Tegeler Audio Manufaktur: VariTube Compressor und Myth EQ im Test
von Daniel Graumann,
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Der MythEQ ist der neue Einkanal-EQ von Tegeler Audio im Api-500-Format. Wenn man mich um meine Platzierungen der geläufigsten Kompressoren fragen würde, würde ich auf Platz vier einen 1176 setzen, auf Platz drei einen VCA, auf Platz zwei Optokompressoren, gefolgt von VariMus an der Spitze.
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Ich mag die weiche warme Bearbeitung von VariMu und Optos total. Hier könnte ich einen schlechten Witz einbauen, dass Optos es nicht auf Platz eins geschafft haben, weil ich als Blinder mit Optik nicht viel anfangen kann. Das wäre aber viel zu flach und fachlich einfach falsch und auch der Grund dafür, dass ich mal wieder keine Aussagen über die optischen Gestaltungen der hier vorgestellten Geräte treffe.
Kompressoren, die ihre Kompression über Röhren realisieren, sind nun wahrlich nichts Neues. Dennoch hat dieses Prinzip immer etwas Magisches und zu Beginn einer tontechnischen Laufbahn auch etwas Kompliziertes. Betrachtet man sich das aber mal ganz genau, ist es so logisch wie: erst Socken, dann die Schuhe. 🙂
Der Begriff VariMu ist nicht nur der Produktname des Röhrenkompressors von Manley, sondern steht für die Arbeitsweise dieser Röhrenkompressoren. Der Aufbau einer Röhre ist bei der Triode eine Anode und eine Kathode, die durch ein Gitter getrennt sind. Natürlich gibt es auch eine Heizung, damit die Betriebstemperatur gewährleistet ist. Entscheidend für die Dämpfung ist die Spannung des Gitters. Je höher diese Spannung ist, desto mehr Elektronen werden »abgefangen«.
Unser Audiosignal wird über Anode und Kathode durch die Röhre geleitet. Es kommt auf der einen Seite an, hüpft durch das Gitter und wird auf der anderen Seite weitergeführt. Jetzt wird das Audiosignal gleichzeitig in das Gitter geleitet, damit wir die Steuerung der Kompression umsetzen können. Wenn das Audiosignal sehr laut ist, kommt es mit einer höheren Spannung im Gitter an und fängt somit mehr Elektronen beim Hüpfen auf. Bei der Kathode kommen somit weniger Elektronen an, und das Audiosignal wird dann leiser. Laute Signale kommen mit einer höheren Spannung im Gitter an und dämpfen somit mehr ab.
Das ist auch der Grund für den Begriff Variable MU. Den Verstärkungsfaktor einer Röhre nennt man MU. Da das Audiosignal diesen wie oben beschrieben beeinflusst, ist er variabel. Simpel gesagt, ist ein sich verändernder Verstärkungsfaktor ein VariMU. So viel zum Allgemeinen und jetzt zum Tegeler Audio Manufaktur VariTube im Speziellen.
Ausstattung
Die Bedienelemente an der Frontplatte sind unmissverständlich klar. Es gibt links einen Viererblock mit Reglern für Input Gain, rechts daneben einen Attack (6 – 100 ms), darunter einen für Release (100 ms – 2 s) und links daneben (oder wieder direkt unter Input) einen Output Gain. Auf der rechten Seite sind die Regler gespiegelt. Außerdem gibt es je Kanal ein Sidechain-Filter mit wahlweise 60 Hz, 120 Hz oder Fullrange sowie einen Bypass. Damit Attack und Release im Stereobetrieb nicht unterschiedlich angesprochen werden, kann mit einem Linkschalter das Steuersignal für beide Kanäle verwendet werden.
Wie oben schon ausgeführt, suchen wir hier einen Ratio-Regler vergebens. Schließlich beeinflussen wir über das Eingangssignal die Kompressionsrate in den Röhren. Wichtig ist zu sagen, dass Eingangs- und Ausgangslautstärke für beide Kanäle separat eingestellt werden müssen und diese nicht über die Link-Funktion mit eingestellt werden können. Für solch einen Betriebsmodus hätte ich einen Dual Input sehr begrüßt – man kann aber nicht alles haben.
