch aufgebauten, analogen Drum-Kanälen: Jede Klangerzeugungseinheit wartet mit zwei Oszillatoren, einem 24-dB-Filter, einem Sweep-Generator, einer LFO-Sektion und einer zuschaltbaren Sample&Hold-Einheit auf. Herzstück des Drum-Moduls ist der Drehwahlschalter, mit dem sechs verschiedene Oszillator-Modes angewählt werden können, die aus unterschiedlichen Verschaltungen und Wellenformen (Dreieck, Pulse und White Noise) der beiden Oszillatoren bestehen. Zu den Oszillatorvariationen gehören sowohl verschiedene Frequenzmodulationen als auch unterschiedliche Mischverhältnisse der beiden Oszillatoren sowie der pure Klang des Dreiecks und des Noise-Generators. In manchen Modes beeinflusst die Anschlagsdynamik nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Sweep-Hüllkurve.
Zur Klangbeeinflussung stehen außerdem sieben Fader und zwei Kippschalter zur Verfügung, mit denen man folgende Parameter einstellen kann: Tune (Tonhöhe und Filter-Cutoff), Decay, Width (Range der Filterfrequenz), Sweep (positive oder negative Pitch-Envelope zur Erzeugung von Piuuuu-Disco-Snares), LFO (mit zwei Wellenformen) und Sample&Hold.
Soundmäßig überzeugt der Syncussion auf der ganzen Linie: ultrafette Bassdrums, Noise-Snares oder kranke futuristische Percussion-Klänge − alles kein Problem mit dem SY-1. Das Gerät ist äußerst durchsetzungsfähig und hat dabei einen ganz eigenen Charakter sowie eine große klangliche Bandbreite.
Das DRX-1 ist der Nachfolger des Pearl Syncussion.
Eine Anzeige für das DRX-1 aus der
KEYBOARDS 9/85; das Design der Pads
erinnert stark an das Simmons.
DRX-1
Pearl stattete den Syncussion-Nachfolger DRX-1 mit speicherbaren Drumkits, einer 80er-Jahre-typischen Bedienoberfläche und mehr Kanälen aus. Die analoge Klangerzeugung des 1985 erschienenen Gerätes bietet fünf Drum-Channels (Kick, Snare, 3 x Tom). Jeder Kanal bietet drei Oszillatoren; die Parametrisierung unterscheidet sich deutlich vom Vorgänger. Neben Tonhöhe, einer positiven Pitchbend-Hüllkurve, Filter-Cutoff und dem Oszillator/Noise-Mix gibt es hier noch den Overtone-Parameter, der durch Zumischung eines weiteren, modulierten Oszillators ein zweites Drum-Fell emuliert. Der DRX-1 kann eine große Bandbreite überzeugender, elektronischer Percussion-Sounds generieren, ist aber (auch wegen des schwächeren Filters) dem Syncussion-Drum-Synth unterlegen.
SC-40
Das letzte Drumbrain von Pearl heißt SC-40 und bietet Synthese-Eigenschaften, auf die viele ausgewachsene Synthesizer neidisch wären. Der Drum-Synth kam 1986 auf den Markt und kostete ca. 2.800 Mark. Die Klangerzeugung des SC 40 ist hybrid und wurde von Pearl als »Digital Wave Analog Processing« bezeichnet. Der Oszillator besteht aus einer von 32 digitalen Wellenformen und einem Noise- Generator, der auch als Modulationsquelle eingesetzt werden kann. Bei den meisten Wellenformen handelt es sich nicht um konventionelle Drum-Samples, sondern um kurze und speicherplatzschonende »One Cycle-Waves«, die durch Resynthese gewonnen werden. Ein fertiger Klang besteht aus zwei Oszillatorsträngen, von denen der eine für die Attack-Phase und der andere für die Sustain-Phase des Sounds zuständig ist. Letzterer durchläuft ein sehr gut klingendes analoges 4-Pol-Bandpassfilter, das mit einer Filterhüllkurve ausgestattet ist. Auch dieser Drum-Synth klingt trotz eines soliden Basisklangs lange nicht so kraftvoll und lebendig wie der Syncussion SY-1.
Das Innenleben eines Psycho-X-Syncussion-Clones (Foto von www.dsl-man.de)
Einen (einkanaligen) Syncussion-Clone fürs Eurorack findet man bei
www.pharmasonic.jp.
DIY-Alternativen
Klanglich bleibt der erste Drum-Synth SY-1 von Pearl ungeschlagen und wird mittlerweile zwischen 1.500 und 2.000 Euro gehandelt. So haben sich viele Tüftler darangemacht, Syncussion-Clones zu erstellen. Bausätze und Fertiggeräte gibt es z. B. bei www.dsl-man.de, wo man auch viele Infos zu den bekanntesten Syncussion-Clones von Human Comparator und Psy Cox sowie vielen anderen interessanten DIY-Projekten (Wasp Synth, EMS Haible Krautrock Phaser etc.) findet