PreSonus Quantum: Thunderbolt-Audio-Interface im Test
von Dr. Andreas Hau,
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Fürs Monitoring verwenden Audio-Interfaces üblicherweise eine Mixer-Software, um Treiberlatenzen zu umgehen. Beim neuen Thunderbolt-Audio-Interface Quantum verzichtet PreSonus auf ein separates Mixer-Panel; stattdessen wird das Monitoring über das Mischpult der DAW geregelt: alles an einem Ort! Die dabei entstehenden Latenzen minimiert PreSonus durch einen Trick, der eigentlich keiner ist: extrem rasante Treiber. Hört sich gut an, aber funktioniert das auch in der Praxis?
Äußerlich wirkt das PreSonus Quantum recht schmuck, wenn auch eher konventionell. Bis hierhin kein Quantensprung, aber das hat ja auch sein Gutes: Wer sich ein bisschen mit Audio-Interfaces auskennt, wird sich rasch zurechtfinden, denn alles sitzt wo man es vermuten würde. Als Besonderheit hat das Quantum einen eingebauten Monitoring-Controller in Form eines großen Lautstärkereglers und dedizierter Taster für Talkback (samt eingebautem Mikro), Dim/Mute und Mono. Alles ohne fummelige Menüs und Doppelfunktionen. Ein Gerät, mit dem man gleich loslegen kann. Also ran an den Speck!
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Straight Forward
Die Ausstattung ist typisch für Geräte der mittleren Preisklasse: Acht Mic/Line-Eingängen stehen acht Line-Ausgänge gegenüber. Dazu kommen zwei frontseitig regelbare Monitor-Outs zum Direktanschluss von Aktivboxen und zwei Kopfhöreranschlüsse (natürlich stereo), die über eigene Wandlerkanäle verfügen und sich separat adressieren lassen. Macht insgesamt acht analoge Eingangskanäle und 14 analoge Ausgangskanäle. Digitale Audioanschlüsse gibt’s selbstredend auch, und zwar je zwei ADAT-Anschlusspaare sowie ein Paar koaxiale S/PDIF-Buchsen für insgesamt je 18 digitale Ein- und Ausgangskanäle. Bei 88,2 bzw. 96 kHz Abtastrate können die ADAT-Anschlüsse im S/MUX-Modus mit halber Kanalzahl, also vierkanalig, betrieben werden. Bei 176,4 bzw. 192 kHz fallen alle digitalen Audioanschlüsse weg. Zur Clock-Synchronisation stehen Word-Clock-Anschlüsse zur Verfügung. Und auch die guten alten MIDI-Anschlüsse hat PreSonus nicht wegrationalisiert. Da scheint es allgemein eine Trendwende zu geben, denn das Analog-Synth-Revival hat das alte Mütterchen unter den digitalen Schnittstellen quasi zur heißbegehrten MILF gemacht.
Zur Kommunikation mit dem Computer nutzt das Quantum indes eine topaktuelle Technologie, die rasant schnelle Thunderbolt-Schnittstelle. Es kommen die bislang üblichen Thunderbolt-1/2-Steckverbinder zum Einsatz; für Computer mit Thunderbolt 3 wie die neusten MacBook-Pro-Modelle benötigt man einen Adapter. Das teure Thunderbolt-Kabel gehört, wie so oft, nicht zum Lieferumfang. Immerhin hat PreSonus, anders als viele andere Hersteller, sein Audio-Interface mit zwei Ports ausgestattet, sodass per Daisy Chain weitere Thunderbolt-Geräte (oder auch ein Displayport-Monitor) angeschlossen werden können. Ganz selbstlos ist PreSonus dabei nicht: So lassen sich nämlich mehrere Quantum-Interfaces im Verbund betreiben. Der Treiber kann bis zu vier »Quanten« als Aggregate-Device verwalten; praktisch ausprobieren konnte ich dies mangels eines zweiten Testgeräts leider nicht.
