Beim Namen Rupert Neve denken viele reflexartig an die klassischen Mischpultkassetten der frühen 1970er wie den legendären 1073-Preamp/EQ, der derzeit von zahlreichen Firmen mehr oder weniger originalgetreu nachgebaut wird. Der Altmeister selbst ist mit seinen fast 93 Lenzen deutlich fortschrittlicher eingestellt. Ein aktuelles Beispiel ist der RMP-D8 von Rupert Neve Designs: ein achtkanaliger, digital gesteuerter Hi-End-Preamp mit eingebautem A/D-Wandler und Dante-Netzwerkanschluss.
»Profi-Equipment« ist ein dehnbarer Begriff, aber beim RMP-D8 ist diese Bezeichnung fraglos zutreffend: acht Preamps von Rupert Neve persönlich designt, gepaart mit State-of-the-Art-Wandlertechnik und zeitgemäßer Dante-Audio-Netzwerktechnik. So viel hochklassige Technik geballt in einem Gerät ist natürlich nicht ganz billig. Bei 6.249 Euro liegt die unverbindliche Preisempfehlung. Schauen wir mal, ob sich das lohnt!
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Harte Ware
Wie es sich für ein Profigerät gehört, kommt Rupert Neves Dante-Preamp in einem sauber verarbeiteten, soliden 19- Zoll-Rackgehäuse mit zwei Höheneinheiten. Die nobel schwarze Frontplatte ist 6 mm stark; den einzigen optischen Akzent setzt ein dunkelrot eloxiertes Eingaberad.
Auf der linken Seite befinden sich zwei Statusanzeigen. Die erste zeigt an, ob der Dante-Preamp mit dem Netzwerk verbunden ist, wobei der RMP-D8 über zwei Netzwerkanschlüsse verfügtprimary und secondary. Der zweite Netzteilanschluss ist redundant und dient als »Sicherheitsnetz«, falls der erste ausfällt. Auch die darunter angeordnete Anzeige für die Stromzufuhr (PSU) ist zweigeteilt: Der RMP-D8 ist nämlich mit einem doppelten Netzteil ausgestattet. Auch hier ist das zweite Netzteil redundant und dient nur dazu, Ausfälle zu vermeiden. An dieser Ausstattung sieht man bereits, dass der RMP-D8 nicht zuletzt für hochwertige Live-Mitschnitte und andere kritische Anwendungen gedacht ist, wo man um jeden Preis vermeiden möchte, unwiederbringliche Momente zu verlieren. Die daneben liegende LED-Kette zeigt die Abtastrate an; der RMP-D8 unterstützt alle gängigen Frequenzen von 44,1 bis 192 kHz inklusive Pull-Up und Pull-Down (Letzteres sind minimal abweichende Abtastraten, die man mitunter benötigt, um synchron zu Video/Film zu arbeiten).
Die eigentlichen Preamp-Funktionen sind in der Mitte der Frontplatte angeordnet. Jeder der acht Preamp-Kanäle verfügt über eine eigene Aussteuerungsanzeige mit acht farbigen LEDs. Über die darunter liegenden Buttons lässt sich ein Kanal auswählen, um seine Settings zu ändern. Gain wird über das rote Endlos-Drehrad eingestellt; der Wert von 0 bis 60 dB wird im Color-Display neben den LED-Ketten angezeigt. Für alle weiteren Parameter gibt es dedizierte Buttons rechts und links der Anzeigen: Phantomspeisung, Polarity (»Phasenumkehr«), HPF (Hochpassfilter = LowCut), Pad (Vordämpfung um 10 dB) sowie Mic/Line-Umschaltung. Über einen Reset-Button können alle Einstellungen aller Kanäle zurückgesetzt werden.
Über den Config-Button lassen sich im Display diverse Statusinformationen abrufen, nicht zuletzt zum Netzwerk. Aber auch die Firmwareversion (bei unserem Testgerät noch 00.02.02), die genaue Ausgangsspannung der beiden internen Netzteile und sogar die Innentemperatur (!). Letztere wird bei Bedarf über einen Ventilator geregelt; im Testzeitraum blieb dieser aber inaktiv bzw. unhörbar.
