Klassiker im Rackformat

Studio Electronics Midimini V30 – Synthesizer im Test

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SE-Midimini-V30-Left-Angle

Bei den ersten Produkten von Studio Electronics handelte es sich um Rack-Umbauten existierender analoger Synthesizer, allen voran des Minimoog (Midimoog). Hieraus erwuchs der Midimini, der erste eigene Synthesizer des kalifornischen Herstellers, der nun eine Würdigung in Form einer Neuauflage erfährt …

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Studio Electronics gehört seit den Achtzigern zu den festen Größen im Synthesizermarkt. Für die Produkte verantwortlich sind dabei Greg und Marc St. Regis sowie Tim Caswell. Zu den bekanntesten Produkten dürften der speicherbare SE-1, der ATC-1 und die polyfonen Omega- und Code-Modelle gehören. Hinzu kommen die kompakten Boomstars und eine Reihe von Eurorack-Modulen. Der Midimini V30 ist das monofone Flaggschiff, das noch oberhalb des SE-3X rangiert (Test in Sound & Recording 2.2022). Es handelt sich um eine erweiterte Version des ersten Midimini und lehnt sich wieder deutlich an den Moog-Klassiker Model D an: Ein vollständig analoger, monofoner Synthesizer ohne Speicherplätze im Rackformat.

Ausstattung

Untergebracht ist der V30 in einem stabilen Rackgehäuse mit vier Höheneinheiten mitsamt analogem Netzteil. Das Frontpanel fällt mit seinen zahlreichen Bedienelementen herrlich übersichtlich aus. Die Bedienoberfläche ist in die Sektionen Control, LFO, Oscillators, Color, Mixer, Filter/Modifiers und Out aufgeteilt. Darunter findet sich eine Reihe von Schaltern und 3,5-mm-Anschlüssen. Die Rückseite bietet neben einem monofonen Audioausgang noch MIDI-In- und -Thru-Buchsen. Einen Kopfhörerausgang vermisse ich leider.

Der Signalpfad bietet sämtliche Zutaten des Vorbilds: drei Oszillatoren, Rauschgenerator (umschaltbar weiß/rosa), ein Mixer mit sechs Reglern, vier Ein-/Ausschaltern. Bei Bedarf lässt sich die Dreieckswelle von VCO 1 aber auch am Filter vorbeiführen. Die Mischung mündet in das resonanzfähige Kaskadentiefpassfilter mit einer Flankensteilheit von 24 dB/Oktave sowie dreistufig zuschaltbarem Keytracking und dem abschließenden VCA. Hinzu kommen zwei analoge ADS-Hüllkurven, die sich um die Steuerung der Filterfrequenz und des VCA kümmern. Die zweite Hüllkurve kann beide Funktionen übernehmen und die bei Bedarf invertierbare Filterhüllkurve zur Steuerung von VCO 2 freistellen.

Die Oszillatoren bieten je sechs Wellenformen, fünf Fußlagen und einen Lo-Frequency-Modus. Es gibt einen Regler für die Hauptstimmung sowie zur Feinstimmung von VCO 2 und 3 (±7 Halbtöne). Ergänzend lässt sich die Gesamtstimmung per Schalter um ±1 Oktave verändern und VCO 3 kann von der Tastatursteuerung entkoppelt werden. Die Notenpriorität ist zwischen Lo, Hi und Last Note wählbar und wird um eine Drone-Funktion ergänzt.

Erweiterte Funktionalität

Der Synthesizer bietet eine beachtliche Anzahl sinnvoll ausgewählter Ergänzungen, die das geradlinige Konzept jedoch nicht überfrachten. So gibt es wie in der Minimoog-Reissue einen dedizierten LFO. Dieser arbeitet digital, bietet neun Wellenformen (über ein konventionelles Potentiometer) und eine Sync-Option zur MIDI-Clock. Routbar ist der LFO auf die Tonhöhe, das Filter sowie über einen Ausgang per Patchkabel. Zyklische Modulationen ziehen also nicht zwangsweise einen Tongenerator ab. Interessantes Detail: Der LFO kann bei Bedarf die Hüllkurven auslösen, was zu ungewöhnlichen Trigger-Mustern führt.