Treiber gibt es sowohl für MacOS als auch für Windows (ab Win 10). Wobei PCs mit Thunderbolt-Port nach wie vor selten sind; de facto ist das PreSonus Quantum also primär ein Audio-Interface für Macs. Getestet habe ich es an einem MacBook Pro 13 (late 2011 Modell, Intel i5 mit 2,4 GHz und 16 GB RAM, SSD). Obwohl die Treiber offiziell erst ab MacOS 10.11.6 (Sierra) spezifiziert sind, liefen die Installation und der Betrieb unter 10.9.5 (Mavericks) problemlos. Außer Treibern erhält der Quantum-Käufer eine Menge zusätzlicher Software in Form der »Studio Magic Plug-in Suite«. Dazu gehören die Eventide-Plug-ins 910 Harmonizer und 2016 Stereo Room, drei Plug-ins der Plugin Alliance, nämlich der Brainworx bx_opto Kompressor, der SPL Attacker und der Maag Audio EQ2, sowie der Lexicon MPX-i Reverb und der Klangerzeuger Arturia Analog Lab Lite. Feine Sachen! Dazu kommt PreSonus’ eigene DAW-Software Studio One in der Artist-Version – wer auf die Vollversion Studio One Professional umsteigen möchte, kann als Quantum-Käufer das Upgrade mit 50 % Rabatt erwerben.
Bild: Dr. Andreas Hau
Klares Bedienkonzept ohne Doppelbelegungen; der große Lautstärkeregler steuert tatsächlich nur die Lautstärke.
Bild: Dr. Andreas Hau
Viele Anschlüsse auf engstem Raum: Nur bedingt praktisch sind die Combobuchsen, die ein Umverkabeln für den Wechsel zwischen Mikrofonund
Line-Betrieb erfordern. Dafür punktet das Quantum mit MIDI-Anschlüssen. Die Stromversorgung übernimmt ein externes Netzteil.
Treiber Performance
In Sachen Niedriglatenz-Performance setzt das PreSonus Quantum tatsächlich Maßstäbe. Bereits im niedrigsten Setting mit 32 Samples arbeitet der Treiber auf meinem kleinen MacBook Pro ohne Aussetzer. Die Eingangslatenz beträgt 0,91 ms, die Ausgangslatenz 1,09 ms, d. h., die fürs Monitoring relevante Roundtrip-Latenz beträgt in der Summe gerade mal 2 ms! Natürlich lässt sich bei so kleinen Puffergrößen die Prozessorleistung nicht voll ausschöpfen. Der Edel-Softsynth DIVA von U-He (siehe Kasten »Latenz-Benchmarking«) lässt sich aber immerhin mit fünf Stimmen spielen, bevor erste Knackser auftreten. Im 64-Samples-Setting (Eingangslatenz 1,63 ms, Ausgangslatenz 1,81 ms) lassen sich bereits elf Stimmen spielen. Im 128- Samples-Setting erklingen schließlich alle 16 DIVA-Voices ohne Aussetzer − was auch nahezu Vollauslastung für das kleine MacBook Pro bedeutetet.
Die Ein- und Ausgangslatenzen wachsen dann auf 3,08 ms und 3,27 ms an, womit die Roundtrip-Latenz (d. h. die Verzögerung, mit der z. B. ein Sänger sein eigenes Mikrofonsignal auf den Kopfhörer bekommt) 6,35 ms beträgt. Damit lässt sich noch gut arbeiten. Es bleibt also festzuhalten, dass die Niedriglatenzperformance so gut ist, dass auch bei höherer Systembelastung ein praxisgerechtes Monitoring möglich ist. Nichtdestotrotz scheint ein einigermaßen aktueller Rechner wünschenswert, vorzugsweise mit Quadcore-Prozessor, um mit dem Quantum auch größere Projekte bewältigen zu können.
Beachten sollte man auch, dass nicht jede DAW komfortable Monitoring-Funktionen mitbringt. Bei Cubase macht das erst ab der Vollversion (Cubase Pro) richtig Spaß, da den kleineren Versionen der Cubase Control Room fehlt. PreSonus Studio One ist indes schon in der mitgelieferten Artist-Version fürs Monitoring gerüstet − was sicher auch als Anreiz gedacht ist, jüngere Anwender für die hauseigene DAW-Software zu rekrutieren.
Die Audiowerte überzeugen
Das PreSonus Quantum erreicht im Loop-Test (Ausgang auf Eingang) eine Gesamtdynamik von 115,8 dB. Auch die übrigen Werte entsprechen dem hohen Niveau, das in dieser Preisklasse inzwischen gefordert wird.
Mit der üblichen Abtastrate von 44,1 kHz arbeitet das Quantum bis 20 kHz linear. Lediglich in der Nähe der Grenzfrequenz ist ein leichter Ripple erkennbar, was damit zusammenhängen dürfte, dass die Ausgangsfilter auf minimale Wandlerlatenzen optimiert sind.
