Steinberg SpectraLayers Pro 6 – Audio-Spektrum-Editor im Test
von Axel Latta,
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Audio-Editoren, die nicht nur Zeit- und Amplitude, sondern auch die Frequenz darstellen, sind nichts Neues. Heute existiert eine Vielzahl dieser Spezialisten von Herstellern wie Algorithmix, Audionamix oder iZotope. Werfen wir einen Blick darauf, wie Steinberg dieses hochinteressante Thema mit »SpectraLayers« interpretiert.
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Ursprünglich wurde SpectraLayers Pro von »Sony Creative Software« ins Leben gerufen, die Technologie jedoch im Jahr 2016 an Magix verkauft. Bereits drei Jahre später hat die Software schon wieder eine neue Herberge: Steinberg.
Installation
Wie bei anderen Steinberg-Produkten, erfolgt die Installation sowie die Update-Verwaltung über den hauseigenen »Download Assistant«. Die Software wird hinsichtlich des Betriebssystems ab macOSX Sierra bzw. Windows 7 (64 Bit) unterstützt. Für den Betrieb ist allerdings ein angeschlossener eLicenser-Dongle notwendig.
GUI und Workflow
Sehen wir uns SpectraLayers zuerst im Standalone-Modus an. Die Bedienoberfläche ist ziemlich schick, schlicht, und sehr übersichtlich in drei Hauptbereiche gegliedert. Den größten Teil nimmt selbstverständlich der Editing-Bereich in der Mitte ein. Wird hier eine Audiodatei importiert bzw. per Drag&Drop abgelegt, erscheint die Wellenform detailliert dargestellt − mit der Zeit auf der horizontalen Achse und der Frequenz auf der vertikalen Achse. Die Amplitude hingegen wird durch die Intensität visualisiert. Man kennt diese Ansicht in sehr ähnlicher Form aus anderen Editoren, etwa iZotope RX oder dem »Spectral Editor« in Steinberg Wavelab.
Auf der rechten Seite lassen sich bis zu vier Tabs ausklappen: »Bildschirm«, wo viele Parameter zur Änderung der Darstellung, beispielsweise, Farbschema, FFT-Größe, Amplitudenbereich oder Auflösung zu finden sind. Des Weiteren findet man ein Tab namens »Historie«, welches jede Aktion fein säuberlich in einer Liste aufreiht − sozusagen eine voluminösere Undo/Redo-Funktion. Das Tab »Kanäle« zeigt ausschließlich Mute- und Solo-Schalter. Bei reinen Stereo-Dateien ist dieses Tab vielleicht etwas übertrieben, weil SpectraLayers Pro aber auch mit Mehrkanalformaten bis zu 7.1 arbeiten kann, beschleunigt dieses Feature den Workflow immens und eröffnet spannende Möglichkeiten bei Surround-Produktionen.
Zuletzt ist noch ein Tab für sogenannte »Ebenen« vorhanden − das wohl innovativste Feature in SpectraLayers. Im klassischen Cubase/Nuendo-Stil lassen sich hier Ebenen und Gruppen erzeugen und verwalten.
Die linke Seite mit diversen Werkzeugen ausgestattet. »Lasso«, »Stempel« oder »Sprühdose« − das erinnert natürlich sofort an Bildbearbeitungsprogramme und lässt schon vermuten, dass SpectraLayers Pro vielleicht doch einiges anders angeht als die großen Platzhirsche.
Schmerzlich vermisst wird jedoch ein Browser zum Verwalten und Vorhören von Dateien. Zwar verarbeitet das Programm fast alle erdenklichen Formate von Wav/Aiff über FLAC und MP3 bis hin zu OPUS und CAF, nur werden diese Dateien über ein herkömmliches Dialogfenster des jeweiligen Betriebssystems geöffnet.
Im Betrieb
Die Navigation innerhalb des Audiomaterials ist sehr gut umgesetzt. Oberhalb des Hauptfensters gibt es eine Übersicht, vergleichbar mit jener in Pro Tools oder Ableton Live, in der man Anfang und Ende des zu bearbeitenden Ausschnitts festlegen kann. Zudem kann man mit dem Mausrad und den Tasten [Shift] und [Strg] sehr intuitiv zoomen bzw. scrollen. Des Weiteren stehen die Werkzeuge »Lupe« und »Hand« im rechten Panel bereit.
