Charaktervolle Großmembraner

Telefunken Alchemy-Serie – TF11, TF29, TF39, TF47 und TF51 im Test

Anzeige
Telefunken_Alchemy 9
Zum Test angetreten (v.l.n.r.): Telefunken Elektroakustik TF23 und TF29 Copperhead, TF11 FET, TF51 und TF47

Es gibt so einige Großmembran-Kondensatormikrofone mit dem ikonischen Telefunken-Logo, die aus gutem Grund Tontechnikerherzen höherschlagen lassen. Da sind zunächst die historischen, wie die von Neumann gefertigten Telefunken U 47, die – wie die von AKG hergestellten ELA M 250/251 – auf dem Gebrauchtmarkt schwindelerregende Preise erzielen … wenn sie überhaupt verkauft werden. Und: Telefunken Elektroakustik aus den USA hat als Marken-Lizenznehmer vor allem durch den Anspruch auf sich aufmerksam gemacht, die legendären deutschen und österreichischen Röhrenmikrofone so originalgetreu nachzubauen, wie es heute technisch möglich ist.

Diese Wiederauferstehungen von U 47, U 48, C12 und den ELAs ist vortrefflich gelungen, die Mikros bilden zusammen die Telefunken Diamond-Serie. Wenn man an einem Kauf interessiert ist, sollte man sich aber rechtzeitig darüber im Klaren sein, dass die Preise allesamt fünfstellig (!) sind.

Anzeige

Es geht auch preiswerter, als echte Originale anzuschaffen oder deren absolut kompromisslose Nachbauten zu kaufen: Die Alchemy-Serie von Telefunken Elektroakustik verspricht Mikrofone mit sehr hochwertigem Klangcharakter und setzt dazu auf einfachere Hardware. Die »Made in USA«-Mikrofone der Telefunken Alchemy-Serie, die hier zum Test angetreten sind, werden zu vergleichsweise moderaten Preisen angeboten.

Viele Gemeinsamkeiten – und viele Unterschiede

Mit TF beginnt das Produktkürzel aller Alchemy-Mikros, gefolgt von einer zweistelligen Zahl. Wie so oft können manche dieser Zahlen Rückschlüsse auf die Vorbilder erlauben. Blickt man durch die Mikrofonkörbe auf die Kapsel, lassen sich diese Zusammenhänge gut ableiten: TF51 und TF11 haben randkontaktierte Kapsel, wie sie etwa in den ELA 250/251 verwendet wurden. TF29, TF39 und TF47 sind mittenkontaktiert.

Aber es gibt vor allem Gemeinsamkeiten: Die Mikrofone Telefunken TF29, TF39, TF49 und TF51 sind von ihren Maßen her identisch, nur das TF11 ist ein wenig kürzer. Der mechanische Aufbau ist weitestgehend einheitlich: Alle sind Side-Fire-Mikros, werden also seitlich besprochen. Die Kapseln liegen unter Drahtgeflechtkörben, die zum Schutz innen mit Metallgaze ausgekleidet sind. Die Elektronik findet in einem zylindrischen Korpus Platz, das Innenleben der Telefunken-Alchemy-Mikros offenbart sich, wenn man den Fußring abschraubt und den Tubus nach unten abzieht. Zwei Metallprofile bilden das Skelett, welches die Kapselkonstruktion mit dem Fußteil verbindet und die jeweils unterschiedlich bestückte Platine fixiert.

Telefunken_Alchemy 6
Telefunken TF11 FET mit blauem Tubus und TF51 mit grauem: Beide Mikrofone nutzen eine randkontaktierte Kapsel, wie es auch schon AKG C12 und Telefunken ELA M 250/251 taten.

Die Platinen sind natürlich nicht identisch, doch erkennt man auch hier eindeutige Zusammenhänge: Durch die Lage und oft auch die konkreten Bauteile ist der Serienzusammenhang erkennbar. Wo es allerdings deutliche Unterschiede gibt, ist bei dem Röhrentyp (außer beim TF11 FET, das ist ein Transistormikrofon) und dem Mikrofon-Ausgangsübertrager.

