Royer R-122 MK II: Das aktive Bändchenmikrofon im Test
von Dr. Andreas Hau,
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Mit dem 1999 erschienenen R-121 hat die Firma Royer das Genre der Bändchenmikrofone nachhaltig wiederbelebt. Vielleicht noch höher zu bewerten ist die Pionierleistung der kalifornischen Manufaktur im Falle des R-122. Es war nämlich das erste moderne Aktivbändchenmikrofon. In der jüngst erschienenen MK-II-Version wurde dieses Konzept um einige sehr sinnvolle Features erweitert.
Äußerlich hat sich nicht viel geändert. Das R-122 sieht aus wie Royers Passivbändchen-Bestseller R-121, nur wurde der Gehäuseschaft um 45 mm auf stolze 206 mm verlängert, um für die Aktivelektronik Platz zu schaffen. Ansonsten gleichen sich die beiden wie ein Ei dem anderen: eine Metallröhre von 25 mm Durchmesser im eleganten Silber-MattFinish. Im oberen Bereich dienen Schlitze als Schalleinlass für das Bändchenelement. Links und rechts ragen die charakteristischen „Royer-Ohren“ aus dem Gehäuserohr. In der Mitte prangt ein schwarz hinterlegter Royer-Schriftzug.
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Das Design − das übrigens an das alter „Bang & Olufsen“-Mikrofone angelehnt ist − strahlt eine schlichte Eleganz aus. Tatsächlich ist es auch aus technischer Sicht äußerst clever (s. Kasten). Geliefert wird das R-122 MK II in einer edlen, rot ausgefütterten Holzschatulle. Die simple Universal-Mikrofonklammer ist indes nicht wirklich standesgemäß für ein NobelMikrofon dieser Preisklasse. Wünschen wür – de man sich „eine exakt auf das Mikrofon abgestimmte Halterung oder gar eine Mikrofonspinne.
Mark II
Neu beim R-122 MK II sind zwei ins Gehäuse versenkte Schalter, die sich nur mit einem Schraubendreher oder einer aufgebogenen Büroklammer betätigen lassen. Der erste aktiviert eine Vordämpfung (Pad) um 15 dB. Damit sinkt der Ausgangspegel des R-122 MK II in etwa auf das Niveau eines Passivbändchens. Sinnvoll ist das Pad bei sehr lauten Quellen wie z. B. Schlagzeug oder einem voll aufgerissenen Marshall-Stack. Der zweite Schalter aktiviert einen Low-Cut, der sehr hilfreich ist, um das bändchentypisch satte Low-End in den Griff zu bekommen.
Aufgrund der Achter-Richtcharakteristik ist der Nahbesprechungseffekt bei Ribbon-Mics nämlich besonders stark ausgeprägt. Zwar klingt der Bassbereich der Royer-Mikrofone deutlich transparenter als bei den in – zwischen zahlreichen Fernost-Kopien; dennoch muss man am Pult oder in der Nachbearbeitung meist noch etwas zurückrudern. Warum also nicht gleich am Mikrofon gegensteuern? Der Low-Cut gestattet es letztlich auch, das R-122 MK II etwas näher zur Schallquelle zu positionieren, ohne von den massiven Bässen erschlagen zu werden.
Genius Inside
Die seitlichen „Ohren“ der Royer-Mikrofone sind kein optisches Gimmick, sondern der Rahmen des Bändchensystems, an dessen Innenseite zwei extrem starke Neodym-Magnete befestigt sind. Das Gehäuse besteht aus Edelstahl, ist also ferromagnetisch. Die Stege zwischen den Schlitzen dienen somit nicht nur dem Schutz des empfindlichen Bändchen-Schallwandlers, sondern schließen den Magnetkreis zwischen den beiden Stabmagneten. Dadurch verstärkt sich das Magnetfeld im Innern noch weiter, während gleich – zeitig die Anziehung nach außen minimiert wird — wir möchten ja nicht, dass das Mikro sich an jeder Metalloberfläche unablösbar festkrallt!