Im unteren Bereich in der Mitte der Frontplatte liegt der Ein-/Ausschalter. Dieser teilt das Gerät in links und gespiegelt rechts. Über dem Ein-/Ausschalter sind die beiden VU-Meter, die die Gain Reduction anzeigen – für meine Begriffe sehr übersichtlich bei 19 Zoll und drei Höheneinheiten. Auf der Rückseite haben wir die Ein- und Ausgänge paarweise in symmetrischer XLR-Ausführung sowie einen dreipoligen Kaltgeräteanschluss für das integrierte Netzteil.
Für die Recall-Fähigkeit des Geräts ist noch wichtig zu erwähnen, dass alle Regler mit 41 gerasterten Potis ausgestattet sind, die bei Geräten von Tegeler Audio anzufinden sind, sofern es keine Drehwahlschalter sind.
Ist man mit der Dynamik des Mixes eigentlich zufrieden, will aber das Feeling des VTC haben, gibt es jetzt einen Color/Comp-Schalter je Kanal, der die Färbung ohne Kompression hinzufügt.
Schrauben wir den VariTube Kompressor mal gedanklich auf und schauen uns die Bauteile an, die die Magie hier machen, so finden wir pro Kanal drei Übertrager und vier Röhren – im Grunde den klassischen Aufbau mit vier Röhren pro Kanal. Anders ist hier, dass durch die Verwendung von einer ECC82 und einer E88CC-Doppeltriode pro Kanal zwei Röhren sichtbar sind, die in sich allerdings jeweils zwei Röhren vereinen. Das schlägt sich natürlich auch im Stromverbrauch nieder. Der VariTube verbraucht unter Vollast weniger als 25 Watt!
Schmeiße ich meine UAD2 Satellite TB3 nur für das VariMu-Plugin an, verbrauche ich hierfür auch knapp 6 Watt. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich den Mehrbedarf meiner Hardware vertretbar für den einzigartigen Klang. Im Mixing ist dieser Vergleich natürlich zu relativieren, da sicherlich mehr UAD-Plug-ins im Mixing zum Einsatz kämen, aber für mich als Mastering Engineer geht es in diesem Fall nur um einen Dynamikprozessor.
Praxis
In der Praxis ist der VTC ein Färbebiest, und das meine ich im positivsten Sinne. Ich liebe den VariMu-Sound beim Veredeln von z. B. Jazz oder handmade Songs. Mit schnellen, lauten Transienten hat der VTC so seine Probleme und macht sich durch ein unschönes Schlagen bei mir bemerkbar. Aber hey, ein VariMu ist kein 1176, und mit einer Pinzette würdet ihr ja auch keinen Nagel in die Wand schlagen. Er ist kein Allrounder, aber für das besondere Gefühl eines Masters ist er m. E. immer einen Versuch wert. Durch das Voxengo MSed-Plug-in vor und nach dem VTC nutze ich ihn am liebsten in einer M/S-Matrix. Da kommt die Dualmono-Funktion auch sehr stark zur Geltung.
An dieser Stelle finde ich es auch angebracht, eine weitere Neuentwicklung aus dem Hause Tegeler Audio Manufaktur zu erwähnen: den MythEQ. Dieser Equalizer hat Api-500-Format und ist mit einem High Shelf (3 – 10 kHz), einem High-Mid Bell (1 – 16 kHz), einem Low-Mid Bell (80 Hz – 1,3 kHz) sowie einem Low Shelf (50 – 450 Hz) ausgestattet.
Auf der linken Seite sind die Frequenzwahlpotis übereinander angebracht und schräg rechts darüber die entsprechenden Gain Potis. Mit ±15 dB packt er ordentlich zu. Unter dem untersten Gain Poti befindet sich der Bypass-Schalter.
Auch der Math EQ iat im Dualmono-Betrieb einsetzbar, wenn man zwei davon sein Eigen nennen kann. Sie unterstützen nicht die Link-Funktion der Lunchbox und müssen separat eingestellt werden. Im Stereobetrieb finde ich es immer etwas schade, aber durch den EQP-1 ist man es ja auch schon gewöhnt.
