Software-Instrumente mit Fokus auf cineastisch-athmosphärischen Sounds finden sich zahlreich. Der recht neue Hersteller 10 Phantom Rooms hat es dennoch geschafft, hier mit einer kleinen aber feinen Produktserie klangliches Neuland zu bereisen. Aktuellste Ausgabe dieser, auf Native Instruments’ Kontakt-Plattform basierenden Instrumente, ist Low End Toys – ein Kreativ-Tool für alle, die eine Schwäche für ungewöhnliche und abgefahrene Klänge mit reichlich Tiefgang und cineastischer Breite haben.
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Low End Toys – Spielplatz für Sound-Freaks
Low End Toys arbeitet, wie alle Instrumente aus der Reihe 10 Phantom Rooms, samplebasiert und nutzt dazu Native Instruments bekannte und bewährte Kontakt-Engine. Zum Betrieb benötigt man nur NIs kostenlosen Kontakt Player. Dessen Browser-Funktionen übernehmen auch das gesamte Preset-Management mitsamt aller Kategorisierungen.
Auf das Wesentliche reduziert, layert Low End Toys vier samplebasierte Sounds, die sich mittels interner Effekten, Multimode-Filter sowie LFO oder Stepsequencer auf sehr interessante Weise individuell bearbeiten und animieren lassen. Jedes Preset beinhaltet drei Klangvarianten zwischen denen sich via Modwheel überblenden lässt – sehr cool.
Low End Toys Mainpage begrüßt mit einem sehr aufgeräumten, fast minimalistischen Look und einer netten Animation. Nahezu alle Funktionen sind hier weitgehend selbsterklärend: Oben befinden sich die Auswahloptionen und Pegelregler der vier Layer. Die verfügbaren Samples sind in Gruppen eingeteilt. Meist handelt es sich um äußerst komplex bearbeitete Multi-Samples. Ihre Herkunft lässt sich deshalb kaum erahnen.
Unten findet man sechs Macro-Controller, welche die einzelnen Parameter aller Layer gemeinsam steuern. Am rechten Rand sorgt ein einfacher 2-Band EQ für die Anpassung des Low Ends. Am linken Rand symbolisieren die Felder A, B und C drei Preset-Varianten und deren Morphing. Hier lassen sich auch alternative Modwheel-Zuordnungen bestimmen. Alles, zum Anspielen der Presets Notwendige, findet sich auf dieser Page.
Die Presets in Low End Toys
Die 166 Factory-Presets mitsamt ihren Variationen machen riesigen Spass: Es summt, brummt, raspelt, scheppert und klingelt in unzähligen Nuancen und wechselnder Komplexität. Die meisten Presets liefern – Nomen est Omen – ein enormes Low End, d.h. genügend Schub, um, eine ausreichende Verstärkung vorausgesetzt, so richtig den Putz fliegen zu lassen. Selbst die Abwärtstransponierung um eine Oktave kann den Subbässen ihren Druck nicht nehmen – wirklich bemerkenswert! Neben Athmos und Pads liegt der klangliche Schwerpunkt auf Bells, Keys und Bässen. Allen gemein sind voluminöse Tiefen und ein sehr eigenständiger Charakter. Die Transponierung verändert mitunter deutlich die klangliche Dynamik. Das unterstützt die Komplexität und Lebendigkeit der Sounds.
Zwei der zahlreichen, gesampelten Low End Toys
Etwa die Hälfte der Presets erlaubt tonales Spiel. Insgesamt ist die Auswahl sehr geschmackvoll und musikalisch sinnvoll gestaltet: Komplex, einfallsreich und bisweilen sehr catchy, ohne jedoch zu verspielt und damit überladen zu wirken, dürften sie sich hervorragend in eine Vielzahl musikalischer Umfelder einfügen. Naheliegend ist der Filmsound-Bereich, aber auch Electronica-Fans jeder Couleur dürften von Low End Toys hellauf begeistert sein.
Sounddesign
Das Anspielen der Presets ist erst der Anfang: Öffnet man weitere Pages, kann man selbst Hand anlegen. Jedes Layer bietet dann individuellen Zugriff auf Pitch, Sample-Startpunkt und Velocity. Man findet ein resonanzfähiges Multimode-Filter sowie Volume- und Filter-Hüllkurve. Ein weiteres Fenster offenbart die ebenfalls hervorragend klingenden Effekte Space, Echo und Dirt, allesamt mit wenigen, aber sehr effektiven Parametern ausgestattet. Hier wird auch die Wirkung der Macro-Controller auf die einzelnen Parameter bestimmt. Im Mixer lassen sich alle vier Layers mischen und mit Effekten versehen. Eine Solofunktion würde das Sounddesign noch einfacher machen. Die Animation-Page bietet schließlich einen Sequencer mit 16 Steps und einen LFO, um eine Vielzahl von Parametern in synchronisierbare Bewegung zu versetzen. Der Drift-LFO steuert ein Makro und sorgt für noch mehr Dynamik im Sound.
