Sample Logic Cinematic Keys Tasteninstrumente-Library für NI Kontakt im Test
von FRANK SCHREIBER, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
In Zeiten, in denen manche Hersteller für ein einzelnes, multigesampeltes Piano gerne einen mittleren, zweistelligen Gigabytebereich auf der Festplatte in Anspruch nehmen, verwundert es umso mehr, wenn eine Library mit unterschiedlichsten Tasteninstrumenten und mehr als 850 verschiedenen Presets nur knapp 8 GB auf die Waage bringt. Ist solch eine Library heutzutage überhaupt noch ernst zu nehmen?
Oh ja − aber wer hier das Superpiano mit mindestens 128-fachem Multisampling unter Berücksichtigung resultierender Saitenresonanzen sucht, kann getrost weiterblättern. Denn gemäß ihres Mottos »Blurring the line between Music & Sound Design« stellt Sample Logic hier nicht unbedingt das letzte Quäntchen Realitätstreue in den Vordergrund, sondern eher den Sound. Präziser: eine ganze Menge sehr unterschiedlicher Sounds, die auf diversen, teilweise ziemlich unkonventionell gesampelten Tasteninstrumenten basieren und zusätzlich mittels Effektketten und Step-Sequenzern gehörig durch die Mangel gedreht werden.
Anzeige
KONZEPT
Wie es scheint, hat sich Sample Logic zum Auftrag gemacht, alles zu sampeln, was nicht auf 3 seine Tasten versteckt hat − und das teilweise mit sehr abgefahrenen Methoden. So finden sich unter den Instrumenten natürlich in erster Line verschiedene Pianos, aber auch Cembalo, Orgel, Wurlizer, diverse Mallets und Spielzeuginstrumente.
Das alleine klingt jetzt zugegebenermaßen nicht so aufregend. Die Frage, wie viele Instrumente die Sampling-Sessions überlebt haben dürften, allerdings schon. Vermutlich eher wenige, denn neben der konventionellen Tonerzeugung mittels Tastatur oder auch der schon etwas Gewagteren, wie Streichen oder Zupfen, wurden den Instrumenten auch mit durchaus brachialen Methoden Klänge entlockt. So kamen hier z. B. Brechstange, Sense, Schneidbrenner oder Vorschlaghammer zum Einsatz, um damit einige Instrumente bis zum vollständigen Exitus zu zerlegen.
All diese Sounds sind der Grundstock der Library und bilden ein sehr großes Spektrum ab. Aber das ist erst der Anfang, denn die lange Reise eines Cinematic-Keys-Sounds vom RAM bis hin zum D/A-Wandler fängt jetzt eigentlich erst richtig an − und auf diesem Weg gibt es einige durchaus prägende Stationen.
STEP ANIMATOR & FX ANIMATOR
Eine davon ist der überaus mächtige »Step Animator«, der Patterns mit bis zu 128 Steps erlaubt. Dessen Möglichkeiten sind extrem vielfältig. Pro Step kann auf verschiedenste Parameter Einfluss genommen werden, sodass damit sehr komplexe und abwechslungsreiche Figuren möglich sind. Sollte das allzu viel der bis zur nächsten Deadline zur Verfügung stehenden, kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, besteht die Möglichkeit, aus über 140 verschiedenen Step-Animator-Presets verschiedener Kategorien auszuwählen. Hervorragend!
Ist der Einsatz des Step Animators noch obligatorisch, kommt ein Cinematic-Keys-Sound, der etwas auf sich hält, definitiv nicht an den zahlreich vorhandenen und sehr komfortabel konfigurierbaren Effekten vorbei. Der Clou dabei ist, dass es mit dem »FX Animator« ebenfalls einen Stepsequenzer ausschließlich für Effekte gibt! Denn bei Filter, Distortion, LoFi, Wave, Delay und Arpeggigator (richtig geschrieben, Details siehe Kasten auf S. 60) ist es möglich, einzelne Parameter eines Effekts jeweils verschiedenen FX-Animator-Patterns zuzuweisen.
Das ist extrem wirkungsvoll und definitiv ein Highlight, denn damit lassen sich im Handumdrehen sehr abgefahrene und äußerst komplexe Modulationen erzeugen, die das Ausgangsmaterial in völlig neue Dimensionen beamen. Spätestens jetzt sind wir Lichtjahre von einer gewöhnlichen Library für Tasteninstrumente entfernt, und Scotty lässt mit breitem Grinsen grüßen. Großartig.
SOUND
Aber wie klingt das Ganze denn jetzt? Nun, ich schätze, hier scheiden sich die Geister. Meiner Auffassung nach suggeriert der Name »Cinematic Keys« eine gewisse Soundästhetik, die in Verbindung mit Attributen wie »Größe« und »Wärme« steht und an atmosphärisches, emotionales Kino verweist. So staunte ich nicht schlecht, als ich nach den ersten Klängen feststellen musste, dass das wohl eindeutig eine Fehleinschätzung war.
Hat man sich von dieser Erwartungshaltung gelöst, wird sehr schnell klar, dass sich die Cinematic Keys als moderne Library jenseits der klassischen Filmmusik verstehen. Die Sounds sind meist sehr präsent und oftmals eher mittig und drahtig. Manches bei den Single-Instruments klingt vielleicht auf den ersten Tastendruck etwas dünn und cheesy, im Mix mit anderen Libraries setzten sich die meisten Sounds allerdings sehr schön durch und bringen frischen Wind mit. Bei den hervorragenden Multis hingegen ist meist direkt eine überzeugende Fülle da.