Nehmen wir als Beispiel an, ein pfeifendes Feedback hat sich in einer Live-Aufnahme eingeschlichen, die nun gerettet werden soll. Zuerst muss man den gewünschten Bereich selektieren. Dafür hat man zahlreiche Werkzeuge zur Auswahl − eventuell eignet sich das Tool »Frequenz auswählen«, dies muss jedoch von Fall zu Fall entschieden werden. Nun kann man das Störsignal mit dem Mauszeiger nachfahren. Um mehrere Selektionen nacheinander zusammenzufassen, nimmt man die [Shift]-Taste zur Hilfe.
Ist die Selektion abgeschlossen, lässt sich diese mit dem Shortcut [Strg]+[C] ganz einfach kopieren. Es besteht nun die Möglichkeit, im Tab rechts unten eine neue, leere Ebene zu erzeugen. Mit [Strg]+[V] kann man das freigestellte Audiomaterial dort einfügen, und die Selektion lässt sich sodann frei bearbeiten.
Jede Ebene besitzt neben dem Lautstärkeregler einen Schalter zur Phasenumkehr. So kann man das Störsignal, das nun in beiden Ebenen vorliegt, durch Erhöhen des Pegels gezielt auslöschen. SpectraLayers arbeitet somit nicht destruktiv und subtraktiv − ziemlich clever!
Das fertig bearbeitete Material lässt sich als neue Audiodatei exportieren. Dabei steht wieder eine Vielzahl von möglichen Formaten zur Auswahl.
Das klingt alles kinderleicht − je komplexer und dichter das Audiomaterial ist, desto schwieriger wird aber auch das Identifizieren und Selektieren der gewünschten Elemente. Es erfordert relativ viel Einarbeitungszeit und Übung, die passenden Tools zu verwenden. Setzt man lieber die »Harmonieauswahl« ein, welche den Grundton und dessen Obertöne markiert oder doch lieber die »Flüchtige Auswahl«? Zudem müssen diese Tools mit teilweise exotisch anmutenden Parametern wie »Toleranz«, »Frequenz-Fade« oder »Maximale Breite« für das jeweilige Szenario feinjustiert werden. Hier ist sehr viel Ausprobieren angesagt!
Die Wellenform in der »klassischen«
Spektralansicht …
… und in der 3D-Ansicht.
Das Ausschneiden und Einfügen von Selektionen auf beliebigen Ebenen eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten. So lassen sich aus mehreren Einzelteilen komplett neuartige Layer-Sounds kreieren oder gar Song-Parts »neu abmischen«. Im Test gelang es uns problemlos, eine Snare-Drum aus einem achttaktigen Pre-Chorus zu isolieren und 5 dB lauter erneut in den korrigierten Mix einzufügen. Es kommt natürlich stets auf die aktuelle Instrumentierung an.
Gut, was sonst kann man mit den freigestellten Elementen anstellen? Zum Beispiel gibt es den Befehl »Transformieren «, der es erlaubt, die Selektion zeitlich zu verschieben oder zu dehnen, und auch eine Frequenzverlagerung und Tonhöhenkorrektur lässt sich hier numerisch vorgeben.
Leider unterstützt SpectraLayers keinerlei Plug-ins. Es wäre sehr toll gewesen, einzelne Elemente etwa durch einen VST-Reverb oder einen Kompressor zu schicken, besonders für Zwecke des Sounddesigns. Nicht nur Prozessoren von Drittanbietern sind verboten, auch interne »Plug-ins«, beispielsweise ein klassischer Hochpassfilter zum Entfernen von unnötigem Frequenzmatsch unter 80 Hz, sind nicht aufzufinden. Ebenso fehlt ein Filter, der Netzbrummen samt Obertönen bei 50 oder 60 Hz mit mehreren, engen Notch-Bändern entfernt. Hinsichtlich Knacksen und Knistern ist ebenfalls nichts geboten − Hersteller wie iZotope oder Waves bieten spezielle Prozessoren namens De-Crackle oder De-Click an, welche sich sehr effektiv nur um das Entfernen von kurzen, spitzen Nebengeräuschen kümmern. In SpectraLayers hilft nur Handarbeit. Zwar könnte man über die Voreinstellungen einen externen Editor, etwa Wavelab, angeben und Audiomaterial dann dort weiterbearbeiten − allerdings ist dies nicht gerade »State-Of-The-Art«.