Darüber hinaus wirken die Metallstege und das dahinter liegende Geflecht in den oberen Frequenzen als akustischer Reflektor. Bereits seit den 1940er-Jahren verwendet man nämlich gelochte bzw. geschlitzte Bleche in definiertem Abstand zum Aluminiumbändchen, um die Höhenwiedergabe zu verbessern. Nicht minder genial ist die Aktivelektronik des Royer R-122. Grundsätzlich „leiden“ Bändchenmikrofone ja unter einem sehr niedrigen Übertragungsfaktor: Wenn Schallwellen ein dünnes Aluminiumbändchen kaum sichtbar in Schwingung versetzen, wird eben nur sehr, sehr wenig Signalspannung erzeugt, und sei das Magnetfeld noch so stark. Selbst mit einem Aufwärtsübertrager von ca. 1:30 erreicht man nur knapp die Empfindlichkeit eines Tauchspulmikrofons. Bereits in den 70er-Jahren kam man auf die Idee, bereits im Mikrofon Transistorschaltungen einzusetzen.
Man musste jedoch feststellen, dass jeder Versuch, die unfassbar niedrige Quellimpedanz eines Bändchensystems von knapp 0,2 Ohm elektronisch zu verstärken, von enormem Rauschen begleitet war. David Royer hatte eine viel bessere Idee: Wie bei Passivbändchen verwendete er einen Übertrager zur Signalverstärkung − allerdings mit einer viel höheren Übersetzung von ca. 1:100. Die dabei in den Kiloohmbereich angestiegene Ausgangsimpedanz wird anschließend durch einen elektronischen Impedanzwandler wieder in den gewünschten Bereich unter 200 Ohm gesenkt. Die Verstärkung kommt also hauptsächlich vom Übertrager, während die Aktivelektronik vorwiegend der Impedanzanpassung dient. Genial!
Die Messungen zeigen ein bändchentypisches Klangverhalten mit weich auslaufendem Höhenfrequenzgang und satten Bässen aufgrund des Nahbesprechungseffekts. Der Messabstand betrug 33 cm. Die Welligkeit in den unteren Frequenzen ist der Tatsache geschuldet, dass wir nicht im akustisch „toten” Messraum, sondern in einem üblichen Studioraum gemessen haben.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Praxis
Eine Besonderheit der Royer-Bändchen ist das Offset-Ribbon-Design. Weil das Bändchen nicht exakt in der Mitte des Magnetspalts sitzt, ergibt sich eine bewusst unsymmetrische Achtercharakteristik. Die Vorderseite klingt dunkel und samtig wie ein klassisches Bändchenmikrofon, während die Rückseite etwas heller und luftiger klingt. Unsere Messungen belegen diesen Eindruck. Wichtig: Beim Vergleich unterm Kopfhörer sollte man unbedingt den Phasenumkehrschalter am Preamp drücken, da Vorder- und Rückseite des Bändchens gegenphasig agieren. Für Stimmen und Akustikgitarre empfiehlt es sich in der Regel, die Rückseite zu verwenden.
Hier kommt auch die Bassabsenkung des R-122 MK II äußerst gelegen. Diese ist so behutsam und weich gestaltet, dass man keine Angst haben muss, wichtige Signalanteile zu beschneiden. Wenn’s nach Pop klingen soll, ist trotz des Offset-Ribbon-Tricks noch immer eine leichte Höhenanhebung vonnöten, die Bändchen aber sehr souverän wegstecken. Ideal für Bändchen sind übrigens Pultec-Style-EQs, die − ob als Hardware oder als Plugin − genau die Stellschrauben bieten, um Bändchen zum Glänzen zu bringen, nämlich breite, sehr weiche Bass- und Höhenbänder.
In den Mitten benötigen Bändchen eigentlich nie Nachhilfe. Denn diesen Bereich − man sieht es in den Messungen − bilden sie ausgesprochen linear und natürlich ab. Diese wunderbaren Mitten sind es auch, die die Royer-Bändchen so attraktiv für die Abnahme von Gitarrenverstärkern machen. E-Gitarren bestehen ja fast ausschließlich aus Mittenfrequenzen. Der Siegeszug der Royer-Bändchen in den amerikanischen Studios hat eine Menge damit zu tun, dass sie endlich die 58er Les Paul und die 62er Strat so teuer klingen lassen, wie sie tatsächlich sind. Die Klangpräzision und die Auflösung subtiler Obertonstrukturen, gerade auch von Crunchund Overdrive-Sounds, sind um Klassen besser als bei den üblichen Tauchspulmikrofonen wie dem guten alten SM57.
