Auf einen neuen Channelstrip mussten Console-1-Anwender lange warten: Seit dem Erscheinen der Neve-Emulation »British Class A« sind fast zwei Jahre vergangen. Nun legen die Schweden endlich nach: »American Class A« ist ein Channelstrip nach API-Vorbild. Gleichzeitig erscheint er auch als normales VST/AU/AAX-Plug-in für Anwender ohne Console-1-Hardware.
Bislang waren es durchweg Mischpulte englischer Hersteller, die Softube für Console 1 emulierte. »American Class A« ist Softubes erste Emulation eines amerikanischen Mischpults, nämlich einer API-Konsole. Okay, so ganz stimmt das auch wieder nicht: Die EQ-Sektion von »American Class A« beruht genau genommen nicht auf den API-Modulen 550a bzw. 550b, sondern auf dem 19-Zoll-Equalizer 5500. Der Kompressor basiert dagegen nicht auf dem 19-Zoll-Bus-Kompressor 2500, sondern auf einem Pult-Modul, vermutlich dem API 527.
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Die Gerätenummern nennt Softube im Manual nicht, sondern belässt es bei Umschreibungen. »American Class A« kommt nämlich − wie schon »British Class A« − ohne offizielle Lizenz des Originalherstellers.
Wie eingangs erwähnt, kommt »American Class A« als eigenständiges Plug-in und als Erweiterung für Console 1. Beide Nutzungsarten sind im Kaufpreis enthalten. Die Anordnung der Bedienelemente ist bei beiden Versionen nahezu identisch. Dennoch gibt es kleinere Unterschiede im Funktionsumfang und größere in der Optik. Während das eigenständige Plug-in mit seinen bunten, weiß umrandeten Reglern ein gewisses API-Flair versprüht, verzichtet die Console-1-Erweiterung ganz bewusst auf Eye Candy, um möglichst wenig abzulenken; die Console-1-Philosophie lautet: »Schrauben nach Gehör.« Ein bisschen mehr visuelle Differenzierung hätte ich mir in Console 1 dennoch gewünscht, denn abgesehen vom Schriftzug rechts oben in der Ecke unterscheiden sich die verschiedenen Erweiterungen nur in der Farbe der Kurven und VU-Meter.
Die Systemvoraussetzungen sind für beide Versionen identisch: Windows 7 (mit den letzten Updates) oder höher bzw. macOS ab 10.8. 32-Bit-Betriebssystemversionen werden nicht unterstützt, wohl aber 32-Bit-Hosts auf 64-Bit-Systemen. Softube nutzt iLok als Kopierschutz; ein USB-iLock-Stecker ist für »American Class A« jedoch nicht zwingend erforderlich, wahlweise kann die Software auch rechnergebunden aktiviert werden.
Funktionsumfang
Die Eingangssektion umfasst Input-Gain, einen Phasenumkehrschalter sowie durchstimmbare High- und Low-Cut. Die Filter können wahlweise statt des Audiosignals auch im Kompressor-Sidechain arbeiten. High- und Low-Cut arbeiten mit einer geringen Flankensteilheit von nur 6 dB/Okt (und damit weicher als die anderer Console-1-Channelstrips). Sie sind also eher zur Klangabstimmung geeignet als zum Herausfiltern von Störgeräuschen bzw. Subfrequenzen. Von welchem API-Modul die Filter abstammen, lässt Softube offen.
Die Shape-Sektion ist eine Softube-Eigenkreation, allerdings basierend auf API-Kompressorschaltungen. Sie umfasst ein Gate, wahlweise mit hartem oder weichem Knie, sowie einen Envelope-Shaper mit den Parametern Sustain und Punch. Jeder Console-1-Channelstrip bietet diese Funktionen, obwohl kein mir bekanntes Mischpult eine solche Funktion zur Kanalbearbeitung eingebaut hat. Das Funktionsprinzip stammt ja auch nicht von einem Pulthersteller, sondern wurde vom deutschen Unternehmen SPL in Form des Transient Designers als 19-Zoll-Hardware auf den Markt gebracht. Inzwischen gehören Envolope Shaper zum Standard-Repertoire zur Bearbeitung von Drums und Percussion, weshalb Softube wohl nicht darauf verzichten wollte.
