Lebhaft natürliche Klänge, die im Handumdrehen zu schneidenden, synthetischen Sounds verwandelt werden können – mit BioTek hat das Unternehmen Tracktion einen mächtigen Software-Synthesizer auf den Markt gebracht, der tiefgreifende Möglichkeiten und neue Ansätze zur Klangmanipulation und Performance mit sich bringt.
Intuitive Performance auf der Wild Page
Sofort ins Auge sticht die optisch ansprechende Oberfläche von BioTek. Allein beim Anblick des großen, künstlerisch gestalteten Panels in der Mitte hat man das Gefühl, Klänge auf kreative Weise erschaffen zu können mit der Frage “Sieht fett aus, aber was tut es?”. Diese Frage ist beim Ausprobieren schnell beantwortet: Bei diesem sogenannten Ring Display handelt es sich um ein großes X/Y-Panel, das alle möglichen Parameter, die sich so in den Hintergründen des Synthesizers befinden, steuert. Dabei ändert sich je nach Position des Zeigers die grafische Visualisierung des Sounds – ob er nun eher technisch/mechanisch klingt oder doch eher sphärisch/organisch-natürlich – je nach Ausprägung sieht man entweder eine dicht besiedelte Großstadt mit Flugzeugen und Satelliten oder eine Naturwelt mit Vögeln und Pflanzen. Die große Anzahl an wirklich beeindruckenden und vielfältigen Presets zeigt dies wunderbar.
So kann man schon eine ganze Weile Zeit verbringen. Einfach eines von vielen Presets laden und auf der Front- bzw. “Wild Page” etwas herumspielen und schauen was passiert. Der Browser bietet für das schnellere Finden gewünschter Sounds übrigens ein ausführliches Tag-System, das die ganzen Sounds mit wenigen Klicks sortiert. Auch mehrere Tags können angeklickt werden – das endet in den meisten Fällen aber zu keinem Treffer.
Das Konzept von Tracktion wird klar: In BioTek ist es nicht notwendig, tief in den Synthesizer einzutauchen, um an den Sounds zu schrauben. Auf der Wild Page findet man bereits in übersichtlichen Panels die wichtigsten Parameter für die Oszillatoren, Filter, Envelopes, LFOs, Effekte und so weiter. Diese Wild Page kann für jedes Preset individuell angepasst werden. Da man hier jeden Parameter auch mit MIDI ansteuern kann, eignet sich diese Oberfläche auch optimal für die Live-Performance.
Von der Wild Page zur Edit Page
Aber wir wollen natürlich wissen, was für technische Mechanismen in Gang gesetzt werden, damit natürlich-klingende Sounds herauskommen und schauen uns deshalb den Edit Modus an, der oben neben dem Preset-Namen angeklickt werden kann.
Hier begegnet man den vertrauten Umgebungen eines Synthesizers, die in der obigen Leiste angeklickt werden können: Instrument, Sound, Oscs, Filter / Amp, Effects, Arp und Matrix. Weiter unterhalb befinden sich Envelope Generatoren und LFOs, die unabhängig von der einzelnen Umgebung für ein schnelleres Routing stets sichtbar sind. Bereits auf der ersten Ansicht mit dem Namen “Instrument” erscheint eine weitere Besonderheit von BioTek: Layering!
Ein Preset bei BioTek bedeutet nicht nur ein Sound. Man kann mit einem kleinen “+” Button einen weiteren Sound hinzufügen, ihn bearbeiten und mit einer bestimmten Lautstärke und Panning-Ausrichtung zum ersten Sound hinzufügen. Bei einigen Presets sind sogar Drum-Loops als Sound vorhanden, die auf der Wild Page eingefadet werden können.
Beispielsweise besitzt das Preset “A New Morning” satte 8 Sounds, die alle in den Genuss der Synthese von BioTek kommen. Schon hier wird deutlich: mit diesem Synthesizer bekommt man wirklich satte und vielfältige Sounds hin.
In der Instrument Ansicht kann das Preset darüber hinaus noch mit einem Namen, Kategorie, Beschreibung und so weiter beschriftet werden. Eine solche Beschriftung ist auch für die einzelnen Sounds des Presets mit einem Klick auf die nächste Ansicht “Sound” möglich. Hier hat man darüber hinaus noch weitere Einstellungsmöglichkeiten wie Key- und Velocity-Ranges, damit beispielsweise manche Sounds des Presets nur in bestimmten Key-Ranges erklingen.