Das TF47 hat als Vorbild das altehrwürdige Neumann/Telefunken U 47. Telefunken nennt aber auch das M 49. Erzeugt werden die Klangeigenschaften des Mikros in Dunkelgrau und mit leicht mattierten Metallteilen mit einer K47-Kapsel, einer 5080W-Pentode aus alten Beständen (»NOS«) sowie dem BV8-Übertrager, der auch in Telefunken U 47 und U 48 verbaut wird. Die Empfindlichkeit beträgt 22 mV/Pa, als 1 %-THD+N-Grenze für den maximalen Schalldruckpegel wird 125 dB SPL angegeben. Am Netzteil wird zwischen Niere, Kugel und Acht gewählt. Im grafischen Frequenzgang der Niere fällt ein kleiner »Bump« um die 4 kHz auf, der auch dem U 47 seine Durchsetzungskraft gibt.

Telefunken_Alchemy 5
Zu einer Gruppe lassen sich auch TF29, TF39 und TF47 zählen – hier wird auf Mittenkontaktkapseln gesetzt.

Etwas höher hingegen ist beim TF51 der wichtigste Boost abzulesen, er liegt bei 10 kHz. Das Signal der Doppelmembrankapsel wird durch eine 6072A-Doppeltriode geleitet, die viele Ähnlichkeiten mit der bekannteren 12AY7 besitzt. Den Übertrager steuert Haufe mit einem T31 bei. Das an die Telefunken ELA M 250 und 251 angelehnte Röhrenmikrofon gibt ebenfalls drei Patterns zur Auswahl, die technischen Daten sind ähnlich wie beim TF47.

Telefunken TF29 und TF39 sehen sich äußerst ähnlich, ihren Namenszusatz »Copperhead« haben sie den kupferfarbenen gebürsteten Metallteilen als Kontrast zur schwarzen Bodytube zu verdanken. Einzig die Niere des TF29 lässt die Mikrofone auf ihrer Vorderseite auseinanderhalten. Das TF39 Copperhead Deluxe führt den »Luxus« auf das Vorhandensein weiterer Richtcharakteristiken zurück, der Acht und der Kugel. Die Übertrager stammen von Lundahl, die Röhren sind 5654W-Pentoden.

Das blau und schwarzverchromte TF11 FET ist als einziges Transistormikrofon ein wenig »the odd one out«. Das Mikrofon ist zudem kürzer und das preiswerteste in der Serie. Zu seinem Feldeffekttransistor gesellt sich ein Ausgangsübertrager von Carnhill. Die Kapsel, der Frequenzschrieb und nicht zuletzt die Herstellerangaben rücken das TF11 in die Nähe des AKG C12. Bedenkt man, dass frühe AKG C414 EB aber mit der gleichen Kapsel wie das C12 ausgestattet waren, könnte man vielleicht auch hier einen klanglichen Zusammenhang feststellen.

Alle Mikrofone der Serie werden mit einfachem Mikrofonhalter, Spinne, Schutzhülle, Netzteil und Softcase ausgeliefert – das TF11 besitzt natürlich kein Netzteil.

Ich kann der gesamten Hardware bescheinigen, frei von Fehlern und Verarbeitungsmängeln zu sein. So gibt es etwa keine Lacknasen, matte Stellen in der Verchromung oder ähnliche Ärgernisse.

Im Einsatz

Alle Telefunken-Alchemy-Mikrofone haben im Test dadurch geglänzt, dass sie im Betrieb sehr leise sind. Vocals mit wenig Pegel oder andere leise Signale aufzunehmen ist also kein Problem. Auf der anderen Seite des dynamischen Spektrums muss in Ermangelung eines Pads darauf geachtet werden, nicht unbedingt lauteste Schallquellen und geringste Abstände miteinander zu kombinieren. Um hier über den Bereich der angenehmen Sättigung hinauszukommen, musste ich mit Trompete oder Schlaginstrument aber deutlich forcieren. Was bei den vier Röhrenmikrofonen ratsam ist, ist eine Aufwärmzeit zuzulassen. Sie alle klangen in den ersten Minuten noch etwas fahl und eindimensional.