Die Equalizer-Sektion basiert, wie angesprochen, auf dem 19-Zoll-Gerät 5500. Dabei handelt es sich um eine Art Edelversion des bekannten API-Moduls 550b. Im Gegensatz zu diesem ist der 5500 ein Stereogerät und gezielt für die Bearbeitung von Bussen und der Stereosumme ausgelegt. Sowohl der 550b als auch der 5500 arbeiten mit Stufenschaltern statt Potenziometern. Während beim bekannten Pult-Modul 550b je Band nur elf Gain-Settings zur Verfügung stehen, löst der 5500 diesen Parameter feiner auf: Durch stufenweise Begrenzung des Gain-Bereichs (±12, ±6 und ±3 dB), werden feinere Abstufungen möglich als beim 550b, der nur Stufen von 2 bis 3 dB kennt. Beide API-Modelle arbeiten nach dem Proportional-Q-Konzept, d. h., kleine Anhebungen bzw. Absenkungen wirken breitbandig, während bei größeren Eingriffen die Filter schmalbandiger agieren. Die Filtergüte ist bei diesen API-Equalizern nicht separat regelbar. Lediglich die Außenbänder lassen sich zwischen Cut, Peak und Shelf umschalten.
Obwohl der Equalizer von »American Class A« auf dem API 5500 basiert, hat Softube der Console-1-Version standardmäßig die Beschränkungen des 550b-Moduls auferlegt: Anhebungen und Absenkungen sind nur in Schritten von 2 bis 3 dB möglich. Wer das nicht möchte, kann über »Load EQ« den »American Class A Extended EQ« laden; das erfordert aber einen zusätzlichen Arbeitsschritt. Außerdem gibt es − wie beim 5500 − eine höhere Auflösung nur in den unteren Gain-Settings. Der Bereich bis ±3 dB ist in 0,5-dB-Schritten aufgelöst, der Bereich bis ±6 dB in 1-dB-Schritten, und der darüber liegende Bereich bis ±12 dB kennt weiterhin nur 3-dB-Schritte. Das lässt sich auch nicht durch Drücken der »Fine Adjust«-Taste umgehen. Dafür lässt sich im Extended EQ − abweichend von der Hardware − die Filtergüte der Mittenbänder einstellen.
Das »normale« Plug-in ist immer im 5500-Modus. Allerdings muss man für die höhere Auflösung, wie bei der Original-Hardware, die Range-Schalter zu Hilfe nehmen, um den Wertebereich einzuschränken. Praktischer und praxisgerechter wäre es gewesen, alle möglichen Werte in den Gain-Schalter einzuarbeiten. Die API-Hardware behilft sich ja nur deshalb mit Range-Schaltern, weil Drehschalter mit mehr als zwölf Stufen extrem teuer sind. Wünschenswert wäre außerdem, dass auch die oberen Bereiche mindestens in 1-dBSchritten aufgelöst wären.
Der Kompressor ist offenbar nach dem Pult-Modul 527 modelliert. Die Parametrisierung ist typisch für ein VCA- Design: Threshold, Ratio, Attack, Release. Hinzugedichtet wurde der Mix-Regler für Parallelkompression. Den bietet die Original-Hardware nicht, aber er gehört zum Reglerset von Console 1, und viele Anwender wünschen sich diese Funktionalität. Im »normalen« Plug-in lässt sich, wie bei der Original-Hardware, die Kompressor-Kennline von Soft Knee auf Hard Knee umschalten, und der »Type«-Schalter gestattet die Wahl zwischen Feedback(»Old Type«)- und Feed-Forward(»New Type«)-Arbeitsweise. Letzteres bezieht sich auf den Detektorzweig, der entweder das Eingangssignal analysiert, sodass der Kompressor schnell reagieren kann (Feed Forward /New Type), oder, wie bei den meisten Vintage-Kompressoren, das bereits geregelte Ausgangssignal analysiert und entsprechend nachregelt (Feedback/ Old Type).
