Mikrofon- und Preamp-Direktvergleich? Talkback ohne Mischpult? Scheinbare »Luxus-Baustellen«, bei denen man sich mit Notlösungen irgendwie behilft, was aber auch einfacher geht. Das findet zumindest Wolfgang Manns. Der Tontechniker und Studiobetreiber bietet mit Thirdfloorlab Geräte für hochwertige »Audio-Organisation« an, die den Arbeitsalltag vereinfachen sollen — ein Blick auf ein individuelles Portfolio.
Die üblichen Arbeitsschritte beim Mikrofonwechsel: anderes Mikrofon aufbauen, umstöpseln, aufnehmen. Anderer Preamp? Einstöpseln, umstöpseln, aufnehmen. Überhaupt, zum Vergleich muss aufgenommen und abgehört werden, das kostet Zeit und kann einer laufenden Session den Fluss rauben. Das geht auch einfacher, findet Wolfgang Manns. Mit seinen Thirdfloorlab-Produkten will der gelernte Kommunikationselektroniker und Studiobesitzer Abhilfe bei diversen Problemen im Recording-Alltag schaffen.
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Manns betreibt seit 2003 das Toolhouse-Studio in Rotenburg an der Fulda, ein ruhiges Städtchen im Zentrum Deutschlands (siehe auch Studioszene D, S&R 12/2011). Die Fulda fließt nebenan, das Panorama wird von Bergen gesäumt, es herrscht fast schon Kurort-Idylle. Bad Hersfeld ist in der Nachbarschaft angesiedelt, nachts sieht man an der Autobahnausfahrt den großen beleuchteten BetonQuader von Amazon.
Wie bei dem Logistikzentrum gilt auch für Manns und das Toolhouse-Studio: Eigentlich sind alle Kunden gleich weit weg, sie kommen wegen der Atmosphäre, der Technik samt großem SSL-Pult und der Studer-Mehrspur-Bandmaschine, seinem Fachwissen und dem daraus resultierenden klanglichen Ergebnis. Heisskalt waren bei ihm, Silbermond, The Intersphere oder Jan-Josef Liefers.
Abseits der Technik vermittelt das Studio Wohnraum-Flair: eine stilsichere Mischung aus hellem Minimalismus, iPad- und 1970er-Jahre-Ästhetik, Filmplakate schräger Science-Fiction-B-Movies aus den 1950er-Jahren hängen gerahmt an den Wänden, und ein Flipper-Spielautomat schmückt den Aufenthaltsraum.
In der Tontechnikszene haben viele irgendwann mit ihm zu tun, neben dem Studio etwa mit seinem Tontechnik-Vertrieb Morphon. Manns ist trotzdem keiner, der »lärmt« und um Aufmerksamkeit buhlt, sondern jemand, der wenig Aufhebens macht, dabei trotzdem oder gerade deswegen eine klare Haltung vertritt.
Den Vertrieb hat er seit Mitte der 90erJahre. Er vertreibt Geräte, die er selbst gerne nutzt, erzählt er. Zu seinen Marken gehören Helios, Retro Instruments und der Mikrofonhersteller AEA. Hersteller, bei denen er mit der Verarbeitung nicht zufrieden war, vertreibt er nicht mehr. Die Leute rufen ihn an, fragen ihn nach der Praxistauglichkeit, nach seinen Erfahrungen. Er macht das nebenbei. Auf der Musikmesse war er zuletzt vor über zehn Jahren. Inzwischen kümmert sich lieber mehr um sein Studio als um Marketing. Studio- und Tontechnik-Tätigkeit vermischen sich, er kennt die meisten Kunden persönlich. »Auf dem Kunden-Niveau, auf dem es Spaß macht, passiert viel im Praxis-Bezug.« Die Leute wollten kein Image kaufen, sondern damit arbeiten, meint er.
Switch Maid
Die eigenen Geräte entstanden aus praktischen Bedürfnissen heraus: Über die Studioarbeit, die Arbeit mit Produzenten, die bei ihm aufnehmen, stieß er auf Grauzonen in der Signalkette, für die noch keine vernünftige Lösung vorhanden war. Er wollte Mikrofone und Vorverstärker schnell vergleichen, ohne lange Umbauzeiten − die »Switch Maid« entstand, ein Umschalter: »Gerade bei Gesangsaufnahmen habe ich, wenn der Sänger reinkommt, bereits fünf bis zehn Mikrofone und sechs bis sieben Preamps aufgebaut.« Die Stimme repräsentiert meist den Song, dafür sucht er die optimale Signalkette − wenn das nicht stimmt, könne die Snare noch so gut klingen, aber die Botschaft komme nicht beim Hörer an, meint Manns. »Es hat mich irgendwann gestört, 15 Spuren am Rechner zu verwalten, mit den ganzen Einzel-Takes verschiedener Mikros und Preamps, um später alle nochmal durchzuhören.« Das sei für alle Beteiligten zeit- und energieraubend, gerade wenn die Musiker eigentlich loslegen wollen. »Der Sänger hat vielleicht etwas Interesse, aber auch eher selten − und dann auch nicht so viel, dass er nicht nach dem dritten Mikrofon-Take einfach eins davon verwenden will.«
Die Idee der Switch Maid? Im Regieraum mit einem Knopfdruck schnell entscheiden zu können, welche Signalkette für den jeweiligen Sänger am besten funktioniert. Das Gerät bietet die Umschaltmöglichkeit zwischen vier Mikrofonen und acht Preamps. »In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die Konfiguration für die meisten Kunden ausreicht. Der Signalpfad ist so simpel wie möglich aufgebaut, mit Relais mit Goldkontakten.« Das Ergebnis sei vergleichbar mit einem Steckfeld. »Sonst nichts, mit der Ausnahme von zwei Kondensatoren, die dazu da sind, die Phantomspeisung zu ›blocken‹.« Die Phantomspeisung wird von der »Switch Maid« erzeugt, nicht mehr von den einzelnen angeschlossenen Preamps. Dadurch wird Umschalten möglich, ohne dass die Phantomspeisung unterbrochen wird.
