In meiner Eigenschaft als Mikrofonflüsterer werde ich ständig gefragt, wie man Mikros durch Modifikationen verbessern kann.
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Warum sollte man ein Mikrofon modifizieren wollen? Vornehmlich natürlich, weil man den Klang verbessern möchte. Das ergibt wenig Sinn bei einem Mikro, das man für teures Geld gerade wegen seines Sounds erworben hat. Mikrofonmodifikationen zielen daher in den allermeisten Fällen auf günstige, um nicht zu sagen billige Mikrofone, die man weniger wegen ihres ohrschmeichlerischen Liebreizes als aufgrund ihres Minimalpreises erworben hat. Daraus ergibt sich eine zweite Antwort auf die Frage nach dem Warum der Modifikation: Ganz einfach, weil man kann!
Wer an einem Mikrofon herumdoktert, muss – gerade als Anfänger – mit der Möglichkeit leben, dass der Patient die Operation nicht überleben könnte. Ruiniert man ein günstiges Mikrofon, dessen Klang man nicht einmal besonders mochte, dann schmerzt das natürlich weniger als der Verlust des gegen das Sportcoupé eingetauschten Vintage-Neumann U47.
Was geht?
Objekt von Mikrofonmodifikationen sind fast immer Kondensatormikros. Bekanntlich werden die günstigsten Modelle mittlerweile schon für deutlich unter 100 Euro angeboten. Da muss die Frage erlaubt sein, die die HipHop-Kultur gleichsam definiert: Yo, was geht?
Der Klang eines Kondensatormikrofons wird vor allem von seiner Kapsel bestimmt. An der Kapsel kann man aber als Laie nichts verbessern. Nur wenige Mikrofongurus wie etwa Klaus Heyne oder der inzwischen verstorbene Stephen Paul modifizier(t)en die Kapseln mit Verstand. Derartige Expertise ist teuer und wird nur von betuchten Kunden in Anspruch genommen, um individuelle Klangvorstellungen zu realisieren. Kapselmodifikationen für Normalmenschen beschränken sich auf das Abschrauben von Resonanzscheiben, die z. B. bei manchen Oktava-Mikrofonen der Membran vorgelagert sind. Ob das sinnvoll ist, darüber lässt sich streiten. Wenn ein Hersteller sich die Mühe macht, eine solche Resonanzdisk zu entwickeln, hat er wahrscheinlich seine Gründe gehabt. Mein Rat: Lassen Sie die Finger von der Kapsel. Als Laie können Sie hier nur Schaden anrichten.
Bleibt die Elektronik. Als Faustregel gilt: Die Elektronik kann nur das Klangpotenzial der Kapsel freilegen. Klingt die Kapsel schäbig, wird auch eine raffinierte Elektronik dies nicht ändern. Eine schlechte Mikrofonschaltung kann dagegen eine gute Kapsel deutlich beeinträchtigen, sowohl im Klang- als auch im Rauschverhalten. Um das zu verstehen, betrachten wir die Funktionsweise eines Kondensatormikrofons mal etwas genauer.
Vereinfachte Darstellung der
KM84 Mikrofonelektronik: Simple is beautiful
Elegant und übertragerlos: vereinfachte
Darstellung der CMT-3/4/5-Schaltung von Schoeps
Die graue Theorie
Abbildung 1 zeigt die vereinfachte Darstellung eines Neumann KM84. Beim Kondensatormikrofon stellt die Kapsel, wie der Name schon sagt, einen Kondensator dar, der aus einer dünnen goldbedampften Membran und einer Gegenelektrode aus massivem Metall besteht. Im Prinzip also ein einfacher Plattenkondensator, wie Sie ihn vielleicht noch aus dem Physikunterricht kennen. Trifft Schall auf die Membran, verändert sich der Abstand zwischen der beweglichen Membran und der starren Gegenelektrode und es kommt zu einer Kapazitätsänderung im Rhythmus der Schallschwingungen. Damit aus dieser Kapazitätsänderung ein elektrisches Signal wird, benötigt die Kapsel eine Polarisationsspannung. Beim KM84 wird diese aus der 48 Volt Phantomspeisung gewonnen – einfacher geht’s nicht.