In der Color-Sektion findet sich zunächst eine regelbare Modulation von Hüllkurve 1 auf VCO 2. Das ist praktisch in Kombination mit der Sync-Option (VCO 2 zu VCO 1), die prägnante Obertöne generiert. Zusätzlich gibt eine regelbare Kreuzmodulation (VCO 3 moduliert VCO 2) und eine überzeugend klingende Ringmodulation, die VCO 2 und 3 auf analoger Ebene multipliziert.

Dem Thema Sättigung widmet sich der schalt- und regelbare Parameter Amp Drive. Deftiger zur Sache geht das berühmte Feedback-Routing des Minimoog, das hier vorverkabelt ist und den frontseitigen externen Audioeingang nicht blockiert. Dieser Effekt ist über die regelbare Vorverstärkung und den Feedback-Regler exakt steuerbar.

Über MIDI lässt sich der Midimini mit Anschlagsdynamik spielen. Der Einfluss auf den VCA lässt sich zuschalten, während die Filtersteuerung dosierbar ist. Per Lernfunktion kann man zudem das Modulationsrad oder den Aftertouch für die Filtersteuerung nutzen.

Ansonsten findet sich im Control-Bereich eine Intensitätsregelung des Modulationsrades (Modmix), das wahlweise den LFO und/oder (umschaltbar), Rauschgenerator oder VCO 3 schaltbar auf die Oszillatoren und das Filter gibt. Ergänzend finden sich in dieser Sektion eine regel- und umschaltbare Glide-Funktion sowie ein Bereichsregler für das Pitch-Rad.

SE-Midimini-V30-Front-Panel-800
Wer den Minimoog Model D kennt, kommt mit dem Midimini V30 sofort zurecht. Die Bedienelemente stehen hier etwas enger zusammen, lassen sich aber trotzdem sehr bequem bedienen. Etliche Buchsen ganz unten laden zum internen und externen Patchen ein.

Schalten und stöpseln

Im unteren Bereich des Midimini gibt es diverse Schalter sowie Schnittstellen, die als Eurorack-kompatible 3,5-mm-Klinkenbuchsen ausgeführt sind. Neben den bereits genannten Funktionen lassen sich beispielsweise VCO 1, das Rauschen sowie Steuerspannungen der Sektionen Modmix und von Hüllkurve 2 abgreifen. Eingangsseitig kann man die globale Tonhöhe, die einzelnen VCOs, die Filterfrequenz und den VCA adressieren. So wird nicht nur eine Interaktion mit einem Modularsystem möglich, sondern auch ein internes Patching für Funktionen wie ein Tremolo. Auch Gate-Ein- und Ausgänge fehlen nicht, sodass der Midimini per CV/Gate adressiert werden kann und bei Bedarf sogar als CV-MIDI-Konverter fungiert.

Praxis

Die Haptik ist hervorragend. Dabei laden die stabil verschraubten, großen Regler zum zielsicheren Zugriff ein, auch wenn das 19″-Panel verglichen mit dem Model D weniger Platz zwischen den Bedienelementen offeriert. Die ständig optimierende Klangformung gehört zum festen Bestandteil dieses Instruments und fördert dessen Ausdruck, eine ergonomische Platzierung vorausgesetzt. Wer einen Minimoog kennt, kann unmittelbar mit dem Midimini V30 arbeiten und dessen Besonderheiten im weiteren Verlauf adaptieren. Es gibt keine versteckten Menüs und falsch stehenden Regler. What you see is what you get!