Bei maximaler Abtastrate von 192 kHz arbeitet das Ausgangsfilter weicher; das obere Ende des Übertragungsbereichs (±3 dB) liegt bei ca. 75 kHz. Nach unten ist der Übertragungsbereich nahezu unbegrenzt; die Ausgänge sind sogar gleichstromgekoppelt, reichen also bis 0 Hz.
Die Gesamtverzerrungen für DA+AD-Wandlung betragen 0,0022 %, was ein sehr guter Wert ist, den allerdings manche Audio-Interfaces neueren Datums noch deutlich unterbieten. Das Klirrspektrum besteht aber fast ausschließlich aus K2 und K3. Alle Klirranteile höherer Ordnung liegen deutlich unter –120 dBFS.
Klang & Praxis
Die performanten Treiber wären wenig wert ohne Klangleistungen auf einem ähnlich hohen Niveau. In unseren eigenen Messungen erreichen die Wandler einen Dynamikumfang von knapp 116 dB, und zwar für AD- und DA-Wandlung gemeinsam. Das ist ein bisschen weniger als die vom Hersteller versprochenen 120 dB, aber dennoch ein sehr guter Wert in dieser Preisklasse. Die Frequenzgänge sind äußerst linear; auffällig ist lediglich ein leichter Ripple bei 44,1 kHz Abtastrate im Bereich der Grenzfrequenz. Das dürfte mit dem Ausgangsfilter zusammenhängen, das auf minimale Wandlerlatenzen optimiert ist. Bei maximaler Abtastrate kommt, wie es sich gehört, ein weicheres Filter zum Einsatz. Mit Gesamtverzerrungen von 0,0022 % − wieder für AD+DA-Wandlung − erreicht unser Testgerät etwas bessere Werte als vom Hersteller spezifiziert (0,005%). Inzwischen gibt es Audio-Interfaces mit noch deutlich geringeren Verzerrungen, etwa die zuletzt getesteten MOTU 8A und 624 Interfaces mit 0,0001 % THD. Das ist aber ein Unterschied zwischen super sauber und ultra super sauber. Betrachtet man das Klirrspektrum des Quantum, so fällt auf, dass lediglich die tendenziell wohlklingenden Klirranteile K2 und K3 in den (gerade so) hörbaren Bereich ragen; alle Klirranteile höherer Ordnung liegen deutlich unter 120 dBFS.
Die Qualität der eingebauten Mikrofonvorstufen entspricht dem klassenüblichen Niveau: sauber, linear und rauscharm. Im Gegensatz zur Konkurrenz verbaut PreSonus keine Preamp-Chips von THAT oder Burr Brown, sondern setzt auf die hauseigene XMAX-Schaltung, die in Class-A-Technik und mit 30V Betriebsspannung arbeitet. Das Eingangsrauschen spezifiziert PreSonus mit imposanten −131 dBu − gemessen allerdings mit einer Quellimpedanz von nur 40 Ohm statt der üblichen 150 oder 200 Ohm. In der Praxis fand ich die PreSonus-Preamps nicht rauschärmer oder feiner auflösend als die üblichen Chip-Preamps. Was aber alleine daran liegt, dass die heutigen Preamps »von der Stange« ein erstaunlich hohes Niveau erreicht haben, das gar nicht so leicht zu toppen ist, wenn man nicht mehrere hundert Euro pro Kanal zur Verfügung hat.
Das einzige, was mich ein wenig stört, sind die rückseitigen Combobuchsen. Ihr XLR-Teil dient als Mikrofoneingang, der Klinken-Input ist der Line-Eingang. D. h., zum Wechsel zwischen Mikrofon- und Line-Betrieb muss man hinters Rack klettern und die Buchsen umverkabeln. Praktisch sind die Combobuchsen dagegen auf der Gerätefront, wo sie gut erreichbar sind. Durch Drücken des links daneben liegenden Schalters können diese beiden Buchsen außerdem zu Instrumenteneingängen mit hoher Impedanz (1 MegaOhm) umfunktioniert werden.