Wer sich mal einen umfassenden Eindruck machen möchte: Zahlreiche Klangbeispiele zu Royer-Ribbons, teils von sehr prominenten Künstlern wie Hans Zimmer, Brian Setzer und Diana Krall, aufgenommen von TopEngineers wie Ross Hogarth, Joe Chiccarelli und Al Schmitt gibt es unter www.royerlabs.com/library.
Aktiv oder passiv? R-122 vs. R-121
Im Rahmen dieses Tests hatte ich auch Gelegenheit, das aktive Royer R-122 MK II mit dem passiven Klassiker R-121 zu vergleichen. Der deutsche Vertrieb S.E.A. stellte uns dazu eines der letzten Exemplare der R-121 „Platinum Limited Edition“ zur Verfügung, die bis auf das edel glänzende Finish dem regulären Modell entspricht. Grundsätzlich klingen das R-121 und das R-122 MK II nahezu identisch. Bei genauem Hinhören wirkt das R-121 in den oberen Mitten ein klein wenig weicher und „eleganter“. Der größte Unterschied ist aber, dass das R- 121 viel stärker von Preamp abhängig ist, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Passive Bändchen wie das R-121 erfordern einen quietschsauberen Preamp der Oberklasse, der auch in hohen Gain-Einstellungen sehr transparent und rauscharm bleibt. Für das aktive R-122 MK II, das mit einem Übertragungsfaktor von 15,8 mV/Pa etwa 13 dB „lauter“ ist als das R-121, genügt dagegen jeder halbwegs vernünftige Preamp, um saubere Ergebnisse zu erzielen. Das Eigenrauschen liegt bei etwa 18 dB-A. Die Aktivelektronik sorgt zudem für eine optimale Impedanzanpassung. Somit lässt sich das R-122 MK II auch sorgenfrei an Röhrenund Vintage-Preamps betreiben, die mit passiven Bändchen oft etwas zu viel Rauschen produzieren bzw. nicht genug Gain bieten. Mit dem R-122 MK II sind solche Einschränkungen vergessen.
Was Ausgangspegel und Rauscharmut angeht, ist es mit einem Kleinmembran-Kondensatormikro vergleichbar, im Sound bleibt es dagegen ein lupenreines Bändchen. In Sachen Handling ist das R-122 MK II dem Klassiker R-121 also klar überlegen. Mikrofon-Connaisseurs und Recording-Enthusiasten dürften dennoch dem passiven R-121 den Vorzug geben, gerade weil es an jedem Preamp ein bisschen anders klingt. Denn so eröffnet sich noch einmal eine feine Palette an Klangschattierungen. Zudem ist das (reguläre) R-121 rund 700 Euro günstiger. Das R-122 MK II ist dagegen das ideale Modell für den Praktiker, der stets das große Ganze im Auge behält und sich nicht in kleinen Details und Unwägbarkeiten verlieren möchte: Anschließen, Spaß haben!
Fazit
Das Royer R-122 MK II ist ein ausgereiftes Bändchenmikro auf der Höhe der Zeit. Seine ausgeklügelte Aktivelektronik beschert ihm hohe Rauscharmut und einen satten Ausgangspegel, sodass es sich nahtlos in die heutige, von Kondensatormikros dominierte Recording-Welt einfügt. Diesen Kurs setzt die Mark-II-Version mit den neu hinzugekommenen − sehr praxisgerechten − Pad- und LowCut-Schaltern konsequent fort. In Sachen Klangverhalten bleibt das Royer R-122 MK II jedoch 100 % Ribbon.
Eigentlich sogar 200 %, denn dank des Offset-Ribbon-Designs bietet es ja gleich zwei Bändchen-Sounds: den klassisch-dunklen und einen etwas luftigeren. Bändchenmikrofone sind generell keine Universalisten, doch beim R-122 MK II ist der Aktionsradius recht weit gesteckt. Eine Domäne ist und bleibt die Verstärkerabnahme − da setzen die Royer-Ribbons schlichtweg Maßstäbe. Darüber hinaus verfügen die Royer-Bändchen über eine seltene Klangeigenschaft: Sie markieren den schmalen Grat zwischen dunkel und dumpf. Wo die inzwischen zahlreichen Billig-Kopien unkontrolliert vor sich hin wummern, bleiben die Royer-Originale stets transparent. Sattes Low-End, volle Mitten, samtige Höhen: So soll ein Bändchen klingen!
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