Klang

Der Midimini V30 hält, was er verspricht: eine hervorragende Umsetzung des Klassikers, dessen druckvollen Klang sowie erweiterte Klangmöglichkeiten. Man ist erstaunt, wie füllig es bereits mit einem einzigen VCO klingt! Die Oszillatoren agieren herrlich strahlend und je nach Auswahl obertonreich. Sie sind überzeugend nahe am Vergleichsgerät, einem Minimoog Rev 2 aus der Zeit direkt nach der Musonics-Periode, agieren aber stimmstabiler. Im Direktvergleich zeigt das Model D seine Qualitäten in Form eines lebendigeren und singenderen Klangs. Die alten Bauteile sind eben nicht völlig identisch, und es sind mutmaßlich die leichten Ungenauigkeiten in der Stimmung, die den Klang so organisch und minimal schwebend im positiven Sinne wirken lassen. Der Midimini hingegen tönt straffer, aber auch statischer.

Geboten wird die komplette Bandbreite analoger monofoner Klänge, die man von diesem Gerät erwartet. Abgrundtiefe warme oder knackige zuschnappende Bässe in allen Variationen, straffe Sequenzen, gleitend, singende Soloklänge, Perkussion und Sweeps.

Erweiternd gibt es Ausdrucksstärke durch die Anschlagsdynamik, strahlende beißende Sync-Sounds und disharmonisch metallische Klänge durch die Zusätze in Form der interagierenden Kreuz- und Ringmodulation, die um die Filterübersteuerung und den Feedback-Weg noch erweitert werden. Hier bieten sich ergiebige Wege, das Klangspektrum in aggressive Bereiche zu führen – ein echter Mehrwert, der dennoch mit stimmiger analoger Klangfarbe überzeugt. Der ergänzende LFO ermöglicht es zudem, jederzeit die volle Wucht der drei Oszillatoren zu nutzen.

Das Filter ist ein weiteres Prachtstück, denn es packt gewohnt musikalisch und kraftvoll zu. Die Resonanz lässt sich stufenlos bis hin zu Selbstoszillation regeln. Die Betonung ist gut dosiert, führt aber wie im Original zu einem Pegelverlust. Dafür lassen sich spektakuläre und knallende Sweeps generieren. Auf alternative Filtermodi oder Flankensteilheiten verzichtet Studio Electronics daher kurzerhand.

Essenziell für den Sound sind zackige Hüllkurven, die im Zusammenspiel mit dem Ladder-Filter für perkussive und druckvolle Klänge sorgen. Studio Electronics beschränkt sich wie das Original auf reduzierte ADS-Hüllkurven mit einzeln schaltbarer Release-Funktion. Obwohl der Kompromiss nicht wirklich groß ist, hätte ich ADSR-Typen durchaus begrüßt und mir sogar eine Loop-Funktion gewünscht. Die Hüllkurven selbst agieren wie gewünscht – von explizit zackig bis hin zu Regelzeiten von bis zu 10 Sekunden. Deaktiviert man den Multitrigger, verhält sich der Midimini V30 bei gebunden gespielten Noten wie der Minimoog und löst die Hüllkurven nicht erneut aus.

Die Filterhüllkurve weist eine Besonderheit auf: Die Spannungsbereiche sind laut Hersteller mit dem Minimoog identisch, aber um 2 Volt versetzt, was sich vorteilhaft auf den Bereich gefilterter Bässe auswirkt. Bei vollem Modulationshub öffnet sich das Filter nicht vollständig. Laut Greg St. Regis wird dabei ein Bug des ersten Midimoog und Midimini im Zusammenspiel mit dem eingesetzten MPU-101 MIDI-to-CV-Wandler nachgestellt, der dem Hersteller so gut gefiel, dass er in Folgegeräten beibehalten wurde.

Somit verhalten sich die Regler im Direktvergleich mit einem Minimoog durchaus anders. Hüllkurve 2 ist davon unberührt. In der Praxis muss man die Filterfrequenz (oder Sustain-Pegel) schlicht weiter aufdrehen, um das Filter vollständig zu öffnen. Klanglich funktioniert der Versatz durchaus, ich hätte mir jedoch eine Schaltbarkeit dieser Besonderheit gewünscht.