Das Kapselsignal ist noch sehr schwach und vor allem von einer extrem hohen Impedanz. An einem normalen Preamp mit 1–10 kOhm Eingangsimpedanz würde ein solches elektrisches Signal in sich zusammenbrechen. Ein Impedanzwandler muss her! Ein für Kondensatorkapseln geradezu idealer Verstärkerbaustein ist der Feldeffekttransistor (FET). FETs fühlen sich bei extrem hohen Impedanzen pudelwohl. Der Eingang der Mikrofonelektronik arbeitet mit einer Impedanz von 1 Giga-Ohm (!) – das ist 500.000 Mal höher als ein üblicher Mikrofoneingang am Mischpult. Hinter dem FET hat das Signal eine Impedanz im kilo-Ohm-Bereich. Das ist schon sehr viel niedriger und fast brauchbar für einen Mikrofoneingang, aber nur fast. Um die Impedanz in den gewünschten Bereich von etwa 200 Ohm zu bringen, verwendet das KM84 einen Übertrager mit einem Step-Down-Verhältnis von etwa 7:1. Das Signal wird etwas leiser, aber dafür sinkt die Impedanz (etwa) im Quadrat des Windungsverhältnisses, also 49:1.
Mikrofonmodifikation: Die Spielregeln
Wenn Sie den Drang verspüren, eines Ihrer Mikrofone zu „pimpen“, sollten Sie folgende Punkte bedenken:
• Sie verwirken jeglichen Garantieanspruch.
• Gerade als Neuling auf dem Gebiet der Elektronik bzw. des Lötens können Ihnen leicht Fehler unterlaufen, die das Mikrofon unbrauchbar machen.
• Modifizieren Sie nicht wild drauflos. Überlegen Sie, was Sie erreichen möchten.
• Analysieren Sie die bestehende Schaltung und überlegen Sie, wo Schwachpunkte liegen könnten.
• Modifikationen scheinen zunächst immer positive Ergebnisse zu bringen, einfach weil man glaubt, dass es so sein muss. Machen Sie nach Modifikationen Probeaufnahmen, um Klangveränderungen zu überprüfen, am besten im Blindtest.
• Trennen Sie Musikmachen und Lötarbeiten streng voneinander. Modifikationen lenken das Augenmerk auf winzige Details und nehmen Ihnen den Blick für den Gesamtklang
• Arbeiten Sie nicht an Mikrofonen, die sie dringend in einer Produktion benötigen.
• Überprüfen Sie Ihre Lötarbeiten, bevor Sie das Mikrofon an den Preamp anschließen. Achten Sie insbesondere darauf, dass keine überstehenden Bauteilbeinchen mit dem Metallgehäuse in Berührung kommen.
• Achten Sie bei Bauteilsubstitutionen auf die Polung bzw. Reihenfolge der Anschlüsse. Elkos und Tantalkondensatoren können bei falscher Polung explodieren (!), bei Transistoren sollten Sie unbedingt die Datenblätter konsultieren, um vor dem Einlöten zu erfahren, wie die Anschlussbeinchen angeordnet sind. Hier gibt es keine Norm! Datenblätter erhalten Sie kostenlos unter www.alldatasheet.com.
Die Schaltung des KM84 ist ebenso einfach wie elegant. Leider erfordert sie aber einen guten 7:1-Audioübertrager, der nicht ganz billig ist. Einige chinesische Mikrofone benutzen eine prinzipiell ähnliche Schaltung, bei der zwischen FET und Übertrager aber eine einfache Ein-Transistor-Impedanzwandlerstufe sitzt. So kann man einen billigeren 1:1-Übertrager verwenden, der dann nur noch der Symmetrierung des Ausgangssignals dient. Einer der Nachteile dieser Variante ist, dass die zusätzliche aktive Impedanzwandlerstufe Strom verbraucht und so die zur Polarisation benötigte Spannung etwas weiter absackt als beim OriginalKM84, bei dem gute 46 Volt übrig bleiben. Wie tragisch das ist, hängt davon ab, wie genau sich der Preamp an die P48-Phantomspeisungsnorm hält; viele Preamps liefern nämlich nicht annähernd die vorgeschriebenen 10 mA maximaler Stromaufnahme.
China liebt Schoeps
Sehr weit verbreitet bei fernöstlichen Kondensatormikros ist eine vereinfachte Variante einer älteren Mikrofonschaltung vom deutschen Nobelhersteller Schoeps. Schon daran können Sie erkennen, dass die Schaltung nur geringen Einfluss auf das Klangverhalten hat, denn nur weil ein Mikrofon eine Schoeps-ähnliche Elektronik besitzt, klingt es noch lange nicht wie eins der edlen Mikros aus Karlsruhe. Die 1965 eingeführten CMT-3/4/5-Mikrofone arbeiten übertragerlos. Als die Schaltung entstand, waren Übertrager noch überall zu finden, doch wenn man wie Schoeps extreme Transparenz und Linearität anstrebt, ist übertragerlose Technik klar im Vorteil. Für fernöstliche Hersteller ist die Schaltung aus anderen Gründen attraktiv: Übertrager sind ein Kostenfaktor, Transistoren sind heute – anders als zu der Zeit, als die Schoeps-Schaltung entstand – extrem billig bei konsistenter Qualität.