Hat man wie ich die gesamte Serie für einen Test zur Verfügung, lassen sich sehr gut die klanglichen Unterschiede herauslesen. Aber es gibt auch deutliche Gemeinsamkeiten: Durch die Bank liefern die fünf Alchemy- Mikros einen fein aufgelösten und hochwertigen Klang. Sie sind zwar zweifelsohne allesamt sehr charaktervoll, doch wird das nicht dadurch erkauft, dass die Färbung das Signal »zuschmiert«. Bei Stimmen kann man das gut an kurzen, scharfen Konsonanten erkennen: Das [t] und das [s] erhalten zwar einen schönen Glanz, doch werden sie nicht »breitgetreten«. TF29, TF39 und vor allem TF47 sind nicht so zackig wie TF11 und TF51.

Telefunken_Alchemy 8
Die Ähnlichkeiten sind unverkennbar – die Unterschiede aber auch. Links sind übrigens TF29 und TF39, die die gleiche Platine benutzen. Einzig dem TF29 ganz links »fehlen« ein paar Bauteile: Es ist im Vergleich zum TF39 nicht umschaltbar.

Das TF47 zeigt die leicht reibende Komponente in den Hochmitten. Das klingt ja fast schon negativ und ist alleine gehört tatsächlich gar nicht so spannend. Mit seinem leichten [ch]-Sound (der etwa entsteht, wenn man die Handflächen aneinander reibt) auch in gehaltenen, periodischen Klängen schmirgelt sich das Signal aber gerade dadurch im Mix durch andere Signale bis nach vorne. Und siehe da: Genau das sind die Qualitäten, die ich auch bei einem originalen Telefunken U 47, mit dem ich ab und an arbeiten kann, und meinem Microtech Gefell UM 92.1S feststellen konnte und liebe. Anders als bei vielen preiswerteren Mikrofonen bleibt beim TF47 kein Detail auf der Strecke.

TF29 und TF39 sind hingegen formbarer und vielleicht die besseren Allrounder. Von den getesteten Mikrofonen sind die beiden Kupferköpfe die rundesten, besonders in den Tiefen. Allerdings nicht im oberen Teil des Spektrums: Für manche Signale, darunter einige Stimmen, waren sie mir an manchen Stellen ein wenig zu scharf, aber Allrounder können es einem eben nicht in jeder Situation recht machen. Und ein EQ mit sanfter Rücknahme zwischen 5 und 10 kHz glättet bei Bedarf problemlos. So gut wie alle Quellen bekommen mit den beiden Copperheads einen edlen Schmelz, der aber niemals aufdringlich ist. Ganz toll ist das im Nahbereich von Stahlsaiten-Akustikgitarren und am Altsaxofon gewesen. Cleane und zackig gespielte Gitarrenverstärker wurden von den beiden »Neunern« TF29 und TF39 mit Biss abgenommen, gleichzeitig litt aber nicht die Tiefe, die Federhall und Tremolo erzeugt haben. Im Einsatz als Shoulder- und Overhead konnte ich zudem feststellen, dass 39 auf Niere geschaltet und 29 so gut wie identisch klingen (trotz etwas unterschiedlicher Außengitter).

Telefunken_Alchemy 1
Netzteile: Oben das 902 für das nicht umschaltbare TF29, darunter jenes für TF39, TF47 und TF51. Das TF11 benötigt kein Netzteil, sondern wird statt mit Multipin-XLR mit dreipoligem XLR angeschlossen. Es benötigt aber Phantomspeisung.

Richtig edel klingt das TF51. Im Vergleich zu den anderen Röhrenmikrofonen ist es offener und leichtfüßiger, aber lange nicht »frisch« oder »spritzig«. Tatsächlich erinnert sein Charakter an ältere C414 oder Austrian Audio OC818. Den Charakter des 51 mag ich ganz besonders für Gesangsstimmen – und zwar für zarte wie kernige und tiefe wie hohe. Auch konnte ich hier bei der Bearbeitung mit EQ und Dynamics noch kräftiger zulangen als bei den anderen Alchemy-Tubemikros. Zu sagen, dass mir das TF51 besser gefällt als die andern, wäre übertrieben, aber auf mich wirkt sein Stil »teurer«.