Schaltet man dem VTC allerdings jeweils einen MythEQ in der M/S-Schaltung nach oder vor, kann man sehr fein und hochauflösend mit dem EQ arbeiten. Im direkten Vergleich zum AMS Neve 8803 kann ich sagen, dass die Funktionalität deutlich abgespeckter ist (schließlich sucht man einen Low- und Highcut am MythEQ vergeblich), aber dafür sind die Potis nicht mit mehreren Funktionen belegt und die Potis sind, wie schon beim VTC erwähnt, mit 41 Rasten sehr präzise wiederherstellbar. Klanglich hat der MythEQ bei mir den 8803 abgehangen.
Natürlich ist der Kreativität kaum eine Grenze gesetzt, und erlaubt ist, was gefällt. Wer bei der Xmas-Promo einen VTC gekauft haben sollte und entweder einen MythEQ oder einen VocalLeveler im 500er-Format dazubekommen hat, kann bei M/S sogar die Mitten und die Seiten mit verschiedenen Kompressoren bearbeiten. Das ist eine theoretische Empfehlung meinerseits, da ich den VocalLeveler nicht besitze oder zum Testen hier hatte. Dieses Vorgehen habe ich mal mit einem Portico 517 als Optokompressor für die Mitte eines Mixes verwendet. Dieses Vorgehen hatte den letzten Pfiff für einen Kunden gebracht, den sonst vorher immer etwas fehlte.
Fazit
Wer auf der Suche nach einem charaktervollen Kompressor ist, welcher Musik in erster Linie schön und nicht nur laut klingen lässt, ist mit dem VariTube Compressor von Tegeler Audio bestens beraten. Tatsächlich habe ich es in meiner Laufbahn noch nicht erlebt, ein Gerät aus der Box ins Rack zu packen und direkt ein Master abzuliefern, das beim Kunden auf offene Ohren gestoßen ist.
Ich persönlich würde ihn nicht nehmen, wenn ich beim Loudnesswar versuchen müsste, IDM gegen cleane Plug-in-Kompression abzuliefern – aber das ist auch nicht der angestrebte Einsatzort für einen VariMu. Die Tatsache, mit dem kostenlosen MSed-Plug-in von Voxengo die Signalführung des VTC in M/S wandeln zu können, ist eine unglaubliche Funktionserweiterung, und hier ist die separate Anpassung von Input- und Output-Gain ein großer Gewinn. Schließlich kann so etwas nicht mit Geräten gemacht werden, die mit Stereoregelweg (ohne unlink) festgelegt sind.
In Verbindung mit den weiteren 500er-Modulen von Tegeler Audio kann die Funktionalität sehr flexibel erweitert und ausgeformt werden.
Unsere Meinung:
+++ sehr warmer Klang, wenn gewünscht (jetzt auch ohne Kompression)
+++ Recall-Fähigkeit wegen gerasterten Potis
+ DualMono
– Input und Output nicht linkbar
– kann bei sehr lauten Spitzen schlagen
Das mit dem vari-µ üben wir noch mal. Es sind tatsächlich spezielle Trioden, die hier zum Einsatz kommen. Deren Gitter sind ungleichmässig gewickelt, was zu einer weiträumigen Veränderung der Verstärkung µ in Abhängigkeit von der Vorspannung führt. Die Vorspannung kontrolliert also die Verstärkung und durch den paarweisen, gegenphasigen Betrieb in einem Kompressor werden auch Verzerrungen wieder ausgeglichen, zumindest theoretisch. Hammond hat damit schon in der B3 die Percussion realisiert.
Das mit dem vari-µ üben wir noch mal. Es sind tatsächlich spezielle Trioden, die hier zum Einsatz kommen. Deren Gitter sind ungleichmässig gewickelt, was zu einer weiträumigen Veränderung der Verstärkung µ in Abhängigkeit von der Vorspannung führt. Die Vorspannung kontrolliert also die Verstärkung und durch den paarweisen, gegenphasigen Betrieb in einem Kompressor werden auch Verzerrungen wieder ausgeglichen, zumindest theoretisch. Hammond hat damit schon in der B3 die Percussion realisiert.