Bei der Schoeps-Schaltung sitzt hinter dem FET eine Ausgangsstufe aus zwei bipolaren Transistoren (das ist die „übliche” Sorte), die sowohl Impedanzwandlung als auch Symmetrierung übernimmt. Damit sind jetzt insgesamt drei der kleinen Stromfresser am Werk. An einer anständigen Phantomspeisung bleiben bei günstigen Windverhältnissen immer noch ca. 42 Volt übrig für die Polarisation der Kapsel. Als Schoeps Mitte der 60er diese Schaltung einführte, war die 48V-Speisung aber noch mit einer maximalen Stromaufnahme von nur 2 mA spezifiziert, da wäre nur eine dürftige Polarisationsspannung übrig geblieben. Schoeps integrierte daher einen Spannungswandler, der aus der Phantomspeisung eine kleinere Spannung abzwackt und daraus eine 60-Volt-Spannung generiert, mit der die Kapsel polarisiert wird. Spannungswandler waren damals gang und gäbe, denn seinerzeit waren noch verschiedene andere Speisungsmethoden weit verbreitet, wie z. B. die 12V-Tonaderspeisung (T-Power), die unbedingt einen Spannungskonverter erforderten.
Die CMT-3/4/5-Schaltung (siehe Abbildung 2) hat alles, was gutes Schaltungsdesign ausmacht: Sie arbeitet effektiv, benötigt relativ wenige Bauteile und ist auch noch sehr kostengünstig, besonders wenn man wie die fern-östlichen Hersteller ein paar nicht essenziell benötigte Bauteile wegrationalisiert. In China-Mikros findet man die (vereinfachte) Schoeps-Schaltung sowohl mit als auch ohne Spannungskonverter. Außerdem funktioniert die Schaltung mit einer Reihe verschiedener Bauteile, sodass Hersteller z. B. Transistoren benutzen können, die gerade gut und günstig erhältlich sind. Laut Originalschaltplan sollte der FET selektiert und einige Widerstände sollen paarweise abgeglichen werden. Tatsächlich funktioniert die Schaltung noch zufriedenstellend ohne solche Maßnahmen – die beim Kostendruck der Fernostfertigung kaum in Frage kommen.
Das Schaltbild Retro Jr. –
da werden Erinnerungen wach.
Nach kleineren „Aufräumarbeiten“ gleicht
die Schaltung der chinesischen Schoeps-Variante.
Praktische Übungen
Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind Mikrofonschaltungen also lineare Verstärker/ Impedanzwandler, die keine bewusste Klangformung vornehmen. Da fragt man sich, wo denn die Ansatzpunkte für sinnvolle Modifikationen zu finden sein sollen? Um dieser Frage nachzugehen, werde ich im Folgenden exemplarisch ein günstiges Mikrofon chinesischer Provenienz vor Ihren Augen sezieren und umfassend verarzten.
Als Kandidaten für meine Doktorspiele habe ich mir das t.bone Retro Jr. ausgeguckt, das mit 59 Euro zu den preisgünstigsten Großmembran-Kondensatormikros dieses Erdballs gehört und mir netterweise vom Musikhaus Thomann zur Verfügung gestellt wurde. Einen Testbericht finden Sie übrigens in KEYBOARDS 03/05. Im Rahmen jenes Tests konnte ich bereits feststellen, dass das Retro Jr. ein fast schon idealer Kandidat für Mikrofonmodifikationen ist, denn es besitzt ein stabiles, leicht zu öffnendes Gehäuse und klingt schon „out of the box” trotz einer recht einfachen Schaltung recht anständig – das deutet auf eine brauchbare Kapsel. Der Vollständigkeit halber sollte ich anmerken, dass das Mikro ursprünglich 129 Euro kostete und der jetzige Preis vermutlich als Ausverkaufspreis zu verstehen ist.