Baulich fällt das TF11 FET etwas aus dem Rahmen, und auch klanglich setzt es sich ab. Dabei ist in keinem Fall gemeint, dass es schlechter sei. Im Gegenteil: Vor allem, wenn man den gegenüber den anderen Alchemisten geringeren Preis bedenkt, ist das Elfer eine sehr sinnvolle Investition. Für einen Großmembraner spielt das TF11 reichlich agil, zeichnet Schallquellen flott und detailliert nach, ohne dabei zu analytisch vorzugehen. Die Verwandtschaft mit dem TF51 ist deutlich, außerdem kann man im Vergleich der beiden den Unterschied zwischen Röhren- und Transistormikrofon mustergültig genau erkennen. Das TF11 geht weniger mit eigenständigem Klangduktus zu Werke, ist aber präziser – dies ist auch ein Lehrstück dafür, dass es Aufgaben für ein Mikrofon gibt, bei denen Röhrenvertreter eben nicht im Vorteil sind.

Telefunken_Alchemy 2_ed
Das kleine FET-Mikrofon TF11 ist der Benjamin der Serie – aber sehr gelungen!

Einen guten Job machen alle Mikrofone bei ihrer Richtwirkung. Abrupte Einbrüche bei nicht axialer Besprechung waren nicht festzustellen, die Übergänge sind sanft und immer gut einschätzbar. Bei 90 (und natürlich 270) Grad abseits der Frontalachse treten dann die typischen »Phasenlöcher« auf. Die umschaltbaren Mikrofone TF39, TF47 und TF51 besitzen Acht und Kugel, deren Klangeigenschaften sehr nah an der ihrer Niere liegen.

Die Zielgruppe für alle Mikrofone ließ sich im Test gut heraushören: Es sind vornehmlich kleinere Studios und Homerecordler. Warum das? Nun: Mikrofone dieses Typs besitzen den Nahbesprechungseffekt, durch den der Bass umso stärker wird, je näher sich die Schallquelle befindet. Bei allen Telefunken-Alchemy-Mikros war der Boost recht verhalten. Auch bei Abständen von nur 10 cm, wie sie bei nahen Begrenzungsflächen, nicht so prickelnder Akustik und bei Störschall gewählt werden, war der Bass nicht überbordend und spielt trocken, anstatt zu dröhnen, zu schwimmen und zu wummern. Anders als das Pad vermisse ich ein schaltbares Hochpassfilter also nicht.

Fazit

Wirklich »super-preiswert« sind die Mikrofone der Telefunken Alchemy-Serie nicht. Die Schallwandler sind zweifelsohne etwas für diejenigen Interessenten, die ihre Prioritäten richtig gesetzt haben, und zwar auf den Sound. Genauer: charaktervollen Sound. Die Mikrofone färben teilweise deutlich, geben dem eingefangenen Signal einen edlen Anstrich mit auf den Weg. Dabei beweist Telefunken die Fähigkeit, Mikros »teuer« klingen zu lassen, indem es das Voicing passend vornimmt und darauf achtet, dass Detailzeichnung und technische Dinge wie das Rauschverhalten nicht darunter leiden. Toll ist die umfangreiche Wahlmöglichkeit innerhalb der Serie. Unter den Röhrenmikrofonen gefiel unterm Strich das TF51 am besten. Das TF11 FET ist eine ganz besonders interessante Option, aufgrund seiner Zackigkeit und des reizvollen Preises.


Hersteller: Telefunken Elektroakustik

UvP/Straßenpreis:
von 1.099,– bis 2.495,– Euro /
von ca. 1.099,– bis 2.389,– Euro

Internet: www.telefunkenelektroakustik.com

Unsere Meinung:
+++ charaktervoll
+++ detailliert
+++ große Auswahl innerhalb der Serie
++ rauscharm
– Pad würde nicht schaden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.