Lediglich für zwei Störenfriede bietet SpectraLayers einen dedizierten Menüpunkt: Rauschen und Hall. Der Menüpunkt »Rauschen reduzieren« öffnet ein eigenes Dialog-Fenster. Um das Störgeräusch jedoch »anzulernen«, muss zuvor ein anderer Befehl namens »Rauschen registrieren« ausgeführt werden. Das klappt in den meisten Fällen wirklich einwandfrei. Treten nach einer Säuberung zu starke Artefakte auf, sollte man das Reduktionsverhältnis etwas verringern. Ebenso erfüllt die »Reverbreduktion« ihren Dienst recht gut. Nach einer Analyse weiß der Prozessor, in welchen Frequenzbereichen der Nachhall am meisten auffällt und konzentriert die Bearbeitung dementsprechend. In jedem Fall sollte man mit der »Reverblänge« experimentieren, bis man ein optimales Ergebnis erzielt.
Mit dem Tool »Rechteckige Auswahl« wurde nur die Snare Drum im Audiomaterial
selektiert.
Auf einer neuen Ebene lässt sich diese Selektion freigestellt einfügen.
Eine außergewöhnliche Funktion namens »Abdruck« ist ebenfalls Bestandteil des Menüs. Damit lässt sich eine Ebene als »Quelle« definieren. Dominante Frequenzanteile dieses Quellmaterials werden dann in einer Zielebene abgesenkt bzw. entfernt. Der Hersteller wirbt diesbezüglich mit einem VoiceOver, das in ein Musikbett eingetaucht wird − Geschmackssache. Sehr überzeugend klappt es allerdings, etwa den spektralen Abdruck einer Kick-Drum zu speichern und diesen in einem E-Bass abzusenken. Durch das Ausdünnen überlagernder Frequenzbereiche lässt sich viel Platz im Lo-End schaffen. Grundsätzlich ein sehr interessantes Kreativ-Tool!
Neben dem Standalone-Betrieb unterstützt SpectraLayers auch die Schnittstelle »ARA2«. Diese Technologie, entwickelt von Presonus und Celemony, erlaubt es, den Spektral-Editor direkt in entsprechenden DAWs zu integrieren. Derartiges kennen wir bereits von »Melodyne«. So kann man Audiomaterial ohne umständlichen Transfer sofort im Arrangement bearbeiten. Dank der ARA2-Schnittstelle ist SpectraLayers in Cubase im Menü »Erweiterungen« aufgelistet. Sehr schön!
Die Snare (und auch das Lo End) wurden aus dem Programmmaterial ausgeschnitten und auf separaten Ebenen
wieder eingefügt. So lässt sich ein
neues Mischungsverhältnis realisieren.
Ebenen lassen sich auch solo und
stumm schalten − die Anzeige im Editor
stellt dabei nur aktive Elemente dar.
Ein paar Grundfunktionen für Audio-Restauration sind im Menü zu finden, z. B.
»Rauschen reduzieren« …
… und »Reverbreduktion«.
Fazit
Mit knapp 200 Euro besitzt SpectraLayers ein gutes Preis/Leistungs-Verhältnis. Statt auf interne Prozessoren oder Drittanbieter-Plug-ins muss man sich meist auf das eigene Fingerspitzengefühl verlassen, mal abgesehen von Rausch- und Hallunterdrückung.
Angesichts des großen Funktionsumfangs, ist mit einer relativ langen Einarbeitungsdauer zu rechnen. In erster Linie muss man sich mit dem »Lesen« des Spektrums sowie der Auswahl und Handhabung der richtigen Selektions-Werkzeuge auseinandersetzen.
Auch in dieser Software wird nur mit Wasser gekocht, sodass man in komplexem Programm-Material an die Grenzen des Machbaren kommt. Die grundlegenden Funktionen der Audiorestauration, wie etwa statische Störgeräusche zu entfernen, sind gegeben. Die Stärke allerdings liegt im Bereich Sounddesign. Durch das clevere Ebenen-System ist es leicht, spektrale Anteile zu isolieren und zu einem neuen Sound zu mischen.
+++
Ebenen-Konzept
+
Preis/Leistungs-Verhältnis
+
Rausch- und Hallunterdrückung
+
DAW-Integration per ARA-Schnittstelle
–
konventionelle Restaurations-Aufgaben manchmal umständlich zu lösen