Original und Modifikation im Vergleich:
Frequenz- und Phasengang laut Schaltungssimulator
Rauschverhalten von Original und
Modifikation laut Schaltungssimulator
Abbildung 3 zeigt das Innenleben des Retro Jr. und Abbildung 4 die dazugehörige Schaltung, die ich transkribiert und in ein Schaltungssimulationsprogramm eingegeben habe. Wie Sie vielleicht bereits erkennen, handelt es sich um eine etwas wunderliche Mischung aus einer KM84-artigen Beschaltung des FETs (Q1) und einer Schoeps-artigen Ausgangsstufe (Q2 u. Q3). Dazwischen ist eine zusätzliche Transistorstufe um Q5 angeordnet, die zwischen den beiden Schaltungskonzepten vermitteln soll. Der Teil um Q4 ist ein Spannungsregler, den Sie erst mal ignorieren können.
Weniger Rauschen
Was mir beim Antesten des Retro Jr. gleich auffällt, ist ein etwas erhöhtes Grundrauschen. Beim seinerzeit für KEYBOARDS getesteten Exemplar war das Rauschen übrigens etwas geringer. Ich vermute als Schuldigen zunächst den FET. FETs sind in der Fertigung weit weniger konsistent als „normale” bipolare Transistoren. Dass ein Exemplar mal etwas mehr rauscht, ist keine Seltenheit. Es stimmt allerdings nicht, wie man mancherorts liest, dass die in chinesischen und russischen Mikrofonen verwendeten FETs generell von schlechter Qualität seien.Wie sich herausstellt, war auch der FET im Retro Jr. OK. Der Austausch gegen ein als besonders rauscharm bekannten Typ (2SK170) brachte keine Verbesserung.
Der nächste Verdächtige ist der Schaltungsteil um Q5. Der Nutzen dieser zusätzlichen Stufe will sich mir nicht so ganz erschließen, sie wirkt auf mich wie nachträglich eingefügt. Da die Schaltung ohnehin schon im Schaltungssimulator ist, kommt mir die Idee, die Zwischenstufe zu entfernen und die Elektronik zu einer Schoeps-ähnlichen Schaltung umzustricken. Praktischerweise geht das beim Retro Jr. allein durch das Entfernen einiger Bauteile und das Einfügen von nur zwei kurzen Kabeln, um die Schaltungsteile wieder zu verbinden.
Schaltungssimulationsprogramme besitzen auch Funktionen zur Ermittlung von Eingangs- und Ausgangsrauschen. Zwar sind diese Rauschanalysen nicht besonders verlässlich, aber im vorliegenden Fall ist der Abstand zwischen Originalschaltung und modifizierter (d. h. reduzierter) Schaltung so deutlich, dass ich sofort zum Lötkolben greife. Und tatsächlich: Das Rauschen verringert sich von geschätzten 22 dB-A auf knapp 18 dB-A. In diesem Bereich sind 4 bis 5 dB ein deutlich hörbarer Unterschied. Achten Sie bei den Klangbeispielen auf die Ausklingphase des letzten Gitarrenakkords.
Die Modifikation besteht einzig im Auslöten der Widerstände R3, R5, R6 und R7, der Kondensatoren C2 und C3 sowie dem Transistor zwischen den beiden blauen Kondensatoren (Abbildungen 8 und 9). Nun müssen Sie nur noch zwei Drahtbrücken einlöten. Jeweils eine von den hinteren beiden Anschlüssen des FET (S=Source und D=Drain) zu den beiden Kondensatoren C5 und C6. In Abbildung 8 ist gut zu erkennen, welche der freigewordenen Bauteillöcher sich anbieten. Fertig. Acht geben müssen Sie eigentlich nur, dass Sie die Platine nicht beschädigen.Wenn Sie zu lange auf einer Stelle „herumbrutzeln”, kann sich die betreffende Leiterbahn lösen. Durch die Modifikation wird übrigens die Phase gedreht; um wieder in den Genuss der korrekten Phasenlage zu kommen, müssen Sie deshalb den Phasenschalter am Preamp drücken oder besser die von Pin 2 und 3 des XLR-Stecker kommenden Anschlüsse (der weiße und der rote Draht) auf der Platine vertauschen.
Besserer Klang: Kondensatoren
Als positiven Nebeneffekt der Modifikation haben wir einen seltenen Japan-Transistor erbeutet (Abbildung 9, unten – nicht wegwerfen!), vor allem aber sind wir C3 losgeworden, ein „böser” Elektrolytkondensator im Signalweg. Elektrolytkondensatoren sind gepolt und schon deshalb keine idealen Bauteile für Audiosignale, die ja kleine Wechselströme darstellen.