Durch den passiven Aufbau des Geräts können bei Bedarf Audiosignale in beide Richtungen transportiert werden. Das Gerät ist als 19-Zoll-Variante auf einer Höheneinheit ausgeführt und schlägt mit knapp 600,− Euro zu Buche. Auf den ersten Blick nicht billig für ein Werkzeug, das lediglich umschaltet. Andererseits − als Teil der Signalkette soll es die Klangqualität nicht beeinträchtigen.
Die Switch Maid ist indes kein Schnellschuss − 1999 hat er die erste Version ausgeliefert. Die Geräte seien servicefreundlich konzipiert und leicht zu überprüfen, erzählt er, die Bauteile befinden sich auf einzelnen Platinen. Teilweise baut er das Konzept mittlerweile auch für Dritthersteller. Für manche Kunden hat er auch schon Sonderanfertigungen gebaut, eine Stereo-Version etwa, ein paar große Musikläden haben Spezialversionen geordert, um Monitore im Vorführraum durchschalten zu können. Aus einer Sonderbestellung − konfiguriert für acht Mikrofone, acht Preamps und drei Insert-Wegen für Kompressoren − entstand eine weitere Serienvariante, die »Switch Maid Deluxe«, für vier Mikros, acht Preamps sowie je vier Kompressoren und Equalizer. Für diese Version mit 2 HE ruft Manns ca. 950,− Euro auf.
Einschleifen und durchschalten
Wenn es abseits der Preamps »nur« um die Möglichkeit gehen soll, verschiedene Effektgeräte im Signalweg zu vergleichen, bietet sich der »Inserter« an. Zwei Vierer-Bänke, etwa für Mono-Kompressoren und -Equalizer, eignen sich etwa zum »Durchtesten« beim Abmischen. Der Vorteil: Jede Bank schleift das Input-Signal immer durch, sodass die Gain-Reduction eines Kompressors nicht plötzlich einsetzt, wenn ein anderer Slot aktiviert wird − was den unmittelbaren Vergleich erschweren würde. Es sind jene Kleinigkeiten, das »Mitdenken«, wodurch die Thirdfloorlab-Geräte sich gegenüber reinen »Signalverwaltern« auszeichnen. Der Inserter kostet 475,− Euro.
Talkback ohne Mischpult
Neben den Signalvergleichen kann Manns auch bei der grundlegenden Kommunikation weiterhelfen: Weil er viel mit einem SSL-E-Serien-Pult und mit seiner analogen Studer A800-Bandmaschine arbeitet, ist er von der »Auto-Cue«-Funktion des Talkbacks, die automatisch umschaltet, verwöhnt: »Wenn ich bei der Bandmaschine auf Stop drücke, ist das Talkback-Mikrofon im Pult automatisch offen, und ich kann direkt mit dem Künstler reden.« Einfach und effektiv − aber leider nur bedingt in anderen Equipment-Szenarien reproduzierbar.
Sein »talkBACK” automatisiert zwei Mikrofonkanäle (für den Hin- bzw. Rückweg zwischen Aufnahmeraum und Regie). »Spielt« die DAW, wird die Talkback-Strecke stummgeschaltet. Und umgekehrt. Der Vorteil: Momente, in denen man die Aktivierung vergisst und vergeblich mit dem Künstler redet, gehören der Vergangenheit an. Über MIDI erkennt das Gerät automatisch den Status des Sequenzers. Außer für abgespeckte Rechner-Projektstudio-Lösungen bietet sich das Gerät auch für große Konsolen an; dort kann es als Insert eingesetzt werden. Der »kleine Helfer« kostet 213,− Euro. Allerdings ist Vorsicht geboten: Fortan müssen indiskrete Produzenten darauf achten, was sie sagen, denn der Künstler hört nach der Aufnahme automatisch mit.
Steuerung vorhandener Talkbackcontroller
Wer bereits eine Talkback-Lösung besitzt und nur eine automatische Steuerung wie bei einer analogen Bandmaschine braucht, für den bietet Manns mit dem »Stomp 4 U« ein Gerät an, das bei Monitor- oder Talkback-Controllern anstelle des Fußschalters angeschlossen werden kann. »Das Gerät erkennt über MIDI, ob der Sequenzer läuft oder steht. Wenn er stoppt, wird ein Relais aktiviert, das in seiner Funktion den Fußschalter bei gängigen Monitor- und Talkback-Controllern ersetzt.« Das Gerät funktioniere mit allen Controllern, die einen Fußschalter-Eingang zur Talkback-Steuerung besitzen. Der »Stomp 4 U« liegt bei 118,− Euro.
Die Ideen von Wolfgang Manns dürften − im Falle der Switch Maid − vor allem für Tontechniker interessant sein, die mit wechselnden Sängern arbeiten und im alltäglichen Gebrauch den Arbeitsalltag vereinfachen wollen. »Vielprobierer« profitieren, weil die Geduld aller Beteiligten weniger strapaziert wird auf der Suche nach einer individuell passenden Lösung, die vielleicht dadurch erst aufgespürt werden kann.
Unterdessen sitzt Manns bereits an weiteren »Problemlösern«: Ein spezialisierter Sub-Mixer soll kommen. Wie auch die anderen Umschalter dient er dazu, den Audio-Alltag zu vereinfachen; als Hilfe, Entscheidungen und Arbeitsprozesse nicht unnötig nach hinten zu verlegen.