Konkurrenz

Studio Electronics besetzt mit dem Midimini V30 auf analoger Ebene in der Premiumklasse eine unerwartete Nische bei Neugeräten. Einen Minimoog kann man nicht mehr neu bekommen. Original und Reissue sind nur auf dem Gebrauchtmarkt zu haben und dort teurer als das Testgerät, dafür mit Klaviatur. Auch der Minimoog Voyager, der sich wie der SE-3X konzeptionell vom Klassiker entfernt, ist nicht mehr zu haben. Auf modularer Basis überzeugt mich der AJH Minimod, der mit Rahmen ohne Extras bei knapp 2.500 Euro liegt. Eine Nummer kleiner und auf zwei Oszillatoren beschränkt sind Analogue Solutions Leipzig V3 und der Boomstar 5089 aus eigenem Hause. Und für den preisbewussten Anwender käme auch der SE-02 infrage, der aus einer Zusammenarbeit zwischen Roland und Studio Electronics entstand und abseits einer geschrumpften Bedienoberfläche eine beachtliche Funktionalität aufweist. Bei Moog könnte man mit dem Subsequent 25/37 oder Minitaur durchaus in die Nähe kommen.

Midimini-V30-Back
Die Bestückung mit Anschlüssen auf der Rückseite ist sehr spartanisch ausgefallen: Neben der Buchse für das Netzkabel gibt es lediglich zwei MIDI-Buchsen im DIN-Format sowie einen monofonen Audioausgang – keinen Kopfhöreranschluss (auch nicht auf der Front) und auch keine USB-Buchse für MIDI.

Fazit

Der Midimini V30 ist eine Hommage an den legendärsten aller monofonen Synthesizer und gleichzeitig eine Würdigung des ersten eigenen Produktes von Studio Electronics. Der Synthesizer wandelt klanglich und von der Bedienung her glaubhaft auf den Spuren des Model D. Der Grundklang ist hervorragend und stellt die meisten aktuellen analogen Synthesizer in den Schatten. Dass er umgekehrt für Puristen vermutlich keinen vollständigen Ersatz darstellt, nimmt der Hersteller in Kauf, denn das Instrument bietet gleichermaßen sinnvolle und effektive Erweiterungen. Zwar gibt es weder ADSR-Hüllkurven, Pulsbreitenmodulation noch Variationen im Filterbereich, dafür aber Sync-, Kreuz- und Ringmodulation, einen regelbaren Overdrive, einen zusätzlichen LFO, Anschlagsdynamik und diverse Schnittstellen und Schalter. Auf Speicherbarkeit wurde weiterhin bewusst verzichtet.

Die unverbindliche Preisempfehlung fällt mit etwa 4.500 Euro hoch aus, liegt aber auf einer Höhe mit den ehemaligen Reissues des Model D. Die Fertigungsqualität ist hoch und von Hand in Thru-Hole-Technik ausgeführt, was den Midimini V30 eher mit den Originalen als mit günstigen Konkurrenten vergleichbar macht. Letztlich entscheiden das Budget und der Bedarf an einem solchen Synthesizer. Wer sich für einen Midimini V30 entscheidet, tätigt keinen Schnellkauf, sondern eine dauerhafte Investition in ein Stück erstklassige und vergleichsweise kompromisslose Technik, die neben exzellenten Sounds dauerhaften Spielspaß liefert.


Hersteller: Studio Electronics

UvP: 4.520,81 Euro

Internet: www.studioelectronics.com

Unsere Meinung
++ erstklassige Model-D-Adaption
++ Ringmodulation, Kreuzmodulation, Sync, dedizierter LFO
++ Anschlagsdynamik
– – kein Kopfhörerausgang

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