Die Bedienung ist praktisch selbsterklärend. Mittels zweier Step-Taster wählt man den Preamp-Kanal, über einen Drehregler stellt man die Verstärkung mit digitaler Präzision ein. Separate LED-Ketten für jeden Eingang helfen beim Aussteuern. Die maximale Verstärkung beträgt 60 dB, was für übliche Anwendungen ausreicht; bei Bändchenmikrofonen könnte es ein wenig knapp werden. 48V-Phantomspeisung kann pro Kanal zugeschaltet werden. Und das war’s auch schon; weitere Funktionen wie Low-Cut oder Phasenumkehr gibt es nicht. Auch nicht über das Control-Panel, das ja keinerlei Mixer-Funktionen beinhaltet, sondern lediglich einige Optionen steuert. So lassen sich beispielsweise die beiden Kopfhörerausgänge jeweils separat adressieren oder auf das Signal der Main-Outs routen. Das Control-Panel gibt’s übrigens auch als iOS- und Android-App, sodass man die Funktionen im gemein samen WLAN fernsteuern kann. Was im Falle des Quantum aber nur bedingt interessant ist; mehr Sinn macht die »UC Surface App« in Verbindung mit anderen PreSonus-Interfaces, deren Monitoring konventionell über einen DSP-Mixer verwaltet wird.
Das Monitoring-Konzept des Quantum via DAW wirkt zunächst etwas ungewohnt, hat man sich aber erst einmal eingearbeitet, möchte man kaum mehr zurück. Endlich muss man nicht mehr zwischen DAW und dem Mixer des Audio-Interfaces wechseln. Der Sänger möchte sich ein bisschen lauter hören? Bitteschön, einfach in der DAW-Software den Cue-Send höher drehen! Alles ist an einem Ort, fast wie früher beim analogen Mischpult, aber doch mit allen Annehmlichkeiten der digitalen Welt wie Total-Recall. Sogar die Preamp-Einstellungen des Quantum lassen sich abspeichern, nämlich per MIDI, indem man das Quantum als MIDI-Device in der DAW-Software konfiguriert. Für die PreSonus-eigene DAW Studio One ist das nicht nötig, dort ist die Steuerung bereits integriert. Nettes Extra: Das Control-Panel bietet zusätzlich einen RTA-Modus mit Spektrum-Analyzer sowie Pegel-, Lautheits- und Korrelationsgradmessung.
Fazit
Das PreSonus Quantum zeigt, dass Innovation nicht zwangsläufig zu höherer Komplexität und immer kniffligerer Bedienung führen muss. Im Gegenteil! Dank seiner rasanten Treiber und sensationell niedrigen Latenzen kann das Monitoring dorthin verlagert werden, wo es eigentlich hingehört: in die DAW-Software. Endlich muss man den Monitoring-Mix nicht mehr in einer separaten Software anlegen, sondern kann den DAW-Mixer dazu verwenden. Führende DAW-Software ist bereits für eine solche Arbeitsweise ausgelegt; ansonsten legt PreSonus dem Quantum ja das hauseigene Studio One Artist bei, das durchaus einen genaueren Blick lohnt.
Auch die übrigen Software-Beigaben sind mehr als nur ein kleiner Appetithappen. Auch klanglich kann das Quantum überzeugen, wenngleich es hier, anders als im Bereich Latenzen, keine neuen Maßstäbe setzt. Vorteile gegenüber der Konkurrenz bietet das Quantum bei der Bedienung: Auf unnötigen Firlefanz wurde konsequent verzichtet. Stattdessen setzt PreSonus auf ein klares, angenehm simples Konzept ohne Menüs und mehrfach belegte Taster. Das tut gut angesichts der heutigen technokratischen Hektik. Wie weit diese bereits in den Recording-Alltag eingezogen ist, mag man daran ablesen, dass es inzwischen eine erwähnenswerte Ausnahme ist, wenn ein großer Knopf auf der Gerätefront, wie hier, einfach nur ein Lautstärkeregler ist.
Mit seinen rasanten Treibern, der hohen Klangqualität und einem »entschleunigten«, DSP-Mixer-freien Monitoring-Konzept ist das PreSonus Quantum ein hoch interessantes Gerät für all jene, die lieber komponieren als konfigurieren. Der Preis von 1.339,− Euro (Straße: ca. 1.200,− Euro) scheint absolut gerechtfertigt.
Das PreSonus Quantum ist auch eines der Interfaces, das unser Cheftester Dr. Andreas Hau zu seinen Top 5 Interfaces zählt. Hier findest du seine Alternativen.