Als vor einigen Jahren die Marke Telefunken in den USA wiederbelebt wurde, war das erste Ziel die Rekonstruktion jener klassischen Röhrenmikrofone, die Telefunken einst in den 50ern und 60ern vertrieb. Mit dem M60 FET wagt sich der US-Hersteller erstmals an ein Kondensatormikrofon in Transistorelektronik. Doch auch hier bleibt die Devise: Vintage-Sound durch Vintage-Technik.
Ein gutes Set Kleinmembranmikrofone gehört in jedes Studio, egal welcher Größe. Denn wenn’s um originalgetreue Abbildung geht, insbesondere in Stereo, sind Mikrofone mit kleinen Membranen der Großmembran-Konkurrenz überlegen. Bisweilen vermisst man allerdings ein bisschen den subjektiven Schönklang − und da kommt der Vintage-Faktor ins Spiel. Im Gegensatz zu vielen modernen Kleinmembranmikros arbeitet Telefunkens M60 FET mit einer minimalistischen Übertrager-Elektronik, ähnlich wie die frühen FET-Mikrofone der späten 60er. Hier lauert dezente Klangfärbung.
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FET konkret
Zum Test lieferte uns der deutsche Vertrieb Klemm Music das M60 FET als komplettes „Master Stereo Set“, bestehend aus zwei Bodies (Impedanzwandlern) und sechs Kleinmembrankapseln für die drei Richtcharakteristiken Kugel, Niere und Hyperniere. Kostenpunkt in dieser Darreichungsform: knapp über 2.000,− Euro. Es geht aber auch günstiger: Als Einzelmikrofon mit Nierenkapsel kostet das M60 FET 775,− Euro (UvP). Verpackt ist das Master Stereo Set in einem kompakten Kunstleder-Case mit Innenpolsterung. Zum Lieferumfang gehören außerdem zwei elastische Halterungen, Schaumstoff-Windschutze und sogar zwei Mikrofonkabel; eine Stereoschiene liegt leider nicht bei. Die Mikrofone wirken makellos verarbeitet. Der Body ist matt-schwarz pulverbeschichtet, mit erhabener Telefunken-Raute; die Kapseln sind chromglänzend mit goldfarbener Gaze vor dem Schalleinlass.
Trotz der verschiedenfarbigen Materialien wirkt das Ganze stimmig und nobel. Mehr als die Optik entzückt den Mikrofonfachmann die Tatsache, dass sämtliche Komponenten, die Impedanzwandler und alle sechs Kapseln mit Seriennummern versehen sind. Denn nur so ist eine konsequente Qualitätssicherung sowie ein präziser Stereo-Abgleich möglich. Abzüge in der B-Note gibt’s dafür, dass zwei der Kapseln andere Seriennummern tragen als die auf ihren Aufbewahrungsdosen. Das Stereo-Matching der Kapseln ist indes sehr präzise, sowohl im Höreindruck als auch in den Messungen. Mit einem Durchmesser 15 mm sind die Kapseln des Telefunken M60 FET näher am „Kleinmembran-Gardemaß“ von 1/2 Zoll (12,5 mm) als einige bekannte Kleinmembran-Mikros, die dieses Maß deutlich überschreiten.
Das Neumann KM 184 misst beispielsweise 18 mm im Durchmesser. Als Faustregel gilt: Je geringer die Membranfläche, desto geringer auch die Empfindlichkeit und desto schlechter der erzielbare Rauschabstand. Mit nur 8,6 mV/Pa ist die Empfindlichkeit des Telefunken M60 FET tatsächlich recht niedrig, und mit 19 dB-A liegt das Eigenrauschen, laut Datenblatt, etwas über der aktuellen Konkurrenz mit modernerer Schaltungstechnik. In der Praxis erwiesen sich die beiden Testexemplare jedoch als gut 3 dB rausch – ärmer als vom Hersteller spezifiziert. Somit ist das Rauschverhalten, in Anbetracht der Kapselgröße, überraschend gut.
Positiv bemerkbar macht sich der geringe Membrandurchmesser im Off-Axis-Verhalten. Tatsächlich bleibt der Klang außerhalb der Aufnahmeachse bemerkenswert konsistent. Die Höhen verlieren kaum an Brillanz; die Nieren- und Hypernieren-Kapseln behalten auch in den tiefen Frequenzen ihr Richtverhalten bei. Beste Voraussetzungen für Stereoaufnahmen!
Praxis
Alle drei Kapseltypen zeigen eine recht ausgewogene Klangbalance. Die Nierenkapsel arbeitet über einen weiten Bereich sehr linear mit einer milden Betonung in den oberen Frequenzen. Die Hyperniere fokussiert etwas stärker, unterscheidet sich klanglich aber kaum von der Nierenkapsel. Deutlich anders im Charakter ist die Kugelkapsel, die aufgrund der etwas stärkeren, breitbandigen Höhenanhebung brillanter wirkt und − natürlich auch aufgrund der offenen Richtcharakteristik − luftiger. Oberhalb 15 kHz ist ein etwas stärkerer Pegelabfall zu beobachten als bei manch anderem Kleinmembranmikrofon (wie dem zum Vergleich herangezogenen AKG C460B mit CK-62 Kapsel). Im subjektiven Klangeindruck präsentiert sich Telefunkens Kugelkapsel dennoch recht brillant.