Billige Nummer: Nicht
nur kein Geld ausgegeben, sondern
auch noch Beute gemacht!
Verschiedene 1 nF Kondensatoren
von böse bis bezaubernd (und
von oben nach unten):
Keramik, Polyester, Hochvolt-Polypropylen,
Niedervolt-Polypropylen, Styroflex
Die üblichen Mikrofonmodifikationen beruhen auf dem Austausch von Kondensatoren im Signalweg. Kondensatoren gibt es in einer Vielzahl von Bauformen (Abbildung 10).Wie das Leben so spielt, sind die guten Sorten meist auch die teuren. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Qualität des Kondensators eine umso größere Rolle spielt, je höher die Impedanz des betreffenden Schaltungsteils ist. Der vielleicht wichtigste Kondensator in einer Mikrofonschaltung ist daher der, der die Kapsel mit dem FET verbindet, wo das Signal noch ganz schwach ist und wir es mit einer Impedanz im GigaOhmBereich zu tun haben. Glücklicherweise wird hier nur ein sehr kleiner Kondensator benötigt, 1 nF (= 1.000 pF) ist ein typischer Wert. Für so kleine Kapazitäten kann man die besten Kondensatormaterialien verwenden. Polypropylen und Styroflex (= Polysteren) gelten als die hochwertigsten Materialien (von ganz exotischen mal abgesehen). Polyester (MKS/MKT) ist nicht ganz so gut. In Fernost-Mikros findet man oft billige keramische Kondensatoren als Verbindung von Kapsel und FET. Bei Keramik-Kondensatoren gibt es verschiedene Qualitäten, aber selbst die besten (NPO/COG) reichen nicht an die klangliche Transparenz heran, die Polypropylen oder Styroflex erreichen. Styroflex wurde in vielen Vintage-Mikros verwendet, ist inzwischen aber nicht mehr überall erhältlich. Eine günstige Quelle ist Reichelt (www.reichelt.de). Ein sehr guter Ersatz sind die blauen Polypropylen-Kondensatoren von BC Components, die u. a. bei Conrad erhältlich sind. Polypropylen-Kondensatoren, die für sehr hohe Spannungen spezifiziert sind, eignen sich nicht ganz so gut. Erstens sind sie viel größer und passen nicht in jedes Mikro, und zweitens erreichen sie ihre Spannungsfestigkeit oft durch interne Reihenschaltung. Es handelt sich also eigentlich um mehrere Kondensatoren hintereinander, was das Audiosignal dann trotz guter Materialien beeinträchtigen kann.
Beim Austausch dieses wichtigen Kondensators sollten Sie besonders vorsichtig vorgehen. Nicht ohne Grund werden diese Kondensatoren meist nicht mit der Platine verlötet, sondern an speziellen „Stützpfosten”, die für hohe Isolation sorgen. Bei so hohen Impedanzen können nämlich schon schwach leitende Lötreste das Signal deutlich beeinträchtigen. Reinigen Sie nach dem Löten die Pfosten und die sie umgebende Platine von Lötfett- und Flussmittelresten.
Achten Sie auch darauf, dass Sie die GigaOhm-Widerstände nicht beschädigen. Das sind die flachen, rechteckigen Bauteile links und rechts des Kondensators, die gar nicht so richtig wie Widerstände aussehen. Meist tragen sie die Aufschrift „IKM” (= 1.000 MegaOhm) oder „2KM” (= 2.000 MegaOhm). Diese Bauteile hat garantiert kein Elektronikhändler vorrätig. Ein GigaOhm ist ein unfassbar hoher Wert, den kein Mensch benötigt – außer, er will ein Mikrofon bauen. Der Kondensator, der die Kapsel mit der Elektronik verbindet, ist übrigens oft nicht auf der Platine, sondern darunter zu finden, vermutlich, um die kleinen Pfosten von beiden Seiten zu terminieren, denn durch die extrem hohe Impedanz ist die Schaltung an dieser Stelle sehr empfänglich für Einstreuungen. Auch wenn ich nichts dergleichen beim t.bone Retro feststellen konnte, habe ich sicherheitshalber – und auch, weil’s bequemer war – den Styroflex-Austauschkondensator auf der Unterseite der Pfosten angelötet (Abbildung 11).