Schauen wir uns die Rückseite an: Die acht Analogeingänge sind mit »Microphone« beschriftet. Es handelt sich jedoch um Combobuchsen, die auch Line-Signale bis +25,5 dBu entgegennehmen können. Darüber sind vier Digitalausgänge im AES/EBU-Format angeordnet, die jeweils zwei Preamp-Kanälen zugeordnet sind. Netzwerkanschlüsse nach Dante-Standard gibt es, wie angesprochen, gleich zwei, und auch die beiden internen Netzteile haben separate Kaltgerätebuchsen. Zudem befindet sich auf der Rückseite ein USB-Port, der aber ausschließlich für Firmware-Updates genutzt wird.
Innenansicht
Der RMP-D8 ist innen wie außen sehr sauber gefertigt. Die Analogschaltungen der acht Preamps sind servicefreundlich als austauschbare Steckkarten aufgebaut, die jeweils zwei Kanäle beinhalten. Auch bei einem so modernen Produkt wollte der Altmeister nicht auf Übertrager verzichten: Die Ausgänge arbeiten trafosymmetriert. Eingangsseitig arbeiten die Preamps jedoch übertragerlos. Anders als seinen Nachahmern geht es Rupert Neve bei seinen späteren Designs nicht um prägnante Klangfärbung, sondern um sauberen Klang mit einer edlen Note. Letztere macht im RMPD8 vor allem der Ausgangsübertrager. Die übertragerlosen Eingänge sind aber − ein alter Neve-Kniff − mit »common mode chokes« (dt.: Gleichtaktdrosseln) ausgestattet. Das sind Ringkerne mit nur wenigen Windungen, die hochfrequente Störsignale sehr effektiv aus dem Audiosignal filtern, ähnlich wie es ein Eingangsübertrager tut, aber eben ohne die damit verbundene Klangfärbung.
Auch auf digitaler Ebene ist der RMP-D8 luxuriös ausgestattet. Als Wandler kommen zwei AK5388- Chips zum Einsatz. Jeder dieser Bausteine ist eigentlich schon achtkanalig und bietet einen Rauschabstand von 120 dB. Durch Kanalbündelung, d. h. Parallelisierung zweier Wandlerkanäle pro Analogeingang, lässt sich ein noch höherer Rauschabstand von 123 dB erzielen. Warum? Weil man’s kann. Und weil’s ein Profigerät ist!
(Bild: Dr. Andreas Hau)
Reden wir mal über Dante
Wie nimmt man so einen Dante-Preamp überhaupt in Betrieb? Gute Frage! Zunächst einmal benötigt man ein Gerät mit Dante-Anschluss. Das kann ein z. B. ein Dante-fähiges Mischpult sein oder auch ein Rechner mit Dante-Interface − so etwas gibt es beispielsweise von RME in Form des Digiface Dante. Alternativ kann man auch auf Software-Lösungen zurückgreifen − allerdings um den Preis höherer Latenzen (Eingangs- und Ausgangslatenz jeweils über 10 ms).
Von Audinate, dem australischen Unternehmen, das Dante entwickelt hat und Lizenzen erteilt, gibt es die Software Dante Virtual Soundcard, die den gewöhnlichen Ethernet-Anschluss eines Computers in eine Dante-Schnittstelle verwandelt. Für diesen Test habe ich einen neueren Ableger dieser Software verwendet, Audinate Dante Via. Auch diese Software macht den Ethernet-Anschluss eines Rechners Dante-fähig; zusätzlich können aber auch andere Audio-Interfaces sowie Inputs und Outputs von Applikationen miteinander verknüpft werden. So habe ich mein altes MacBook Pro (late 2011) für die Arbeit mit dem RMP-D8 einrichten können: Der Rupert Neve Dante-Preamp beschickt die Software-Inputs von Cubase, während die Software-Ausgänge auf den Hardware-Output des MacBooks gehen. Klingt kompliziert, ist aber mit Audinate Dante Via gar nicht schwer einzurichten.
Dante Via kann jedoch nur routen; Dante-Geräte verwalten kann es nicht. Dafür ist die Software Dante Controller zuständig, die im Gegensatz zu Dante Via kostenlos ist. Nur über diese Software − die für den Neuling leider recht unübersichtlich ist − lässt sich z. B. die Samplingrate des RMP-D8 einstellen. Und um auch die Preamp-Settings wie Gain, Phantomspeisung, Pad, Low-Cut etc., die man direkt am Gerät einstellen kann, über Dante fernzusteuern, benötigt man dann noch die Steuersoftware von Rupert Neve Designs.
Aus Nutzersicht könnte das gerne alles ein bisschen einfacher und einheitlicher funktionieren. Hat man aber Audinate Dante Via und Dante Controller erst einmal eingerichtet, muss man da so schnell nicht nochmal ran.