Man findet oftmals sehr schöne, treibende und dynamische Minimal-Patterns, teilweise harsche, perkussive Sounds, verschiedene Loops oder auch sehr schöne Atmosphären. Ist die Wahl auf einen Sound gefallen, lässt sich dieser äußerst schnell an die eigenen Bedürfnisse anpassen, und darüber hinaus entwickeln sich nicht selten abgefahrene Sounds, an die man so vorher nie gedacht hätte.
Teilweise klingt die Library ziemlich synthetisch, was sicherlich gewollt ist und auch an dem nicht immer sparsamen Einsatz an Effekten liegt. Auch im Kontext mit elektronischer Musik kann ich mir die Cinematic Keys deshalb sehr gut vorstellen.
Wem die Sounds insgesamt nach zu viel Effekthascherei klingen − ich persönlich fand bei vielen Sounds, dass ihnen weniger Hall gut stünde −, der kann dank der effektiven Oberfläche schnell Hand anlegen und mit wenigen Klicks auslichten.
DOWNLOADS
Alle Tracks wurden wie immer ausschließlich mit der Library und ohne externe Effekte produziert. Jeder Track wurde live eingespielt, alles Gehörte ist also mit zwei gesunden Händen realisierbar. 😉
5: FX: Allmählich werden verschiedene Effekte zugeschaltet, die teilweise zusätzlich per FX-Animator moduliert werden: EQ, Transient, Delay, Reverb, Wave, Filter, LoFi
Im Arbeitsalltag macht die Library eine sehr gute Figur. Ist das Konzept einmal verstanden, ist nach kurzer Einarbeitungszeit sehr flüssiges Arbeiten möglich.
Die unglaubliche Anzahl verschiedener Presets deckt ein sehr großes Spektrum ab. Gerade die äußerst gelungenen Multis liefern auf Tastendruck erstaunlich vielschichtige Sounds, die im Ordner »Construction Beds« sogar mit thematisch aufeinander abgestimmten Key-Splits vorliegen und sich damit hervorragend für TV-Musik eignen.
Allerdings gestaltet sich die Soundsuche nicht unbedingt einfach und kann Zeit kosten. Davon abgesehen ist es eine wahre Freude, mit der Library zu arbeiten, weil alles sehr durchdacht ist und viel Liebe ins Detail investiert wurde. Die beiden Animatoren sind Gold wert und extrem flexibel sowie schnell und effektiv editierbar. Sie sorgen für ordentlich Bewegung, und man stößt oft auf inspirierende Patterns, die beim Spielen interessante Figuren erzeugen und geradezu zum Experimentieren einladen.
Viele Automationsparameter sind bereits vorbildlich als MIDI-CC vorkonfiguriert, sodass man direkt losschrauben kann. Außerdem liegen die wichtigsten Parameter immer nur wenige Klicks entfernt, was unglaublich schnell zu Ergebnissen führt. Dabei hält sich der Speicherbedarf der einzelnen Kontakt-Instruments sehr in Grenzen, was auch die geringe Größe der Library erklärt. Ein Single-Instrument hat im Durchschnitt oftmals zwischen 15 und 20 MB − mit einzelnen Ausreißern im mittleren zweistelligen Bereich − und ist somit ruckzuck geladen, wodurch die Library auch auf betagteren Systemen sehr gut einsetzbar ist.
Die geringe Größe der meisten Instruments ist aber auch gleichzeitig dem Umstand geschuldet, dass viele Sounds sicher mehrere zusätzliche Velocity-Stufen vertragen hätten. Denn teilweise ist der Übergang zwischen leisem und lautem Anschlag recht sprunghaft und damit deutlicher wahrnehmbar, als einem lieb ist. Das ist sehr schade, weil sich dadurch manche sehr gut klingende Sounds weniger ausdrucksstark spielen lassen, als sie es verdient hätten.
Das riesige Soundspektrum
…der Cinematic Keys wird einerseits durch die unterschiedlichsten, teilweise brachialen Klangerzeugungsmethoden verschiedenster Instrumente realisiert, andererseits aber auch durch die sehr umfangreichen Möglichkeiten des Effekteinsatzes. Die üppige Auswahl von über 850 Presets deckt »normale« Instrumente, aber auch Atmosphären, Stingers, Impacts, Kits, Loops und vieles mehr ab.
Bild: SHUTTERSTOCK
Bild: SHUTTERSTOCK
Bild: SHUTTERSTOCK
FAZIT
Ob man die Cinematic Keys als Hauptwerkzeug für die große Leinwand nutzen würde, ist eher eine Stilfrage. Ich persönlich vermisse dafür den klassischen »Bigger than Life Sound«, eine stärkere emotionale Komponente und oftmals eine bessere dynamische Spielbarkeit.
Natürlich ist die Library auch fürs Kino einsetzbar! Aber vor allem da, wo auch etwas Staub aus den Ritzen geblasen werden kann und frische, modernere Sounds zum Einsatz kommen dürfen, die aus ästhetischer Sicht und nicht aufgrund der perfekten Simulation überzeugen.
Ihre Stärken spielen die Cinematic Keys definitiv in Musik für TV, Games oder auch Werbung aus. Hierfür sind sie ein durchdachtes und inspirierendes Werkzeug, mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Sounds, das durch die außergewöhnlichen und umfangreichen Modulationsmöglichkeiten zu Ergebnissen führen kann, die so vorher eigentlich gar nicht geplant waren.
Der drahtige Grundsound ist sicherlich nicht jedermanns Sache und sollte vor einem Kauf abgewogen werden. Ich jedenfalls habe die Cinematic Keys lieben gelernt und ihnen als »Special Task Force« für eher ungewöhnlichere Soundeinsätze einen festen Platz in meinem Setup eingeräumt.