Kleine Bauteile, große Wirkung
Was bringt der bessere Kondensator für den Klang? Am Frequenzgang ändert sich überhaupt nichts, dennoch bemerkt man im Vorher/Nachher-Vergleich einen Unterschied. Beim t.bone Retro war er hörbar, wenn auch nicht sehr groß – vermutlich handelte es sich beim Original-Kondensator um ein Keramik-Modell der besseren Sorte. Vielleicht lag es auch daran, dass der Signalweg an anderen Stellen noch nicht „aufgebohrt” war. Bei anderen Mikrofonen, die ich modifizierte, war ein recht deutliches Plus an Transparenz zu vermelden. Gerade die schlechteren Vielschicht-Keramik-Kondensatoren führen zu einem leicht nasalen Klang.
Gutes Testmaterial ist gestrummte Akustikgitarre. Besonders bei den Attacks wirkt der Klang beim keramischen Kondensator etwas eingeengt und flach; mit einem Styroflexoder guten Polypropylen-Kondensator klingt die Gitarre frischer und offener, und sie scheint einen tieferen Korpus zu bekommen. Am besten hört man den Unterschied, wenn man die Keramikvariante mehrmals hintereinander hört und dann zur modifizierten Version wechselt. Interessanterweise hört man den Unterschied auf billigen Boxen manchmal deutlicher als auf teuren. Ein Problem bleibt natürlich immer, dass man keine zwei absolut identischen Takes hinbekommt, außerdem spielt man meist schlecht und inkonsistent, sobald man vom Lötkolben zur Gitarre wechselt. Trotzdem ist die beschriebene Klangveränderung in unterschiedlich starker Form eigentlich immer zu bemerken. Nicht immer passt aber der transparentere Klang zum Grund-Sound des Mikrofons. Entscheiden Sie daher nicht pauschal, sondern immer im konkreten Fall. Manchmal produziert ein prinzipiell schlechteres Bauteil den subjektiv angenehmeren Klang.
Auf dem Papier hat sich durch die Vereinfachung der Schaltung nicht viel an der Basswiedergabe geändert. Im Höreindruck scheint der Bass ein wenig beschnitten. Für die tiefen Frequenzen entscheidend sind die beiden Kondensatoren C5 und C6. Sie bilden mit der Eingangsimpedanz der Ausgangsstufe einen Hochpass. Mit 100 nF sind sie etwas knapp bemessen. Bei jeder Verdoppelung sinkt die Grenzfrequenz um eine Oktave. 200 nF wären prinzipiell schon mehr als ausreichend. Größere Werte bringen trotzdem eine hörbare Verbesserung, vermutlich weil sich der Phasengang verbessert.
Mit 1 uF, also dem zehnfachen Wert der originalen Kondensatorbestückung, ist der Phasengang der Schaltung über den gesamten Hörbereich fast linear. Allerdings wird das Mikrofon durch die sehr niedrige Grenzfrequenz deutlich empfindlicher für Trittschall. 470 nF wären ein guter Kompromiss. Für diesen Schaltungsteil benutze ich gerne Kondensatoren der deutschen Firma Wima. Polypropylen kommt hier kaum in Frage; 1 uFKondensatoren aus Polypropylen sind sehr groß und würden nicht ins Gehäuse passen. Gut geeignet sind Polyesterkondensatoren der MKS2 Baureihe. Sie sind klein und passen exakt in die Bohrungen der Platine. Außerdem sind sie von besserer Qualität als die originalen Bauteile, bei denen es sich vermutlich um Vielschicht-Keramik-Kondensatoren handelt.Von Außen ist das leider nicht immer zu bestimmen; Kondensatoren besitzen meist nur eine Kapazitätsangabe. Auf das verwendete Material kann man nur aufgrund der Größe schließen oder weil man schon einmal Kondensatoren derselben Baureihe erworben hatte. Das Klangbeispiel zeigt, dass der Sound mit den größeren Wima-Kondensatoren deutlich wuchtiger wird, obwohl die Gitarre gar keine Frequenzen unterhalb der ursprünglichen Grenzfrequenz von etwa 26 Hz erzeugt.
Spannendes Intermezzo
Durch das Umstricken der Schaltung wurde das Rauschen ja bereits deutlich reduziert. Mit etwa 18 dB-A liegt es nun im vollkommen brauchbaren Bereich und wird nur besonders kritischen Naturen Anlass zur Klage geben. Dummerweise gehöre ich als Testautor natürlich genau zu dieser Kategorie Mensch. Ein probates Mittel, das Rauschen weiter zu reduzieren, ist ein Gleichspannungswandler, der eine höhere Polarisationsspannung für die Kapsel generiert.