Praxis
Audiotechnisch weiß der RMP-D8 voll zu überzeugen. Das Klangbild gleicht dem der Portico-II-Serie: klar, sauber, konturiert, aber doch mit einem edlen Charakter, der aber nur subtil in Erscheinung tritt und längst nicht so vordergründig färbend ist wie Neves Frühwerk, der 1073. Wer mit Bändchen oder anderen pegelschwachen Mikrofonen arbeitet, dürfte sich allerdings etwas mehr Gain wünschen. Der RMP-D8 bietet maximal 60 dB Verstärkung, und zum Einstellen muss man teilweise länger am Endlos-Drehrad kurbeln. Vielleicht kann der Hersteller hier noch mit einem Firmware-Update nachbessern, damit das Rad auf schnelle Bewegungen mit größeren Parameterveränderungen reagiert als bei langsamem Drehen. Gewünscht hätte ich mir auch eine zweite Low-Cut-Option. Der schaltbare Hochpass hat eine feste Einsatzfrequenz bei 80 Hz mit einer Flankensteilheit von 12 dB/Okt. Das ist eine Einstellung, die vor allem für Gesangsaufnahmen sinnvoll ist. Für Instrumentenaufnahmen würde ich einen tiefer angesetzten Low-Cut bei 30 oder 40 Hz bevorzugen, um Trittschall zu dämpfen, ohne das Nutzsignal anzutasten.
Und wo ich schon beim Meckern bin: Combobuchsen auf der Rückseite finde ich generell ungünstig, da man an die bei einem im Rack verbauten Gerät zum Umstecken nur unter Mühen rankommt. Sinnvoller wären Mikrofon- und Line Eingänge mit separaten Steckverbindern, die man fest verkabeln kann − beispielsweise, um die Line-Anschlüsse auf eine Patchbay zu legen. So könnte man bequem die Mic/Line-Umschaltung auf der Frontplatte nutzen, um verschiedene Anwendungen abzudecken. Der RMP-D8 macht nämlich auch im Line-Betrieb als hochklassiger A/D-Wandler eine ausgezeichnete Figur. In diesem Zusammenhang sei nochmal darauf hingewiesen, dass das Gerät neben Dante ja auch über AES/EBU-Digitalausgänge verfügt. Damit ist der RMP-D8 auch für Anwender interessant, die derzeit noch nicht mit Dante arbeiten (aber sich für die Technik interessieren) bzw. für Toningenieure, die nur im Live-Setup Dante verwenden (z. B. wegen der langen Kabelwege, die mit Dante problemlos und kostengünstig möglich sind), im Studio aber auf ein bewährtes Setup mit AES/EBU setzen.
(Bild: Dr. Andreas Hau)
Fazit
Mit dem RMP-D8 zeigt Rupert Neve wieder einmal, dass er noch lange nicht aufs Altenteil gehört. Die Kombination aus erstklassigem Preamp-Design, hochklassiger A/D-Wandlertechnik und zeitgemäßen Netzwerkfähigkeiten ergibt einen innovativen Dante-Preamp, der den aktuellen Stand der Technik repräsentiert. Gleichzeitig demonstriert Rupert Neve Praxisbezug mit redundanter Stromversorgung und Netzwerkausstattung, denn egal was passiert, und wer gerade über ein Kabel stolpert: The show must go on!
All das wäre natürlich wenig wert, wenn nicht auch der Klang begeistern könnte. Und da ist Rupert Neve mit seinen bald 93 Jahren (!) immer noch voll in seinem Element. Die Preamps des RMP-D8 haben den »modernen« Neve-Sound der Portico-II-Serie, d. h. sie färben weitaus weniger als die Vintage-Neve-Module der frühen 1970er. Der RMP-D8 klingt klar und sauber, aber dennoch edel: nicht farblos, sondern farbecht. Dank ausgezeichneter A/D-Wandler bleiben diese vorzüglichen Klangeigenschaften auch auf digitaler Ebene erhalten. Auch wenn der Preis happig erscheint: Mit rund 1.000 Euro pro Kanal ist er durchaus gerechtfertigt. Es ist eben ein echtes Profigerät!
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sauberer, klarer Klang, dennoch nicht charakterlos
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durchweg erstklassige Technik
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Dante und AES/EBU
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Ausfallsicherheit dank redundanter Ausstattung bei Netzteil und Netzwerk
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Combobuchsen auf der Geräterückseite