Ein Blick auf die Oszillator-Page zeigt eine weitere Stärke von BioTek. Ganze vier Oszillatoren bietet der Synthesizer an, die sogar mit FM-Synthese miteinander verschaltet werden können! Oben links im obigen Bild sehen wir zum Beispiel, dass der zweite Oszillator den ersten frequenzmoduliert und der vierte Oszillator den dritten in der Frequenz moduliert – wenn man nun mit dem dB-Level-Regler der einzelnen Oszillatoren spielt, kommen so schon recht abgefahrene Klänge bei rum. An Wellenformen bietet BioTek die klassischen Varianten wie Sinus, Dreieck, Sägezahn, Rechteck, weißes und rosa Rauschen an, man kann aber auch eine große Anzahl an mitgelieferten Samples und auch eigene Samples als Source wählen, um diese dann in der weitergehenden Klangmanipulation zu bearbeiten.
Modulation und Routing
Insgesamt acht LFOs und vier Envelope Generatoren stehen dem User zur Verfügung, um mächtig Bewegung in den Sound zu bringen. Dabei kann zum Beispiel eine Hüllkurve auf Parameter von mehreren Sounds eines Presets angewendet werden. Das Tolle bei den Envelopes ist, dass man mit einem Doppelklick beliebig viele Knotenpunkte in die Hüllkurve einsetzen kann!
Gerade organische Sounds oder natürliche Klänge haben komplexere Muster in der Lautstärke-Entwicklung als eine klassische ADSR-Hüllkurve hergibt. Die Steilheit der einzelnen Knotenpunkte kann dann mit einem Kontroll-Punkt per Drag&Drop bestimmt werden – ein meiner Meinung nach großartiges Feature von BioTek.
So wie die Envelopes, die übrigens in einem bestimmten Bereich geloopt werden können, können auch die LFOs auf jeden, beliebigen Parameter geroutet werden. Hier hat man sogar die Möglichkeit, verschiedene Typen und Geschwindigkeiten als Schnellstarter abzulegen. Das macht quasi aus einem LFO eine ganze Reihe verschiedener LFOs, die mit dem weißen Curser an der Seite unten im Bild angesteuert werden können. Da man die LFOs auch auf die Wild Page legen kann, macht es das zu einem starken Live-Tool, wenn man während der Performance unterschiedlich schnelle “Wobbles” erzeugen möchte.
Wenn das mal nicht viele Optionen sind, den Klang zu formen. Wer noch tiefer in den Klang eingreifen möchte, kann mit der vorhandenen Modulations-Matrix noch all mögliche Routings durchführen und beispielsweise Klang-Parameter auf das Modulations-Rad oder Pitch-Bend des Keyboards ablegen.
Zusammenfassung
BioTek von Tracktion ist definitiv ein sehr mächtiger Synthesizer, der es mit bisherigen Synthesizer-Standards aufnehmen kann! Besonders das Layering-Verfahren und die frei-gestaltbaren Hüllkurven gefallen mir sehr gut. Für Soundexperten ist der Synth gut geeignet, um sehr komplexe Routings und Klangverläufe zu gestalten – es erfordert allerdings eine gewisse Einarbeitungszeit, um mit den ganzen Features umgehen zu können, die einen anfangs vielleicht erschlagen mögen. Trotz allem ist der Synthesizer meiner Meinung nach sehr strukturiert und übersichtlich gestaltet. User, die eher an der Oberfläche bleiben möchten, sind mit der Wild Page und den unterschiedlichen Presets bestens bedient. Hier hat man viele Möglichkeiten, Klänge zu entdecken. Gerade bei Sounds, die noch mit Vogelgezwitscher oder Klängen von Wasser beschmückt sind, wird man die Natur von BioTek kennen lernen.
BioTek ist für knapp 150 € für Windows, Mac und Linux auf der Herstellerseite erhältlich. Damit zählt der Synthesizer zwar nicht zu den günstigsten seiner Zeit, die Möglichkeiten und Features, die man allerdings hier bekommt, sind es aber dennoch Wert, sich den Synthesizer mal genauer anzuschauen.
www.tracktion.com/products/biotek