Die Theorie besagt, dass eine doppelte Polarisationsspannung in etwa auch ein doppelt so starkes Kapselsignal erzeugt. Da das Rauschen der Schaltung gleich bleibt, ergibt sich durch das stärkere Nutzsignal ein höherer Signal/Rauschabstand. In Zahlen: An einem Preamp mit korrekter Phantomspeisung bleiben noch knapp 42 Volt für die Polarisation der Kapsel; das Eigenrauschen beträgt wie gesagt etwa 18 dB-A. Durch Verdoppelung der Polarisationsspannung auf 84 Volt würden wir ein etwa 6 dB stärkeres Signal erhalten und das Eigenrauschen auf rund 12 dB-A sinken. Das wäre ein guter Wert. Nun kann bzw. sollte man die Polarisationsspannung nicht beliebig erhöhen. Durch elektrostatische Anziehung wird die Membran bei zunehmender Spannung von der Gegenelektrode angesaugt. Das kann zu Klangveränderung führen, weil die Membran dadurch steifer wird, außerdem kommt irgendwann der Punkt, wo die Membran die Gegenelektrode berührt. Dann gibt’s gar kein Signal mehr.
Die Schoeps-Schaltung erzeugt eine Polarisationsspannung von 60 Volt, sicher ein guter Kompromiss. Bei meinem eigenen „experimentellen” Gleichspannungswandler habe ich aus sportlichem Ehrgeiz nicht auf das Schoeps-Design zurückgegriffen, sondern selbst einen entworfen, der mit einem CMOSBaustein arbeitet und sehr flexibel konfigurierbar ist. Prinzipiell kann so ein Baustein Spannungen bis etwa 120 Volt erzeugen. Ich habe mich fürs Erste mit 75 Volt beschieden. Einen Schaltplan muss ich Ihnen schuldig bleiben, denn aus verschiedenen Gründen würde ich Ihnen vom Nachbau abraten: Der CMOS-Spannungswandler arbeitet mit einem Hochfrequenzoszillator, der leicht in den Audioteil der Schaltung einstreuen kann, wenn man die Bauteile ungeschickt anordnet. Prinzipiell bietet so ein Spannungswandler auch die Möglichkeit, die Kapsel zu ruinieren.
Außerdem verhalten sich CMOS-Bausteine mitunter wunderlich. Es hat mich einige Wochenenden gekostet, den Stromhunger der Schaltung zu beseitigen und den hochfrequenten Dreck aus der Ausgangsspannung zu filtern. Übrigens sind in Neumann- und Røde-Mikrofonen ganz ähnliche Spannungswandler verbaut. Wie so ein CMOS-Spannungswandler prinzipiell funktioniert, können Sie in einem alten Artikel nachlesen, den Sie bei www.gyraf.dk unter „Resources” herunterladen können.
Wie Sie anhand der Klangbeispiele nachprüfen können, bringt das Erhöhen der Polarisationsspannung den vorhergesagten Effekt. Der Rauschabstand verbessert sich um 5 bis 6 dB. Das Eigenrauschen liegt nun bei rund 12 dB-A. Ein guter Wert. Die Stromaufnahme der gesamten Schaltung einschließlich Spannungswandler liegt nach längerem Experimentieren bei nur 2,6 mA, kaum mehr als die Schaltung ohne Spannungswandler. Damit sollte auch eine schwache Phantomspeisung zurechtkommen.
Nachspielzeit
Eigentlich sollte damit die Modifikation des t.bone Retro Jr. abgeschlossen sein. Gewisse Klangveränderungen ließen sich aber noch durch Austausch des FET und Veränderung seiner Versorgungsspannung erzielen. Ausprobiert habe ich den Original-FET, (in mehreren Exemplaren) den beliebten Toshiba 2SK170 und den im KM84 verwendeten und gut erhältlichen 2N3819. Letztlich entschieden habe ich mich nach längerem Experimentieren und Hörvergleichen für den 2N3819 mit einer etwas höheren Versorgungsspannung durch Austausch der 6,2V-Zenerdiode (D1) durch eine 12V-Zenerdiode. Der Klang gewinnt durch die Modifikation weiter an Transparenz und Detailreichtum.