Impressionen aus Tobias Mengusers Studio
Die genannten Möglichkeiten machen Low End Toys zum äußerst ergiebigen Klangspielplatz. Mit ein paar Handgriffen lassen sich die Presets nach Bedarf sehr subtil oder drastisch verbiegen. „Ins Blaue hinein“ zu schrauben ist dabei ebenso einfach möglich wie gezieltes Arbeiten – die Bandbreite der Klangpalette ist überraschend groß, dabei in hohem Maße interessant und immer inspirierend.
Fazit
10 Phantom Rooms Low End Toys ist ein überaus leistungsfähiges Software-Instrument und Sounddesign-Tool mit massivem Wumms und hohem Spassfaktor. Die Kritikpunkte beschränken sich auf Kleinigkeiten. Das Klangangebot bedient im Wesentlichen äußerst interessante, eigenständige und bisweilen sogar sehr außergewöhnliche Bells, Keys, abgrundtiefe Bässe sowie Pads und Soundscapes – von dezenten Hintergrund-Athmos und lustigem Geklingel mit Chipmuk-Charakter bis hin zu Nicht-von-dieser-Welt-Klanggebilden. Damit empfiehlt sich das Instrument insbesondere für Filmsound und Electronica, sollte aber keinesfalls darauf festgelegt werden. Low End Toys ist leicht bedienbar, zuverlässig und im höchsten Maße inspirierend – hervorragend! Die notwendigen 99 Euro halten wir für bestens investiert.
10 Phantom Rooms Macher Tobias Menguser im Gespräch:
Was hat dich zu Instrumenten wie Low End Toys geführt?
In den vergangenen Jahren hatte ich das Vergnügen, für zahlreiche Hersteller Sample-basierte Software-Instrumenten nach bestimmten Vorgaben zu entwickeln. Irgendwann reifte der Gedanke, eigene Instrumente in den Fokus zu setzen. Das Resultat sind 10 Phantom Rooms: Instrumenten-Serien mit unterschiedlicher klanglicher Ausrichtung. Der Anspruch dabei ist, bekanntes Ausgangsmaterial – etwa ein Piano (Crosstalk Piano), Streicher (Low End Strings) oder eben diverse Spielzeuge – so zu verändern, dass daraus neue, eigenständige und inspirierende Sounds entstehen.
Wie entsteht das Sample-Material für 10 Phantom Rooms?
Im Gegensatz zu vielen anderen Sampling-Instrumenten oder Libraries arbeite ich mit einer recht überschaubaren Anzahl von Ausgangs-Samples. Entscheidend ist die Bearbeitung und das mehrfache Stacken. Dazu verwende ich ein Studiosetup mit zahllosen Soundtools aller Art. Es gibt hochwertige Preamps und EQs, nahezu jeden vorstellbaren Effekttyp, aktuell oder vintage, die verrücktesten Bodentreter, Bandmaschinen, Tape-Recorder, Software-Tools – einfach alles, was mir in die Finger kommt. Ein besonderes Signal-Routing ermöglicht die schnelle und reproduzierbare Bildung von komplexen Effektketten. Deren Sounds werden erneut aufgenommen, gestackt und ggf. noch weiter bearbeitet. Die Resultate bilden schließlich das Sample-Material für meine 10 Phantom Rooms Instrumente.
Was für Klänge stecken in Low End Toys?
Einerseits sind das tatsächlich Spielzeuge aller Art. Ich habe mich durch das Spielzimmer meines Sohnes gesampelt und die irrwitzigsten Geräusche mit hochwertigen Sanken-Mikros in 96kHz aufgenommen. So kann ich sie später extrem weit pitchen. Mein Partner Paul Haslinger hatte vor einiger Zeit eine umfangreiche Sampling-Session in einem Museum für mechanische Musikinstrumente veranstaltet und dieses Material beigesteuert. In der passenden Kombination ergab sich sehr interessantes Ausgangsmaterial für die oben genannten Bearbeitungen.