Die Console-1-Version hat diese Umschaltmöglichkeiten nicht, weil der Hardware-Controller keine entsprechenden Buttons besitzt. Stattdessen gibt es zwei Versionen des Kompressors: Standardmäßig aktiviert ist in »American Class A« der »Smooth Compressor« mit Soft Knee und NewType-Arbeitsweise (Feed Forward). Alternativ lässt sich per »Load Comp« der »Punchy Compressor« laden, der mit Hard Knee und Old-Type-Kompression (Feedback-Arbeitsweise) aufwartet. Somit bietet die Console-1-Ausführung zwar nicht alle möglichen Settings, aber doch die beiden, die am meisten Sinn ergeben. Störend ist eher, dass man nicht per Knopfdruck wechseln kann, sondern mehrere Handgriffe dafür benötigt.
Den Thrust-Schalter der Original-Hardware hat Softube weder im normalen Plug-in noch in der Console-1-Version implementiert. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn APIs Thrust-Funktion aktiviert einfach nur ein Hochpassfilter im Sidechain, damit der Kompressor weniger stark auf energiereiche Bassanteile anspricht. Dies lässt sich genauso bzw. noch etwas differenzierter erreichen, indem man das variable Low-Cut-Filter der Eingangssektion mittels des »To Comp«- Schalters auf den Kompressor-Sidechain routet.
Den Abschluss bildet die Ausgangssektion mit der Drive-Funktion, die das Sättigungsverhalten der API-Hardware nachbildet. Wobei das genau genommen nur gilt, wenn »Drive Character« auf Rechtsanschlag steht. Da Softube die Verzerrungen des Originals etwas »fizzy« fanden, lassen sich die Sättigungsartefakte mehr in die unteren Frequenzen verlagern, indem man »Drive Character« zurückdreht. Auf Linksanschlag gleicht die Verzerrung laut Manual der eines ausgelutschten, unterdimensionierten Übertragers − Übertrager geraten nämlich zuerst in den tiefen Frequenzen in Sättigung.
Praxis
»American Class A« hat einen eigenen Sound, der sich deutlich von dem der übrigen Console-1-Channelstrips abhebt. Nicht nur vom Namen her ist »American Class A« das amerikanische Gegenstück zu »British Class A«. »American Class A« hat ebenfalls eine Vintage-Prägung, ohne aber altbacken zu wirken. Der Sound ist deutlich offener, luftiger, eben amerikanischer als der von »British Class A«. Ähnlichkeiten bestehen im reduzierten Feature-Set: Auch »American Class A« eignet sich eher zum Abschmecken und Nachwürzen als zur nerdigen Bearbeitung auf Detailebene. Insbesondere der EQ arbeitet recht grob. Resonanzen rausziehen oder Störfrequenzen entfernen ist kaum möglich. Gut beherrscht er ist das Herausputzen bereits vorhandener Klangschönheit und das artefaktfreie Nachjustieren der spektralen Balance. Feinarbeit erlaubt, in gewissem Rahmen, der Extended-Modus in Console 1, der auch schmalbandigere Eingriffe zulässt, weil − abweichend vom API-Vorbild − die Güte der Mittenfilter einstellbar wird. Im normalen Plug-in fehlt diese Möglichkeit leider.