In den Mitten arbeiten alle drei Kapseltypen bemerkenswert linear − eine äußerst wichtige Eigenschaft für ein Studiomikrofon, von dem man erwartet, dass es den Klangcharakter von Instrumenten und Stimmen unverfälscht abbildet. Auch die Tiefenwiedergabe weiß zu überzeugen. Die Kugel hat als Druckempfänger prinzipbedingt eine sehr tief reichende Basswiedergabe. Die Niere und Hyperniere warten beim Close-Miking aufgrund des Nahbesprechungseffekts mit einem satten Bass auf, aber auch bei etwas weiteren Mikrofonabständen dünnt der Sound nicht allzu sehr aus.
Allen Kapseln gemeinsam ist eine hohe Klangtransparenz mit guter Detailzeichnung. Gleichwohl wirkt der Sound angenehm verrundet. Vielleicht weil das Air-Band oberhalb ca. 15 kHz etwas gedeckt wirkt. Moderner konstruierte Kleinmembranmikrofone wie das Neumann KM 184 oder die ULS-Serie von AKG reichen etwas weiter in die oberste Stratosphäre des menschlichen Hörvermögens, fangen dabei allerdings auch eher unerwünschte Klangaspekte wie Saitengeräusche ein. Die Telefunken M60-FET-Mikros verhalten sich im Vergleich etwas gutmütiger. Gut zu hören ist das beispielsweise an einer Triangel, die starke Obertöne bis über 20 kHz erzeugt.
Das KM 184 klingt brillanter, wirkt „näher dran“, doch der etwas weichere, zurückhaltendere Sound des Telefunken M60 FET fügt sich harmonischer in den Mix ein. Überhaupt macht sich das M60 FET gut an Percussion-Instrumenten. Die Transienten werden sauber erfasst, wirken aber nicht übertrieben scharf; der Ausgangsübertrager sorgt für den dezenten Vintage-Touch. Aufgrund des minimalistischen Schaltungskonzepts − wie frühe Transistormikrofone arbeitet das M60 FET mit nur einem Feldeffekttransistor anstelle einer Triodenröhre − ist die Pegelfestigkeit begrenzt.
Der Grenzschalldruckpegel ist mit 130 dB (bei 1 % THD) angegeben, was jedoch für die allermeisten Anwendungen locker ausreicht. In der Praxis habe ich es auch mit einem lauten Schellenkranz und einer Kuhglocke aus nächster Nähe nicht geschafft, das M60 FET hörbar zum Zerren zu bringen.
Die Messungen fanden, wie bei S&R üblich, nicht im reflexionsarmen Raum, sondern unter praxisnahen Bedingungen in einem normalen Aufnahmeraum statt; der Messabstand betrug 33 cm.
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Bild: Dr. Andreas Hau
Klangbeispiele:
Fazit
Von Kleinmembranmikrofonen erwartet man in erster Linie eine neutrale, detaillierte Klangabbildung. Diesem Anspruch wird das Telefunken M60 FET Master Stereo Set durch – aus gerecht. Denn der Vintage-Charakter ist keineswegs prägnant. So richtig bemerkt man die dezente Färbung erst im direkten Vergleich zu moderner konstruierten Kleinmembranmikrofonen, die zwar mit besseren Spezifikationen und einem direkteren Sound beeindrucken, mitunter aber die Gutmütigkeit vermissen lassen, die das M60 FET auszeichnet.
Telefunkens M60 FET ist somit eine Alternative für Anwender, die den etwas weicheren Klang früher Transistormikrofonklassiker schätzen, jedoch die Zuverlässigkeit von Neuware bevorzugen. Denn selten wird man ein Stereopaar (beispielsweise Neumann KM 84) aus den 60er oder 70ern finden, das nach all den Jahren noch so präzise abgeglichen ist wie die Kapseln des Telefunken M60 FET Master Stereo-Sets. In Anbetracht der Ausstattung und Fertigungsqualität geht der Ladenpreis von knapp 2.000,− Euro durchaus in Ordnung.
Plus
+++ ausgezeichnetes Stereo- Matching aller Kapseln
++ ausgewogener Klang mit dezenter Vintage-Charakteristik
++ drei Richtcharakteristiken
+ gute Ausstattung
Minus
– Kugelkapsel mit Schwächen im Air-Band
Produkt Hersteller/Vertrieb Telefunken/Klemm Music
UvP/Straßenpreis 2.185,— Euro / ca. 1.980,— Euro