Aus reiner Neugier habe ich außerdem noch die Transistoren der Ausgangsstufe ausgetauscht. An dieser Stelle benutze ich gerne Transistoren vom Typ BC556B, die extrem günstig zu haben sind. Ziel war es, die beiden Transistoren zu „matchen”. Die heutige Fertigung ist bereits so konsistent, dass Transistoren mit demselben Date-Code kaum voneinander abweichen. Misst man dann noch die Stromverstärkung (Hfe) mit dem in Multimetern üblicherweise enthaltenen Transitortester und selektiert zwei Transistoren mit möglichst identischen Werten, kann man von einem wirklich guten Matching ausgehen. Eigentlich hätte ich keine große Klangveränderung erwartet, der Sound wurde durch die besser aufeinander abgestimmten Transistoren aber doch hörbar klarer.
Fazit
Ich muss zugeben, das Mikrofon gefällt mir nach den Modifikationen besser, als ich es überhaupt vorhatte. Dennoch ist der gute Klang weniger das Verdienst meiner Lötarbeiten als das der für diesen Preis unverdient guten Kapsel. Denn wie ich eingangs anmerkte, kann eine noch so gute Schaltung nicht mehr aus einem Mikrofon herausholen, als die Kapsel zu leisten vermag. Die Elektronik kann nur einen möglichst großen Teil des hoffentlich vorhandenen Klangpotenzials freilegen.
Müssen Sie jetzt unbedingt zum Lötkolben greifen? Nein, es geht auch ohne: Für nur wenig mehr Geld als das Retro „Pimp” Jr. können Sie z. B. ein Studio Projects B1 kaufen, das „out of the box” schon mit einem Eigenrauschen von 12 dB-A aufwartet. Für knapp 200 Euro bietet Røde das NT1-A an, das mir bei meinen Modifikationen als Haupt-Vergleichsobjekt diente. Das Røde kommt ab Werk mit einer tadellosen Schaltung mit guten Bauteilen und einem CMOSSpannungswandler, der für ein Eigenrauschen von nur 5 dB-A sorgt. Und für den feinen Klang der Neumann-Klasse oder ein echtes Schoeps müssen Sie natürlich auch weiterhin Geld anlegen. Durch Modifikation von Fernost-Mikros ist solche Noblesse nicht zu erreichen.
Dennoch sind Mikrofonmodifikationen keine verschwendete Zeit. Man kann viel über Mikrofone lernen, und ein selbst verbessertes Mikro erzeugt schon ein gewisses Gefühl von Stolz und intensiviert die Verbundenheit mit seinen Arbeitsgeräten. Gleichzeitig erhält man neuen Respekt vor seinen unmodifizierten Nobelmikros, denn nun weiß man um die Expertise ihrer Entwickler.
Zu Q5:
Q5 sorgt für die Symmetrierung des Signals ! An Collector und Emitter wird
gegenphasig ausgekoppelt . Die anschließenden Emitterfolger Q2 u. Q3 sorgen für Entlastung und gleichen Ausgangswiderstand auf der symmetrischen Leitung ! Bei der oben beschriebenen Modifikation geht die Symmetrierung verloren. Ein nachfolgender symmetrischer Vorverstärker ( Mischpult ) kann so nicht funktionieren . So gesehen reduziert sich das Ausgangssignal um 6 dB weswegen man mehr Vorverstärkung ( unsymmetrisch ) bräuchte. Das aber bedeutet auch mehr Rauschen.
Die Symmetrierung geht nicht verloren, weil durch die Modifikation der Eingangs-FET (Q1) zum Phase Splitter umkonfiguriert wird (siehe 2. Schaltbild). Das entspricht im Grundsatz der weiter oben zitierten Schoeps-Schaltung.
Ein Superartikel !!!!
Zu Q5:
Q5 sorgt für die Symmetrierung des Signals ! An Collector und Emitter wird
gegenphasig ausgekoppelt . Die anschließenden Emitterfolger Q2 u. Q3 sorgen für Entlastung und gleichen Ausgangswiderstand auf der symmetrischen Leitung ! Bei der oben beschriebenen Modifikation geht die Symmetrierung verloren. Ein nachfolgender symmetrischer Vorverstärker ( Mischpult ) kann so nicht funktionieren . So gesehen reduziert sich das Ausgangssignal um 6 dB weswegen man mehr Vorverstärkung ( unsymmetrisch ) bräuchte. Das aber bedeutet auch mehr Rauschen.
Hallo
Die Symmetrierung geht nicht verloren, weil durch die Modifikation der Eingangs-FET (Q1) zum Phase Splitter umkonfiguriert wird (siehe 2. Schaltbild). Das entspricht im Grundsatz der weiter oben zitierten Schoeps-Schaltung.
Lieben Gruß aus der Redaktion