Der Kompressor arbeitet sehr effektiv; man kommt wirklich sehr schnell zum Ziel. Besonders der Punchy-Modus in Console 1 bzw. Hard Knee/Old Mode im normalen Plug-in hat mir gefallen, um Drums & Percussion druckvoll Form zu pressen. Es ist nicht ganz der legendäre API 2500, aber es geht klar in diese Richtung. Auch der Smooth Compressor (bzw. Soft Knee/New Mode im normalen Plug-in) arbeitet sehr effektiv und eignet sich bestens, um Spuren auf einen gleichmäßigen Pegel zu bringen. Bei Vocals muss man ein bisschen mit den Zisch- und Plosivlauten aufpassen, denn mit einer minimalen Attack-Zeit von 1 ms gehört der »American Class A«-Kompressor nicht zu den superschnellen Vertretern seiner Zunft. Aber das ist bei der API-Hardware eben auch so. Interessant ist, dass die Kompressor-Release auch bei längeren Einstellungen recht flott agiert.
Ein echtes Highlight ist die Drive-Sektion, die einen großen Teil der Klangfärbung von »American Class A« ausmacht. Ironischerweise hat mir die Sättigung meist besser gefallen, wenn der Character-Regler sich in der linken Hälfte seines Regelwegs befand − das ist der Teil, den Softube »dazuerfunden« hat. Authentisch nachgebildet wird der API-Sound, wenn der Character-Regler am rechten Anschlag ist. Das zeigt, dass absolute Originaltreue vielleicht gar nicht das wichtigste Kriterium ist. Letztendlich geht es doch darum, das richtige Klangbild zu finden, das optimal zum Song passt. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass in Console 1 per Default der flexiblere Extended EQ aktiviert ist. Auch würde ich mir wünschen, dass man die Beschränkungen der Originalhardware in Bezug auf die Gain-Einstellungen des EQs auf Wunsch aufheben könnte. Zumal Softube in anderen Punkten ja auch nicht sklavisch originalgetreu war − zum Glück, denn dann hätte es u. a. keine Shape-Sektion geben dürfen, die als API-Hardware ja nicht existiert. Und das wäre wirklich schade, denn die ist − wie bei den anderen Console-1-Channelstrips − sehr gelungen.
Fazit
»American Class A« beschert Console 1 eine weitere Klangfarbe. Softubes API-Emulation klingt offen und »amerikanisch«, einerseits audiophil, andererseits doch erkennbar »vintage«. Neu und äußerst willkommen ist, dass »American Class A« gleichzeitig auch als normales VST/AU/AAX native Plug-in erhältlich ist und ohne Aufpreis in derselben Lizenz enthalten ist. Somit ist der Channelstrip auch für Anwender ohne Console-1-Controller interessant. Aber auch als Console-1-Besitzer muss man gelegentlich ohne Controller auskommen, z. B. unterwegs, und dann hatte man bisher nur das behelfsmäßige Console-1-Software-Bedienfeld. Das GUI des normalen Plug-ins ist weitaus übersichtlicher − zumal mit dem neuen Waveform-Display. Insofern profitieren alle von Softubes Doppellösung.
Diskussionswürdig ist, ob eine − ohnehin nicht sklavisch genaue − Emulation die Einschränkungen der Originalhardware beibehalten muss. EQ-Regler, die in Schritten von 2 bis 3 Dezibel arbeiten, sind aus heutiger Sicht zu grob. Der Gain-Range-Schalter im Plug-in bzw. der alternativ wählbare Extended-EQ in Console 1 lindern das Problem, verkomplizieren aber die Bedienung unnötig. Ansonsten macht American Class A viel Spaß: Console-1-Anwender werden sich sofort zurecht finden, und auch das »normale« Plug-in unterstützt eine einheitliche Arbeitsweise, da es alle essenziellen Tools in einem GUI vereint. Dank ressourcenschonender Programmierung kann man es in alle DAW-Kanäle laden und erhält so ein luxuriöses API-Mischpult.
Hersteller/Vertrieb: Softube / Audiowerk
UvP 279,− Euro / für Console-1-Besitzer 199,−